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Kapitel 3
ОглавлениеDa sich der Altweibersommer noch immer von seiner schönsten Seite zeigte, saßen Romana, Hans und Wolff zu einem - wie sie es nannten – informativem Gespräch unter einem Lindenbaum im Gastgarten ihres Stammlokales. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Dr. Peter Mayerhofer, war der Einladung auch gefolgt. Da Wolff ein höflicher Mann war, ließ er seiner Assistentin den Vortritt mit ihrem Bericht an den Untersuchungsrichter. Bevor Romana mit ihrem Bericht begann, dachte sie noch kurz nach und befeuchtete ihre Kehle mit einem Schluck Bier: „Bis jetzt wissen wir noch nicht genau, wer die Tote ist. Bei der Meldung der Abgängigkeit vor rund vierzig Monaten wurde eine DNA-Probe genommen, die nicht mit der Toten übereinstimmt. Im Gegensatz dazu zeigt das Bild die Tote, daher gehen wir im Moment davon aus, dass unser Opfer Mag. Karin Kurz hieß. Sie arbeitete für einen großen Finanzdienstleister, der ursprünglich unabhängig war und jetzt einer großen Schweizer Versicherungsgesellschaft gehört. Ja der ehemalige Eigentümer ist mit einer bekannten Schauspielerin liiert.“, ergänzte Romana, als sie die fragenden Blicke der Herren auf sich gerichtet sah.
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Sie war verheiratet mit Mag. Ewald Kurz,“ , fuhr Romana unbeirrt fort. „Ihr Mann, der für die gleiche Firma gearbeitet hat, ist vor rund einem Jahr bei einer Bergwanderung tödlich abgestürzt. Er war in Begleitung des Bruders seiner vermissten Frau. Sowohl die Spurensicherung als auch die Befragungen am Unglücksort haben die Unfalltheorie des Begleiters bestätigt. Die Töchter arbeiten auch für diese Versicherungsgesellschaft. Da die Finanzberatungen fortgesetzt werden mussten, hat ihr Gatte die Kunden übernommen und die erbeten Töchter nach Ewald Kurz Tod sowohl die Geschäftspartner als auch das gesamte Vermögen des Vaters zu gleichen Teilen. Da Karin Kurz verschwunden war und alle Fristen versäumt hat, wurde die Verlassenschaft entsprechend abgehandelt. Mit ihrem Erbteil kaufte die ältere der beiden den Hausanteil der jüngeren zu einem marktüblichen Preis ab, und wohnt derzeit mit ihrem Gatten und ihrem Sohn in der Villa. Die Adresse der Jüngeren, konnten wir noch nicht feststellen, da sie im Inland scheinbar nicht gemeldet ist. Eine EU weite Suche nach ihr habe ich bereits veranlasst.“ Wolff war erstaunt wie viel Informationen von seiner Assistentin in der kurzen Zeit, in der sie beide an dem Fall zu arbeiten begonnen hatten, zu Tage befördert worden waren.
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Gibt es schon Verdächtige?“, stellte Hans die Frage sehr allgemein.
Romana übernahm das Antworten: „Nein Euer Ehren,“ sagte sie förmlich. Da sie noch nicht wusste wohin die Affäre mit dem Untersuchungsrichter führen würde, versuchte sie, keine Vertraulichkeit in Anwesenheit eines ihr Fremden aufkommen zu lassen.
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Wir haben erst angefangen zu arbeiten, und kennen auch noch keine Todesursache.“
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Doch kennen wir bereits.“ erklärte Wolff und berichtete über die Erkenntnisse der Gerichtsmedizin.
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Wir wissen nur nicht, ob es ein Mord oder ein Unfall war. Wir sollten auch nicht darüber spekulieren. Nur weil die Leiche mehr als drei Jahre eingefroren war, muss noch kein Tötungsdelikt vorliegen.“
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Danke Frau Mitterbauer, danke Herbert, ihr habt Erstaunliches in der kurzen Zeit geleistet.“, bemerkte der Staatsanwalt Mayerhofer. „Was sollen wir jetzt der Presse mitteilen? Ich habe in einer Stunde eine Pressekonferenz.“
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Peter teile den Journalisten einfach mit, dass wir noch nichts wissen, die Todesursache nicht genau bestimmen können, aber wir arbeiten daran. Auf keinen Fall möchte ich, dass Du verrätst, dass wir unser Opfer möglicherweise schon identifiziert haben. Zuerst müssen wir versuchen zu klären, warum bei der Abgängigkeitsanzeige eine falsche DNA-Probe genommen wurde. Je weniger Fakten veröffentlicht werden, umso leichter können wir die offenen Fragen untersuchen.“, mahnte er Peter Mayerhofer. Wolff sah wie der Vertreter der Staatsanwaltschaft, der zustimmend mit dem Kopf nickte, bereits überlegte, mit welchen Worten er der Presse seine scheinbare Unkenntnis mitteilen wollte. Er blickte ungeduldig auf seine Uhr, stand auf, bezahlte seine Rechnung und verabschiedete sich: „Ich muss mich noch vorbereiten. Danke für die Informationen, auf Wiedersehen.“
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Was hast Du Mayerhofer nicht erzählt?“, wollte Hans von Wolff wissen. Wolff berichtete über ihren Besuch bei der Tochter der Vermissten. Wolff sprach ausdrücklich noch nicht davon, dass die Abgängige mit der Toten identisch war, da er im Laufe seiner Karriere bei der Polizei schon viele Überraschungen erlebt hatte.
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Was willst Du jetzt tun?“
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Abwarten was die DNA-Analyse ergibt. Sollte es sich bei der Toten tatsächlich um die Kurz handeln, werden wir zu ermitteln beginnen. Ich kann Dich erst dann über meine nächsten Schritte informieren und die notwendigen Beschlüsse von Dir einfordern. Was ist mit Dir und Romana los?“, fragte Wolff ungeniert, da seine Mitarbeiterin der Natur folgend den Tisch verlassen hatte.
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Ich weiß nicht was Du meinst Herbert.“, wich sein Freund aus.
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Romana hat mich heute Vormittag mit der Entwicklung der Beziehung zwischen Dir und ihr gequält. Hans es geht mich grundsätzlich nichts an, die Arbeit darf nicht darunter leiden, und das wird sie, wenn ungelöste Spannungen zwischen euch stehen. Also was ist los?“
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Herbert, wir stehen an einem Scheideweg, entweder es geht unter neuen Bedingungen weiter oder ich setze ein Ende. Ich möchte nicht mehr nur eine Affäre leben, ich will eine Beziehung mit allem, was dazu gehört. Nur Romana kann sich nicht entscheiden.“, schloss Hans schnell, da er merkte, dass seine Geliebte zurückkehrte. Für Wolff ungewohnt blickte Dr. Neubauer auf die Uhr beglich die Rechnung für alle und hob die Tafel auf.
Nachdem Wolff mit seiner Assistentin wieder sein Büro erreicht hatte, überprüfte er sofort seinen Posteingang am Computer und stellte fest, dass der Bericht der Gerichtsmedizin bereits eingetroffen war. Gespannt öffnete er den Anhang und las das Dokument.
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Romana, wir werden morgen eine Menge Arbeit haben. Unsere Tote ist wirklich Karin Kurz.“, sprach Wolff zu seiner Mitarbeiterin. „Wir sehen uns morgen, ich muss noch etwas erledigen, heute können wir nichts mehr tun.“
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Servus Herbert.“, verabschiedete Romana ihren Chef, packte ihre Handtasche und verließ auch das Büro.
Als Wolff nach Hause kam, hatte er eine einzelne Sonnenblume und ein Geschenk für Eva mitgebracht. Er dachte an den Morgen zurück und wie aggressiv er auf ihre witzig gemeinte Bemerkung reagiert hatte. Er hoffte, die Geschenke würden Evas Laune bessern.
Da sie noch nicht eingetroffen war, begann Wolff zu kochen. Er fühlte sich wohl in seiner Küche, er konnte die Geschehnisse des Tages beim Putzen, Waschen Schneiden und Rösten vergessen. Er wurde eins mit dem Fleisch, dem Gemüse und den Gewürzen. Es war schon etwas Besonderes für einen geliebten Menschen zu kochen. Ein Gefühl, dass er seit drei Jahren nicht mehr erlebt hatte. In dieser Zeit waren es nur eine lustlose Angelegenheit gewesen, die dazu diente seinen Hunger zu stillen. Heute fühlte er sich wieder glücklich, als er dem Fleisch für sein Chilli con Carne zusah, wie es langsam vor sich hin köchelte.
Kurz bevor er die Bohnen und den Mais zugeben konnte, hörte er Eva die Tür aufsperren. Rasch nahm er die Blume und das Geschenk in die Hand und eilte in den Flur wo er ihr seine Mitbringsel reichte: „Entschuldige für heute Morgen!“
Eva wirkte verstört, sie wusste im ersten Augenblick nicht was er meinte. Sie hatte sein seltsames Verhalten früh am Tag schon wieder vergessen gehabt, für sie war der Ausbruch nicht so bedeutend gewesen, sie hatte gefühlt, dass eine Grenze von ihr überschritten worden war. Daher konnte sie ihm auch nicht böse sein, und war auf diese Begrüßung nicht gefasst gewesen. Um ihn nicht noch mehr zu kränken, umarmte sie ihn und flüsterte ihm ins Ohr: „Ist schon alles gut mein Kleiner, Mami ist Dir auch gar nicht mehr böse.“
Durch ihren Sarkasmus wurde Herbert wieder in die Wirklichkeit zurückgeholt: „Machst Du Dich lustig über mich?“
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Nein Herbert, ich möchte die Angelegenheit nur auf das Niveau, bringen, auf das sie gehört. Ich habe begriffen, dass ich mit meiner Bemerkung einen Nerv bei Dir getroffen habe, den ich besser verfehlt hätte. Ich müsste Geschenke mitbringen und mich entschuldigen nicht Du. Es ist Dir aber schon klar, dass Du das Päckchen nicht mehr zurückbekommst.“, lächelte sie ihn an und entriss ihm das Geschenk.
Sie öffnete es, schmunzelte als sie den Inhalt sah und meinte dazu: „Ich glaube, Du hast Dich eher selbst beschenkt. Soll ich es gleich probieren und Dich beim Essen damit konfrontieren oder erst nach dem Speisen.“
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Warte bitte bis nach dem Essen, sonst bringe ich keinen Bissen hinunter.“, antwortete er und verschwand in der Küche um sein Chilli fertig zu zubereiten.
Nachdem sie gegessen und die notwendige Hausarbeit erledigt hatten, war Eva in den neuen sexy Body, den ihr Wolff geschenkt hatte, geschlüpft. Nachdem er sie ausgiebig bewundert hatte, nahmen sie Platz auf dem Sofa. Er bettete seinen Kopf in ihren Schoß. Automatisch begann Eva, ihn am Kopf zu streicheln: „Willst Du mir jetzt erzählen, warum Du heute Morgen so aggressiv auf meine spitze Bemerkung reagiert hast?“
Wolff nahm sein Weinglas, das am Couchtisch vor ihm stand: „Eigentlich nicht.“, begann er. Wolff nahm einen Schluck des edlen Shiraz, den er geöffnet hatte. „Ich habe vor rund dreieinhalb Jahren eine Frau kennengelernt. Für mich war sie die „Richtige“, die Erste bei der ich gefühlt habe, dass ich nach fast vierzig Jahren Suche am Ende meiner Reise angelangt bin. Ich hatte mein persönliches Paradies gefunden, ich war nach vielen Jahren wieder glücklich. Ich weiß nicht, wie ich Dir beschreiben soll, was und wie ich mich fühlte, ohne Dich zu verletzen. Jedenfalls währte dieses Gefühl nur rund drei Monate lang. Dann erklärte sie mir von heute auf morgen, dass sie das Verhältnis mit mir sofort beenden müsse, weil sie mich nicht verletzen will, in drei Jahren wäre es sowieso zu Ende gewesen, und ich dann noch tiefer getroffen wäre. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Es war zwar nicht das erste Mal, dass eine Frau mit mir eine Beziehung beendet hatte, aber hier war ich am tiefsten getroffen, diese Frau hat mir Alles bedeutet. Also bin ich ein tiefes schwarzes Loch gefallen, umso mehr als sie immer wieder Kontakt mit mir gesucht und mir ständig Signale der Liebe geschickt hatte. Sie ist wieder einen Schritt näher gekommen. Daher habe ich mich auch wieder genähert, und kaum hat sie das gespürt, ist sie wieder zurückgewichen. Sie hat mich wieder aus ihrem Leben ausgeschlossen.
Erst in den letzten Monaten habe ich nichts mehr von ihr gehört. Ich hoffe es bleibt so, denn ich möchte nicht, dass sie zwischen uns stehen könnte.“
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Und was war in den drei Jahren dazwischen?“, bohrte Eva nach. Wolff überlegte so lange, dass sie schon befürchtete ihn zu sehr gedrängt zu haben. Es schien als hätte das Schweigen der letzen Minuten einen Knoten bei Wolff gelöst. Er begann, seine Geschichte der letzten Zeit zu erzählen. Er berichtete wie er sich bei Martina seiner letzten Freundin gefühlt hatte, er schilderte von seinem Empfinden, dass er sein persönliches Paradies erreicht hatte, wie er aus diesem vertrieben worden war, wie er im Grunde genommen auf einem Sessel vor der Mauer des gelobten Landes Platz genommen hatte und es genoss, hin und wieder einen Blick auf diese Gegend werfen zu können. Er gab zu, dass manchmal ein Zug bei ihm stehen geblieben war, der ihn zum Weiterreisen eingeladen hatte, dass er auch den einen oder anderen davon bestiegen hatte, aber kurz vor der Abfahrt hatte er ihn wieder verlassen. Er wollte sich von dem Platz nicht entfernen, er wollte immer noch das Tor wieder finden, wo ihm Einlass gewährt werden würde. So war die Zeit vergangen und Wolff war immer einsamer geworden. Seine Freunde ausgenommen Hans, der mittlerweile auch wieder in einer stabilen Beziehung lebte, waren verheiratet und er kam sich immer wie das fünfte Rad am Wagen vor. Das war der Grund, warum sich Wolff zurückgezogen hatte. Einige Wochen bevor Eva in seinem Gesichtskreis aufgetaucht war, hatte er begonnen die Möglichkeiten einer Internetplattform für sich zu nutzen. Er berichtete Eva über seine dortigen großen Erfolge. Er sprach über seine Eindrücke, wie er sich als Wanderplanet fühlte, der durch das virtuelle All der beziehungswilligen und allein stehenden Frauen schwebte, wie viele Sirenen versuchten ihn in ihre Umlaufbahn zu locken, bis er ihnen ein Foto seiner Oberfläche geschickt hatte. Fast alle dieser Strohwitwen hatten ihm einen heftigen Tritt versetzt und ihn aus ihrem Sonnensystem vertrieben. Nur wenige dieser virtuellen Fixsterne luden ihn ein, sie auch persönlich zu erkunden. Bei diesen Erkundigungen hatte Wolff erkannt, dass er seine Triebwerke von selbst zünden musste, um weiter auf die Suche zu gehen. Nach einigen Wochen beendete er seine für ihn traurige Wanderung in dem Bewusstsein, dass für ihn keine weitere Sonne in diesem All vorgesehen war. „Nachdem mir durch diese Plattform wieder bewusst geworden ist, dass ich den allgemeingültigen Schönheitsidealen nicht entspreche, und vielleicht auch ein bisschen unkonventionell bin, habe ich aufgegeben und mich in mein Alleinsein gefügt. Dann bin ich in Deine Umlaufbahn eingebogen, eine Sonne strahlend schön, der meine Planetenoberfläche egal war, die mich ständig forderte, die selbstbewusst ihre Wärme ausschickte, und die auch einen unkonventionellen Lebensweg hinter sich hatte. Aber ich habe immer Angst davor, wieder in den kalten Raum der Einsamkeit zwischen den Sternen geschickt zu werden. Das war der Nerv, den Du heute Morgen getroffen hast.“, beendete Wolff seine Geschichte der letzten Jahre.
Eva schmiegte sich eng an ihn: „Danke für Dein Vertrauen, ich weiß nicht was kommen wird, aber lass uns das genießen, was wir jetzt haben und die Zukunft im Nebel der Zeit lassen.“
Sie zog ihn vom Sofa und schob ihn in Richtung Schlafzimmer, wo Wolff verwundert feststellte, dass er trotz der Anstrengungen der letzten Nacht wieder Leidenschaft empfinden konnte.