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Oktober 2002 Oktober 2002
ОглавлениеDen Fuchsbau gab es noch immer. Ich wusste noch ganz genau, wo er sich befand. Im Untergeschoss ganz am Ende des Flurs. Bis dahin schaffte ich es noch, dann musste ich mich übergeben.
Verdammt, was tat ich hier eigentlich? Was wollte ich mir beweisen? Dass mir die Vergangenheit nichts mehr anhaben konnte?
Ich blieb vor der kleinen Zelle stehen, betrachtete die schwere, massive Holztür. Sie war noch intakt, nur die Schlösser fehlten. In den Putz der Wände waren einzelne Worte und ganze Sätze eingeritzt. Ich wusste, was hier geschrieben stand. Es waren die verzweifelten Worte jener Insassen, die man hier eingesperrt hatte.
Wenn ich nur wüsste, wer mich damals bei den Erziehern verpfiffen hatte? Aber war das überhaupt noch wichtig?
Für die Missstände verantwortlich war auch die Hierarchie unter den Kindern. Natürlich war das von der Obrigkeit so gewollt. Die Kinder sollten gezielt gegeneinander aufgehetzt werden. Für kleinere Vergehen gab es Essensentzug. Dann wurde gesagt: „Ihr wisst ja, wem ihr das zu verdanken habt.“
Und dann rechneten die Kinder unter sich ab. An so manchem Morgen war ich mit einer aufgeplatzten Lippe oder einem blauen Auge aufgestanden. Und der Erzieher hatte noch hämisch gefragt: „Marie, bist du gefallen?“
Man versuchte mit allen Mitteln, die Persönlichkeit der Insassen zu brechen. Viele gingen an der unmenschlichen Behandlung zugrunde, ließen ihr Leben im Fuchsbau oder funktionierten danach genauso, wie es das System von ihnen verlangte. Für uns Mädchen kam ab einem bestimmten Alter noch eine ganz andere Gefahr hinzu: Vergewaltigung. Ich wurde innerhalb von fünf Monaten zehn bis zwölfmal vergewaltigt. Nicht von den Mithäftlingen, sondern von meinen Erziehern und vom Anstaltsdirektor, der auch noch stolz verkündete, man brauche in seinem geschlossenen Jugendwerkhof durchschnittlich drei Tage, um die Jugendlichen auf seine Forderungen einzustellen.
Wie ich sie alle hasste!