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Statt Eisbeuteln und grünen Heringen – die meinem Kopf und Magen sicher besser bekommen wären – ließ ich mir lieber über den Telefonservice der kleinen Steh-Pizzeria unten im Haus ein Frühstück aus heißen Pizzateig-Brötchen, Kräuterbutter und mit Käse überbackenen Eiern auf Schinken in mein Büro bringen. In der Zwischenzeit versuchte ich herauszufinden, von welchem Etablissement ich gegen Morgengrauen endlich den Weg zu meiner Klappliege gefunden hatte.

Dass ich länger als gewöhnlich darüber nachdenken musste, deutete nicht auf eine Heimkehr unter kontrollierten Bedingungen. Aber meine Hose lag wie gewohnt in Bügelfalten über der Stuhllehne, und mein Hemd hing zum Lüften auf einem Bügel am Fenstergriff. Alles schien wie immer zu sein ...

Nur Linda fehlte. Bei diesem Gedanken setzte ich mich abrupt auf die Bettkante.

Jemand steckte von außen den Schlüssel ins Schloss. Es war Mira, das iranische Mädchen, das meine Detektei in Ordnung hielt. Und als sie vorsichtig ihren dunklen Schopf durch den Türspalt schob, weil sie mich nicht beim Schlafen stören wollte, wurde mir klar, dass es erst sieben Uhr morgens war.

Ihr dunkles Gesicht glänzte vor Schweiß, denn bevor sie sich etwas Geld bei mir verdiente, joggte sie regelmäßig ein paar Runden um den Park. Mira war Sportstudentin im fünften Semester. Wir sprachen nie über ihre Aufenthaltsgenehmigung, aber ich wusste, dass sie sich illegal im Lande aufhielt. Die Papiere, die sie der Universität vorgelegt hatte, stammten aus einer von Iranern betriebenen Hinterhofdruckerei für islamisches Schrifttum. Ihr Vater, ein überzeugter "Wächter der Revolution", hatte ihr die Unterstützung für das Studium entzogen, weil er glaubte, seine Tochter sei dem Teufel der westlichen Werte verfallen. Westliche Werte, das waren für ihn: Walkmen, amerikanische Musik, Jogginganzüge und ungezügelte Sinnenfreude in der Liebe. Also alles, was er bei Mira entdeckte, wenn sie zu Besuch in den Iran kam.

"Ich bin wach, Mira. Wir können zusammen frühstücken."

"Oh, ich muss auf meine schlanke Linie achten", sagte sie und legte die Hände um ihre Wespentaille.

"Wenn irgend jemand auf der Welt nicht auf sein Gewicht achten muss, dann du."

Mira kicherte und zeigte auf das Foto meiner verflossenen Schönen auf dem Schreibtisch. "Danke, aber deine Freundin war noch viel magerer als ich."

"Meine Freundin litt an Magersucht. Sie ist mit einem Koch – einem Spezialisten für kalorienarme Ernährung – auf und davon. Sie hat mich verlassen, weil ich zum Frühstück Schweinshaxen mit fetten Bratkartoffeln bestelle und allergisch gegen Dressing light und Magermilchjoghurt bin."

"Du solltest mehr Salate essen, wegen der Verdauung und der Vitamine – ach, übrigens, gestern Abend, als ich nach Büroschluss noch einmal herkam, um meinen Mantel zu holen, sah ich jemanden aus deiner Tür kommen."

"Was denn ...?

"Ich bin ganz sicher.

"Und wie sah dieser Jemand aus?"

"Es war eine junge Frau. Als ich sie ansprach, behauptete sie, sie hätte sich nur in der Tür gerirrt. Eigentlich habe sie ins Büro nebenan gewollt, zu Rechtsanwalt Rolfsen." Mira schüttelte gewitzt ihren Zeigefinger und gab mir anschließend Gelegenheit, bei einem Griff in den Ausschnitt ihres dünnen schwarzen Pullovers ihren schlanken weißen Hals zu bewundern. "Aber dann ging sie sofort zum Aufzug."

"Kannst du mir die Frau beschreiben?"

"Jung und hübsch – sie war ... ja, sie war eher wie ein Mann gekleidet. Hose und Jacke, Turnschuhe mit flachen Absätzen, schwarze Lederjacke, glaube ich. Und sie trug etwas unter dem Arm, eine gelbe Mappe. Ich weiß nicht, ob es Papiere aus dem Büro waren."

"Eine gelbe Mappe, hm. Soweit ich mich erinnere, besitze ich nichts, das einer gelben Mappe ähnlich sieht. Und das Büro stand offen, sagst du?"

"Als ich sie ansprach, hatte sie die Tür schon wieder ins Schloss gezogen."

"Manchmal glaubt man etwas zu sehen, weil einen die Bewegungen an etwas anderes erinnern. Könnte sie nicht doch nur nach der Klinke gegriffen haben?"

"Nein, sie stand in der geöffneten Tür, als ich aus dem Fahrstuhl kam."

"Dann allerdings."

Nach dem Frühstück fühlte ich mich so wie jemand, der sein Leben der praktischen Erforschung aller Ernährungsfehler gewidmet hat: faul und hartleibig, mit einem dumpfen Gefühl im Kopf, das von zu viel tierischem Fett und einer Überdosis Kohlehydraten herrührte, falls diese Erklärung nicht auch nur ein moderner Mythos der Wissenschaft vom Essen ist.

Ich hatte mir am Hochstand einen Splitter in den Handballen getrieben, und der piesackte mich zusätzlich, um mir den Morgen zu verschönern, während ich versuchte, die Liste meiner Autonummern in verwertbare Namen umzusetzen.

Es kostete mich das Gelöbnis zum Abendessen in einem der besten Lokale der Stadt mit einem älteren, aber durchaus charmanten Mädchen vom Amt, das schon ein paar Mal auf meine Versprechungen hereingefallen war, nur dass sie diesmal den Preis um einiges heraufgesetzt hatte und mich am Freitagabend für unser Stelldichein höchst persönlich an der Tür meiner Detektei in Empfang nehmen wollte.

Als ich meine Hartleibigkeit mit einer Tablette, den Splitter mit der Pinzette und ihr Misstrauen mit ungefähr zehn bis zwanzig falschen Komplimenten bearbeitet hatte, lag das Ergebnis meines artistischen Morgens in Form einer zweiseitigen gefaxten Liste auf meinem Schreibtisch.

Ich pfiff schon wesentlich besser gelaunt durch die Zähne, denn Gerlachs Besucher schienen ausnahmslos zu jenen Gesellschaftskreisen zu gehören, die gewöhnliche Sterbliche mit dreitausend Mark Überziehungskredit für die eigentlichen Gewinner im Leben halten. Vorausgesetzt, Geld und Grundbesitz, Titel, schweren Wagen und Macht und Einfluss verschaffen einem genau dieses Kribbeln in den Gedärmen, das die Dinge überhaupt erst zu dem macht, was sie dann sind. Drei von ihnen hatte passable Doktor- und Professorentitel, fünf einen Sitz im Bundestag, acht waren Fabrikanten, einer Polizeibeamter, einer politischer Referent, und beim Rest handelte es sich um Manager, Vorstandsvorsitzende und den Leiter eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses.

Ihre Namen sagte mir wenig. Doch das hatte nichts zu bedeuten, denn Wirtschaftsbosse, Parlamentarier und Professoren haben nun einmal nicht denselben Bekanntheitsgrad wie Schauspieler oder Talkmaster.

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