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7. April, Modena

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Neuer Tag, neues Glück. Unter Laubengängen und über das Kieselsteinpflaster aus den nahen Flüssen, schlendere ich durch die Stadt. Endlich vor mir die weiße Marmorfassade von San Geminiano. Vor dem Hauptportal des Doms bleibe ich stehen, den typischen Hauch von Weihrauch und kühlem Stein tief einatmend. Drinnen spüre ich, nirgends ist man schneller mit den spirituellen Energien von Menschen aus vielen Jahrhunderten verbunden als an einem solchen Ort.

Im Innenraum sparsames Dämmerlicht, es herrscht Fülle und eine weihevolle Erregung. Durch ein Seil werden Touristen und Gläubige voneinander getrennt. Ich versuche mich möglichst unauffällig zu verhalten, sehe mich vorsichtig um, schleiche mich bei den Andächtigen ein. Die tragende Stimme über den Köpfen der hier versammelten Menge, ist vertraut und doch fremdartig. Und wie schon so oft frage ich mich: „Dieser Hüter des Glaubens, und all die anderen, warum sind sie hier? Ist das ein Beweis für den Einfluss der Jahrhunderte andauernden klischeebildenden kirchlichen Macht auf die Wirklichkeit? Ist der Gang zur Messe ein fraglos akzeptiertes Ritual oder ein echtes Bedürfnis?“ Mein persönlicher Spagat zwischen Glauben und Unglauben scheint gegenwärtig für mich akzeptabel und gut lebbar - ich übe mich noch darin, die für mich richtige Haltung zu finden.

„Kannst du die Dinge nicht mal ganz simpel und bescheiden auf dich wirken lassen?“, höre ich von links … oder von rechts? Ich muss mich ducken, weil etwas mit mächtigem Flügelschlag über mich hinweggeht. Mit klopfendem Herzen warte ich, was weiter geschieht. Da … nochmal und nochmal, immer wieder muss ich den Kopf einziehen, um dem über mich hinwegschießenden Engel auszuweichen. Ich bin irritiert über diese offensichtlichen Angriffe. Was soll das!

Schutz suchen? Flüchten? Bleiben, beschließe ich, einfach nur reagieren, stehen, ausweichen. Dem folgen, was gerade notwendig scheint, auch wenn das weder rational erklärbar ist noch irgendetwas einbringt. „Gut so, Elisa“, höre ich im Vorbeirauschen und kann jetzt auch deutlich spüren, wie sich das anfühlt. Und schon wieder schießt etwas schemenhaft auf mich zu und um mich herum. Ich lasse mich auf das Spiel mit dem Engel ein und ergebe mich einem fraglosen Reagieren. Der Engel und ich bewegen uns wie in einem harmonischen Tanz. Inzwischen hat ein leichtes Schwingen meinen Körper und ein spürbarer Friede meinen Geist erfasst.

Ganz und gar im Einklang mit dem Jetzt, mit mir selbst und mit meiner Umgebung. Ich bin tief beeindruckt.

Viele Menschen um mich, volle Bänke links und rechts. Und doch, offensichtlich hat keiner etwas bemerkt. Nur die Löwen, die die Säulen stützen, schauen neugierig in meine Richtung. Seit Neustem wundert mich gar nichts mehr.

Dieses Gefühl von schwingender Leichtigkeit hält auch nach dem Verlassen des Doms an. Noch vor mich hin grinsend überquere ich die Piazza Grande, gehe die Via Emilia entlang. In das nächstgelegene Café einkehrend beschließe ich, das Nachdenken über die erneut überraschend wundersamen Ereignisse auf später zu verschieben, wenn ich mich nicht mehr ganz so schwebend fühle.

Vor allem muss ich meine Gefühle erst mal gründlich vom Alltagsfrust reinwaschen. Das ist schwierig genug, strengt ganz schön an. Allein der Gedanke an meinen Liebsten schnürt mir im Moment die Luft ab. Fühlt sich so Liebe an, wenn sie vergeht?

Als Ablenkungsmanöver ein Interview mit Karl L. lesend, frage ich mich, was für ein Mensch er ist. Auf jeden Fall sensibel für den eigenen Irrsinn und strebsam bis zur Selbstaufgabe, geißelt er sich und seine Umwelt mit Egozentrik. Leistet es sich, „Karl der Große“ mit dem strafenden Blick zu sein, der den Menschen nicht vergeben kann, aber seine Katze abgöttisch liebt. Trotzdem bezaubert er uns, wird von uns allen bewundert. Auch in mir rührt er etwas an, deshalb wünsche ich ihm einen liebevollen Schutzengel. Nicht eines dieser wunderlichen, geflügelten Wesen, die mich seit kurzem in diese seltsamen Szenarien von Irritation bringen. Warum begegnet mir eigentlich kein Schutzengel? Anscheinend gibt es sogar im Himmel so etwas wie Artenvielfallt. Nur, welchen Job machen die Engel, die mich zurzeit heimsuchen?

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