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KAPITEL 2

In der Post-EPO-Ära nutzten Topfahrer Höhentrainingslager, um die Produktion roter Blutkörperchen auf legale Weise anzukurbeln. Da der menschliche Körper auf Höhe des Meeresspiegels leistungsfähiger ist, lautete das Motto: »oben leben, unten trainieren«. Also begab ich mich von Tucson nach Big Bear in Kalifornien, das hoch genug lag, um eine Anpassung zu erwirken, aber nur eine Stunde von Redlands entfernt war, so dass ich im Flachen trainieren konnte, auf Straßen, die ich gut kannte. Ich wohnte mietfrei im Haus eines anderen Freundes, dessen Eltern es sich als Skihütte für den Winter hielten, doch nachdem es im Vorjahr einen Einbruch gegeben hatte (bei dem unter anderem ihre Springsteen-CDs erbeutet wurden), waren sie froh, dass es im Sommer bewohnt war.

Topfit vom Training mit Danielson fuhr ich die Konkurrenz beim Saisonauftakt im kalifornischen Merced schwindlig, und als ich ein paar Wochen später beim Bergzeitfahren des San Dimas Stage Race ins Ziel kam, wusste ich sofort, dass ich gewonnen hatte, obschon die Hälfte der Fahrer noch nicht mal unterwegs war. Bis bei einem solchen Zeitfahren die Ergebnisse bekanntgegeben werden, laufen die Fahrer auf dem Parkplatz herum und erkundigen sich diskret gegenseitig nach ihren Zeiten. Ich saß mit hochgelegten Beinen am Bissell-Van und sagte jedem, der es hören wollte, dass ich 14:03 Minuten gefahren war – eine so schnelle Zeit, dass alle dachten, ich würde sie nur auf den Arm nehmen.

Danielson war in Europa, aber ich schickte ihm meine Leistungsdaten vom Rennen und er empfahl Vaughters, mich für 2014 unter Vertrag zu nehmen. JV meinte, dass die Zahlen nicht stimmen könnten, doch auf Koscharas Betreiben hin bot er mir an, in Denver einen Leistungstest zu absolvieren, und ich buchte einen Flug für Ende April, wenn ich im Vorfeld der Tour of California in Höchstform sein würde.

Mit guten Beinen und einer starken Mannschaft im Rücken, um mein Führungstrikot zu verteidigen, war ich vor dem Start der zweiten Etappe in San Dimas so zuversichtlich wie selten zuvor. Ich alberte mit Freunden im Peloton herum und in den ersten paar Runden flog ich den Anstieg förmlich hinauf, doch etwa zur Hälfte des Rennens sah ich mich über die Schulter nach meinen Teamkollegen um und touchierte mit dem Lenker einen Zaun am Straßenrand. Ich hatte zehn Jahre gebraucht, um der WorldTour so nahe zu kommen, aber nur ein Fehler, ein Moment der Unachtsamkeit bei 55 km/h genügte, und statt in Führung zu liegen, lag ich bewusstlos in einer Blutlache auf der Straße, das Gesicht vom Asphalt zerschreddert.

Das Rennen ging weiter, außer für mich und Ben Jacques-Maynes, der durch meinen Sturz aufgehalten worden war. Ich kannte ihn kaum und wir waren auf dem Rad Konkurrenten, aber er hielt an, um zu helfen, und hatte Angst, mich sterben sehen zu müssen, als sich die Sanitäter um mich scharten.

Ich kann mich nach wie vor weder an den Sturz noch an die Minuten davor erinnern, aber ich werde nie meine Gedanken vergessen, als ich zu mir kam.

Ich bin tot.*

Warte mal, keine Panik! Ich kann sehen, also bin ich nicht tot.

Aber ich kann meinen Kopf nicht drehen. Ich bin bestimmt gelähmt. Ich werde nie wieder laufen.

Wie heiße ich?

Joanna.

So heiße ich nicht. Fuck. Ich kann mich nicht an meinen Namen erinnern. Wer ist Joanna?

Sie muss meine Frau sein.

Wo bin ich? Was ist das für ein Lärm?

Ich dachte, mein Genick wäre gebrochen, also griff ich mit der linken Hand nach einem Büschel Haare und zog daran, um meinen Kopf zu drehen und mich umzusehen. Der Lärm, den ich hörte, war das Geräusch von Rotorblättern, denn ich befand mich in einem Hubschrauber auf dem Weg ins Krankenhaus. Ich hatte noch nie solche Angst gehabt, aber das Morphium wirkte schnell und meine Genickmuskeln spielten später wieder mit, ich war also nicht gelähmt. Ich erinnerte mich schließlich, dass mein Name Phil und Joanna nicht meine Frau war. Sie war ein Mädchen, das ich gerade kennengelernt hatte, und sie hatte einen Freund. Das erinnerte mich außerdem daran, dass ich ein Loser war.

Omer Kem, der Sportliche Leiter von Bissell, kaufte mir auf dem Heimweg vom Krankenhaus einen Burger bei In-N-Out. Der Milchshake beruhigte meinen wunden Kiefer, aber nach einem halben Double-Double spuckte ich zwei Backenzähne in meine Hand. Meine Krankenversicherung deckte Zähne leider nicht ab, hätte es also keinen Zahnarzt/Radsportfan/Helden gegeben, der mich über Twitter ausfindig machte und zufällig in Redlands lebte, hätte ich sie vermutlich durch Chiclets oder Wrigley’s Extra ersetzen müssen.

Schmerzmittel sind bei der Bedienung eines Kraftfahrzeugs nicht gerade förderlich, weshalb mein Teamkollege Pat McCarty mich zurück nach Big Bear fuhr. Pat war ebenfalls ein paar Jahre als Profi in Europa gefahren, als einer der wenigen, die nicht gedopt hatten (was vermutlich der Grund war, warum er nicht viel gewonnen hatte und bei Bissell landete). Wie es hieß, hatte er es abgelehnt, sich dem »Programm« zu unterziehen, als er in Lance’ Mannschaft fuhr, und als die Teamleitung das spitzkriegte, wurde Pat kaum noch zu Rennen geschickt und nach Ablauf der Saison gefeuert. Er hatte einen Abstecher nach Big Bear geplant, um mit mir zu trainieren, aber ich lag zwei Wochen im Bett, und Pat musste eher als eine Art Rund-um-die-Uhr-Pflegekraft herhalten. Ich hatte nie rotes Fleisch gemocht, aber ich glaube, mein Heilfleisch bescherte mir einen plötzlichen Heißhunger auf Rind, also nahm er mich mit zu Get the Burger, einem im Hollywood-Style aufgemachten Restaurant in der Nähe der Skigebiete. Ich saß mit dem Gesicht zur Wand, wo keiner die Prellungen und Frankenstein-Nähte in meinem Gesicht sehen konnte.

Mein Handgelenk war gebrochen und mir tat alles weh, aber am meisten litt ich unter der Gehirnerschütterung. Über Wochen vergaß ich Namen und wo ich meine Schlüssel hingelegt hatte, ich war mürrisch und fühlte mich niedergeschlagen. Ich schickte gehässige Mails an jeden, der mir je Unrecht getan hatte, und ich stellte einen Freund dafür zur Rede, Mancebos Team zu sponsern, was zu einem hitzigen Wortgefecht mit dem Manager des Rennstalls führte (er hätte mir liebend gern ein blaues Auge verpasst, was aber redundant gewesen wäre). Joanna sagte, sie würde eine schwierige Phase mit ihrem Freund durchmachen, also nahm ich ihr das Versprechen ab, mit mir auszugehen, sobald ich wieder auf dem Damm wäre. Kann ich das auf die Gehirnerschütterung schieben? Hm, vielleicht war es auch ein anderer Körperteil. Profisportler sind ja angeblich eh alles Mistkerle, oder?

Unser Teamarzt hatte uns vor der Saison einen neuropsychologischen Baseline-Test mit einer Reihe von Gedächtnis- und Denksportaufgaben absolvieren lassen, und als ich nun in einem Vergleichstest wieder die gleichen Werte erzielte wie damals, bedeutete dies, dass mein Gehirn sich ausreichend erholt hatte, um wieder fahren zu dürfen. Die Tour of California stand in wenigen Wochen bevor, also unternahm ich einige der härtesten Trainingseinheiten meines Lebens, mit Wiederholungen am Anstieg von Redlands hoch nach Big Bear, bei dem 2.500 Höhenmeter zu überwinden sind. Ich erinnere mich, in diesen Tagen abends in der Dusche gesessen zu haben, weil ich nicht mehr imstande war zu stehen.

Meine Form war dahin, aber ich war zu geizig, das Flugticket wegzuwerfen, das ich vor dem Sturz gekauft hatte, also reiste ich trotzdem nach Denver, um mich Vaughters’ Labortest zu unterziehen. Dr. Iñigo San Millán schloss mich an eine Sauerstoffmaske an, erhöhte auf einem 40.000-Dollar-Ergometer allmählich den Widerstand und piekste mich alle paar Minuten mit einer Nadel, um die Laktatsäure in meinem Blut zu messen. Er hatte schon Dutzende WorldTour-Fahrer getestet und sagte, dass meine gewichtsbezogene Leistung bei einer 20-minütigen Ausbelastung wahrscheinlich zu den besten 50 der Welt zählte.

Als der Radsport wissenschaftlicher wurde, mit Laktattests und der Messung von Watt-pro-Kilo-Verhältnissen, wurde er auch magersüchtiger. Ich hatte in jenem Frühling eine Menge Salat gegessen, mein Spiegelbild bestand also aus nichts als Haut, Adern und Knochen, aber Dr. San Millán meinte, ich könnte noch zwei Pfund loswerden. »Ich könnte meinen halben Penis abschneiden«, schlug ich vor.

Er lachte nicht. Manche WorldTour-Teams waren für ihre »Hungerlager« verschrien, bei denen die Fahrer mit nichts als vielleicht einem Apfel, wenn überhaupt, auf lange Trainingsausfahrten geschickt wurden, und ich hatte von Profis gehört, die »negative Kaloriensuppe« aßen: verdünnte Rinderbrühe mit Sellerie und anderem ballaststoffreichen Gemüse.*

Ich probierte eine Schüssel und befand, dass ich mich lieber abhängen ließ.

Ich sah mal einen Profi am Flughafen einen Riegel dunkle Schokolade kaufen, daran riechen und ihn dann wegwerfen.

Vaughters war beeindruckt von den Testresultaten, und damit begannen wochenlange Verhandlungen, alle per Mail. Er stellte eine Frage – zum Beispiel, wie ich es geschafft hatte, aus dem Nichts zu kommen und 2012 das Redlands Classic zu gewinnen – und ich verbrachte Stunden damit, eine perfekte zweizeilige Antwort zu formulieren. Unser Dialog setzte sich fort bis zur Tour of the Gila in New Mexico, wo ich das Feld auf der letzten Etappe, dem »Gila Monster«, auseinandernahm und Gesamtzweiter wurde, auf dem letzten Kilometer lediglich von Mancebo geschlagen.

Auf dem Weg zum Flughafen nach dem Rennen kritisierte Vaughters meine Taktik, lobte aber meinen Einsatz und fragte dann, ob ich unter Heimweh leide – anders gesagt: ob ich damit klarkäme, nach Europa zu ziehen. Ich weiß noch, mich innerlich gefragt zu haben, ob schon mal jemand diesen Teil des Vorstellungsgesprächs vermasselt hätte. (»Warte, das ist in Europa? Vergiss es.«)

Ich erzählte ihm, dass ich zwei Semester Spanisch absolviert hätte und Paella liebte. Ich landete in San Diego, noch immer der Ansicht, bei der Tour of California in der Woche danach etwas zeigen zu müssen. Mein Freund JC hatte sich mein Auto geborgt, während ich Rennen gefahren war, daher saß ich auf der heißen Metallbank am Flughafen und wartete, dass er mich abholte, als ich den Signalton meines Handys vernahm und im Posteingang eine Mail von Vaughters mit einem Vertrag im Anhang vorfand. Er wusste, dass ich gut drauf war, und wollte mich unter Vertrag nehmen, bevor ich ein gutes Resultat einfuhr. Das Angebot, dem ich mehr als ein Jahrzehnt nachgejagt war, für das ich nach Denver geflogen war und mich drei Wochen lang hatte ausfragen lassen: 50.000 Dollar, das Mindestgehalt in der WorldTour – friss oder stirb.

Was dachte Vaughters sich dabei, mir ein so beschissenes Angebot zu schicken? Dass sein Team so etwas wie eine elitäre Bruderschaft wäre, die mein Schicksal für immer verändern würde? Dass ich mein Leben auf den Kopf stellen, mich nach Europa schleppen und für weniger, als sein Müllmann verdiente, bei null anfangen würde? Dass ich für 5.000 Dollar mehr, als ich bei Bissell verdiente, die doppelte Arbeit verrichten würde? Ja, das dachte er, und natürlich hatte er recht.

Mein Ziel war immer die WorldTour gewesen, aber ich hatte nie wirklich damit gerechnet, dass es passieren würde. Wenn ich in die Zukunft blickte, sah ich einen Abgrund – ich ging davon aus, zurück zum College gehen zu müssen oder mir als Parkwächter meine Brötchen zu verdienen oder sogar eines Tages in meiner eigenen Pisse im Dreck zu liegen und fremde Leute anzupöbeln. Vaughters’ Vertrag würde mich vor diesem Schicksal bewahren. Aber was noch viel wichtiger war: Er verhieß Ruhm, und das war die ganzen Intervalle wert und ebenso die vielen Male, die ich im Regen gefahren und mit einem dreckbespritzten Rad und dem Koffer voller nasser Sachen nach Hause geflogen war. Es war sogar die Stürze wert. In gewisser Weise fühlte es sich an, als wäre ich ein verlorenes Waisenkind, das von Jonathan Vaughters großherzig adoptiert wurde: JV fand mich in der verarmten Welt der Continental-Rennen und holte mich da raus, darauf bauend, dass ich mich an seine schicke WorldTour-Welt auf der anderen Seite der Gleise gewöhnen könnte. Er hätte jeden verpflichten können, den er wollte, aber er wollte mich und dafür liebte ich ihn.

Danielson sagte, dass es üblich sei, im ersten Jahr nur das Mindestgehalt zu bekommen, und dass es bei kleinen Teams noch geringer ausfiele (es gibt Jungs, die für 35.000 Dollar Jahressalär die Tour de France bestreiten), aber sofern ich mich als ein verlässliches Mitglied der Mannschaft erwiese, würden mir mehrjährige Verträge winken, die mit 150.000 bis 200.000 Dollar dotiert seien. Als Siegfahrer sind es 400.000 Dollar und wenn man die richtig großen Rennen gewinnt, zählt man zu der Handvoll Cracks, die siebenstellig verdienen. Wieder einmal wurde mir vor Augen geführt, dass ich es nur halb geschafft hatte. Der Traum von der großen Karriere wartete hinter der nächsten Serpentine.

Ich hätte den Vertrag im FedEx-Sendezentrum abschicken können, das sich direkt neben unserem ersten Hotel bei der Tour of California befand, aber dort wimmelte es von Teammanagern und Medienvertretern, also begab ich mich auf geheime Mission – zur nächsten FedEx-Filiale, die vier Meilen entfernt lag. Ich war so aufgeregt, dass ich wegen Geschwindigkeitsübertretung angehalten wurde (88 Meilen pro Stunde in einer 65er-Zone), aber der gute Mann ließ mich ziehen, als ich ihm erläuterte, warum ich in der Stadt war. Die örtlichen Wachtmeister lieben die Tour of California. Sie bekommen die Überstunden bezahlt und alles, was sie tun müssen, ist herumstehen.

Ich sprintete ins FedEx-Büro und verließ es mit dem großkotzigen Gebaren eines Mannes, der gerade das ganz große Los gezogen hatte. Dann fiel ich in meinen Toyota, heulte mir ein paar Minuten die Augen aus und machte mich mit exakt 64 Meilen die Stunde auf den Weg zurück zu meiner Mannschaft.

Mein neuer Job würde erst im Januar beginnen und ich war gehalten, Stillschweigen zu bewahren, bis Vaughters es offiziell bekanntgab. Das bedeutete, dass ich es allen, die ich kannte, erzählte, ihnen aber das Versprechen abnahm, es auf keinen Fall weiterzusagen. Ich mailte außerdem noch am gleichen Abend meinem Verlag eine Idee für ein neues Ende: Vaughters und Danielson sind die unwahrscheinlichen Helden und ich würde in den Farben von Garmin-Sharp ein Teil der WorldTour. Sie gaben mir einen Vorschuss über 10.000 Dollar, und mir nichts, dir nichts gingen zwei Träume in Erfüllung.

Vaughters erwartete von mir, bei der Tour of California auf dem Podium zu landen, aber ich hatte schlechte Beine und stieg nach ein paar Tagen aus. Ich hakte es als eine Erkältung oder Allergie ab, aber inzwischen glaube ich, das Problem war eher emotionaler Natur. Ich hatte mir für diesen Vertrag einiges abverlangt und als ich ihn endlich bekam, schaltete mein Körper einfach ab. Es war, als wollte mein Nervensystem mich zu meinem Einsatzwillen beglückwünschen, als Beleg, dass ich immer absolut 100 Prozent gegeben hatte. Oder es war nur eine Erkältung und ich bin melodramatisch.

Ich rehabilitierte mich eine Woche später bei der US-Straßenmeisterschaft, deren Sieger ein Jahr lang das Stars-and-Stripes-Trikot tragen darf. Ich attackierte zum perfekten Zeitpunkt und sah schon wie der sichere Sieger aus, bis 800 Meter vor dem Ziel der WorldTour-Profi Matt Busche seine eigenen Ambitionen opferte, um mich zu stellen, vermutlich als Gefallen für einen befreundeten Fahrer einer anderen Mannschaft. Solche Absprachen sind nicht erlaubt, aber dennoch recht verbreitet, diesmal ging es allerdings nach hinten los, als Jelly Bellys berüchtigter Sprinter Freddie Rodriguez sich den Sieg schnappte. Zuschauer berichteten, dass sie gesehen hatten, wie Freddie sich in der letzten Runde am Anstieg eine »Sticky Bottle« genehmigte, sprich sich beim Anreichen einer Trinkflasche aus dem Begleitwagen ein Stück weit habe ziehen lassen. Er hätte demnach disqualifiziert werden müssen, aber die Offiziellen beließen es bei einer Geldstrafe von 2.000 Dollar – ein Schnäppchen für einen Landesmeistertitel.*

Vaughters meinte, ich solle die Frau von Busche bumsen, um mich zu revanchieren, was nicht unbedingt die Sorte Rat war, die man von seinem zukünftigen Chef erwartet. Aber ich war der Letzte, der sich ein Urteil darüber erlauben durfte. Schließlich war ich gerade zu beschäftigt damit, zu versuchen, die Freundin eines anderen zu bumsen.

Als Garmin-Sharp meine Verpflichtung schließlich offiziell verkündete, verdoppelte sich binnen weniger Stunden die Zahl meiner Follower auf Twitter und ich erhielt Interviewanfragen von sämtlichen Radsport-Publikationen, dazu hunderte Glückwünsch-Botschaften via E-Mail, SMS und Facebook. Auf meiner Trainingsfahrt an diesem Tag waren die Hügel rund um Redlands von einer Reihe von Rauchsignalen erhellt, die, wie ich annahm, »Gratuliere, Phil!« bedeuteten. Es stellte sich aber als Waldbrand heraus, der mich zu einem Umweg zwang und aus meiner schönen sechsstündigen Tour eine hässliche siebenstündige machte. (Profis berichten gerne von siebenstündigen Trainingsausfahrten, die sie aber selten mit Absicht unternehmen.)

Ich wusste den Zuspruch zu schätzen, aber es war beängstigend, dass mich die Leute plötzlich lieber mochten. Hieß das, sie würden mich weniger mögen, wenn es wieder bergab ging? Normalerweise bestand die Kommunikation mit meinem Freund Jeremy Powers aus dem Austausch von Schwanzbildern, aber er war mir auf der Erfolgskurve ein paar Jahre voraus, also bat ich ihn telefonisch um Rat.

»Deswegen rücken wir näher an unsere echten Freunde heran, Phil. Ab jetzt musst du vorsichtiger sein, wen du in deinen Kreis lässt. Denk daran, wer dich zurückgerufen hat, bevor du in der WorldTour warst, und pass auf, nicht mit Mädchen auszugehen, die dich nur mögen, weil du schnell bist.«

»Verstehe. Nur mit Mädchen ausgehen, die mich mögen, weil ich so gut aussehe.«

»Genau. Dann ist alles in Butter, solange du dir das Futter für ihren Blindenhund leisten kannst.«

Das war ein guter Rat, den ich aber nicht annehmen konnte, weil es an der Zeit war, einen Manager anzuheuern. Nun, da ich meinen Fuß in der Tür hatte, boten mir Leute ihre Dienste als Berater an, die mich zuvor ignoriert hatten, darunter auch Andrew McQuaid. Andrews Vater war der frühere UCI-Präsident Pat McQuaid, der Lance stets unterstützt und keinen Schimmer hatte, dass irgendjemand dopte, solange nur die Schecks pünktlich kamen. Dass sein Sohn diverse Radprofis vertrat, schien mir definitiv ein Interessenkonflikt zu sein, aber da einige der besten Fahrer der Welt zu seinen Klienten zählten, hatte ich das Gefühl, eine große Nummer zu sein, als ich unterschrieb. Er würde nichts von meinem Vertrag für 2014 mit Garmin-Sharp erhalten, dafür aber zehn Prozent meiner nächsten Kontrakte einstreichen, wenn der Rubel so richtig rollen würde.

* Was würde dann aus meinen Bonusmeilen?

* Irgendjemand wird dies lesen und die Suppe probieren wollen. Tun Sie’s nicht.

Ich glaube nicht, dass ich je eine Essstörung hatte, aber es würde mich nicht überraschen. Mein Job war es, einen bestimmten Watt-pro-Kilo-Wert zu erreichen, und ich wurde nie schwach oder krank davon, wenn ich es mal übertrieb, aber Sie können mich gerne diagnostizieren.

* Von einer Sticky Bottle spricht man, wenn vom Begleitwagen aus eine Flasche angereicht wird, statt sie aber zu nehmen, hält sich der Fahrer fest und lässt sich ziehen. Ich bekam viele Sticky Bottles in meinem Jahr bei Jelly Belly, bis ich bei einem Rennen in China disqualifiziert wurde und es nie wieder tat.

Jetzt nicht mehr, Arschgeige! Ich habe ein Buch geschrieben.

Zugtiere in Trägerhosen

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