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5.

Claudia war noch vor der Ausgabe, aber gleich danach war sie dran. Hans verzichtete darauf, sie nun anzusprechen. Erst, wenn sie ihr Mahl in den Händen hielt, konnte er sich zu ihr gesellen. Er beobachtete sie und würde zu ihr gehen, wenn sie sich an einen der Tische gestellt hatte, die für die Gäste hier aufgestellt waren.

Sie war optimal eingestellt, bestellte sich das Gewünschte, eine Currywurst mit Pommes Frites, eine Neuheit des letzten Jahres auf Helgoland, hatte das Geld abgezählt in der Hand, tauschte es gegen die gewählte Ware und ging vom Tresen weg. Dabei schaute sie sich um, zum einen, um noch einen der freien Stehtische zu ergattern, andererseits aber, um sich zu vergewissern, dass sie noch Zeit hatte, ihre Speise zu vertilgen, ohne in Zeitnot zu geraten.

Sie erblickte Hans, als er von einer Seite auf sie zu kam. Und sie reagierte erfreut, ohne sofort etwas zu sagen. Hans machte es ähnlich. Es war auch nicht erforderlich, etwas zu sagen, was sie beide betraf. Er liess sie beim Essen in Frieden. Soviel Zeit musste sein!

„Hascht du schon etwas gegesse?“ mampfte sie dann doch. War sie in Sorge um ihn? Nein! Es waren nur Frage und Feststellung der Tatsache.

„Habe ich, vor meiner Inselbesichtigung.“

„Dann bischt du doch scho wieder hungrig! Möchtescht du von der Wurscht noch etwas abhabe?“

„Nein, danke!“ sagte er, griff aber doch an ihren Pappteller und nahm sich einen der Pommes Frittes, tauchte es in den Ketchup und steckte es in den Mund. Hätte er es nur gelassen! Nun bekam er wieder Hunger! Aber ein Blick auf die Uhr zeigte, das in spätestens zehn Minuten das vorletzte Börteboot zur Rüm Hart ablegen würde. Sie hatten sich vorgenommen, dieses Boot zu nehmen, weil sie annahmen, das letzte würde brechend voll sein und sie müssten in dem schwankenden Boot zwischen vielen anderen letzten Fahrgästen stehen. Also verkniff er sich seinen aufkommenden erneuten Hunger.

„Wir können ja auch schon hier unsere Doppelkäufe untereinander aufteilen, so dass jeder nur den für ihn geltenden freien Einkauf bei sich hat!“ sagte Hans.

„Sicher! Das wäre auf jeden Fall unauffälliger! Wie hascht du mich gefunden?“ wollte sie dann aber erst einmal wissen.

„Ich habe dich schon von oben, von der Treppe aus gesehen!“ antwortete er, nicht ganz unverlegen, obwohl es stimmte. Er staunte selbst darüber, denn ihr Gesicht hatte er ja aus der Entfernung nicht erkennen können. Und ihre Windjacke hielt sie noch immer über die Schulter geworfen. Was machte diese Frau auch auf diese Entfernung hin für ihn so unverwechselbar? Er hätte die Frage nicht beantworten können!

„Hascht du auch einen Rundgang gemacht?“ wollte sie wissen.

„Habe ich, aber ohne Führung!“

„Dann hascht du auch nicht viel versäumt!“ sagte Claudia kauend.

„War die Führung nicht gut?“

„Doch, schoo, aber an einigen Stellen hätte ich mir mehr Zeit gewünscht, und andere Dinge hat er viel zu breit ausgewalzt,“ sagte Claudia und macht eine wegwerfende Handbewegung, „typisch Führung eben! - Und wie war es bei dir?“

„Exzellent!“ sagte Hans fröhlich, „Keine Führung, kein Gelaber, alles so wie gewünscht! Und es war für mich unglaublich beeindruckend! Allein ...“

„Wenn dir niemand etwas erklärt, hat doch ein Rundgang gar keinen Sinn!“ behauptete Claudia einfach, ihn unterbrechend, und ass weiter.

„Wenn du davon ausgehst, dass alles stimmt, was dir gesagt wird, hast du sicher Recht, aber vieles ist auch gelogen und hinzu phantasiert.“

„Du schaust so hungrig auf meine Wurst!“ sagte Claudia, ihn musternd, „Möchtest du nicht doch, dass ich dir davon abgebe? Isch muss das nit alles habe!“

„Nein danke! Ich habe vorhin auf dem Oberland auch eine Wurst gegessen!“ sagte Hans und wurde sich gleichzeitig bewusst, dass er eine Chance vergeben hatte, Claudia näher zu kommen. Sie hätte ihre karge Mahlzeit mit ihm geteilt, aber er hatte es ausgeschlagen! Er spürte es, bevor sie mit ihrem Essen fertig war, aber er spürte zugleich auch, dass sie das einander nicht näher gebracht hätte. Claudia war nicht sehr viel kleiner als er, bemerkte er nun, als sie sich an dem Stehtisch gegenüber standen. Er blickte am Tisch vorbei nach unten und bemerkte, dass sie keine Schuhe mit hohen Hacken trug. Sie war also so gross, wie sie jetzt auf ihn wirkte! Von einer Currywurst mit ein paar Pommes dazu konnte sie kaum satt werden!

Er sah sie an, denn nun hatte er sie ohne Anorak vor sich. Und was er sah, gefiel ihm. Claudia hatte eine interessante Oberweite, von der er zwar fast nur die breiten Schultern sah, weil alles andere durch ihre Kleidung verdeckt war, aber er glaubte auch, erkennen zu können, dass ihr Busen ihn beeindrucken könnte. Auch von ihren Armen war nicht viel zu sehen, denn die weisse Bluse hatte weite Ärmel.

Er blickte auf die Uhr, als Claudia den Pappteller mit dem restlichen Ketchup in den bereit stehenden Müllkorb geworfen hatte. Es war genau die für ihr Treffen vereinbarte Zeit! Hans rätselte, wie es Claudia gelungen sein mochte, genau zu dem Zeitpunkt, den sie miteinander abgesprochen hatten, mit ihrer kargen Mahlzeit fertig zu sein und selbst an dem vereinbarten Standpunkt auf ihn zu warten - was sich ja nun erübrigt hatte. Sie hatten sich schon vorher getroffen, hatten nun ihre zollfreien Einkäufe auf einen für Gäste der Insel zulässigen Stand getauscht, und waren bereit für das Übersetzen mittels des vorletzten Börtebootes von Helgoland zur Rüm Hart, die auf der Reede auf auf ihre Fahrgäste wartete.

Gemächlich schritten sie auf die Zollabfertigung zu, liessen sich kontrollieren, mussten dazu ihre Tüten öffnen, und gutmütig-hinterhältige Fragen beantworten, zum Beispiel die an Claudia: „Sie rauchen?“

„Nein, aber mein Verlobter in Heidelberg!“

Dagegen war vom Zoll her nichts zu sagen.

Das versetze Hans zwar in Erstaunen, aber bevor er sich richtig wundern konnte, wurde er gefragt, wozu er die vielen Kosmetika in seiner Tüte benötige. Er darauf: „Ich habe sie für meine Freundin auf St.Pauli gekauft. Dort sind Kosmetika gefragte Artikel.“

Das war ebenso gelogen, aber auch in nur in der erlaubten Menge da. Die Zöllner konnten ihnen nichts anhaben. Man liess sie ziehen. Aber es blieben Fragen, die zwischen ihnen nun zu klären waren! Claudia fing damit an, sobald sie wieder an Bord der Rüm Hart waren.

„Du hascht eine Freundin auf St. Pauli?“

„Nicht nur eine!“ gab Hans an, und tat selbstbewusst wie ein dicker Eskimo auf seinem Schlitten. Obwohl er nicht die geringste Ahnung hatte! Und natürlich auch keine Freundin dort! Er hatte bislang überhaupt keine Freundin!

„Aha! - Dann bist du vielleicht ein - Zuhälter?“

Er wollte mit einer flapsigen Bemerkung antworten, aber er spürte, dass es ihr um die Wahrheit ging. Er sah keine andere Möglichkeit, als Claudia damit für sich zu gewinnen. Nur damit, dass er sie nicht nur umwarb, sondern ihr auch noch erzählte, dass er sich bisher vergeblich darum bemüht hatte, Frauen für sich zu gewinnen. Er erzählte ihr zunächst einmal, dass er dem Zollbeamten gegenüber gelogen hatte.

Liebesbeben

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