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4. Kapitel
ОглавлениеDer Gewalttätige geht herum und wählt sein Opfer.
Silke führte sie am Lausitzer Platz in ein nordafrikanisches Restaurant. Souliman schien nicht so recht zu wissen, wie er mit der Situation umgehen sollte. Ganz offensichtlich drohte ihm keine Gefahr, aber so ganz geheuer war ihm die Situation anscheinend auch nicht.
Als sie sich an einen Tisch ganz am Ende des Restaurants gesetzt hatten, forderte ihn Mansur auf, seine Geschichte zu erzählen. Zur allgemeinen Überraschung erzählte er die in ganz passablem Deutsch.
Ich komme aus einem kleinen Fischerdorf aus der Region Thiès. Mein Vater, mein Großvater, alle Männer in unserer Familie waren Fischer. Eigentlich hatte ich nicht im Traum daran gedacht, dass ich eines Tages etwas anderes als Fischer werden sollte. Aber meine Mutter konnte sich das sehr gut vorstellen. Ich hatte Glück, denn in unserem Dorf gab es eine Schule. Ein Drittel der Kinder im Senegal gehen nicht zur Schule – weil es keine gibt. Mir machte die Schule Spaß. Ich war ein guter Schüler. Meine Mutter war sehr stolz auf mich. Mein Vater machte dagegen immer ein missmutiges Gesicht, wenn ihm meine Mutter von meinen Erfolgen in der Schule erzählte. Er hat damals wohl schon geahnt, dass sie einen Plan mit mir hatte.
Spätestens nach der Grundschule hätte ich mit Vater und seinen Brüdern hinaus zum Fischen fahren sollen. Der Fisch wurde dann von meiner Mutter und ihren Schwägerinnen auf den Märkten bei uns oder in den Nachbardörfern verkauft. Was übrig blieb, wurde geräuchert und ebenfalls zum Kauf angeboten. Der Fischfang hat unsere Familie nicht reich gemacht, aber uns ging es nicht schlecht. Wir hatten ein geräumiges Haus, jeden Tag genug zu essen. Und wir hatten genug Geld, damit ich auf die weiterführende Schule nach Dakar gehen konnte. Es war eine lange und oft lautstarke Auseinandersetzung zwischen meinen Eltern. Schließlich setzte sich meine Mutter durch.
Dakar war für mich eine aufregende und spannende Stadt. Vieles war für mich neu und verlockend. Doch trotz allem: Ich ließ mich nicht ablenken, sondern versuchte, einen möglichst guten Abschluss zu machen. Es war klar, ich sollte auf die Universität. Meine Mutter hatte meinen Vater am Ende mit einem Argument überzeugt: ›Wenn Souliman auf die Universität geht, wird er danach einen guten Job finden und nicht nur dich und mich, sondern unsere ganze Familie ernähren können.‹ Dann diskutierten sie darüber, was ich denn studieren solle. Meine Mutter wollte, dass ich Arzt werde. Mein Vater wollte, dass ich Ingenieur werde. Diesmal setzte sich mein Vater durch. Sein Argument: ›Wenn Souliman Ingenieur wird, dann kann er auch jederzeit den Motor von unserem Fischerboot reparieren. Das spart viel Geld und wir können viel schneller wieder auf Fischfang gehen.‹ Mir war das recht, denn ich habe schon früher immer gerne Dinge repariert und zusammengebaut. Medizin hätte ich nicht so gerne studiert.
Schon während meiner Schulzeit begann es, dass die Fänge immer kleiner wurden. Vor der Küste des Senegals kreuzten große Fangschiffe aus Südkorea und Japan. Die hatten es vor allem auf Goldmakrelen abgesehen. Nach ein paar Jahren konnten wir nur noch wenig Räucherfisch verkaufen, weil der frische Fang kaum für den Marktverkauf ausreichte. Zunächst machten sich Vater und seine Brüder nur wenig Gedanken darüber. Es war schon immer so gewesen, dass es Tage mit einem guten und Tage mit einem schlechten Fang gab. Genauso hatte es gute oder schlechte Jahre gegeben – so wie es auch auf dem Land gute oder schlechte Ernten gibt. Doch auf ein schlechtes Jahr folgte ein noch schlechteres und dann ein noch schlechteres. Dann wurde es wieder ein wenig besser, und die Fischer im Dorf begannen schon wieder zu hoffen, dass der Fisch zurückkommt. Doch es ging weiter bergab.
Ich selbst habe davon gar nichts mitbekommen, weil ich voll mit meinem Studium des Maschinenbaus beschäftigt war. Eines Tages jedoch bekam ich einen Anruf, dass ich sofort in mein Dorf kommen solle. Ich befürchtete schon Schlimmes, glaubte, mein Vater habe Schiffbruch erlitten oder meine Mutter sei sehr krank.
Als ich ankam, wartete schon die ganze Familie in der großen Küche auf mich. Und wenn ich sage, die ganze, dann meine ich auch die ganze – nicht so, wie bei euch Europäern, die Eltern und zwei Kinder, nein. Da warteten alle meine neun Onkels und deren Frauen, außerdem noch meine sechs kleineren Geschwister. Was hatte das nur zu bedeuten?
Mein Vater sah mich ernst an und sagte dann: ›Souliman, du kannst nicht mehr in Dakar weiterstudieren. Wir haben bald kein Geld mehr. Die großen Schiffe da draußen fischen das Meer leer. Wir haben kaum noch etwas, was wir verkaufen können, und wenn wir nichts verkaufen, dann haben wir kein Geld mehr, um dein Studium zu finanzieren. Deswegen haben wir lange beraten, was wir tun können. Du bist auf der Universität, das heißt, du bist der Klügste. Deshalb haben wir unser letztes Geld gesammelt. Damit sollst du nach Europa reisen. Ich habe gehört, dass man in Deutschland sogar Geld dafür bekommt, wenn man zur Universität geht. Zumindest hat mir das ein Mann erzählt, der vor einigen Wochen in unser Dorf kam. Er hat versprochen, uns zu helfen. Du musst also nach Deutschland gehen und versuchen, dein Studium dort fortzusetzen, damit du unsere Familie ernähren kannst. Von dir hängt jetzt alles ab. Wenn es dir nicht gelingt, weiß ich nicht, wie wir in Zukunft noch leben können.‹
Ich konnte mich dem nicht widersetzen. Es war mir klar, dass meine Familie mich brauchte. Außerdem war ich sicher, dass ich erfolgreich sein würde. Schließlich war ich ein guter Schüler gewesen und nun ein guter Student. Wenn sie in Deutschland den Studenten sogar Geld für das Studium zahlen würden, dann könnte ich sicher bald viel, viel Geld nach Hause schicken. Es schien mir völlig logisch, dass gute Studenten auch viel Geld bekommen würden. Aber dann kam alles ganz anders.
Tags darauf lernte ich den Mann kennen, der meinem Vater versprochen hatte, uns zu helfen. Wir trafen uns in einem kleinen Café in der Nähe des Strandes. Ich war überrascht. Der Mann war ein Pakistani. Das machte mich misstrauisch. Woher sollte ein Mann aus Pakistan wissen, dass man für ein Studium in Deutschland Geld bekam? Aber Geld wollte vor allem er. Er stellte sich als Rashid vor und begann sofort, in den höchsten Tönen von Deutschland zu schwärmen. Ich unterbrach ihn und fragte, ob es nicht sinnvoller wäre, nach Frankreich zu gehen. Schließlich würde ich ja die Sprache sprechen. Ich könne kein einziges Wort Deutsch und in Frankreich gäbe es schließlich auch Universitäten. Er verzog angewidert sein Gesicht. Frankreich sei das Allerletzte und die Franzosen seien sowieso Rassisten. Deutschland sei großartig und da käme der Staat für alles auf. Außerdem, so meinte er, habe er einen Cousin in Hamburg, der sich um mich kümmern werde, und ich solle mir keine Sorgen machen. Dann ging es ums Geld. 8 000 US-Dollar wollte er haben. Mir verschlug es die Sprache. Doch mein Vater ließ sich gar nichts anmerken. Rashid rechnete vor, dass diese 8 000 Dollar gerade mal seine Unkosten ersetzten. ›Die Fahrt nach Dakar ist das wenigste, dann mit dem Buschtaxi an die Grenze nach Mali, das kostet dann schon ein wenig mehr. Der Zug kostet Geld, die Reise in den Niger und dann der Weg durch die Sahara. Alleine dafür will der Fahrer 2 000 Dollar. Dann für die Überfahrt nach Italien mindestens noch mal so viel. Und die Tickets erst in Europa. Dann muss ich ja auch meine Mittelsleute und die Bestechungsgelder bezahlen. Und glaubt ihr denn, in Deutschland bekommt man den Stempel für das Studiengeld umsonst und einfach so? Nein, nein, auch da muss man die Rädchen schön schmieren.‹
Das leuchtete mir ein, denn wie sollte ein Land ohne Bestechung funktionieren? Da würde doch alles zusammenbrechen. So wie er sprach, kam mir das alles ganz logisch vor. Trotzdem blieb ein Rest Misstrauen.
Mein Vater hatte mit stoischem Blick zugehört. Mit einer großen Geste griff er in die Innentasche seiner Jacke und zog ein dickes Bündel Dollarscheine heraus. Ruhig zählte er die Scheine herunter. Als er bei 4 000 Dollar war, fiel ihm Rashid in den Arm. ›Halt! Du gibst mir 4 000, den Rest bekommt dein Sohn. Er soll mir die anderen 4 000 erst in Bamako geben. Bis dahin kann ich ihn begleiten und bis dahin wird er auch bemerkt haben, dass ich es ehrlich mit ihm meine.‹
Das schien mir ein fairer Handel zu sein und so langsam begann ich, Vertrauen zu ihm zu fassen. Er mochte zwar ein Pakistani sein, aber er schien vertrauenswürdig.
Rashid riet mir, nicht allzu viel Gepäck mitzunehmen, aber dafür jeden Dollar, den ich auftreiben konnte. Allerdings schärfte er mir ein, mein Geld sorgsam zu verstecken. Die Reise, so sagte er ernst, sei gefährlich, und Verbrecher, Diebe und Halsabschneider lauerten an jeder Ecke. Doch bis Bamako solle ich mir keine Sorgen machen. Bis dahin könne er mich beschützen, und auch danach seien stets Freunde von ihm da, die auf mich achtgeben würden.
Dann der Schock: Ich solle mich jetzt vorbereiten, am nächsten Morgen um sechs würden wir nach Dakar aufbrechen.
Der Weg nach Dakar war mir ja gut bekannt. Wir fuhren mit dem Minibus in die Hauptstadt. Dort erwartete mich die nächste Überraschung: Rashid sammelte dort noch drei andere auf. Zwei junge Männer aus Ghana und Iris, eine Christin aus Kamerun. Wir stellten uns einander vor. Die beiden Ghanaer betrachteten mich voller Misstrauen, Iris dagegen wirkte zwar ein wenig scheu, aber dafür freundlich. Viel Zeit blieb nicht. Rashid trieb uns zu unserem Buschtaxi, das uns bis an die Grenze zu Mali bringen sollte. Ein echtes Buschtaxi ist einem Europäer nur schwer zu beschreiben. Klar ist es auch so ein Minibus. Aber meistens ist es völlig überladen, verrostet und auf dem Dach türmt sich meterhoch das Gepäck.
Die Straße bis an die Grenze war fürchterlich, und wir waren froh, als wir in endlich in Kayes ankamen, wo wir in den Zug nach Bamako steigen konnten. Doch die Reise mit dem Zug war noch schlimmer als die Fahrt mit dem Buschtaxi. Der Wagon stank und schien jeden Moment auseinanderzufallen. Er war völlig überfüllt, aber irgendwie hatte es Rashid noch geschafft, für uns vier ein Plätzchen im Inneren zu ergattern. Es war eng, es war stickig und es war heiß. Schon im Buschtaxi hatte ich bemerkt, dass Iris stets versuchte, Rashid oder mich zwischen sich und die Ghanaer zu bekommen. Und bald war mir klar, dass beide, wann immer sich die Gelegenheit ergab, versuchten, sie zu betatschen. Nun gut, Iris war offensichtlich Christin und da musste sie in der Öffentlichkeit mit so etwas rechnen. Aber das war doch noch lange kein Grund für die Ghanaer, sich so schlecht zu benehmen. Ich hatte einmal versucht, Rashid darauf aufmerksam zu machen, doch der bislang so freundliche Rashid hatte mich nur angeherrscht: ›Ich geb’ dir einen Rat. Solange du unterwegs bist, solltest du dich um deinen Kram kümmern. Alles andere kann lebensgefährlich für dich werden.‹
Jetzt im Zug war Rashid nicht mehr da. Wir hatten uns vor der Abfahrt von ihm verabschiedet, er hatte das Geld von uns eingesammelt und uns eingeschärft, wir sollten uns in Bamako nach Omar al Khalil erkundigen, er würde uns helfen, nach Agadez zu kommen, wo die LKW für die Fahrt durch die Sahara zusammengestellt wurden.
Im Zug drückte sich Iris nun sehr eng an mich. Ich wusste nicht so recht, wie ich mich verhalten sollte. Sie hat das wohl gespürt und flüsterte mir ins Ort: ›Bitte beschütze mich vor den beiden.‹ Ich versprach es ihr. Aber was sollte ich schon gegen die zwei ausrichten, zwei Kerle, die beide gut einen halben Kopf größer waren als ich, und die mir schon mit Blicken und Gesten sehr deutlich gemacht hatten, dass sie Iris als ihre Beute betrachteten? Gesprochen hatten wir bislang noch nicht. Es schien, als könnten sie kein Französisch verstehen. Untereinander sprachen sie einen Dialekt, den ich nicht kannte.
Als es dunkel wurde, begann einer der beiden, Iris derb zu betatschen. Er griff ihr ganz ungeniert an die Brust und warf ihr in seinem Dialekt einige zweifellos obszöne Worte zu.
Ich zischte ihn auf Englisch an: ›Leave her alone!‹
Tatsächlich ließ er sie los und grinste mich an. ›Denk dran, Kleiner, der Zug fährt nicht ewig‹, gab er auf Englisch zurück. ›Morgen früh sind wir in Bamako. Und dann kannst du ja mal den Beschützer von dieser kleinen Schlampe spielen, wenn du Mumm hast.‹
Immerhin ließ er von Iris ab. Der kleine Zwischenfall war nicht unbemerkt geblieben und es begann ein zorniges Zischen und Murmeln. Iris drückte sich an mich und flüsterte mir ins Ohr, dass das nicht das erste Mal gewesen sei, und dass der größere, der jetzt auf Streit mit mir aus war, ihr in der Nacht vor unserem Zusammentreffen tatsächlich schon etwas angetan hätte. Aber jetzt sei ich ja da und würde ihr helfen. Verzweifelt erklärte ich ihr, dass wir gegen zwei solche Bullen wohl auch gemeinsam keine Chance hätten.
›Wer redet denn von zweien?‹, fragte sie geheimnisvoll und grinste dabei böse.
Ich dachte noch lange darüber nach. Eigentlich war ich viel zu aufgeregt, um Schlaf zu finden, doch dann muss ich irgendwann doch eingenickt sein.
Am nächsten Morgen rollte der klapprige Zug im Bahnhof von Bamako, der Hauptstadt Malis, ein. Der Zug stand noch nicht einmal richtig, da raffte Iris alle ihre Habseligkeiten zusammen, um so schnell wie möglich aus dem Wagon zu kommen.
Im Zug regte sich erst langsam das Leben wieder. Die beiden Ghanaer schienen noch tief und fest zu schlafen. Wir gehörten zu den ersten, die den Zug verließen und machten uns auf die Suche nach Omar al Khalil. Tatsächlich mussten wir nicht lange suchen. Er war allerdings ein wenig verwundert, dass wir nur zu zweit waren.
›Wo sind John und Stuart?‹ fragte er.
Iris zuckte nur mit den Schultern und sagte, sie hätten noch geschlafen. Omar tat so, als habe er Iris gar nicht gehört. Er starrt mich an, als erwarte er von mir die Antwort und ich wiederholte die Worte von Iris.
Nur wenig später kam einer der beiden Ghanaer mit wutverzerrtem Gesicht auf uns zu.
›Wer von euch hat das getan?‹, schrie er.
Omar schritt dazwischen. ›Bist du John oder Stuart?‹
Der andere holte tief Luft. ›Sie haben ihn umgebracht, sie haben Stuart umgebracht.‹
Omar nickte bedächtig. ›Dann bist du wohl John.‹
Der schaute ihn halbirre an. ›Klar bin ich John.‹ Er deutete auf uns beide: ›Die haben Stuart umgebracht.‹
Iris fragte mit einem unschuldigen Augenaufschlag: ›Warum sollten wir das tun?‹
Omars Augen verwandelten sich wieder zu Eis und ich begriff, dass ich nun gefordert war. ›Als wir den Wagen verließen, da hat er noch gelebt, unüberhörbar. Er hat laut geschnarcht. Vermutlich hast du ihn um die Ecke gebracht, um an sein Geld zu kommen.‹
John quollen beinahe die Augen aus den Höhlen: ›Du Schwein‹, brüllte er mich an und wollte auf mich losgehen, ›das wirst du mir büßen.‹
Omar stellte sich zwischen uns und hatte plötzlich einen Revolver in der Hand. ›Ihr habt gewusst, dass ihr euch auf eine gefährliche Reise einlasst. Was willst du? Es ist der Wille Allahs. Beruhige dich und lass Souliman in Ruhe. Er sieht mir nicht nach einem Mörder aus, und wenn Stuart bis gerade noch gelebt hat, dann muss es ja wohl jemand anderes gewesen sein.‹
John atmete schwer und funkelte uns an. Omar hielt es für besser, uns vorerst zu trennen. Er verließ mit John den Platz und schärfte uns sein, hier solange auf ihn zu warten. Ich verstand gar nichts mehr.
›Wieso ist der Ghanaer tot, er war doch noch quicklebendig?‹, fragte ich.
Sie zog eine etwa 20 Zentimeter lange, dünne Stricknadel aus ihrem Bündel. ›Wenn ich damit an der richtigen Stelle zusteche, merkt er es nicht einmal und er verblutet innerlich.‹
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. ›Was erzählst du da?‹
Sie schaute mich belustigt an. ›Sagt dir Sissi, die Kaiserin von Österreich etwas?‹
Ich zuckte mit den Schultern. ›Nie gehört.‹
Iris erklärte: ›Sie ist genau so gestorben. Ein Attentäter hat sie mit einer schmalen Feile bei einem Spaziergang am Genfer See erstochen und sie hat es nicht einmal bemerkt. Sie wurde plötzlich ganz schwach und fiel tot um.‹
Ich war völlig überrascht. ›Woher weißt du das alles?‹
Sie wiegte leicht den Kopf. ›Ich bin vielleicht ein Mädchen, aber dumm bin ich nicht – und Geschichte interessiert mich einfach. Außerdem bin ich gelernte Krankenschwester. Ich weiß also schon deshalb, wie man möglichst effektiv zusticht.‹
Die letzten Worte hatten schon einen kleinen bedrohlichen Unterton, dachte ich noch. Da wurde es mir plötzlich heiß und kalt und ich realisierte: Sie hatte es getan. Sie hatte es tatsächlich getan und ihren Vergewaltiger umgebracht. Offenbar hatte sie nur auf diese Situation gewartet, um ihn auszuschalten. Ob die Bitte um Hilfe nur ein Ablenkungsmanöver war? Ich weiß es bis heute nicht.