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Es hallte einmal laut als Engels die Zimmertür hinter sich zuschlug. Erschrocken blieb er stehen und starrte in die Dunkelheit. Dann tastete er an der Wand nach dem Lichtschalter und knipste die Lampe an. Er brauchte einen ganz kurzen Moment um sich zu orientieren.

Dann hatten sich seine Pupillen auf die Lichtverhältnisse eingestellt und er konnte alles um sich herum genau erkennen. Die beiden Betten vor ihm lagen im Halbschatten.

„Diese Zimmer sind im Regelfall für unsere Gastdozenten reserviert“, hatte der Mann von der Klinikverwaltung erklärt, als er Engels die Scheckkarte ausgehändigt hatte. „Aber, wenn die Staatsanwaltschaft auf den Umzug besteht, wird das auch ihrer Kasse recht sein.“

„Das nehm ich mal an.“

Engels war es egal. Er lief weiter, kurbelte die Jalousie hoch und öffnete das Fenster. Für einen Moment blieb er noch stehen. Wind und Abgase schlugen ihm ins Gesicht. Der Abend war immer noch mild. Ein paar hundert Meter über ihm hing ein Hubschrauber im Himmel. Die Rotoren schienen mal lauter, mal leiser. Scheinbar änderte der Wind die Richtung.

Ein Rettungswagen jagte mit Sirenengeheul über die Brücke und kam näher. Engels machte zwei Schritte zurück in das Zimmer, zog die Jacke aus und ließ sich auf sein Bett fallen.

Ohne die Metallkonstruktion an den Betten und den breiten Kabelschächte hätte man den Raum fast für ein Hotelzimmer gehalten. Max war zufrieden. Nur sein Rücken schmerzte, als er sich aufsetzte. Vom Beistelltisch zog er das Notebook heran, und streckte gleichzeitig beide Beine aus.

Während er mit der anderen Hand seine Hüfte abtastete, schaltete er den Computer schon ein. Farbige Balken zuckten auf. Die Programme starteten. Langsam erwachte der Bildschirm vor ihm und er rief als erstes die Internetseite vom Neckarblick auf.

POLIZEIBERICHT: Ganz oben auf der Seite kam der Gasüberfall.

Gas, aber keine Gefahr für die Stadt.“

Tänzer berief sich in dem Artikel auf anonyme Quellen aus Ermittlerkreisen und berichtete, wie die Einbrecher, mindestens drei Personen in zwei Fahrzeugen um 4.05 Uhr das Tor zum Grundstück der Familie Kaufmann geöffnet hatten, zum Aggregat der Klimaanlage gelangt waren und das noch unbekannte Gas in den Lüftungsschacht für die Klimaanlage gepumpt hatten.

„Scheißgeschichte“, murmelte Engels halblaut vor sich hin. Mit dem Daumen scrollte er weiter.

Ohne einen einzigen Schrei.“

Auf dramatische Art schilderte Tänzer, wie panisch die Familie reagierte hatte, als ihnen bewusstgeworden war, dass sie vergast werden sollten.

Wie sie vom Lärm der Gasmelder aufgewacht waren, den Rauch oder Nebel aus der Belüftungsöffnung quellen sahen, wie Ian Kaufmann versucht hatte, die Öffnung mit Hilfe einer Decke abzudichten, während Lilli zur Tür eilte, um ihren Kindern zu helfen. Wie sie in Sekundenschnelle gelähmt waren und nach kurzem Todeskampf ihren Vergiftungen erlagen.

Wie die Einbrecher, oder besser gesagt die Mörder, anschließend das Haus ausraubten, den Tresor aus der Wand rissen und mitnahmen, danach alle Wertgegenstände aus dem Haus schafften und wegfuhren.

Das war typisch Tänzer. Mit solch spektakulären Artikeln hatte er schon etliche Male für Aufsehen gesorgt. Und natürlich auch Auflage beschafft.

Vor zwei Jahren war es der Korruptionsfall in der Stadtverwaltung gewesen, den er durch seine kompromisslose Recherche öffentlich gemacht hatte.

Der Skandal im Bauamt hatte eine Rücktrittswelle ausgelöst, die bis nach Stuttgart schwappte.

Mannheimer Polizei sucht nach Zeugen.“

Tänzer beschrieb auch Aussehen und Lage der Leichen, wie sie von der Haushälterin vorgefunden worden waren, erläuterte eingehend die sichergestellten Spuren der Täter und dass es angeblich „nur eine Frage der Zeit sei“ sei, bis man die Schuldigen fassen werde. Die Ermittler baten die Bevölkerung um Mithilfe bei der Aufklärung.

Anschließend erschien in einem Kasten noch der sportliche Lebenslauf von Ian Kaufmann.

Engels gab den Kaufmann in die Suchmaschine und wenig später tauchten auf dem Bildschirm weitere Schlagzeilen auf.

Die Wirkung war verheerend“, erläuterte eine Polizeisprecherin die Situation. Der zunächst befürchtete Einsatz von Kampfgas bewahrheitete sich nicht – zum Glück für die Bevölkerung. Mittlerweile waren auch Spezialisten der Umweltkommission vor Ort. Als Vorsichtsmaßnahme wurde das Gebiet weiträumig abgesperrt.

Vielleicht bringt der Aufruf noch etwas mehr Bewegung in die Sache, überlegte Engels. Sein Handy klingelte. Es war Sabine Back.

„Hören sie“, sagte sie sofort. „Ich habe eben einen merkwürdigen Anruf von Keller bekommen.“

„So funktioniert der Buschfunk! Machen sie sich keine Sorgen deswegen.“

„Mach ich nicht.“

Engels sagte noch etwas Unverständliches und machte eine Bewegung mit der Hand.

„Übrigens“, sagte Back dann wieder ruhiger. „Die Adler veranstalten eine Trauerfeier für Kaufmann.“

„Wo…wo soll das stattfinden?“

„In ihrer alten Heimat. Wo sonst“, Back schnalzte mit der Zunge. „Morgen um Sechzehn Uhr wird im Friedrichspark eine offizielle Gedenkminute abgehalten.“

„Da bin ich dabei.“

„Seit Stunden rasen Meldungen durchs Netz. Die Fanclubs koordinieren sich schon über Facebook. Und die Moderatoren von Radio Regenbogen und RNF-Live überschlagen sich auch deswegen.“

„Wissen sie wo diese Susanna steckt?“, fragte Engels.

„Nein, die Kollegen suchen noch“, gab Back zurück. „Die positive Nachricht ist, dass sie nicht im Haus war als es passierte.“

„Aber sie wissen schon wer das Mädchen ist?“

„Ich weiß, dass sie eine uneheliche Tochter von Ian Kaufmann gibt.“

„Wie bitte?“

Die Stimme von Sabine Back veränderte sich fast nicht. „Ein Kind der Liebe, wenn sie verstehen“, sagte sie. „Ihre Mutter lebt im Elsass. Wir haben die Kollegen dort informiert. Die Frau wird sich sicher melden.“

„Lebt die Dame dort von Kaufmanns Geld?“

„Nein“, antwortete Back. „Die war ja nie mit Ian Kaufmann verheiratet. Thaler ist der Name. Ulla Thaler.“

Nach einer kurzen Pause fragte Back plötzlich: „Haben sie schon was gegessen?“

„Äh nein, aber…“

Engels lauschte. Im Hintergrund der Kneipe kreischte eine Frau vor Lachen.

„Ich sitze im Lindbergh am Kanal“, sagte Back, „das sind nur drei Minuten bis hoch zu ihnen. Soll ich ihnen etwas zur Stärkung raufbringen?“

Sie wartete einen Moment.

„Ein andermal bestimmt“, bedankte sich Engels artig und legte abrupt auf.

Schlusslichter

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