Читать книгу Die Suizid-App - Peter Raupach - Страница 4

Depression

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Es roch streng in der Wohnung, doch Felix schien es nicht zu bemerken.

Gedankenverloren zeichnete sein Zeigefinger die braunen Kreise der Kaffeeränder der letzten Wochen auf dem Tisch nach.

Eigentlich war ihm im Moment alles egal. Der Fernseher lief, der Ton war abgestellt. Die Nachrichtensprecherin malte mit dicken Lippen nicht hörbare Botschaften.

Eine grünschillernde Fliege kotete seit Minuten auf die Glasscheibe des Fernsehers. Die Nachrichtensprecherin feuchtete sich sinnlich die Lippen mit ihrer Zunge an.

Der kleine gelbe Kothaufen der Fliege blieb scheinbar an einem Schneidezahn haften.

Der Pizzafahrer nahm wie immer das Geld vom Schlüsselkasten im Flur und schloss leise die Tür.

Im Treppenhaus wischte er sich verstohlen die Hand an seiner Hose ab, als er im Halbdunkel Richtung Paterre ging.

Nachtfalter und Mücken umkreisten die brummenden Neonleuchten im Hausflur. Er war jedes Mal froh, wenn er diese Lieferung hinter sich hatte. In den letzten Wochen war ihm dieser Kunde zu unheimlich geworden.

Ein Teil der Gardine warf scherenschnittartige Schatten auf den Boden. Sie war seit Wochen im Fenster eingeklemmt.

Es begann zu regnen. Die flackernden Schatten wurden trüb.

Felix rutschte in die Nacht. Die Zeitschaltfunktion des Fernsehers funktionierte tadellos, Punkt drei Uhr nachts erlosch der Bildschirm, um sechs Uhr flammte das blassblau flackernde Licht wieder auf.

Felix musste den Kopf nicht heben, denn der Couchtisch vor ihm ließ eine Sicht auf das Fernsehbild zu. Nur eine kleine Schachtel und sein iPhone bildeten einen imaginären Höhenzug.

Im Internet hatte er gelesen, dass es sich bei einer Depression um eine ernste behandlungsbedürftige Erkrankung handeln würde, deren Symptome sich der Beeinflussung durch Willenskraft entziehen würden.

Es sollte angeblich verschiedene Formen geben.

Der Arzt gab ihm die kleine Schachtel, die jetzt neben dem iPhone lag, mit den Worten:

„Das wird schon wieder, haben Sie Geduld. Ach ja, in Ihrem Fall mache ich mal eine Ausnahme. Da Sie noch relativ jung sind mit Ihren 37 Jahren, gebe ich Ihnen ein neues Mittel mit, welches nicht müde macht. Wenn es Ihnen bekommt, können Sie bald wieder arbeiten gehen. Aber vorsichtig! Es ist stark, da reicht eine. Und hören Sie, keinen Alkohol dazu! Schwester, ich brauche noch den Befund von Frau…Ach Herr….schönen Tag dann noch, äh gute Besserung.“

Erst draußen vor dem Haus der Arztpraxis bemerkte er, dass ihm der Arzt zusammen mit der Schachtel Tabletten eine kleine Werbekarte mit der Adresse einer Selbsthilfegruppe gegeben hatte.

Er nahm sein Telefon und tippte die Nummer ein. Nach mehrmaligem Läuten ging der Anrufbeantworter an:

„Hallo Hilfesuchender, unser Büro ist täglich geöffnet von zehn bis sechzehn Uhr, außer samstags und auch nicht an den Sonn- und Feiertagen. Die Selbsthilfegruppe trifft sich jeden Freitag sechzehn Uhr. Mindestens ein Psychologe und Lebensberater ist jeden Freitag mit dabei. Falls Du in großer Not bist, wähle bitte die folgende Nummer von Doktor Schwenker, die lautet…“

Felix legte auf, dabei glitt sein Blick auf die Uhrzeit, es war drei Uhr nachts. Etwas hatte ihn geweckt. Ach ja, der Fernseher hatte sich abgeschaltet, dachte Felix verwirrt.

Er ging in die Küche, um sich einen Tee zu machen. Ohne nachzudenken nahm er eine der benutzten Tassen, füllte sie zur Hälfte mit Rum, warf einen Teebeutel hinein und goss etwas heißes Wasser aus dem Schnellkocher darüber.

Felix wollte nun möglichst schnell etwas über die Selbsthilfegruppe erfahren. Deshalb balancierte er die Tasse ins Wohnzimmer und setzte sich wie fast jede Nacht an seinen Laptop.


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