Читать книгу Der EMP-Effekt - Peter Schmidt - Страница 12

6

Оглавление

Zu ihren Füßen lag die Steilküste, graue, glattgewaschene Felsen ragten hier und da aus dem Sand, und über den vorgelagerten Riffen stand eine Wolke aus Dunst: feine Wasserperlen, von der Brandung hochgeschleudert und durch unermüdlich über die Steine platzende Wellen erneuert, die schäumend gegeneinander arbeiteten.

Manchmal trieben mit den Böen kaum merkliche Wasserschleier zu ihnen herauf, und dann gingen die beiden Männer unwillkürlich schneller, obwohl sie Gummistiefel und graues Regenzeug trugen.

Der Weg – nicht mehr als ein schmaler, sich windender Streifen im Grün – war hier oben sandig und von faustgroßen Steinen durchsetzt. Einmal blieb einer der beiden stehen und legte seine Hand über die Augen. Der helle Fleck vor ihnen, ein ehemaliges Bauernhaus, duckte sich tief in die moosbewachsene Senke.

Rauch stieg aus seinem weißgetünchten Backsteinkamin auf. Im graugrünen Dunst versinkend erhoben sich dahinter weitere bemooste Hügel, und links sah man die schmale, von Löchern zerfurchte Asphaltstraße mit den Telegrafenmasten.

«Glauben Sie, dass er auf diese Weise unter Kontrolle zu bekommen ist, Eathscott?», fragte der ältere der beiden.

«Ich bin nicht sicher.»

«Wir müssen seine Schwachstellen finden.»

«Es gibt einige, aber ich frage mich, ob die alten Methoden nicht wirksamer waren …»

Der andere blieb stehen. Er hatte ein hageres, ernstes Gesicht. Fast gutmütig, dachte Eathscott. Es wunderte ihn immer, dass jene, die am meisten Dreckarbeit zu verrichten hatten, oft wie Engel aussahen. Oder wie biedere Professoren eines Theologiekollegs. Aber vielleicht war diese Verwunderung nur seiner Jugend zuzuschreiben und er war etwas zu spät geboren. Selbst manche Naziverbrecher hatten bei den Nürnberger Prozessen wie harmlose Buchhalter ausgesehen, wenn man den alten Filmaufnahmen glauben durfte …

«Träumen Sie, Eathscott?»

«Verzeihung, Sir.»

«Ich sagte: Sie mögen wirksamer gewesen sein. Sicherer und schneller, wenn Sie das meinen.»

«Ja, natürlich.»

«Aber auch barbarischer. Heutzutage widmet man unserer Arbeit besondere Aufmerksamkeit. Die Presse, die Parlamente – selbst die Verbündeten gäben was darum, uns als mordlüsterne Teufel darzustellen. Sie wollen ihre Vorurteile bestätigt finden – und wenn möglich auch noch damit Geschäfte machen. Nein, diese Zeiten sind vorüber.»

«Wenigstens im großen und ganzen.»

«Zum Glück gibt es noch andere Wege.»

«In einer Angelegenheit von dieser Tragweite sollte man immerhin darüber nachdenken.»

«Glauben Sie wirklich? Ich weiß nicht.»

Sie umrundeten eine Mulde, in die der Wind, Gott weiß woher, gelbe und braune Blätter getrieben hatte. Weit und breit gab es keinen einzigen Baum.

«Wenn es Menschenleben betrifft, ja.»

«Sehen Sie», sagte der Ältere. «Als Sie noch nicht einmal geboren waren, warfen die Nazis Bomben auf London. Wir waren zu zwölft in einem Keller verschüttet, die Decke drohte einzustürzen. Kinder, alte Männer, Frauen, auch eine Schwangere. Ich war der einzige junge Mann unter ihnen. Über uns gab es einen eisernen Deckel. Doch um zu ihm hinaufzugelangen und Hilfe zu holen – es war stockfinster und kalt, die Halle des stillgelegten Heizungstrakts eines ehemaligen Gerichtsgebäudes –‚ hätte ich in einer halsbrecherischen Kletterpartie über morsche Zwischenwände, die bereits absackten, an einer dünnen Abwasserleitung entlang klettern müssen: in acht Metern Höhe über den eisernen Heizkesseln, die mit Alteisen und herabgestürztem Gemäuer bedeckt waren …

Ich weigerte mich damals. Irgendein guter Engel gab mir ein, mich nicht zu opfern. Sehen Sie Eathscott, es wäre wirklich ein Opfer gewesen. Wie sich nachher herausstellte, stürzte die Abwasserleitung von allein herab. Sie hätte gar nicht mehr meines Gewichts bedurft. Wahrscheinlich stände ich jetzt nicht vor ihnen.»

«Und die Menschen im Keller?»

«Zwei Stunden später wurden wir von einem Suchtrupp befreit.»

«Verstehe, was Sie damit sagen wollen: Manchmal scheint es, als müsse jemand sich für die Allgemeinheit opfern. Aber dann findet alles eine überraschende Lösung.»

«Das will ich damit sagen.»

«Aber liegt unser Fall nicht anders?»

«Ich wüsste nicht, wieso.»

Im oberen Fenster des Hauses erschien ein Mann in dunkler Uniformjacke und sah ihnen eine Zeit lang mit dem Fernglas entgegen.

«Wer ist das?», fragte Whyler.

«Kendall. Übernimmt in dieser Gegend Polizeiaufgaben. Ist befugt, jedes verdächtige Fahrzeug in der Nähe des Hauses zu überprüfen – gegebenenfalls auch von uns fernzuhalten. Wegen seiner Uniform erregt er bei den Einheimischen keinen Verdacht.»

«Ausgezeichnet, Eathscott. Als ich eben vom Schiff ging, fragte ich mich, ob ich hier denselben Haufen seniler alter Narren antreffen würde wie in West Hartlepool, wo sie gerade daran arbeiten, den Schweden wegen der Verletzung ihrer Hoheitsgewässer durch fremde U-Boote zur Hand zu gehen. Man erprobt ein neues Unterwasserfrühwarnsystem. Als Freundschaftsgabe, obwohl sie nicht einmal Mitglied der NATO sind. Aber es ist so wirkungslos wie seine Vorläufer.»

«Unsere Aufgabe liegt völlig anders. Und wir hoffen natürlich, erfolgreich zu sein.»

«Richtig, wo waren wir stehengeblieben?»

«Eine simple Rechenaufgabe, Sir: Wie viele Menschen man für einen einzelnen opfern will.»

«Oder ob ein einzelner für viele geopfert werden sollte? Nein, das wären nur hypothetische Fragen. Wir wissen nicht, ob es jemals soweit kommen wird.»

«Ich denke, das ist ein großes Glück, Sir. Unsere Hoffnung.»

«Ihre Frage müsste anders lauten: Ob man einen einzelnen opfern will für den Vorteil vieler. Ein Vorteil, der erst eigentlich ein Vorteil ist, wenn ihn nur eine Seite – unsere Seite – besitzt.»

«Das bringt mich auf den Gedanken Sir, ob es nicht besser wäre, wenn beide Seiten darüber verfügten?»

«Nach der gegenwärtigen westlichen Doktrin, die von unseren großen Freunden drüben befürwortet wird, wohl kaum. Wir wollen Überlegenheit, kein Gleichgewicht.»

Sie waren vor dem Haus angelangt. Whyler nahm seinen Südwester ab und schlug ihn vor der Fußmatte aus. Eathscott klopfte dreimal in längeren Abständen gegen die Holztür. Ein Mann in grobem Rollkragenpullover öffnete. Der Geruch von feuchtem Baumwollläufer schlug ihnen mit der Ofenwärme entgegen.

«Was Neues, Gatsby?»

«Es scheint, als bereite sich Bukarest auf einen heißen Empfang vor. Drei ihrer Spezialisten arbeiten an der Präparierung seines Hotelzimmers.»

«Schon was über die Methode herausgefunden?»

«Sie werden irgendeinen ihrer üblichen schäbigen Tricks anwenden, um ihn in Abhängigkeit zu bringen. Verstoß gegen die Einreisebestimmungen, Devisenvergehen oder dergleichen.»

«Oder Spionageverdacht?»

«Das würde im Westen zuviel Aufsehen erregen.»

Eathscott nickte. «Ja, damit haben sie zu viele schlechte Erfahrungen gemacht.»

«Wir versuchen auf dem laufenden zu bleiben.»

«Und der Amerikaner?»

«Erfolgreich.»

«Sie meinen wohl, auf dem besten Wege dazu?», fragte Whyler.

«Das ist genauer, Sir.»

Der Korridor öffnete sich ohne weitere Tür zu einem großen Raum, der einmal das Wohnzimmer gewesen sein mochte. Neben dem zugemauerten Kamin stand ein gusseiserner Ofen. Den größeren Teil des Zimmers nahmen zwei hölzerne Kartentische ein. Auf der Anrichte an der Wand befand sich das Funkgerät. Neben einem der Tische saß ein etwa vierzigjähriger Mann, den dreiviertellangen Ledermantel mit hellem Kragenbesatz über der Stuhllehne neben sich. Seine tiefliegenden Augen warfen Whyler einen erleichterten Blick zu.

«Gut, dass Sie kommen», sagte er mit deutschem Akzent. «Ich bin eigentlich schon auf dem Rückflug.»

«Was Besonderes, Holler?»

«Es kam heute morgen über die üblichen Kanäle.» Er reichte ihm ein Blatt Papier.

Whyler las es schweigend. Dann gab er es an Eathscott weiter. «Die Amerikaner favorisieren den direkten Weg», meinte er mit trockener Stimme.

«Sagen sie es so geradeheraus?»

«Natürlich nicht, man muss es zwischen den Zeilen lesen. Sie bezweifeln, dass er auf Dauer kontrollierbar sein wird, ganz gleich, was wir mit ihm anstellen. Sie stellen es einfach in den Raum und lassen uns die Schlüsse daraus ziehen.» Er stützte sich schwer mit einer Hand auf den Tisch und schüttelte den Kopf. «Nicht mit mir. Wie denken Sie darüber, Hohler?»

«Ich bin Deutscher – wir haben eine heikle Vergangenheit.»

«Also weiter wie bisher.»

«Hier in Schottland oder drüben in den Staaten mag man das ganz anders sehen. Es gibt Prioritäten, auch wenn man es in keinem Parlament offen aussprechen würde.»

«Sie reden denen doch nicht das Wort, Holler?»

«Ich bin für Fairness. Jedenfalls, soweit es sich realisieren lässt. Meiner Meinung nach ist dieser Bursche völlig unbedarft. Er weiß noch gar nichts von dem Los, das er gezogen hat.»

«Damit stehen Sie aber ziemlich allein.»

«Zwei meiner Leute wurden von ihm in der Wohnung überrascht. Sie machten ihm Andeutungen wegen seiner Vergangenheit, aber ohne Reaktion.»

«Er ließ sich nicht provozieren, wollen Sie sagen?»

«Im Laufe der Jahre bekommt man ein Gefühl für Ehrlichkeit. Er müsste ein ausgezeichneter Lügner sein.»

«Da wäre er nicht der erste.»

«Mag sein. Vielleicht irre ich mich, es gibt genügend Verdachtsmomente.»

«Selbst wenn es sie nicht gäbe», sagte Whyler. «In einer Angelegenheit von dieser Tragweite spielt Unschuld keine Rolle.»

«Unschuld … nein.»

«Also doch eine Fehleinschätzung?»

«So krass würde ich es nicht ausdrücken.»

«Was glauben Sie, Eathscott?»

«Ich neige eher Hollers Auffassung zu – dass er noch nicht vom Osten gekauft wurde. Dagegen spricht schließlich auch die Rührigkeit der Rumänen. Warum sollten sie seine Hotelzimmer präparieren, wenn er längst zu ihnen übergelaufen wäre?»

«Aus Gewohnheit. Und aus Misstrauen.»

«Natürlich würden sie jede Gelegenheit nutzen, ihn noch weiter in Abhängigkeit zu bringen – selbst wenn sie ihn schon hätten. Da bin ich ganz Ihrer Meinung.»

«Demnach wäre unsere Strategie falsch?»

«Ich habe Garling in London …»

«Keine Namen, Eathscott. Auch nicht, wenn wir unter Freunden sind», sagte er mit einem entschuldigenden Seitenblick zu Holler.

Eathscott wandte ihm langsam das Gesicht zu. Mit seinen beiden vorstehenden großen Schneidezähnen erinnerte er Whyler immer an einen dieser albernen amerikanischen Komiker, dessen Namen er vergessen hatte.

«Verzeihung, Sir. Um ehrlich zu sein …»

«Ich bitte darum.»

«… habe ich unseren Vorgesetzten in London gegenüber die Auffassung vertreten, dass man die Gefahr an der Wurzel beseitigen sollte.

Leider bleibt für diese Lösung nur eine Möglichkeit. Aber man meinte,

Sie hätten die Leitung. Sie trügen auch die Verantwortung. London,

Washington und unsere Freunde in Köln hätten sich darauf geeinigt,

Ihnen freie Hand zu geben.»

«Fahrzeug auf der Landstraße, wahrscheinlich PKW», meldete sich eine Stimme aus dem Zimmerlautsprecher oben an der Decke. Der eigentliche Funkraum, zugleich Überwachungsstand der Umgebung, war in der Etage über ihnen untergebracht.

Eathscott ging zum Funkgerät auf der Kommode. «Verstanden – bis auf Sichtweite herankommen lassen.»

«Fahrzeug identifiziert. Unser Londoner Kennzeichen», kam es fünf Sekunden später zurück.

«Das wird mein Wagen sein», sagte Holler. Er stand auf und nahm den Mantel von der Stuhllehne.

Whyler drückte mit deutlicher Sympathie seine Hand. «Sagen Sie denen in Köln, dass wir bei unserem Plan bleiben.»

«Sie leiten die Aktion, darauf kommt es an.»

«Das will ich wohl meinen …», bestätigte Whyler. «Ich leite sie, bis die Falken sie uns aus den Händen reißen», murmelte er undeutlich zur Seite gewandt, während Eathscott mit Holler das Haus verließ, um ihn zum Fahrzeug zu begleiten.

Whyler beobachtete, wie sie den Wagen bestiegen, einen im Lack schon etwas blinden Rover.

Der Deutsche hatte eine unauffällige Art, sich zu bewegen. Selbst neben den beiden Engländern – Eathscott und dem Fahrer – wirkte er nicht wie ein Fremder, sondern gesellte sich unter sie, als sei er nur eine Nummer in der nicht vorhandenen Menge.

Der richtige Mann für uns, nickte Whyler. Die Deutschen würden das alles schon in den Griff bekommen. Nicht auszudenken, wenn Karga in Frankreich gelebt hätte. Oder in Japan. Seine Stirn zog sich in sorgenvolle Falten. Auch Eathscott war seiner Aufgabe gewachsen.

Trotzdem sah er Probleme. Dieser Eathscott war jung, jung und tüchtig. Er würde sein Nachfolger werden, wenn er einen groben Fehler machte. Fehler bei der Abschirmung waren an der Tagesordnung, und nicht erst für die Schweden mit ihren Hoheitsgewässern. Eathscott war guten Willens – guten Willens, aber verführbar. Er hatte nicht lernen können.

Die nach dem Krieg geborene Generation kannte alles nur vom Hörensagen. Jeder begann immer wieder von vorn. Man stelle sich nur vor, es gäbe einen, der das ganze Menschheitswissen ererbt und verinnerlicht hätte, überlegte er – alle Erfahrungen. Der Lamarckismus wäre die einzige ernst zu nehmende Chance für die Welt gewesen.

Aber Eathscott lernte noch, und er lernte schlecht. Er lernte außerhalb der Erfahrung: von bedrucktem Papier und mündlich vorgetragenen Verzerrungen und Übertreibungen.

Deshalb würden sein Ehrgeiz und seine Begabung ihn dazu verleiten, andere, zuverlässigere Mittel anzuwenden, sobald unvorhergesehene Probleme auftraten.

Wenn man ihn anwies, Kargas Schwachstellen zu finden, jene Sollbruchstelle gewissermaßen, an der sie ihn behutsam in ihrem Sinne zurechtbiegen würden, falls er nicht zerbrechen wollte, verstand Eathscott das automatisch so, als werde zur freien Jagd geblasen.

Einer weniger, würde man sagen, was heißt das schon? Und vielleicht hatten sie sogar recht.

Eine weniger im Chor der Seelen. Wer würde ihn vermissen? Seine Freundin? Er würde nicht einmal sich selbst vermissen, dazu fand sich keine Gelegenheit.

Dieser Gott, der nicht existierte, hatte alles sehr klug eingerichtet: Es gab keine Reklamationen, wenn das Jenseits sich als Hirngespinst entpuppte.

Vielleicht war Eathscotts Unbekümmertheit in ihrer Angelegenheit wirklich am Platz, und er sollte sich nicht länger den Schlaf rauben lassen? Ach, zum Teufel mit seinem Schlaf. Der war weniger wichtig – aber es hätte ihnen eine Menge Arbeit erspart.

Als das Motorengeräusch verklungen war, wandte er sich in den Korridor zurück und ließ mit raschem Druck auf den Auslöser des Elektromotors unterhalb der Wandleuchte die mahagonigefasste Spiegelgarderobe zur Seite fahren.

Er schloss den dahinterliegenden Fahrstuhl auf und fuhr nach unten. Der Fahrstuhlantrieb war neu und surrte unwillig.

Im Bunker angekommen, schaltete er das kalte Neonlicht ein und inspizierte die Etage. Ein Teil des unterirdischen Traktes war als Hospital eingerichtet. Wandelgänge mit Sitzecken und hartblättrigen Gewächsen, denen man ihre Herkunft aus der Kunststofffabrik kaum ansah, führten an den Türen entlang. Es gab mehrere Einzelzimmer, alle unbelegt: freundliche Räume mit bequemen Betten und Konsolen und einem Einbaukühlschrank.

Zwei der Zimmer ähnelten durch ihren Grundriss und ihre Größe kleineren Apartments, sie besaßen einen winzigen, mit Kies und Springbrunnen ausgestatteten «Vorgarten». Er war von künstlichem Licht erhellt, das Tageslicht vortäuschte.

Whyler vergewisserte sich, dass man alles nach seinen Wünschen eingerichtet hatte. Auch der kleine Saal mit seinen ansteigenden Sesselreihen und der nur von dieser Seite aus durchsichtigen Spiegelglaswand, in dem die Generalstäbler sitzen und das Verhör beobachten würden, war bereits fertiggestellt.

Dann kehrte er mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss zurück und ging die enge, steile Treppe zu seinem Zimmer hinauf, einem schmalen, langgestreckten Raum, der einmal die Magd beherbergt haben mochte.

Er enthielt nichts weiter als ein Bett mit hohem Fuß- und Kopfende und einen Kleiderschrank, aus dem ihm muffiger Holzgeruch entgegenströmte, wenn er die Tür öffnete. Deshalb hängte er seinen Gummimantel an den Kleiderhaken. Er zog die Gummistiefel aus und ließ sich angezogen auf das Bett zurücksinken.

Eine Zeit lang starrte er gedankenverloren den Deckenkranz an. Dann schloss er die Augen.

Vielleicht lag der andere jetzt genauso da: den Blick zur Decke gerichtet, und fragte sich, was mit ihm geschah? Er war isoliert …

Beinahe so isoliert, wie sie hier draußen. Innerlich sogar noch mehr.

Um kein Risiko einzugehen, hatte London sie weitab vom Schuss an die schottische Küste verlegt. Man wollte den kontrollierten Zugang. Selbst Holler arbeitete drüben in Westdeutschland von einem eigenen Standquartier aus. Zwei, wenn nicht sogar drei Stufen über der üblichen Geheimhaltung waren eine unabdingbare Voraussetzung ihrer Arbeit.

Er dachte seufzend daran, wie unzulänglich ein derartiger Vorsatz zu realisieren sein würde. Nichts von irgendeiner Bedeutung war jemals wirklich geheimgehalten worden. Und immer, wenn etwas eines Tages auf die Verantwortlichen zurückschlagen konnte, spaltete sich wie bei Zellteilung eine neue Einheit ab, eigenverantwortlich und doch mit klaren Anweisungen. Aber ohne jede Rückendeckung, sobald etwas schiefging …

Er fragte sich, ob ihre Gegner ebensoviel Skrupel hatten wie sie. Es war ein Nachteil ihres Systems, dass Skrupel und Kontrollen Schattenorganisationen erzeugten. Manchmal ein Plus an Menschlichkeit, aber oft genug auch nur mehr Versteckspiel.

Der EMP-Effekt

Подняться наверх