Читать книгу Ein Sechserpack im Kuhstallfieber - Petra Gürtler - Страница 6
Was eigentlich kann Bea gut?
ОглавлениеEs war ziemlich kühl am ersten Samstagvormittag in den Ferien, am Himmel sah es nach Regen aus. Sissi saß schon seit einer Stunde auf dem Begrenzungszaun der Koppel, fror und beobachtete jeden Schritt von Ankas Fohlen. Das Bein war bandagiert, trotzdem humpelte das Fohlen fast ausschließlich auf drei Beinen seiner Mutter hinterher. „Na, hast du Rosi schon versorgt?“, Herr Dachsberger war von hinten an den Zaun getreten und blieb neben Sissi stehen, wobei er ebenfalls sofort anfing, die Bewegungen des Fohlens zu verfolgen. „Ja“, sagte Sissi, „wir waren auch schon eine Stunde unterwegs. Für den Nachmittag haben sie ja Regen angesagt, da wollte ich lieber gleich in aller Frühe los!“ Herr Dachsberger nickte. „Wann wird denn nun über die Operation entschieden?“, wollte Sissi wissen. Dachsberger zuckte mit den Schultern. „ Für kommenden Montag in einer Woche hat Goldbach hier mit dem Tierarzt einen Termin vereinbart. Wahrscheinlich wird das der Stichtag werden.“ Sissi war zum Heulen. Um sich abzulenken, berichtete sie Dachsberger von ihrer Aktion für das Fohlen. Als er hörte, was die Kinder alles auf die Beine stellen wollten, war er sehr beeindruckt. „Seid aber nicht allzu optimistisch, zweitausend Euro sind eine Menge Geld. Das muss erst mal zusammen kommen. Und dann bleibt es ja immer noch Goldbachs Entscheidung, ob er der Operation zustimmen wird, “ mit einem Seufzen wandte er sich zum Gehen. „Bis dann Sissi, hab noch viel zu tun! Viel Glück bei eurer Arbeit!“ Er verschwand in einem der Ställe. Sissi rutschte von ihrer Stange und machte sich auf den Heimweg. Gleich nach dem Mittagessen war eine Sitzung im Kuhstall angesetzt. Punkt 1 der Tagesordnung würde wohl die offizielle Vorstellung von Luisas Freundin aus Leipzig sein. Punkt 2 die weitere Organisation und Arbeitsaufteilung der Vorbereitungen für den Flohmarkt am nächsten Samstag. Vorher wollte Sissi noch bei einigen Müttern von Freundinnen und bei anderen bekannten Kuchenbäckerinnen in Niederbach anrufen und um einen Kuchen fürs Büffet betteln. Sie konnte schließlich nicht mehr als drei an der Zahl selbst backen, das würde sich nicht reichen. Die Aussicht auf die bevorstehende Arbeit ließ ihre Stimmung allmählich wieder ansteigen.
Bis auf Luisa und Bea waren bereits alle im Clubraum versammelt. Sissi hatte zur allgemeinen Begeisterung noch schnell ein neues Kuchenrezept ausprobiert und das Ergebnis zum Testen mitgebracht. Wie in den meisten Fällen war das Backwerk mehr als geglückt! Juli griff bereits nach dem zweiten Stück, obwohl das Erste sich zum Großteil noch in seinen Backentaschen befand. Da hörten sie endlich Luisas Stimme, wie sie scheinbar ihrer Freundin Ratschläge für den Aufstieg zum Clubraum gab: „Du musst über die Leiter hier rauf. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Da kann dir nichts passieren, komm schon!“ Bea murmelte mit dünner Stimme: „Ich war noch nie auf einer Leiter! Halt bloß das obere Ende gut fest, nicht dass dieses Teil noch umkippt!“ Den Geräuschen nach zu urteilen, hatte sie nun aber doch mit dem Aufstieg begonnen. Im Clubraum wechselte man derweilen vielsagende Blicke. Als Luisa und Bea schließlich in der Tür erschienen, hatte Juli endlich das erste Stück Kuchen runter geschluckt und somit den Mund wieder frei. „Wo kommst du denn bloß her, wenn es da keine Leitern gibt? Klettert ihr vielleicht an Seilen?“, fragte er verwundert das Mädchen, das wohl Bea sein musste. Bea antwortete etwas säuerlich: „Aus Leipzig, und da gibt es eben nur Treppen und Fahrstühle. Bisher ist mir weder eine Leiter noch ein Seil zum Klettern begegnet. Nebenbei bemerkt bist du ganz schön frech, mein Lieber. Würde man dir gar nicht zutrauen, wo du eigentlich so süß aussiehst.“ Das war die Retourkutsche, Juli sagte nichts mehr, war beleidigt, denn das Letzte was er sein wollte, war süß! Na das fängt ja gut an, dachte Luisa, setzte aber trotzdem ein strahlendes Lächeln auf und sagte zu den Versammelten: „Darf ich euch meine Freundin Bea vorstellen? Wo sie herkommt wissen ja nun alle, sie ist gerade 11 geworden und kommt nach den Ferien in die sechste Klasse. Und jetzt der Reihe nach, Wolle kennst du ja schon, Juli hast du gerade kennengelernt und das sind dann noch Berti und Sissi!“ Auch Bea lächelte wieder und gab allen der Reihe nach die Hand. Juli klopfte sie eine Spur zu fest auf die Schulter und erklärte: „War wirklich nur ein Spaß, Juli! Du bist nicht süß, du siehst eher wie ein kräftiger Vorschüler aus. Bist du erst fünf oder schon sechs?“ Juli wuchs bestimmt um zehn Zentimeter und ergriff Beas Hand, wobei er richtig stellte, dass er erst vier sei, aber erwachsener wirke! Sissi unterbrach die Begrüßungszeremonie, indem sie auch den beiden Mädchen ein Stück Kuchen anbot und anschließend darauf drängte, mit der Arbeit zu beginnen. Juli krähte wichtig dazwischen: „Dafür müssen wir aber erst wissen, was Bea gut kann! Du willst uns doch helfen, oder? Ich war schon zweimal mit Grummel im Dorf unterwegs und habe gesammelt. Wie viel Euros habe ich dabei bekommen Berti? Sag schon!“ Berti antwortete bestimmt zum zehnten Mal an diesem Tag: „Genau 15 Euro und 75 Cent!“ „Toll, was?“, wollte Juli wissen. Bea nickte und Berti bohrte weiter: „Juli hat Recht, was kann eigentlich Bea gut?“ Erwartungsvoll blickten alle auf das Mädchen. Bea kratzte sich am Kopf und sagte schließlich: „Rechnen!“ Stille rings um her. „Ja, ich kann sehr gut rechnen und bin zu Hause, bei meinen Freunden immer für die Organisation zuständig. Ausflüge, Partys, auch eine Spendenaktion für eine Familie, die durch einen Brand alles verloren hatte, habe ich schon organisiert.“ „Also, dann schieß mal los! Sicher hat Luisa dir bereits erzählt, was alles ansteht und was bereits gemacht worden ist, hast du weitere Vorschläge?“, forderte Berti sie auf. Das war nun Beas Startschuss, sie zum Sprechen auffordern, konnte sehr gefährlich werden, was Berti noch lernen musste: „Ich habe mir schon was überlegt. Also es gibt doch einen Kutschwagen für Leopold, mit dem könnte Berti am Flohmarkttag Rundfahrten veranstalten. Dafür brauchen wir aber noch ein Kassenhäuschen mit einem Schild auf dem die Kutschfahrt und der Preis angezeigt werden. Wolle übernimmst du das, ja? Am Montag dachte ich, sollten wir Mädchen uns im Büro von Luisas Vater um die Herstellung der Handzettel kümmern, so tausend Stück werden wir schon brauchen. Gleichzeitig können Wolle und Juli mit dem Handwagen die Häuser im näheren Bereich um den Braunerhof nach Flohmarktware abfahren, vielleicht kann man ja Isidor vor den Handwagen spannen, dann müsst ihr nicht so schwer ziehen. Berti, du kannst mit dem Kutschwagen und Leopold die Gebiete übernehmen, die etwas weiter weg liegen. Die Sachen müssten vorbereitet sein, da Luisa ja bereits bei den meisten Leuten vorgesprochen hat. Am Dienstag verteilen wir die Handzettel in den Nachbardörfern und am Mittwoch fahren wir mit dem Bus in die Stadt und machen da weiter. Donnerstag und Freitag bleiben dann für den Aufbau und die Lagerung der Ware, die Leitung dafür sollte wohl bei Berti liegen, der hat am meisten Kraft. Außerdem werden wir uns um das Backen, das Abholen der Kuchenspenden und um deren Lagerung kümmern müssen!“ Erst sagte keiner was, dann blies Berti durch die Zähne, wie es seine Art war, Wolle rieb sich das Kinn, wie immer wenn er nachdachte und Juli sagte: „Aha!“ Sissi sah Luisa an, dann sahen beide Bea an und schließlich fragte Luisa: „Wer ist dafür?“ Einstimmig wurde der Vorschlag angenommen und Sissi fügte noch hinzu: „Ach Bea, und natürlich bist du Kassenwart, da muss man schließlich rechnen können!“ Plötzlich fiel Juli etwas ein: „Heute ist doch der erste Samstag in den Ferien, oder?“ Die anderen nickten. „Na, habt ihr es denn vergessen? Am ersten Samstag in den Ferien schlafen wir immer im Heu!“ Natürlich, beinahe hätten tatsächlich alle die alte Tradition vergessen gehabt. Nun machten sie sich aber schleunigst auf den Heimweg, um jeder seine sieben Sachen für die bevorstehende Übernachtung im Kuhstall zu packen. Man brauchte: Schlafsack, Decken, Kissen, Taschenlampe, Bücher mit Gruselgeschichten, Verpflegung wie Schokolade, Kartoffelchips und Getränke. Eventuell noch Lesestoff für den Fall, dass alle einschlafen konnten, nur man selbst nicht, und Juli natürlich sein Kuscheltier, ohne das konnte er überhaupt nicht schlafen, auch wenn er Gefahr lief, wieder als Baby bezeichnet zu werden.