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5. April, Parma, Altstadt

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Nach der gestrigen Begebenheit und der durchwachten Nacht bin ich wie in Trance. Mich selbst motivierend mit einem: „Los, die Stadt inspizieren!“ schleppe ich mich und meinen müden Körper, gehorsam und diszipliniert, in Richtung centro storico. Schließlich gönne ich mir diese Reise, weil ich dringend zu mir kommen muss und Abstand von meinem Liebsten brauche. Kein Totalversagen, nein, nur kleinliche Streitereien, Ärgernisse und zunehmende Langeweile. Ein ganzer Sack voll Anzeichen eines schleichenden Beziehungs-Burnouts, der wohl eine Pause notwendig macht. Mein Liebster und ich haben uns irgendwie aus den Augen verloren, unsere Gefühle füreinander sind auf Tauchstation gegangen, sie treiben unter einer trüben Oberfläche langsam auseinander und es fällt mir immer schwerer, noch an unsere Liebe zu glauben. Dazu ich, gefangen gehalten von zu vielen Verpflichtungen, Stress und Zeitnot.

Die Gedanken an zu Hause stülpen sich mir wie eine Käseglocke über den Kopf. Zum Glück holt mich schon bald ein sensationell guter Duft aus meinem Wolkenkuckucksheim. Ich stehe vor einer typisch italienischen Trattoria. Dem Wohlgeruch folgend, setzte ich mich und bestelle in einem Zustand der Entrückung. Der prosciutto di Parma ist köstlich, hauchdünn und morbide schmelzend auf der Zunge, der erste Schluck Franchiacorta weckt meine Lebensgeister und die frische Pasta con asparagi e funghi wirkt auf meine Seele wie Baldrian. Alles wird gut.

Erheblich entstresster streife ich bald weiter durch die Straßen der Altstadt. Erst Richtung San Giovanni und dann zurück zum Fluss. Dort angekommen bleibe ich auf der Brücke stehen, Schlammgeruch steigt zu mir hoch. Ich mag die Schäbigkeit und den Geruch dieser alten Viertel, denn sie zeugen von Durchhaltevermögen und der Fähigkeit, sich auf das Wesentliche zu reduzieren, kein Prunk, kein Überfluss, aber jede Menge Leben.

Langsam spaziere ich weiter. Dabei immer wieder heimlich und überaus vorsichtig den Himmel beobachtend, um, halb ängstlich, halb sehnsuchtsvoll, Ausschau nach dem geflügelten Wesen zu halten, das gestern mit mir zwischen den Welten gependelt ist.

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