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BIER, MUSIK UND DAS GROSSE SCHWEIGEN

RESPEKT FÜR DEN MUSIKER IST OBERSTES GEBOT

Micha schreibt:

Die ganze Fahrt von Berlin nach Lahinch habe ich mich auf mein erstes echtes Guinness nach Jahren gefreut. Also nicht das, was wir in Irish Pubs in Deutschland serviert bekommen, sondern ein originales, richtig gezapftes Bierchen in einem echten Landpub mit Musik und allem Drum und Dran. Unsere nette Vermieterin Maura und ihr Mann Seamus sagten uns an unserem zweiten Abend, dass es eine session im Pub gebe, irische Livemusik also. Klar mussten wir hin. Gegen 22 Uhr sollte es losgehen. Ziemlich spät, fanden wir. Deswegen machten wir uns gleich nach dem Abendessen auf den Weg.

Der Pub war noch ziemlich leer, aber dafür konnten wir eine schöne Eckbank ergattern, von wo aus wir das ganze Lokal im Blick hatten. Viel war allerdings nicht zu überblicken. Die Kneipe war dunkel und winzig: hinten eine Bar mit maximal fünf Barhockern, drei Tische mit kleinen Hockern und unsere Eckbank mit zwei kleinen runden Tischen davor. An den Holzwänden hingen Fotos von Musikern, alte Bierplakate und irgendwelcher Krimskrams. Hinter der Bar stapelten sich auf den schon etwas altersschwachen Holzregalen diverse Alkoholika zwischen angestaubten Bierflaschen, die äußerst historisch aussahen. Urgemütlich also.

Jo winkte dem ältlichen bebrillten Mann hinter der Bar zu, um zu bestellen. Der nickte nur kurz und widmete sich wieder seinen Zapfhähnen.

»Wieso kommt der nicht, um unsere Bestellung aufzunehmen?«, fragte sie. »Hello!« Sie winkte gleich noch einmal.

Der Mann sah sie erstaunt an.

»Keine Ahnung, vielleicht ist die Tischbedienung gerade auf dem Klo?«

Mir dauerte das zu lange, also bestellte ich an der Theke: »Two glasses of Guinness, please.«

Der Barmann nickte und begann, zwei kleine Gläser zu füllen. Ähm, dachte ich, eigentlich wollte ich doch ein richtiges großes Glas. Na ja, das nächste Mal würde ich eben »Two big glasses of Guinness, please« sagen.

Nach und nach tröpfelten Gäste ein, meist ältere Leute, manche noch in Gummistiefeln, als wären sie frisch vom Feld gekommen, ein paar Dorfjugendliche in ihren besten Jeans und T-Shirts und schließlich ein Truppe Männer, die mit Geigen-, Gitarren- und sonstigen Instrumentenkästen schnurstracks auf uns zu kamen und uns freundlich anlächelten.

Wir lächelten zurück. Als wir begriffen, dass sie sich zu uns setzen wollten, rutschen wir flugs ein Stück auf der Bank zur Seite. Einige nahmen Platz und packten ihre Musikinstrumente aus. Einer der Musiker neigte sich zu uns herab und sagte: »Könnt ihr euch bitte woanders hinsetzen?«

Jo guckte ihn nur groß an. »Wieso denn?«

Ehe wir’s uns versahen, kam der Barmann herüber. »Das ist die Musikerecke«, sagte er freundlich. »Ihr seid neu hier?«

Oh Mann, war mir das peinlich. Schnell nahmen wir unsere Gläser und Jacken und schauten uns um. Der Pub jetzt voll besetzt. Also stellten wir uns an die ohnehin dicht besiedelte Bar.

»Das halte ich nicht den ganzen Abend aus«, flüsterte Jo und zeigte auf ihre hochhackigen Stiefel. »Wenn ein Stuhl frei wird, sag Bescheid.«

Ich fand’s gut an der Theke, näher am Bier. Die Musik setzte ein, ein fröhliches schnelles Stück, das alle mitriss, die Leute quatschten immer lauter, manche machten Tanzschritte. Jo vergaß ihre hohen Absätze, wippte im Takt und quasselte munter drauflos, mit allen, die um sie herumstanden. Kaum hatten wir unser Bier ausgetrunken, stand schon ein neues vor uns, und zwar in großen Gläsern. Und kaum hatten wir das Nächste ausgetrunken ... Unauffällig lugte ich in mein Portemonnaie.

Plötzlich wurde es ganz still im Raum, auch die Instrumente schwiegen. Nur Jo plapperte weiter.

»Psst!«, zischte es hier und da.

Jo, natürlich voll in Schwung, redete einfach weiter, bis sie schließlich meinen Ellbogen in ihren Rippen spürte. »Klappe halten, Johanna«. Sie hört auf Johanna.

Ein alter Mann mit sehr roten Wangen, schwarz gefärbtem Haar und triefenden Augen stand mitten im Raum und sang ein trauriges Lied. Seine Stimme war schon etwas brüchig, auch der eine oder andere Ton ging leicht daneben, aber er sang mit solcher Inbrunst von verlorener Liebe, verlorener Freiheit (oder von verlorenen Kühen?), dass es einfach herzergreifend war. Alle lauschten ergriffen. Nur Jo versuchte immer wieder, ihren Mund aufzumachen, was ich mit leichten Tritten gegen ihre hohen Hacken gerade noch verhindern konnte. Jo wurde ganz rot im Gesicht und presste die Lippen zusammen. Als der alte Mann mit seinem Lied zu Ende war, gab es tosenden Beifall.

»Another one, Brendan!«, rief jemand von hinten.

»Yeah, go on, Brendan!«, riefen andere.

»Hoffentlich nicht«, flüsterte Jo mir zu.

LAST ORDERS!

Pubs haben wie fast alle Gastbetriebe in Irland gesetzlich festgelegte Öffnungszeiten: montags bis mittwochs von 10.30 bis 23.30 Uhr, donnerstags bis samstags bis 0.30 Uhr, sonntags bis 23 Uhr. In Nordirland montags bis samstags von 11.30 bis 23 Uhr, sonntags von 12.30 bis 22 Uhr. Ausnahme bilden Pubs mit Unterhaltung, die fürs Wochenende oder für Festivals eine late licence besitzen, also eine Genehmigung für längere Öffnungszeiten.

Die Schließzeiten bedeuten, dass die Gäste bis zu diesem Zeitpunkt ihre letzte Bestellung, last order, aufgeben können und danach noch eine halbe Stunde Zeit zum Austrinken haben. Das führt dazu, dass schnell noch Getränke bestellt werden, obwohl manch einer noch ein volles Glas vor sich hat. Eine Art Torschlusspanik, auf dem Trockenen zu sitzen, die rasches Herunterstürzen der Getränke nach sich zieht. In ländlichen Pubs wird diese halbe Stunde oft nicht so genau eingehalten. Zeit ist dehnbar.

Kommentar von: Tom

Micha, alter Junge. Kannst du dich nicht mehr erinnern, wie wir damals selbst durch die Pubs gezogen sind? Das mag zwar über fünfzehn Jahre her sein, aber dass ein glass of Guinness ein Damenschlückchen ist, weißt du wohl noch? Doch, wirklich, Damenschlückchen! Ein pint of Guinness war immer was für Männer, Damen tranken Gin Tonic oder Baileys oder Orangensaft im Pub. Wenn sie aber doch Guinness oder sonst ein Bier bestellten, dann nur im »Glas«, also als halbes Pint.

Kommentar von: Tina

Hey Jungs, auch Frauen trinken mittlerweile Pints. Und das ist völlig akzeptiert. Na gut, nicht unter den alten Mackern auf dem Land, die immer noch glauben, dass »damenhaft« etwas mit Zurückhaltung zu tun hat. Aber die sind die Ersten, die einer attraktiven Frau sofort ein Pint bestellen, wenn sie eine Chance sehen. Chance – haha.

Also, Jo, pass auf, wenn die alten Kerle dir Pints ausgeben, da ist nichts mehr mit »damenhaft«!

Kommentar von: Shane

Ich erinnere mich noch gut, dass ich mich im Pub in Deutschland erst umstellen musste, dass es dort Tischbedienung gibt und die Leute zum Schluss zahlen, nicht bei jeder Runde. In Irland bestellt man an der Theke, zahlt sofort und in Gesellschaft immer in Runden, nicht einzeln. Das kann natürlich dazu führen, dass man den Überblick verliert, nicht nur hinsichtlich der getrunkenen Menge, sondern auch finanziell. Das lässt sich jedoch kontrollieren – falls man dazu noch in der Lage ist –, nämlich indem man dankend, aber nachdrücklich ablehnt, wenn die nächste Runde bestellt wird. Dann wird auch nicht erwartet, dass man selbst jeweils eine Runde zahlen muss.

Was ihr aber in den ländlichen Pubs wirklich beachten müsst, ist der Respekt vor Musikern. Zum einen gibt es immer eine vorbestimmte Ecke für die Leute. Kein Gast würde sich jemals dorthin setzen. Gut, das mag für Neulinge nicht unbedingt ersichtlich sein, es steht ja auch nirgends ein »Reserviert«-Schild. Musiker haben jedoch immer einen hohen Stellenwert. Die Kerntruppe wird meist vom Wirt bezahlt, wenn auch mickrig. Gäste sorgen für deren Getränke und auf jeden Fall dafür, dass sie genug Raum haben. Ahnungslose Touristen, die in der Musikerecke sitzen bleiben, werden freundlich, aber gnadenlos verjagt. Das habt ihr ja am eigenen Leibe erfahren.

Zum anderen: Sean Nós. Das ist der traditionelle Sologesang oder -tanz, der absolute Ruhe und Wertschätzung verlangt, auch wenn der jeweilige Solist weder singen noch tanzen kann. Jedes Bemühen wird geschätzt, gekichert wird bestenfalls im Keller.

Stellt euch vor, du, Micha oder Jo, würdest aufgefordert, auch einen Beitrag zur musikalischen Unterhaltung zu leisten. »Singt mal was Deutsches«, heißt es oft. Doch wirklich, wir Iren sind interessiert an anderen musikalischen Traditionen. Jetzt stelle ich mir Jo vor, die eigentlich ganz gut Joni Mitchell nachahmen kann. Die ist zwar nicht deutsch, aber egal. Und auch wenn Jo die Noten nicht ganz so trifft, wären alle ruhig und würden ihr höflich zuhören und klatschen. Was sich bestimmt besser anfühlt, als belächelt oder gar ausgelacht zu werden. Noch lustiger stelle ich mir allerdings vor, wenn Micha nach etlichen Bierchen mal wieder Luftgitarre spielen würde. Auf den Knien. In Berlin würden sich alle vor Lachen kringeln, in Irland würden alle den Mut bewundern und klatschen. Na gut, wir kringeln uns dann hinterher, wenn’s keiner sieht.

Denn: Wir Iren sind alle Künstler. Welcher Qualität auch immer. Hauptsache gutes Entertainment!

THE BLACK STUFF – UND ANDERE GETRÄNKE

Das beliebteste Getränk in irischen Pubs ist natürlich Bier, v. a. das weltberühmte Guinness, the black stuff, wie es vertraulich genannt wird. Das porter, wie das schwarze Bier mit dem typischen cremigen Schaum auch heißt, ist aber nicht das einzige stout (schwarzes Starkbier), das ausgeschenkt wird. Im County Cork z. B. werden die einheimischen stouts Beamish und Murphy’s bevorzugt.

Rötlich braun ist das leicht süßlich schmeckende Bier Smithwick’s (sprich: Smitticks), das früher unter dem Namen Kilkenny ausschließlich exportiert wurde. Heute gibt es auch ein Kilkenny für den irischen Markt, das herber und alkoholreicher als Smithwick’s ist. Zu den einheimischen blonden Bieren, lager genannt, gehört u.a. die Marke Harp. Daneben werden zahlreiche Importbiere u.a. aus den USA, den Niederlanden, Frankreich und Deutschland angeboten, die nicht gezapft, sondern in Flaschen verkauft werden.

Ein erfrischendes, wenn auch nicht gerade schwach alkoholisches Getränk ist cider, der aus Äpfeln gebraut wird und in der Regel 4,5 bis zu 8 Prozent Alkoholgehalt hat. Bulmers ist die am weitesten verbreitete Marke, die in Pubs auch vom Fass kommt.

Berühmt ist natürlich der irische Whiskey, der einzige, der mit e geschrieben wird. Er ist milder als der schottische oder amerikanische Whisky. Zu den gängigsten Whiskeysorten zählen Jameson, Paddy und Bushmills. Beliebt besonders bei älteren Menschen ist der sahnige Whiskeylikör Baileys, und Frauen bestellen im Pub auch gerne mal einen Gin Tonic.

Fettnäpfchenführer Irland

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