Читать книгу Die eine Hälfte Leben - Petra Lehnert - Страница 7

Kapitel 3

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Wir haben wieder den gleichen alten Trott. Obwohl er mir versprochen hatte, dass sich vieles ändern würde. Ich gebe mir Mühe, nicht mehr daran zu denken, aber es geht nur mühselig. Wir bauen und ich habe beschlossen, dass wir umziehen müssen, weil es finanziell immer schlechter geht und das Bauen immer langsamer vorangeht. Es fehlt noch die Küche und das Bad. Na ja und das Wohnzimmer ist auch noch nicht ganz fertig. Aber man kann mehr machen, wenn man vor Ort ist. Ich habe zum Wohle meiner Familie meinen Job gekündigt. Ich bekomme eine sehr gute Abfindung und mit dieser können wir ganz schnell alles fertig machen. Ich finde schon wieder einen anderen Job und es ist bei mir auch nicht so entscheidend, Hauptsache der Mann hat einen zufrieden stellenden Job und hat nicht das Gefühl, der Verlierer zu sein. Aber ich habe meine Arbeit schon sehr geliebt. Ich sehe aber für uns keinen anderen Ausweg. Wir müssen wieder eine funktionierende Familie werden, die zusammen frühstückt und zu Abend isst und miteinander redet. Antonia ist jetzt schon fünf Jahre alt und Nick zwölf. Also ziehen wir in den Sommerferien in unseren nicht fertigen Dachgeschossausbau. Es ist ein sehr heißer Sommer. Wir haben viel zu tun. Jetzt bin ich gefangen bei der Familie meines Mannes. Jeder Schritt wird beobachtet: wer, wann zu Besuch kommt usw. Aber das waren vorher schon meine Befürchtungen. Da müssen wir jetzt durch und es wird sich zeigen, wie sehr mein Mann zu mir hält und wie sehr er einen Hintern gegenüber seinen Eltern in der Hose hat. Ab Oktober bin ich dann arbeitslos. Mit meinen Kollegen gehe ich dann noch einmal schön essen. Alle sind sehr traurig! Damit habe ich nicht gerechnet. Viele verabschieden sich von mir und ich könnte heulen. Aber jetzt ist es zu spät! Wir müssen mit dem Bau fertig werden. Eine meiner Kolleginnen, Martina, möchte den Abend noch ein wenig verlängern und wir gehen mit unseren Männern noch in eine Disco. Es war mal wieder richtig schön. Wir waren schon so lange nicht mehr weg. Ich habe schon jahrelang nicht mehr getanzt. Alexander, Martinas Mann, ist auch in Ordnung und die Männer verstehen sich auch gut. Wir beschließen, den Abend zu wiederholen. Ich bin glücklich und glaube, dass jetzt alles wieder besser wird. Ich denke, dass wir wieder so glücklich und unbeschwert werden wie vorher.

Man kann manchmal im Leben ganz schön dumm sein. Ich habe es wieder nicht gemerkt und ich hätte es merken müssen. Aber selbst wenn, was hätte ich denn machen sollen? Eine Beziehung funktioniert doch nur mit Vertrauen und nicht mit hinterher spionieren. Aber unsere Beziehung ist leider schon wieder kaputt. So sehr ich mich auch bemühe, er gibt uns keine Chance. Meine Ex-Kollegin ist mehr denn je, auch ohne Mann, nur mit Tochter Jasmin, bei uns zu Hause. Wenn ich von der Arbeit komme, sitzen alle schon gemütlich beisammen und lachen miteinander und ich komme mir überflüssig vor. Ich möchte mir die Haare waschen und in die Badewanne. Aber das ist ja nicht möglich. Meine Tochter müsste auch ins Bett, spielt aber noch mit dieser Jasmin. Was soll ich machen? Es fängt an, alles aus den Fugen zu geraten. Ich bin gefangen im Hause meiner Schwiegereltern, im Hause meines Mannes. Jetzt kann er mit mir machen, was er will. Ich habe nichts mehr und wenn ich ihn so ansehe, sehe, wie lustig er mit Martina rumalbert, wie sie nach der Musik wippen … Man hat das Gefühl, dass sie denken, dass sie alleine auf der Tanzfläche wären. Sie sehen nur sich selbst.

Moment mal. Sollte da was sein zwischen den beiden? Aber Martina hat erst vor einem Jahr geheiratet und beide bauen ein Haus zusammen ... Das wäre unmöglich und außerdem ist Alexander ein netter, sympathischer und gut aussehender Mann. Verwerfe deine Gedanken. Du siehst nur wieder Gespenster.

Ich sitze immer öfter alleine in meiner „Gefängniszelle“, weil ich keine Lust habe, immer bei meinen Schwiegereltern rumzuhängen und immer über die gleichen Dinge zu reden. Und ich habe auch das Gefühl, dass keiner Wert darauf legt. Mein Mann sitzt unten und amüsiert sich jeden Tag. Es ist belastend, aber heute Abend werde ich auf eine Unterhaltung bestehen. So geht es nicht weiter.

Ich hätte nicht versuchen sollen, mit meinem Mann zu reden, denn er hat gar kein Interesse an einer Unterhaltung. Es gibt keine vernünftige Unterhaltung, wie immer, wenn er zwischen seinen Eltern und mir steht. Das Ende von allem ist, dass er vollkommen ausrastet. Er schlägt und tritt mich, wirft mich die Treppe hinunter und schmeißt mich aus dem Haus. Ich wehre mich. Meine Kinder will ich behalten. Ich kann nicht ohne Kinder gehen. Das ist alles, was ich denken kann. Wenn ich jetzt gehe, bekomme ich meine Tochter nie wieder zu Gesicht. Ich schaffe es irgendwie wieder bis zur Küche. Mir tut alles weh. Meine Tochter wird wach. Ich höre sie rufen. Sie ist erst fünf Jahre alt. Er schreit weiter. Warum hört uns keiner, auch meine Schwiegereltern nicht? Die beschweren sich doch sonst auch bei lauter Musik. Jetzt hält er ein Messer in der Hand und droht, mich zu erstechen, wenn ich nicht gleich verschwinde. Meine Tochter kommt aus dem Zimmer und schreit und weint. Sie springt an Papas Arm. In seiner Hand blitzt das Messer. Sie schreit: „Papa, nicht, Papa, was machst du?“

Es zerreißt mir das Herz. Das kleine Wesen. Was musst du sehen! Er beruhigt sich und meint, dass wir morgen weitermachen werden. Morgen. Es wird kein Morgen geben. Ich denke nur daran hier wegzugehen und das mit meinen Kindern. Morgen früh, wenn er arbeitet, gehe ich erst zur Arbeit und dann passe ich Nick von der Schule ab und hole Toni schon aus der Kita, bloß wohin soll ich? Ich habe hier niemanden …

Mein Auge ist blau. Es sieht schlimm aus. Was erzähle ich auf der Arbeit? Ich muss wieder lügen, so wie jedes Mal, wenn es eskaliert. Ich kann nicht mein ganzes Leben davonlaufen. Ich bin ein Mensch, eine Frau. Es ist nicht fair.








Die eine Hälfte Leben

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