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aa) Vereinbarungen mit Anknüpfungspunkt in der GO-BT

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Zu den interfraktionellen Absprachen, die an formelles Geschäftsordnungsrecht anknüpfen, gehören insb. die folgenden:

Die Tagesordnung gilt für den betreffenden Sitzungstag[152] als festgestellt, wenn beim Aufruf des ersten Tagesordnungspunktes kein Widerspruch erfolgt oder keine Änderungsanträge gestellt werden (vgl. § 20 Abs. 2 S. 2, 3 GO-BT).

Die Rednerabfolge in einer Debatte (beginnende Fraktion, darauffolgende Fraktionen) wird zu Beginn der Wahlperiode durch interfraktionelle Vereinbarungen geregelt. In der Regel wechseln sich Redner der Koalitions- und Redner der Oppositionsfraktionen ab. Wenn die Oppositionsfraktionen ihre Redezeit erschöpft haben, folgen nur noch Redner der Koalitionsfraktionen.

Beispiel:

Die Redezeitkontingente für eine 60-minütige Debatte sind wie folgt verteilt: C-Fraktion 27 Minuten, S-Fraktion 17 Minuten, L-Fraktion acht Minuten und G-Fraktion ebenfalls acht Minuten. Die Reihenfolge könnte in der „ersten Runde“ so aussehen: C, S, L, G. In der „zweiten Runde“ genauso. Wenn man davon ausgeht, dass eine Plenarrede mindestens drei Minuten dauern sollte, damit der Redner seine Gedanken ausführen kann, würde dies bedeuten, dass L und G in der „dritten Runde“ nur noch jeweils zwei Minuten zur Verfügung stünden und einer „vierten Runde“ gar keine Zeit mehr. Dann sprächen nur noch Redner von C und S, ggf. sogar mehrere von C hintereinander.

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Die Proporzregeln für die Redezeit pro Fraktion, die an § 35 Abs. 1 S. 1 GO-BT anknüpfen, werden in der Regel aufgrund eines „Debattenschemas“ zu Beginn einer Wahlperiode vereinbart. Vertreter der Bundesregierung oder des Bundesrates werden bei den Fraktionskontingenten angerechnet. Die Redezeit von Mitgliedern oder Beauftragten der Bundesregierung und des Bundesrates wird auf die Redezeit einer Fraktion angerechnet.[153] Sie fügt sich somit in das Plenargeschehen ein. Die Anrechnung geschieht wie folgt: Jedes Mitglied der Bundesregierung oder des Bundesrates (und jeder Beauftragte) wird einer Fraktion zugeordnet. Die Zuordnung folgt der Parteizugehörigkeit bzw. genauer der Frage, von welcher Partei der Besetzungsvorschlag für das jeweilige Ressort stammt. Bei Bundesratsmitgliedern, die einer im Bundestag nicht vertretenen Partei angehören, wird die Zuordnung zwischen den Fraktionen vereinbart.

Beispiel:

Die Redezeit der Bundesminister oder Bundesratsmitglieder, die der CDU angehören, wird auf das Kontingent der CDU-CSU-Fraktion angerechnet und in der Regel auch von der Fraktion dem Sitzungsvorstand im Plenum mitgeteilt. Bei den übrigen Fraktionen verhält es sich genauso. Als die FDP nicht im Bundestag vertreten war (2013-17), sprachen die ihr angehörenden Bundesratsmitglieder „auf dem Kontingent“ der CDU/CSU.

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Die grundsätzliche Regelung der Abfolge und Länge der Tagesordnungspunkte pro Sitzungswoche (Koalitions- und Oppositionsanliegen) wird, anknüpfend an § 20 Abs. 1 GO-BT, durch eine interfraktionelle Vereinbarung in der Regel zu Beginn der Wahlperiode getroffen. Sie wird durch mögliche Abweichungen während einzelner Sitzungswochen ergänzt. Darin wird dann festgelegt, ob ein Punkt „ohne Debatte“ auf der Tagesordnung steht. Zu diesen „o.D.“-Punkten gehören „Überweisungen im vereinfachten Verfahren“ und „Abschließende Beratungen ohne Aussprache“.

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Zum Parlamentsbrauch gehört auch die Vereinbarung, welche Fraktion welchen Ausschussvorsitz und welchen stellvertretenden Vorsitz erhält. Die Verständigung (im Ältestenrat) ist vorgesehen in § 6 Abs. 2 S. 2 GO-BT. Der Vorsitz des Haushaltsausschusses wird nach einem Parlamentsbrauch[154] durch ein Mitglied der stärksten Oppositionsfraktion besetzt.

Die Verteilung der Sachverständigen in öffentlichen Anhörungen (und erweiterten Berichterstattergesprächen) folgt dem Fraktionsproporz (anknüpfend an § 70 Abs. 2 S. 2 GO-BT).

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Schaubild 1: Beispiel einer Plenartagesordnung. „Ü“ steht für Überweisung, „A“ für Abstimmung.

Donnerstag, 07. Mai 2020 (158. Sitzung)
09.00-09.35 Uhr 30 Min. TOP 8 Hilfsmaßnahmen im Veranstaltungsrecht und Kulturbereich A
09.35- 10.10 Uhr 30 Min. TOP 9 Unterstützung von Wissenschaft und Studierenden A
10.10-10.45 Uhr 30 Min. TOP 10 Elterngeld und Hilfe für Familien A
10.45- 11.50 Uhr 60 Min. TOP 11 Rückkehr in die Normalität Ü
11.50-12.55 Uhr 60 Min. TOP 12 Schutz der Bevölkerung bei epidemischer Lage Ü
12.55-14.00 Uhr 60 Min. TOP 13 Sozialer Schutz während der Corona-Krise Ü
14.00- 14.10 Uhr 10 Min. TOP 25 Überweisungen im vereinfachten Verfahren Ü
TOP 26 Abschließende Beratungen ohne Aussprache A
14.10- 14.30 Uhr 6x3 Min. TOP 14 Abgeordnetenentschädigung A
14.30- 15.05 Uhr 30 Min. TOP 15 Bundeswehreinsatz EUNAVFOR MED I RIM I A1
15.05 - 15.40 Uhr 30 Min. TOP 16 Wirtschaftliche Belebung Ü
15.40-16.15 Uhr 30 Min. TOP 17 Änderung des SGB IV A
16.15- 16.50 Uhr 30 Min. TOP 18 Schutz vor Konversionsbehandlungen A
16.50- 17.25 Uhr 30 Min. TOP 19 Ökologisches und sozial gerechtes Zukunftspaket Ü
17.25 - 18.00 Uhr 30 Min. TOP 20 Änderung des Strafgesetzbuches - Bildaufnahmen Ü
18.00 - 18.35 Uhr 30 Min. TOP 21 Stärkung des Gesundheitssystems Ü
18.35- 19.10 Uhr 30 Min. TOP 22 Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz Ü
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