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7. Obsternte

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Kaum war es hell, klopfte Menkar an ihre Tür.

„Nur noch fünf Minuten!“, murmelte Sirrah. Konnte man diese dämlichen Äpfel nicht eine Stunde später pflücken? Die liefen doch nicht weg!

Als Arneb loszog, um die Erntehelfer abzuholen, saß Sirrah noch immer muffig am Frühstückstisch. Menkar schien dagegen bester Laune zu sein. In blumigen Worten malte er seiner Tochter aus, welch hübsche Jungs ihr bestimmt gleich ins Haus schneien würden. Sirrah verdrehte die Augen. Wer interessierte sich zu dieser Unzeit schon für Jungs?

Trotzdem war sie enttäuscht, als Arneb die beiden Männer vorstellte. Atik und Errai waren zwei heruntergekommene Gestalten, deren Jugend ebenso lang zurücklag wie ihr letztes Bad. Atik, der kleinere der beiden, machte zudem nicht den Eindruck, als würde er für schwere Arbeit taugen. Seine mageren Arme hingen genauso schlaff hinunter wie seine aschblonden Haare, die ihm in fettigen Strähnen ins Gesicht fielen.

Errai war zwar kräftiger, allerdings hätte auch ihm etwas Körperpflege nicht geschadet. Sein braunes Haar war struppig, und die buschigen Augenbrauen verliehen ihm ein finsteres Aussehen. Außerdem verströmte er einen eigentümlichen Geruch nach Desinfektionsmittel und alten Socken.

Nachdem Atik und Errai nicht besonders gesprächig waren, sparte sich Adhara die üblichen Höflichkeitsfloskeln und schickte die beiden kurzerhand zu Mizar. Je früher sie mit der Arbeit begannen, desto besser. Arneb riss die Terrassentür auf und atmete tief durch.

„Von wegen, hübsche Jungs!“ Sirrah schnitt eine Grimasse. „Mit denen könnte man Pfeifhasen verscheuchen!“

„Ist doch egal, wie sie aussehen“, meinte Adhara schulterzuckend. „Sie sind schließlich zum Arbeiten und nicht zum Ansehen hier!“

Tihal steckte den Kopf zur Terrassentür herein. „Wer ist zum Arbeiten und nicht zum Ansehen da?“

„Du bist selbstverständlich für beides gut“, flachste Sirrah. „Was suchst du eigentlich hier?“

Tihal grinste sie an. „Ich soll die Baumrüttler holen und könnte dabei etwas Hilfe brauchen!“

Günstige Gelegenheiten sollte man nicht ungenutzt verstreichen lassen! Sirrah verschwand mit Tihal in der Maschinenhalle und küsste ihn, kaum dass sie außer Sichtweite waren.

„Hast du auch so schlecht geschlafen?“, fragte Tihal. „Ich habe dich so vermisst, dass ich kein Auge zubekommen habe!“

„Du Armer!“ Sirrah strich Tihal lächelnd übers Haar. „Dann sollten wir besser die Baumrüttler holen, bevor du noch aus Entkräftung zusammenbrichst!“

In der Halle warteten zwei dieser Maschinen auf ihren Einsatz. Ihre Funktionsweise war ebenso einfach wie wirkungsvoll. Mittels eines Gurtes, der um den Stamm geschlungen wurde, versetzten sie die Bäume in Schwingungen. Die herunterfallenden Früchte landeten sanft in den darunter aufgespannten Netzen. Von dort rollte das Obst in eine Sammelvorrichtung, die man bequem in einen Container umfüllen konnte.

Sirrah ließ die Rüttler auf eine Transportplattform fahren. Ihre Finger huschten über das Display der Steuerkonsole, worauf sich die Plattform einen halben Meter in die Luft hob. Durch einen weiteren Tastendruck setzte sich der Lastentransporter allmählich in Bewegung. Sirrah steuerte ihn zur Obstplantage, wo die Arbeiter bereits auf ihren Einsatz warteten.

Den ganzen Vormittag fuhren sie mit den Rüttlern durch die Baumreihen, während Sirrah und Arneb die Sammelbehälter leerten und die Früchte in bereitstehende Container kippten. Gegen Mittag wischte sich Sirrah zum wohl hundertsten Mal den Schweiß von der Stirn. Sie hatte aufgehört zu zählen, irgendwann im Laufe des Vormittags.

Als ihr Vater zur Mittagspause einen Imbiss und kalte Getränke brachte, erschien ihr die Kühlbox wie eine Oase in der Wüste. Sirrah setzte sich neben Tihal in den Schatten. Irgendwo aus der Ferne ertönte leises Donnergrollen. Ein Gewitter um diese Jahreszeit? Das verhieß nichts Gutes. Sirrah suchte am Horizont nach Wolken, doch es war nichts zu sehen.

Am Abend fühlte sie sich wie gerädert. Nicht einmal eine kalte Dusche konnte ihre bleierne Müdigkeit vertreiben. Sirrah schlurfte auf die Terrasse, wo Menkar bereits den Tisch für das gemeinsame Abendessen hergerichtet hatte. Sie ließ sich neben Tihal auf einen Stuhl fallen und verzog das Gesicht. „Den ganzen Tag darf man schuften, und zur Belohnung gibt es Eintopf!“

Arneb knallte den Schöpflöffel auf den Tisch. „Vielleicht bekommst du auf deiner Akademie ja was Besseres!“

Sirrah hielt den Atem an. Es kam ihr so vor, als stünde sie im Epizentrum eines Erdbebens, dessen zerstörerische Schockwellen sich unaufhaltsam in alle Richtungen ausbreiteten. Dann ein Funken Hoffnung. Vielleicht hatte Tihal nicht zugehört. In Zeitlupentempo wanderten ihre Augen zur Seite.

Doch sein Gesichtsausdruck machte alle Hoffnungen zunichte. „Was für eine Akademie?“, fragte er.

„Ich werde eine Ausbildung machen“, nuschelte Sirrah. „An der Akademie für Raumfahrt.“

Einen Herzschlag lang starrte er sie verwirrt an. „Warum hast du mir davon nichts erzählt?“

Ja, warum nicht? Fieberhaft suchte Sirrah nach einer Rechtfertigung. „Bis vor kurzem wusste ich nicht, ob meine Mutter überhaupt einverstanden ist. Und seitdem gab es irgendwie nie die passende Gelegenheit, um es dir zu sagen!“

„Wann gehst du hin?“, fragte er mechanisch.

„Wenn alles klappt, nach den Abschlussprüfungen. Die muss ich ja auch erst noch mit den entsprechenden Leistungen bestehen.“ Sirrah versuchte zu lächeln. „Wie du siehst, ist das Ganze also noch nicht endgültig.“

Tihal lächelte nicht zurück. „Kommst du auch irgendwann wieder?“

„Die Grundausbildung dauert zwei Jahre. Dann wird sich zeigen, wohin ich versetzt werde. Aber zwischendurch komme ich immer mal wieder nach Hause, zumindest in den Ferien!“

Vergeblich suchte sie nach einem Anzeichen von Verständnis in seinem Gesicht. Tihal stand wortlos auf und ging mit versteinerter Miene davon.

„Schönen Dank auch!“, zischte Sirrah ihren Bruder an. Nie zuvor hatte sie eine solche Wut auf ihn verspürt. Ein Bild formte sich in ihrem Kopf, wie sie ihm die Hände um den Hals legte und zudrückte, bis er blau anlief.

Arneb zuckte hilflos mit den Schultern. „Ich dachte, du hättest es ihm längst erzählt!“

„Verdammt, überlass das Denken mir und kümmere du dich um den Abwasch!“, fauchte Sirrah.

„Bei Tisch wird nicht geflucht!“, ermahnte Adhara ihre Tochter.

Sirrah hätte schreien mögen. Arneb hatte soeben ihre Beziehung ruiniert, und ihre Mutter machte sich Gedanken über Tischmanieren. Sirrah pfefferte ihren Löffel in den Teller. Sollte den verfluchten Eintopf doch essen, wer wollte.

Sie ahnte, wo sie Tihal finden würde. Er stand am Ufer des Teichs und sah einigen Libellen zu, die im letzten Abendlicht auf der Jagd nach Beute waren.

„Lass mich zufrieden!“, brummte er.

„Tihal, versteh doch!“

„Wann hattest du eigentlich vor, es mir zu sagen?“, fragte er mit rauer Stimme. „Wenn du mit dem Koffer zum Bahnhof gehst?“

„Ich wollte schon länger mit dir darüber reden, ehrlich. Aber irgendwie fand ich nie den richtigen Moment!“

Sie legte die Arme um ihn. Er erwiderte ihre Umarmung mit der Verzweiflung eines Ertrinkenden.

„Ich liebe dich“, flüsterte er. „Bedeutet dir das denn gar nichts?“

„Ich wollte dich nicht verletzen. Aber zur Raumflotte zu gehen, war schon immer mein Traum!“

„Und gegen einen Traum komme ich nicht an, nicht wahr?“ Tihal sah sie mit seinen dunklen Augen an. Sirrah war sich nicht sicher, ob sie sich den feuchten Schimmer darin nur einbildete.

Er löste die Umarmung. „Ich muss los. Wir fangen morgen früh an.“ Ohne ein weiteres Wort stiefelte Tihal davon. Sirrah wartete vergeblich darauf, dass er sich noch einmal umdrehte.

Zuhause saßen ihre Eltern noch im Garten. Jetzt bloß keine neugierigen Fragen! „Ich muss mich unbedingt noch bei Isa melden“, rief Sirrah ihnen im Vorübergehen zu. „Gute Nacht, bis morgen!“

Ihren Bruder würdigte sie keines Blickes. Schnurstracks rannte sie die Treppe hinauf und verschwand in ihrem Zimmer.

Sirrah setzte sich an ihren Schreibtisch und knipste den Bildschirm ein. Hoffentlich war Isa zu Hause! Als Sirrah in das vertraute Gesicht ihrer Freundin blickte, fühlte sie sich ein wenig besser.

„Hallo Sirrah! Schön dass du dich meldest“, plauderte Isa munter drauflos. „Ich habe vorhin deine Nachricht gelesen. Herzlichen Glückwunsch!“

„Diese Neuigkeit verbreitet sich schneller als Kopfläuse“, bemerkte Sirrah.

Isa sah sie erstaunt an. „Was hast du denn für ein Problem?“

„Aus deiner Hochzeit mit Arneb wird nichts, weil ich ihn vorher umbringe!“ Sirrah deutete mit ihren Händen einen Würgegriff an. „Dieser Blödmann hat beim Abendessen von der Akademie gequatscht. Und Tihal wusste noch nichts davon!“

„Autsch!“ Isa verzog das Gesicht. „Wie hat er reagiert?“

„Er hat mich angesehen, als hätte ich seinen Vater in die Sklaverei verkauft.“

„Oh je“, seufzte Isa. „Aber du kannst nicht allein Arneb die Schuld geben. Du hättest es Tihal schon längst sagen sollen!“

„So schlau bin ich jetzt auch“, brummte Sirrah. „Dazu hätte ich dich nicht gebraucht!“

Das konnte nicht wahr sein! Ihre beste Freundin stand auf der Seite ihres Bruders.

„Weißt du was, ich geh jetzt ins Bett. Und vielen Dank für dein Mitgefühl!“

Sirrah hämmerte auf eine Taste. Die Verbindung brach ab.

Hier war jedes weitere Wort überflüssig.


Sirrah

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