Читать книгу Mentalcoaching - Petra Rassmann - Страница 10
1.3. Verzeihen Sie sich selbst Ihre Schwächen
ОглавлениеDer Schwache kann nicht verzeihen.
Verzeihen ist eine Eigenschaft der Starken.
Mohandas Karamchand Gandhi
Das Leben besteht aus Versuchen, Irrtümern und Erfolgen. Alles hat seinen Platz. Um etwas zu lernen, muss man Fehler machen. Wie oft im Leben bekommen wir gesagt, dass wir an unseren Schwächen arbeiten müssen oder sie gar ausmerzen? Dabei gehören Stärken und Schwächen zusammen. Sie sind zwei Seiten einer Medaille. Zu Ebbe gehört Flut, zu Tag gehört Nacht. Albert Einstein war ein katastrophaler Schüler und trotz dieses Makels ist einer der bekanntesten Wissenschaftler aller Zeiten aus ihm geworden.
Oft glauben wir, dass wir uns und andere ändern müssten. Dass wir nicht gut genug wären. Mit ein bisschen Mühe müsse sich das doch ändern lassen. Und das, gepaart mit unserer Fähigkeit zu dramatisieren, lässt uns manches Mal ziemlich dumm dastehen. Unsere weibliche Unfähigkeit, rechts und links verlässlich unterscheiden zu können, wird schnell zu einer angeborenen Dummheit und der männliche Pragmatismus zur Arroganz. Auch hier spielen unsere Erziehung und unsere kindlichen Bezugspersonen einen große Rolle: Hat Ihr Vater Ihrer Mutter bei jedem Fehler klar gemacht, wie ungeschickt sie ist oder hat Ihre Mutter Ihrem Vater bei Problemen gesagt, welch ein Versager er sei? Oder haben Sie als Kind Sätze gehört wie: »Das schaffst Du sowieso nicht!«? Dann ist heute der Tag gekommen, dies aufzulösen. Wir alle haben unsere Fehler, Macken und Schwächen – wie auch immer Sie diese nennen möchten. Ich möchte sie im Folgenden lieber »unsere kleinen, weniger ausgeprägten Fähigkeiten« nennen. Es nimmt ihnen ihre übergroße Machtposition und macht sie fast ein bisschen weich. Ich zum Beispiel treffe beim Singen keinen einzigen Ton. Meine Musiklehrerin hat mich deshalb in der Schule mit schlechten Zensuren abgestraft und mich immer wieder zu der Peinlichkeit gezwungen, vor der ganzen Schulklasse singen zu müssen. Jeder wusste, dass ich keinen Ton treffen würde und ich habe mich unsagbar geschämt. Meine Nervosität vor jeder Musikstunde können Sie sich vorstellen. Wer wird schon gern vorgeführt? Als Kind hat mich das eingeschüchtert und ich habe Musik bei der erstbesten Gelegenheit aus meinem Leben gestrichen. Viel zu lange. Meine Freundinnen mit Kindern behaupten immer, ich würde, wenn ich Kinder habe, anfangen zu singen, weil es ihnen egal wäre, ob ich einen Ton treffe. Darauf freue ich mich schon. Und bis dahin habe ich meinen Frieden mit meiner kleinen Unbegabtheit gefunden. Wenn ich im Auto Musik höre oder unter der Dusche stehe, singe ich aus Leibeskräften. Und wenn es arg zu schief wird, kann ich heute darüber lachen. Vermutlich werde ich für die Musik nicht, was Albert Einstein für die Wissenschaft geworden ist, aber zumindest schämen muss ich mich heute nicht mehr.
Und ich bin sehr kritisch. Bei anderen Menschen fällt mir aber häufiger auf, dass es eher unattraktiv ist, zu kritisch zu sein. Da ich mich aber für einen fröhlichen Menschen halte, wollte ich nicht unattraktiv sein, weil mich alle für eine »Meckertante« hielten. Also blieb mir nichts anderes übrig, als mich zu fragen, warum ich denn so kritisch anderen gegenüber bin. Und wissen Sie was herauskam? Der Grund lag gar nicht bei den anderen. Der Grund war ich selbst. In aller Regel gehen Kritiker mit sich selbst mindestens ebenso streng ins Gericht wie mit anderen. Oft sogar noch strenger. Und das tat ich tatsächlich. Ich wollte die Dinge, die ich tat, richtig, wenn nicht sogar perfekt machen. Selten war das, was ich tat, mir selbst gut genug und ich sparte nicht mit Selbstkritik. Ich dachte, das würde es besser machen. Aber mitnichten. Und da ich das Beste von mir selbst erwartete, lag meine Erwartungshaltung bei den Menschen, die ich liebte ähnlich hoch. Und wissen Sie, was das Schlimmste daran ist? Als Kritiker nimmt man keine Rücksicht darauf, ob andere diese Kritik hören wollen oder nicht. Ich sage Ihnen, das war ein hartes Stück Arbeit. Daneben erschien meine gesangliche Talentfreiheit wie ein Kinderspiel.
Solche tief verwurzelten Eigenarten gewöhnt man sich aber eben leider nicht einfach mal so ab und aus Talentfreiheit wird bedauerlicherweise auch mit viel Wünschen kein Supertalent. Aber es gibt bekanntlich immer einen Weg. Und ich habe ihn gefunden. Ich habe erkannt, dass diese eine meiner weniger angenehmen Eigenschaften ist, und trainiere seitdem, mir selbst zu verzeihen. Zu verzeihen, dass auch ich nicht perfekt bin, dass ich, so gern ich möchte, nicht immer in der Lage bin, alles richtig zu machen. Heute weiß ich, dass ich mein Bestes gebe und in der Situation, die mir am besten erscheinende Entscheidung treffe. Wenn ich dann feststelle, dass es nicht die optimale Entscheidung war, weil ich vielleicht Dinge nicht gesehen habe, entscheide ich mich eben neu. Und wenn ich merke, dass mein Einsatz nicht gereicht hat, muss ich nacharbeiten oder es mit Humor nehmen. Anfangen jedoch musste und muss ich bei mir.
Alltags-Übung 1.3.:
Verzeihen Sie sich Ihre Schwächen! Nur wenn Sie lernen, sich selbst Ihre Schwächen zu verzeihen, können es auch andere Menschen. Wenn es etwas in Ihrem Leben gibt, das sie sich selbst nicht verzeihen können, Fehler, die Sie irgendwann einmal gemacht haben, Verletzungen, die Sie anderen zugefügt haben und an die Sie heute noch denken … – schreiben Sie es auf und entschuldigen Sie sich bei den betreffenden Menschen, falls dies möglich ist. Sie werden sehen, die meisten Menschen können sich an Ihren vermeintlichen Fehler nicht einmal mehr erinnern oder sie haben Ihnen längst verziehen. Also verzeihen auch Sie sich selbst. Und wenn Sie doch einmal jemanden sehr verletzen oder ihm einen Schaden zufügen, dann entschuldigen Sie sich aufrichtig und lassen Sie sich etwas Nettes einfallen oder ersetzen Sie den Schaden. Selbst wenn Ihnen der Betreffenden nicht verzeihen kann, verzeihen Sie sich selbst. Oft halten wir selbst länger an alten Schuldgefühlen fest, als uns selbst und anderen gut tut. Sie werden sehen, Sie fühlen sich danach wie neu geboren und Ihre kleinen, weniger ausgeprägten Fähigkeiten verlieren an Bedeutung.