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Unsortiert schob sich ein Menschknäuel durch die große Eingangshalle des Uni-Klinikums. Überall hektisches Sprachgewirr. Breite Dialekte hörte man, und dazwischen noch mehr ungewohnte Sprachfetzten. Einige der Leute hielten bunte Blumensträuße in den Händen. Dazwischen wuselten andere umher.

Mitten in diesem Wirrwarr bewegte sich Max Engels mit seiner Krücke humpelnd zum Ausgang. Frauen und Männer kamen ihm entgegen, die meisten angespannt, mit Plastikbeuteln, Taschen oder Geschenkkartons in den Händen.

Es war gerade acht Uhr, und es waren bestimmt schon weit mehr als zwanzig Grad, aber kaum ein Luftzug war zu spüren. Die hohe Luftfeuchtigkeit kündigte einen weiteren schwülheißen Tag mit über dreißig Grad im Schatten an.

„Mann pass doch auf“, rief die dunkelhaarige Krankenschwester erschrocken aus, als Engels an der breiten Glastür knapp an ihr vorbeischrammte. Er hatte es eilig. Das sah man, und er sah wuchtig aus, aber trotzdem versuchte er der Frau auszuweichen.

Hastig murmelte er eine Entschuldigung, schüttelte kurz den Kopf und drängte weiter. Seine Laune wurde nicht besser. Ohne einen Kaffee gehabt zu haben, war er aus der Abteilung verschwunden. Zwei Aspirin mussten für den ersten Schub reichen.

Er kam aus dem Haus und blieb abwartend neben einer herrenlosen Kranken-Trage stehen. Von hier konnte er das Kaffeearoma aus einer Kantine riechen. Es waren nicht viele Leute da. In der Einfahrt vor ihm stand ein weinroter Ford-Focus, der schon bessere Tage gesehen hatte.

„Typisch“, brummte Engels, drückte seine Schultern durch und ging direkt auf den Wagen zu. Der Motor lief noch.

Der junge Mann hinter dem Lenkrad war flachsblond. Die halblangen Haare standen wirr von seinem Kopf ab und zeigten in alle Richtungen. Er reckte gerade seinen Hals, starrte mit verzerrtem Gesicht in den Rückspiegel und entfernte mit zwei Fingern etwas zwischen seinen Zähnen.

„Ja, was ist?“, rief er aus dem halboffenen Fenster.

„Warten sie schon lange?“ Mit der Innenhand klopfte Max Engels leicht auf das Autodach.

Der Mann mit dem Jungengesicht wirkte gereizt und er ließ die Seitenscheibe noch zwei weitere Zentimeter herunter, blieb aber ruhig sitzen und hörte noch einige Augenblicke dem Radiosprecher zu. Es ging um den letzten Auftritt von Ahmadinedschad den Staatspräsidenten des Iran.

Engels beugte sich etwas nach vorn und lauschte einfach mit. Dann glitt sein Blick aber weiter und verwundert starrte er für einen Moment auf die Rückbank des Wagens. Die war übersät mit Zeitschriften, Pizzakartons, Flaschen und Papier aller Art.

„Ist das arg wichtig für sie?“

Abrupt stellte der Flachsblonde den Motor ab.

„Alles gut, Kollege.“

Max Engels reagierte prompt. Beschwichtigend hob er beide Arme an und ließ sie sofort wieder fallen. „Ich weiß, das geht mich gar nichts an, aber ich bin nun mal arg neugierig.“

Das sollte lustig klingen, verpuffte aber. Ohne ein weiteres Wort ging er deshalb schnell um die Motorhaube herum.

„Ist allerdings eine anerkannte Berufskrankheit“, krächzte er einfach weiter. „Außerdem blockieren sie die gerade die Zufahrt zur Tiefgarage.“

Entschlossen zog er die Beifahrertür auf und schob seinen Kopf bis ganz dicht vor das Gesicht des jungen Kollegen.

„Beruhigen sie sich“, sagte er. „Ich mag auch Funky!“

Irritiert starrte der junge Mann zurück. Er trug eine ärmellose Lederweste über seinem Shirt, dazu Jeans und bequeme Laufschuhe. Das Grinsen verschwand aus dem Gesicht und er blickte schnell einmal zur Seite.

„Wollen sie ein Foto machen, oder was soll das jetzt werden?“

Engels ignorierte die Frage.

„Ich bin Max Engels“, sagte er. „…Max, wenn sie wollen, und ich schwänze heute mal die Anwendungen.“

„Sagen sie doch gleich, wer sie sind?“, lachte der jüngere Mann meckernd auf und er wirkte überhaupt nicht mehr gereizt. „Kommen sie rein.“

„Ich bin Thomas Oser, Tom.“

Mit einer Hand griff er neben sich und warf die Pappschachtel achtlos nach hinten. „Kommissar ist mein aktueller Dienstgrad.“

Etwas linkisch schüttelte er Engels die Hand. „Sorry für die Verspätung aber der Stadtverkehr ist grausam heute Morgen. Die stehen vom Planetarium bis zum Wasserturm.“

Plötzlich lief er rot an.

„Schlimm genug, dass ich mit der Müllhalde hier fahren muss.“ Die Situation war ihm unangenehm. „Die haben nur den Observations-Karren rausgerückt“, maulte er deshalb. „Glauben sie bloß nicht, dass ich den auch noch putze, das tue ich nämlich nicht, und das steht schon mal fest.“

„Vielen Dank, dass sie mich abholen.“

Engels wollte das Thema wechseln.

„Kein Ding“, gab Oser etwas ruhiger zurück. „Ich soll sie unterstützen. Der Oberstaatsanwalt hat mich ins Bild gesetzt“, machte er eifrig. „Im Präsidium ist wegen dem Mord an Ian Kaufmann und seiner Familie der Teufel los. So was habe ich noch nicht erlebt.“

„Das ist ja auch ein furchtbarer Anlass.“

Mit dem Satz rutschte Engels auf den Beifahrersitz. „Was hat er denn sonst noch über mich erzählt, der gute Herr Oberstaatsanwalt“, fragte er wie beiläufig. Behutsam hob er sein rechtes Bein hinter sich in den Fußraum und knallte dann die Tür zu.

„Nicht sehr viel“, brummte Oser. „Nur…äh, dass sie eine …Art…äh… Militärpolizist waren.“

Für einen Augenblick sah Engels seinen Nebenmann eigentümlich an.

„Glauben sie ihm nicht alles. Bei Till Keller klingen die Geschichten alle so spektakulär“

„Bei mir hat sich`s anders angehört, aber … äh… wie wollen wir anfangen?“

Engels sah für einen Moment starr durch die Windschutzscheibe. „Was glauben sie, was gerade abgeht?“

„Ich weiß es nicht“, antwortete Oser, „aber einen Terror-Anschlag mag ich mir gar nicht vorstellen.“

„Angst?“

„Auch das“, gab der Kommissar zu, „aber ich denke Attentäter wollen erster Linie auffallen und vor allem Panik verbreiten.“

„Was passt dann nicht…?“

„Kaufmann war doch schon lange keine öffentliche Person mehr“, sagte Oser bedächtig.

„Meinen sie das ernst?“

„Ich will ihnen mal was sagen.“ Oser klang fast beleidigt. „Es ist doch zumindest ungewöhnlich, dass sich bis jetzt keiner zu dem Anschlag bekannt hat, oder?“

„Kann sein, muss aber noch nichts bedeuten.“ Engels grübelte. „Was glauben sie, was für Gruppen hinter solch einem Verbrechen stecken?“

„Ich denke wir sollten dem Geld folgen.“

Mit einem Grinsen, das von einer Seite an Elvis Presley erinnerte sah Engels ihn an.

„Nicht schlecht, junger Mann.“

Oser legte den Gang ein, und fuhr rückwärts aus der Zufahrt. „Wo sollen wir anfangen?“

„Ich denke als Erstes fahren wir zu dem Tennisclub von Kaufmann. Geht das?“

„Also dann los.“

Tom Oser wendete geschickt und gab sofort wieder Gas. Er wurde noch schneller und fuhr so bis zur Umgehungsstraße.

„Danach sehen wir weiter.“

„Was haben sie mit ihrem Bein gemacht?“, fragte Oser beiläufig und deutet mit einer Hand schräg nach unten.

„Ich habe einmal nicht aufgepasst.“

Die Straße schlängelte sich an Häuserzeilen vorbei. Oser überholte mehrere Busse, ordnete sich dann links ein und so fuhren sie ein paar Kilometer weiter. Vorbei an klobigen Mehrfamilienhäusern in allen möglichen Farben. Dann kamen die Reihenhäuser mit den gepflegten Vorgärten.

Auf der Schnellstraße neben dem Flugfeld musste er abbremsen. Ganz schnell waren alle Fahrspuren zugestellt. Oser zögerte erst, reckte sich dann und spähte über die Autoschlange nach vorn, ob vielleicht ein Unfall passiert war.

„Sehen sie was?“, fragte er.

Rettungsmannschaften hatten das schwarze Wrack vor ihnen auf den Seitenstreifen geschoben und gesichert, aber noch nicht abtransportiert. Der Wagen hatte sich überschlagen und war ausgebrannt.

„Pech gehabt…Totalschaden …“

Schweigend rollten sie vorbei. Das Auto war einmal rot gewesen, doch die Flammen hatten an vielen Stellen den Lack weggeschmolzen. Das Wrack sah aus, wie eine verkohlte, in die Luft ragende Hand. An mehreren Stellen zeigte sich das nackte, blanke Metall. Es mochte eine Mercedes gewesen sein, doch das war nicht mehr genau zu erkennen.

„Für den Fahrer hoffe ich, dass es schnell gegangen ist“, sagte Engels, und kurz darauf begann der Verkehr wieder zu rollen.

Die Bebauung veränderte sich und lichtete sich immer mehr. Beim Reitstadion setzte Oser den Blinker und bog nach links, dann nach achthundert Metern wieder links, vorbei an der SAP-Arena. Durch ein militärisches Übungsgelände und dann nach rechts.

„Im Kreisverkehr erste Ausfahrt links.“

Oser musterte seinen Nebenmann aus den Augenwinkeln, aber Engels sagte nichts mehr.

Nach einer Weile fragte Oser ihn wieder: „Was halten sie von dem Fall?“

„Sie haben doch mitgekriegt, dass die Familie vergast wurde?“

„Mit der Geschichte werden wir berühmt.“

Engels gab keine Antwort.

„Fentanyl, Hexan, oder war es ein anderes K.o.-Gas.“ Oser sah Engels provozierend an. „Was haben die Mörder eigentlich bei Kaufmann gesucht?“

„Die Spurensicherung war noch nicht durch, als ich mich in dem Haus umgesehen habe.“

„Soll das ein Witz sein?“

Der junge Kommissar bemühte sich um einen unbekümmerten Ton. „Wer benutzt denn so ein Dreckszeug?“

Aber Engels ging nicht darauf ein.

„Ich habe gehört wie Kemmer mit seinen Leuten gesprochen hat“, sagte Oser nach einer Weile trotzig.

Die Landschaft löste sich immer weiter auf. Plötzlich befanden sie sich in einem älteren Wohngebiet mit niederen Häusern. Die Straße wurde kurviger. Schlängelte sich zwischen Siedlungshäusern hindurch, die in sich zerfielen und führte an verlassenen Gleisanlagen vorbei. Wuchernde Büsche überall. Hinter Metallzäunen und Gestrüpp blitzen plötzlich farbige Dächer hervor, gepflasterte Höfe und kurzgemähte Rasenflächen.

Oser wurde langsamer und sah sich mit nervösen Augen um. „Wir müssen, glaube ich noch weiter nach rechts.“ Er war unschlüssig und musterte alle Gebäude, die vor ihnen auftauchten.

„Hier ist alles umstrukturiert worden“, murmelte er zögernd. „Stillgelegt und Rückbau verfügt. Die Gebäude verrotten. Ich glaube, das Areal habe ich noch nie aus der Nähe gesehen.“

„Mit Straßenkarten arbeiten sie wohl auch nicht so oft?“

„Nicht einmal Google Earth hat es geschafft, die neuen Gebiete zu dokumentieren“. Oser winkte ab.

„Versuchen sie mal in die Richtung zu fahren. … Achtung Schlagloch…“

Oser musste einen heftigen Schlenker machen, um einer tiefen Grube mitten auf der Fahrbahn auszuweichen.

„Herrgott nochmal.“ Engels wurde laut.

„Wie kann man die Straßen nur so verkommen lassen?“ Oser beschleunigte sofort er wieder. „Und wohin jetzt?“, aufgeregt blieb er stehen, als sie die nächste Kreuzung erreichten.

„Aufpassen.“

Engels zeigte auf einen weißen Landrover, der von rechts angerast kam. Rücksichtslos schob sich der schwere Wagen vor ihnen in die Fahrstraße.

„Ist der Kerl besoffen, oder schläft der noch?“

Reaktionsschnell stieg Oser noch einmal auf die Bremse und hupte dann aus Leibeskräften. Der Vordermann schrak zusammen und zeigte ihm den Mittelfinger, ohne den Kopf zu drehen.

„Idiot“, brüllte Oser. „Den kauf ich mir.“

„Moment, bitte, Tom“, besänftigend legte ihm Engels die Hand auf den Unterarm, „Lassen sie ihn laufen. Dafür haben wir jetzt keine Zeit.“

Oser starrte Engels ins Gesicht, sagte aber nichts. Er fuhr sofort wieder an, zerdrückte noch einen Fluch zwischen den Lippen, aber verzichtete auf die Verfolgungsjagd.

Kurze Zeit später kamen sie an einem Hockeyfeld mit bunten Tribünen vorbei.

„Auch neu“, stellte Oser lapidar fest. „Hier gibt es scheinbar nur noch Sportanlagen.“ Dabei zog er die Schultern ein wenig hoch und lächelte plötzlich.

Ein protziges Portal wie aus einem alten amerikanischen Western tauchte auf, als sie um eine langgezogene Kurve bogen. Hinter dem Zaun lag der Parkplatz. Fast vollgeparkt. Weiter hinten sah man graues Neckarwasser blitzen.

„Ja, jetzt sind wir richtig.“

Wie erlöst atmete er aus, und ohne die Geschwindigkeit auch nur etwas zu drosseln fuhr er mit quietschenden Reifen durch das breite Tor.

„Da vorne steht die Tennishalle.“

Das Anwesen passte zu einem ehemaligen Star der deutschen Sportszene. Die Halle türmte sich vor ihnen auf, Gelb und Weiß, wuchtig und groß. Daneben sah man die Sandplätze.

Oser parkte in Richtung Wendeplatz und beide Männer stiegen aus.

„Das nenne ich Zuspruch“, sagte Engels mit einem vielsagenden Blick auf die zugestellten Parkflächen. Er ließ den Blick weiter über den großen Platz wandern und zeigte mit den Augen auf die amerikanischen Nummernschilder. „Ganz schön viele Amerikaner.“

„Die DAFAK trifft sich hier regelmäßig.“

„Hausfrauensport?“, wollte Engels wissen. „Oder was ist das für ein Verein?“

„Die Damen spielen nicht nur Tennis.“

Oser zuckte mit den Achseln.

„Die engagieren sich immer noch in der Deutsch-Amerikanischen-Freundschaft. Es sind fast ausnahmslos Offiziersfrauen.“

„Soziale Verantwortung hat bei denen eben Tradition.“

„Die Vereinigung wurde Ende der Siebzigerjahre in Los Angelas gegründet.“

„Woher wissen sie das alles?“

„Ich lese Zeitung“, sagte Oser. „Die Damen sind an fast jedem Truppenstützpunkt aktiv und veranstalten jedes Jahr unzählige Basare und Wohltätigkeitsveranstaltungen“, erklärte er dann. „Alle Einnahmen werden ganz pragmatisch gespendet.“

Fast andächtig gingen die beiden Männer auf die riesige Tragelufthalle zu.

Engels Handy klingelte. Er warf einen Blick auf das Display. „Private Nummer“ zeigte der Bildschirm. „Jetzt nicht“, brummte er missmutig und drückte den Anruf weg. Er mochte es nicht, jederzeit und überall erreichbar zu sein.

Ian Kaufmann - Tennisakademie –

Engels betrachtete den breiten Eingang und die rechteckige Messingtafel an der Seite. Ein gezackter Pfeil zeigte auf die Doppeltür. Verschiedene Trainingszeiten waren auf das Glas aufgemalt.

Tom Oser öffnete einen Türflügel und betrat das Lokal als erster. Gemütlich war der große Raum nicht und trotz der stickigen Luft waren die Fenster geschlossen.

Als Engels durch die breite Aluminiumtür kam, blieb er stehen und sah sich um.

Sie befanden sich in einem Speisesaal mit über dreißig Tischen und einer breiten Bar, an der gut zwanzig Gäste Platz hatten. Auf einem Großbildschirm hinter der Bar lief Eurosport.

Die Klimaanlage war ausgeschaltet. Die beiden Verbindungstüren in das Innere der riesigen Halle standen allerdings weit offen. Ein halbnackter Mann mit Bürstenhaarschnitt und einem Badetuch unter dem Bauch lief gerade über den Flur.

„Ich bin Tom Oser von der Kripo Mannheim und das ist mein Kollege, Max Engels.“ Oser lief quer durch den Raum und sprach weiter: „Wir bearbeiten den Mord an Ian Kaufmann und seiner Familie. Sie werden verstehen, dass wir eine Menge Fragen haben.“

Es wurde still in dem Lokal. Ein weißblonder Mann kam hinter der Theke hoch und starrte von Oser auf Engels schnell hin und her.

„Die Schule ist geschlossen“, sagte der Mann schleppend. „Alle Termine sind gecancelt.“

„Wer sind sie?“, fragte Oser.

„Ich arbeite hier.“ Die Stimme des Weißblonden klang verwundert. „Jochen Sommer“, sagte er dann etwas förmlicher. „Ich führe das Restaurant, außerdem erledige ich den Papierkram und vertrete Ian, wenn er … mal verhindert ist.“

Jochen Sommer schniefte plötzlich auf. „Was sollen wir denn machen?“

Engels kam näher.

Wir sind …alle…noch total geschockt“, sagte der Mann. Er konnte Engels dabei kaum in die Augen schauen.

„Das verstehen wir durchaus.“

Engels musterte den Mann. Sommer war um die vierzig und sah irgendwie aufrichtig aus. Er war braungebrannt, trug Ringe an beiden Ohren, ein blütenweißes Hemd und feste schwarze Turnschuhe.

„Das Trainerteam habe ich nach Hause geschickt.“

„Was für Leute spielen denn hier bei euch?“

„Vorwiegend Jugendliche“, antwortete Sommer und räusperte sich. „Wir verstehen uns auch als Schule, nicht nur als Club für betuchte Mitglieder. Hier kann sich jeder für eine Trainingsstunde einbuchen.“

„Und wie läuft der Verein?“, fragte Engels mit einem langen Blick.

„Prächtig.“

Sommer nestelte an seinem Hemdkragen herum, als wollte er Zeit gewinnen. „Hier gab`s nie irgendwelche Probleme“, sagte er dann schnell. „Der Betrieb ist gut ausgelastet, meine ich.“

„Dann passt das doch.“

Mit der Handfläche wischte sich Jochen Sommer einmal über die Stirn.

„Hatte Ian Kaufmann Feinde?“

„Warum fragen sie mich sowas?“

Sommer sah plötzlich noch betretener aus. Aber tapfer hielt er den Blicken der beiden Kripobeamten stand. „Ich weiß nicht was ich sagen soll“, sagte er mit hochrotem Gesicht und ruckte mit dem Kopf.

„Ich sehe hier kein einziges Foto von Ian Kaufmann. Überhaupt nichts vom Eishockey.“ Engels tat erstaunt. „Hat das einen Grund?“

„Sind sie Fan?“

Sommer senkte seine Stimme etwas.

„Warum verzichten die Adler ausgerechnet hier auf Werbung?“, fragte Engels. „Kaufmann war doch ein ideales Aushängeschild?“

„Ian war viel mehr als ein Eishockeystar“, sagte Sommer dann betont feierlich. „Aber das Kapitel war für ihn vorbei. Ian brauchte das Eis nicht mehr.“

„Wollen sie uns etwas über den Menschen Ian Kaufmann erzählen?“

„Was wollen sie wissen?“

„Sein Alltagsleben meine ich.“

„Sie wissen nicht wer Ian Kaufmann war?“

„Ganz so schlimm ist es nicht“, wehrte Engels ab. „Auch wir lesen Zeitung und wissen welche Helden unter uns leben.“

Sommer lächelte gezwungen und sagte: „Ian war ein überragender Eishockeyspieler.“ Aus irgendeinem Grund fügte er hinzu: „Ein perfekter Teamspieler, der seine Mitspieler immer mitreisen konnte. So einer wird nur alle fünfzig Jahre geboren. Und überhaupt war er ein begnadeter Sportler.“

„Gott sei Dank…“

Sommer ließ sich auch durch den Zuruf nicht beirren.

„Als Mensch war für uns alle ein Glücksgriff, verstehen sie das?“

„Okay. Was noch?“.

„Das Leben hat es nur gut mit ihm gemeint.“ Sommers Stimme wurde immer dünner. „Ian war mit einem enormen Talent gesegnet. Das hat er nie vergessen und er wollte dem Leben etwas zurückgeben.“

Oser machte eine Grimasse.

„Der Club ist doch sein Privatbesitz, oder?“

Darauf wechselte Engels schnell einen Blick mit ihm.

„Was glauben sie was das hier alles kostet?“

Jochen Sommer standen plötzlich Tränen in den Augen. „Dafür hat Ian zig Millionen investiert, kommen sie mit?“

Seine Stimme brach ab.

„Entschuldigen sie bitte…“

Der Mann wandte sich ab und wischte sich noch einmal über die Augen. „Sorry…“

Kurz darauf hatte er sich wieder gefasst.

„Ian wollte sein Geld und seine Zeit für etwas Sinnvolles nutzen“, fuhr Sommer mit heiserer Stimme fort. „Nicht nur zu Hause sitzen und die Hockeypokale polieren. Deshalb holte er die Kids von der Straße und lies sie hier kostenlos trainieren. Die talentierten hat er gefördert. Nicht nur mit kostenlosen Trainingsstunden.“

Es entstand Gemurmel unter den Gästen.

„Engels sah auf die Uhr. „Was ist mit seiner Frau?“, fragte er laut und deutlich, „hat jemand die Familie näher gekannt?“

Eine Frau mit blondem Pagenkopf und Designerjeans stand auf.

„Lilli hat hier schon immer alles gemanagt“, sagte sie, „deshalb haben wir sie auch alle kennengelernt.“

Engels hörte der Frau zu und wartete darauf, dass sie weitersprach.

„Obwohl sie mit den Mädchen und Ian schon genug eingespannt war, hatte Lilli immer Zeit für einen, und man darf nicht vergessen, dass sie sich auch noch um ihre Mutter gekümmert hat und um Susanna, wann immer sie hier unten war…“

„Sie hat sich also um alles gekümmert?“, fragte Engels, und die Frau zuckte leicht zusammen. Dann kräuselte sie pikiert die Lippen. „Ja, das war ihr wichtig“, erwiderte sie und setzte sich.

„Soweit ich verstanden habe, war Familie Kaufmann überhaupt sehr beliebt.“

„Das kann man so sagen“, meldete sich eine langhaarige Frau zu Wort, die alleine an einem Tisch in der Nähe der Küche saß und eine fast leere Piccolo Sektflasche vor sich stehen hatte. „Ich habe beide gemocht“, sagte die Frau lächelnd. Sie fingerte an ihrem Glas herum, ihr Blick flackerte.

Engels musste den Hals recken, um sie sehen zu können. Er ging hinüber zu ihr und setzte sich neben sie. Die Gäste entnahmen daraus, dass die allgemeine Befragung zu Ende vorbei war, und unterhielten sich weiter.

„Wir sind quasi nebeneinander aufgewachsen“, sagte die Langhaarige und schwenkte ihr Glas. „Lilli und ich kennen uns seit Ewigkeiten.“

Eine Weile blieb es still.

„Sie sind eine Freundin der Familie?“

„Ich bin Karin Grosser, und jeder hier weiß, wie gut ich mit Lilli und Ian befreundet war.“

„Seit wann kannten sie …Lilli Kaufmann“, hakte Engels nach.

„Seit wir Teenager waren.“

Das Gesicht von Karin Grosser war blass, die Augen stark geschminkt. „Lilli und ich waren in der gleichen Clique …von Anfang an “, sagte sie und blinzelte Engels dabei an. „Ian, kam später dann auch dazu.“ Ihr Gesicht hellte sich etwas auf. „Da hieß Lilli noch Richter.“

„Was war das für eine Clique?“

„Suchen sie sich was aus.“ Grosser bewegte ihren Kopf von einer Seite zur anderen. „Gute Freunde eben …“

„Verstehe.“ Engels zeigte mit den Augen auf die Nachbartische. „Leute von hier?“

„Nein“, Karin Grosser lächelte freudlos zurück, „wie gesagt, wir waren allesamt Jugendfreunde“, sagte sie dann noch, „aus der …Nachbarschaft, verstehen sie?“

„Klar. Erzählen sie weiter.“

Engels wartete.

„Irene war dabei“, zählte Grosser auf, „mein Bruder Alex, Klaus und Jenny Lipp, ich, und …noch einige andere. Ich weiß nicht mehr wer noch alles dabei war.“ Sie sah Engels an und erwartete wohl eine Frage dazu. Als die nicht kam, sagte sie: „Eine Zeitlang waren wir echt unzertrennlich.“

Engels überging das mit einem Lächeln und fragte: „Und Ian Kaufmann, wie lange kannten sie den?“

„Seit seiner ersten Trainingseinheit bei den Adlern.“

Karin Grosser änderte ihre Sitzhaltung und schlug ihre Beine übereinander. „Ich bin glühende Adler-Anhängerin“, sagte sie. „Seit ich denken kann.“

Engels nickte nur.

„Lilli war meine Brautjungfer als mein Edgar und ich heirateten, und sie saß neben mir, als ich ihn letztes Jahr beerdigt habe. Cheers, Lilli!“ Die Frau schwenkte noch einmal ihr Glas. „Und den Rest der Geschichte behalte ich für mich.“

Engels nickte noch einmal und erhob sich nach einem Moment wieder. Weitere Fragen waren jetzt sinnlos. Sie gaben sich die Hand, und er ging zurück an die Theke. Oser war immer noch in sein Gespräch mit Sommer vertieft.

Engels tippte ihm auf die Schulter.

„Ich bin fertig.“

Oser erhob sich langsam. „Wir auch, und es gibt sonst keine weiteren Wortmeldungen.“

Sie verabschiedeten sich, winkten und verließen das Lokal.

„Was halten sie von dem Mann?“

„Die Trauer ist nicht gespielt“, antwortete Tom Oser, „Der Typ ist ein echter Jünger von Kaufmann.“

Engels sah ihn fragend an.

„Er hat ebenfalls zwei Töchter, im gleichen Alter wie die Kaufmann Mädels“, sagte Oser weiter. „Über die Schiene haben die sich wohl auch kennengelernt. Sommer ist geschieden, und arbeitet seit sechs Jahren für Familie Kaufmann.“

Engels machte immer noch keine Anstalten weiterzugehen.

„Wohin jetzt?“

„Fahren sie mich zur Spurensicherung.“

Als er wenig später die Autotür öffnete, begann gerade ein Telefon zu klingeln.

„Hallo.“

„Max bist du dran?“, meldete sich Till Keller.

Oser legte den ersten Gang ein und fuhr schon an.

„Du vertraust dem Schreiberling wohl immer noch?“, begann der Oberstaatsanwalt aufgebracht.

Engels behielt das BlackBerry in der Hand. Er legte seine Stirn in Falten, aber er entschied sich nicht gleich zu antworten.

„Wen meinst du?“, fragte er dann leise.

„Du weißt wen ich meine. Tänzer ist zwar ein unangenehmer Typ, aber ...“ Keller schnaubte. „Wie gut kennst du den Kerl noch?“

„Jo, ist ein uralter Bekannter“, sagte Engels und das Adrenalin floss wieder etwas schneller durch seine Adern.

„Sonst ist da nix.“

Engels setzte sich zurecht. „Warum willst du das wissen?“

„Wir haben Nachrichtensperre angeordnet“, antwortete Keller mit einer gewissen Schärfe. „Trotzdem schreibt der Kerl bereits detailliert über die Morde. Wie geht das? Das würde ich gerne wissen…“

„Was soll der Blödsinn?“, unterbrach ihn Engels gereizt. „Tänzer ist Journalist. Einer von denen, die einem immer mal über den Weg laufen.“ Er begann sich zu ärgern. „Darauf habe ich aber keinen Einfluss.“

„Ich muss gleich zur Pressekonferenz“, sagte Keller hastig, „und ich muss mich auf die Fragerei einstellen, verstehst du?“

Engels schüttelte den Kopf.

„Ich sag dir eins“, legte er los. „Tänzer ist ein erfahrener Journalist mit unzähligen Quellen. Der weiß über alles Bescheid, was in der Stadt hier von Bedeutung ist. Auch ohne mich. Da musst du dir einen anderen suchen.“

„Dann kauf dir die aktuelle Ausgabe vom Neckarblick. Du wirst staunen welche Details du schon nachlesen kannst.“

Engels hob eine Augenbraue und winkte gereizt ab.

Tom Oser hatte schweigend zugehört. „Ist doch eine spannende Geschichte“, begann er noch einmal, „finden sie nicht?“ „Doch natürlich“, schnaubte Engels, „aber jetzt müssen sie hier abbiegen.“

Kurze Zeit später bremste Tom Oser vorm Präsidium.

„Lassen sie mich aussteigen.“

Engels warf einen Blick auf sein Armgelenk. „Es ist jetzt fast zwei Uhr. Gehen sie schon mal was essen, und danach …holen sie mich einfach wieder ab.“

„Soll ich mitkommen?“

„Wozu…?“

Engels musste einmal hart schlucken.

„Nein, ich komme schon klar“, sagte er dann etwas gedehnter und tippte Oser leicht an die Schulter. Ohne ein weiteres Wort stieg er aus, schlug die Autotür hinter sich zu und stapfte über dem Bürgersteig davon.

Vorsichtig, aber Tom Oser, der ihm nachsah, entging nicht, dass der Mann sein rechtes Bein leicht nachzog und es nach jedem Schritt ganz vorsichtig aufsetzte.

Engels spürte den Blick in seinem Rücken, und ignorierte ihn. Verbissen ging er bis zu der wuchtigen Tür. Auf der Schwelle zur Einsatzzentrale blieb er kurz stehen. Er verspürte doch tatsächlich einen Anflug von Wehmut.

Nur der alltägliche Teufel war los. Angespannte Streifenpolizisten telefonierten. Wann? Wo? Was? Immer dieselben Fragen. Bildschirme flackerten, und auf langen Regalen an den Wänden standen Funkgeräte auf Ladestationen. Pausenlos schepperten Meldungen aus den Boxen über den anwesenden Köpfen.

Geht`s auch schneller?

Max Engels lächelte halbherzig, ging vor bis zum Empfangstresen, und nahm dann die Treppe nach oben. Gehetzte Blicke verfolgten ihn, aber nicht lange

Im zweiten Flur meldete sich schmerzhaft die Hüfte und er wurde langsamer. Wie interessiert starrte auf die Plakatwände ringsum, und massierte sich mit Daumen und Zeigefinger dabei den Nasenflügel.

Eine Frau kam ihm entgegen. Kurze blonde Haare und etwas mollig. Sonst war niemand zu sehen.

„Kann ich ihnen helfen?“

„Wo finde ich die Spurensicherung?“

„Da müssen sie den Flur runter bis zur Pendeltür.“ Mit dem Daumen zeigte die Frau über die Schulter. „Dahinter finden sie die Kollegen dann gleich.“

Engels nickte freundlich, lief aber einfach weiter. Das glatte Linoleum unter seinen Füßen dämpfte jeden seiner Schritte.

Die erst Tür, nach dem Flur stand tatsächlich weit offen. Abwartend blieb Engels im Türrahmen stehen. Auf den ersten Blick sah es vor ihm aus wie in einer Großküche. Unsichtbare Motoren summten und die Deckenleuchte flackerte einige Male. Ein sperriges Lichtmikroskop stand mitten im Durchgang.

Arthur Kemmer war allein. Ohne seinen weißen Schutzanzug wirkte der Mann seltsam schmal. Er hatte so dünnes Haupthaar, dass sich an vielen Stellen schon die Schädelform abzeichnete. Er stand mit dem Rücken zur Tür und hantierte an einem offenen Rollschrank.

Auf der Anrichte neben ihm, stand ein kleiner Fernseher, aber die Bilder vom Flughafen in Teheran liefen fast ohne Ton. Der aktuelle Iranbesuch einer Wirtschaftsdelegation war wohl gerade das Thema. Kemmer hörte interessiert zu, aber als er die Schritte hinter sich hörte, wirbelte er aufgeschreckt herum.

„Augenblick mal.“

Engels balancierte sich weit in den Raum hinein.

„Was ist…?“

Für den Bruchteil einer Sekunde trafen sich ihre Blicke.

„Schön sie zu sehen“, sagte Engels.

Arthur Kemmer atmete tief ein und wieder aus. Dann winkte er den Besucher heran.

„Ah, was verschafft uns denn die Ehre?“

„Gibt`s schon was Neues?“

„Wir sind dran“, wehrte Kemmer ab. „Aber setzten sie sich erstmal. Wir sehen hier nur selten Besucher.“ Ansatzlos schob er mit seinem Knie das altersschwachen Bodenstativ zur Seite.

„Sorry, für die Unordnung.“

Mit seiner ausgestreckten Hand wies er auf einen schmalen Tisch mit hohen Hockern.

„Habe ich etwas verpasst?“

Engels schob sich in das Zimmer und sah sich um. Der Raum war rechteckig und es gab eine breite Fensterfront. Außerdem war er größer als er zunächst gedacht hatte, und randvoll gepackt mit elektrischen Gerätschaften und Vorrichtungen aller Art. Von den Apparaten die herumstanden, kannte er die wenigsten mit Namen.

„Trinken sie einen Kaffee mit?“ fragte Arthur Kemmer. „Der ist gerade fertig geworden.“

„Vielleicht einen Kleinen.“

Mit einem Nicken verschwand der Techniker in einer der abgehängten Seitennischen. Mit eingezogenem Nacken kam er nach drei Sekunden wieder zurück. Er hielt zwei halbvolle Porzellanbecher in den Händen.

„Das ist kein Spülwasser aus der Kantine“, lachte er. Geschickt drehte er sich zwischen einigen Apparaturen hindurch und reichte mit seinem ausgestreckten Arm eine der Tassen weiter.

„Probieren sie mal.“

Engels Bein schmerzte seit er sich gesetzt hatte. Auch der Hocker knarrte, und missmutig verzog er das Gesicht.

„Was habt ihr gefunden?“

Das Telefon klingelte. Anstatt zu antworten nahm Kemmer den Hörer ab, hörte kurz zu und sagte dann schnell.

„Warten sie mal.“

Gedankenverloren legte er dann auf.

„Wir waren bei den Spuren“, sagte Engels.

„Wir arbeiten mit Hochdruck an der Sache, aber geben sie mir noch ein paar Stunden.“

Engels trank von dem Kaffee. Er war unglaublich gut.

„Wann …?“

„Wenn wir so weit sind, erfahren sie es als erster.“

Abrupt stellte Kemmer seine Tasse ab und stützte sich mit beiden Armen auf die Tischplatte. „Vorab kann ich ihnen lediglich sagen, dass es sich um ein schweres Betäubungsgas handelt, soviel ist sicher.“

„Kaufmann und seine Familie sind also mit voller Absicht vergast worden?“

„Definitiv.“

„Danach war eine Zeitlang nur das Summen des Kühlschranks zu hören.

„Trotzdem kann der Überfall auch ein Raubzug gewesen sein.“ Arthur Kemmer legte seine Stirn in Falten und sprach aufreizend langsam weiter. „Ich will noch nichts ausschließen.“

Er beugte sich wieder hoch und verschränkte beide Arme vor der Brust. „Wir haben das Haus komplett auf den Kopf gestellt“, sagte er. „Aber keine eindeutigen Spuren gefunden.“

Engels sah sein Gegenüber stirnrunzelnd an.

„Im Haus sind zwar alle Zimmer durchsucht worden, aber die Bücher stehen noch in den Regalen.“ Kemmer verzog das Gesicht und lutschte nervös an seinen Zähnen. „Ein armseliger Versuch, um einen Einbruch vorzutäuschen.“

„Reden sie weiter.“

„Es gibt auch noch keinerlei Forderungen, oder?“

Engels schüttelte den Kopf.

„Unüblich“, knurrte Kemmer und fuhr sich mit zwei Fingern durch seinen Kinnbart.

„Ich weiß.“

„Wer will denn auch für so eine fürchterliche Tat die Verantwortung übernehmen.“

„Wenn die Tat politisch motiviert war, kommen die Bekenner nur langsam aus den Löchern.“

Kemmer blickte für einen Augenblick zum Fenster. „Anhaltspunkte gibt`s natürlich eine ganze Menge. Vor allem etliche Reifenspuren von unterschiedlichen Fahrzeugtypen.“

„War ein Transporter dabei?“

„Die Fahrzeuge sind noch nicht identifiziert. Im Haus gibt es auch DNA-Anhaftungen und andere Spuren, aber ich kann noch nicht näher darauf eingehen.“

„Fußspuren?“

Kemmer nickte. „Mehrere unterschiedliche Personen“, sagte er, „mindestens drei sind in dem Haus gewesen.“

Max Engels schob die Kaffeetasse zur Seite und stand auf.

„Warum haben die Einbrecher den Tresor aus der Wand gerissen?“, fragte er schmallippig. „Was haben die Typen gesucht?“

„Keine Ahnung.“

„Ich möchte auch wissen, wie sich die Einbrecher geschützt haben“, sagte Engels einen Moment später.

„Ich hätte eine Gasmaske mitgebracht.“

Engels trat an den Stadtplan. „Hier ist die Antwort…“, mit seinem Zeigefinger pochte er zweimal auf den Grundrissplan von Kaufmanns Anwesen. Das Haus sah so aus, wie es wirklich war, groß und protzig.

„Trotz allem …haben wir nichts.“

Ein müder Typ mit Akne kam durch die Tür und übergab lustlos einen Arm voller Akten.

„Der Obduktionsbericht“, sagte Kemmer schnell und sah Engels dabei in die Augen. „Wollen sie ihn sehen?“

Engels nickte mit dem Kopf.

„Ich kann sowas lesen.“

Kemmer schob den dünnen Aktendeckel über den Tisch. Und Max Engels begann sofort zu blättern. Vertiefte sich in den wenigen Text und die dramatischen Fotos der fünf Opfer.

Ian Kaufmann 48, Lilli Kaufmann 42, Sandy Kaufmann 17, Samantha Kaufmann 15, und Christa Richter 68.

Krämpfe und Tod! Die Bilder des Polizeifotografen waren schonungslos bis ins Detail. Engels fröstelte als er die Bilder ansah.

Nach einigen Sekunden legte er den Bericht zurück auf den Tisch und erhob sich.

„Gute Arbeit!“

Damit wollte er sich aus dem Zimmer schieben. „Und danke für den Kaffee!“

Kemmer räusperte sich und fragte: „Was machen sie als nächstes … “

„Ich mach weiter.“

Schlusslichter

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