Читать книгу The Racing Flower Pilgrim - Philipp Döhrer - Страница 9

28.08.2019 06:00 Uhr

Оглавление

Ich wüsste spontan nicht, wann ich das letzte Mal freiwillig so früh aufgestanden bin. Der Anreisetag zählt nicht. Ätsch.

Als erster Schläfer meines Zimmers erhebe ich mich und verkrümel mich ins Bad. Ich bin der einzige Anwesende, der das tut. Ich bin es aus der Heimat gewohnt zu duschen, wenn mein Tag beginnt. Am Camino ist das allerdings totaler Käse. Wird mir eben jetzt erst bewusst. Egal, auf in die Dusche. Mein erster Kontakt dieses Tages ist eine putzige, dicke Kröte, die sich in die Herrendusche verirrt hat. Ich bemerke sie zu spät und dusche sie deswegen schön mit, bevor ich ihr helfe, die Freiheit wieder zu erlangen. In der kurzen, durch eine Duschmarke begrenzten Zeit, wasche ich unter der Brause gleich meine Klamotten der gestrigen Anreise mit. Falls sie jemand möchte. Nach dem Anziehen hänge ich alles auf die Wäscheständer draußen vor die Herberge. Vielleicht passt es jemandem. Und müffelt nicht mehr so sehr.

Langsam kommt Schwung in die Bude. Aus allen Winkeln strömen die Übernachtungspilger in die Bäder, Toiletten und zu ihren Schuhen. Geduscht wird nicht, die Kröte und ich waren wirklich die einzigen Sauberkeitsfanatiker. Ich hoffe, es gibt am Nachmittag dann wieder warmes Wasser, liebe Mitpilger. Die Kröte brauchte sehr viel davon.

Das Panorama gegenüber der Aussichtsterrasse ist noch vernebelt, aber man kann schon einen ganz kleinen Funken der Sonne erahnen, die sich hinter den Pyrenäen hinaufquält. Es verspricht ein toller Tag zu werden. Vor dem Restaurantbereich treffe ich schon die ersten Wartenden. Ab 07:00 Uhr gibt es Frühstück. Wenn man es so nennen mag. Baguette, Marmelade und Butter. Kaffee aus riesigen Suppentassen. Total verwirrend. Ich bin kein sehr anspruchsvoller Mensch, aber diese durchsichtige Plörre würde ich nicht mal meinem schlimmsten Feind anbieten. Na ja. Ist wenigstens inklusive.

Weder Sara und Marion, noch meine drei Lieblingsamis des gestrigen Abends lassen sich während meines Frühstücks blicken. Erst als ich fertig bin, treffe ich sie draußen. Sara und Marion machen alles sehr langsam und gemütlich. David, Kelly und Heidi sind nur am Quatschen und sich untereinander nicht einig, wann, wie und ob sie überhaupt loslaufen wollen. Von meinen bisherigen Gesprächspartnern sind einzig Alex und Inga schon draußen, rauchen und sind abmarschbereit. Ein Großteil der Gäste von gestern Abend ist bereits losgezogen und auf dem Weg in die immer weiter ansteigenden Pyrenäen. Mich beschleicht das Gefühl, dass ich spät dran bin. Ich bin gespannt, welcher Rhythmus sich einspielt und für mich am meisten Sinn ergibt. Ich verabschiede mich vorerst von Sara und Marion, die noch später dran sind und gerade erst anfangen zu frühstücken. Man sieht sich ja wieder.

Zusammen mit dem großen Alex und der kleinen Inga breche ich gegen 07:45 Uhr auf, während die Sonne ihren Kampf gegen die Berghänge und den Nebel gewonnen hat. Ich warne Alex und Inga schon mal vor, dass ich bergauf meist ziemlich schnell bin. Das leerte mich schon der Rennsteig vor der heimatlichen Haustür. Spielt keine große Rolle, jeder muss sowieso sein eigenes Tempo finden und laufen. Man ist letztendlich für sich unterwegs. Für sich, aber dennoch unter Menschen. Klingt komisch, ist aber so.

Auf geht’s. Weiter hinauf in die Pyrenäen. Das steilste Stück liegt aber bereits hinter mir. Dank der kurzen Etappe gestern. Nach wenigen hundert Metern bin ich schon in meinem Bergtempo angekommen und ziehe los. Das Laufen macht unheimlich Spaß. Sanft, aber stetig steigt der Camino an und schraubt sich an den Berghängen nach oben. Das Wetter könnte nicht besser sein und die Aussicht ist bombastisch. Ich laufe über den Wolken. In manchen Tälern unter mir hängen sie fest, aber hier oben ist es sonnenklar. Man fühlt sich, als ob man von oben in ein Aquarium schaut. Schafe, Rinder und Pferde grasen selbst auf den höchsten Gipfeln oder stehen einfach mitten auf dem Weg. Obacht vor austretenden Hufen.

Auf dem ersten Teilstück vor der Passhöhe des höchsten Camino-Punktes in den Pyrenäen überhole ich nach und nach alle Orisson-Gäste, die vor mir losliefen. Ich komme mir gar nicht so schnell vor wie sonst, scheine es aber definitiv zu sein. Keine Ahnung. Ist halt einfach mein Schritt.

Mitten im Gebirge am Wegesrand steht auf einmal ein kleiner Imbisswagen mit einem kleinen, alten, putzigen Franzosen darin. Hier stoppe ich und treffe eine weitere Dame, die auch die Nacht im Orisson verbrachte. Hanne aus Bodenmais. Wir kaufen Bananen und Getränke und laufen dann eine Weile im selben Tempo. Folglich kommen wir schnell ins Gespräch. Hanne, eigentlich Hannelore, erzählt aus ihrem Leben. Sie trägt auf jeden Fall kein einfaches Schicksal mit sich herum, aber strahlt über jeden Meter, da sie sich endlich diesen lange gehegten Traum erfüllen kann und auf dem Camino unterwegs ist. Kommt mir bekannt vor.

Ohne es richtig zu registrieren, passieren wir die Grenze zu Spanien und zur autonomen Region Navarra. Einen Stein mit einer Grenz-Aufschrift haben wir nirgends gesehen. Das war es also schon mit Frankreich. An der legendären Rolandsquelle, die das einzige erkennbare Indiz für den Grenzübertritt nach Spanien ist, füllen wir unsere Wasserflaschen auf und sind einfach nur froh, hier zu sein. Roland war das damals bestimmt nicht so sehr.

Auf dem letzten, richtig steilen Stück vor der Passhöhe juckt es mich wieder in den Füßen und ich ziehe das Stück Weg konsequent durch. Ja, da vorne, da muss er bald sein. Der Lepoeder-Pass. Höher geht es ja auch nicht mehr. Mittlerweile, obwohl oder gerade weil ich so hoch bin, brutzelt mir die Sonne ordentlich auf den Bürzel. Das ruft nach dem ersten Einsatz meines großen Schweißtuches. Mütze ab, Tuch auf den Schädel… Ah, tut das gut.

Kurz darauf stehe ich auf dem Lepoeder-Pass und habe klare Sicht in alle Richtungen. Über 1300 Meter bin ich hoch. Die Pyrenäen sind geknackt. Rucksack ab und durchatmen. Unter mir liegt das Tal von Roncesvalles, dem ersten spanischen Ort auf dem Weg. Ganz klein sieht man auch schon die mächtige Klosteranlage des Dorfs. Dahinter in der Ferne erblicke ich ebenfalls schon den Ort Espinal, mein grob angedachtes Etappenziel für heute. Auch wenn ich eigentlich nicht wirklich plane, aber eine ganz geringe Orientierung für das Tagesziel, anhand Opas Etappen von damals, ist schon hilfreich. Schließlich bringt einem der beste Ort nichts, wenn er keine Betten hat.

Kurz nach mir kommt Hanne zusammen mit Maria aus München auf der Passhöhe an. Auch sie war gestern Abend Gast im Orisson. Zusammen genießen wir Bananen, Wasser und Aussicht. Mit den Worten: „Sag mal, hast du einen Berg-Fetisch? Du bist ja hochwärts fast gerannt“, begrüßen mich Alex und Inga schwitzend und schnaufend. Keine Ahnung. Vielleicht hab ich den. So ein geiler Berg hat aber auch was an sich. Dieses Trüppchen versteht sich sehr gut und so beschließen wir, vorerst zusammen zu bleiben. Gemeinsam sinnieren wir ein wenig über das heutige Ziel. Bis zum Kloster Roncesvalles ist es nicht mehr sehr weit und es geht nur bergab. Gegen Mittag müssten wir dort sein. Nee, zu früh. Hunderte von Pilgern im Kloster zur Übernachtung. Nee, zu viel. Mein Vorschlag, bis Espinal zu gehen, erscheint auch den Mitpilgern am verlockendsten.

Zu fünft setzen wir den Weg fort, hinab ins Tal. Inga, Alex, Hanne, Maria und ich. Nicht alle nebeneinander, aber doch nie weit voneinander entfernt. Die Klosteranlage unter uns kommt immer näher, während wir im Sonnenschein bergab durch das bunte Heidekraut marschieren. Die Vegetation der hohen Pyrenäen ist für sich schon das ein oder andere Bild wert. Fast am Fuß der Berge angekommen, führt uns der Camino in ein kühles Wäldchen und eine kleine Bachaue. So idyllisch, dass ich tanzende Feen und Faune erwarte. Eine hervorragende Abwechslung nach der prallen Sonne.

Kurz vor Roncesvalles müssen wir Platz machen. Eine große Herde Pferde samt Treiber nimmt den an dieser Stelle ohnehin schon schmalen Camino komplett in Anspruch. Ein paar leckere Äpfel schmettern sie uns auch noch direkt vor die Füße. Muchas gracias. Der Vorschlag, in Roncesvalles statt Übernachtung wenigstens eine schöne lange Pause zu machen, wird von der Gruppe dankbar angenommen. Allerdings weist Alex den vorgeschlagenen Kaffee wie folgt ab: „Guck mal auf die Uhr. Da können wir auch gleich Bier trinken.“ Klasse Typ. Ich mag ihn schon jetzt.

Die Mittagszeit ist kaum vorüber, als wir endgültig vor den wuchtigen Klostermauern des Augustinerklosters Roncesvalles stehen. Ein wahrhaft mächtiger Bau. Hätte auch eine gute Burg abgegeben. Der Camino führt direkt durch den Innenhof, sodass wir uns im Vorbeigehen einen Stempel des ehrwürdigen Hauses abholen können. Der zweite Stempel in meinem geheiligten Pilgerpass. Noch schwingt bei jedem neuen Stempel ein wenig Stolz mit. Durch den Torbogen gelangen wir wieder nach draußen und steuern direkt auf die örtliche Bar zu, deren Antlitz sich uns vor dem Kloster in ganzer Pracht offenbart. Der Durst treibt uns. Es ist ziemlich heiß geworden. Ein großer Tisch unter Sonnenschirmen ist noch frei, also Rucksack ab, Bier holen und einfach nur sitzen. Einfach schön.

Lucy, die Engländerin aus dem Orisson, gesellt sich auch zu uns. Hübsche Erscheinung. Sie läuft den Camino unter anderem, weil sie Wein liebt. Kein Witz. So lautete ihre Aussage gestern Abend. Da, wo ich zwei Wasserflaschen deponiert habe, befinden sich an Lucys Rucksack seitlich immer zwei Flaschen ihres Lieblingsgetränkes Rotwein. Auch eine Idee. Mir wäre es zu schwer.

Als Lucy weiterzieht, setzt sich Karin aus Hamburg zu uns. Sie kommt gerade mit dem Bus aus Pamplona und startet genau hier ihren Camino. Auch eine Möglichkeit. Karin ist auf jeden Fall die planloseste Person, die ich bisher kennenlernte. Sie weiß nicht mal, wie der Ort heißt, in dem sie sich gerade befindet. Irgendwie cool. Da ihr unsere Truppe auf Anhieb sympathisch erscheint, fragt sie höflich, ob sie sich uns anschließen kann. Alle verneinen das und jagen sie mit Knüppeln davon. Wir hassen andere Menschen. Was für ein Quatsch, natürlich darf sie das.

Kurz bevor wir starten, sehe ich hinter der Bar zwei bekannte Gestalten aus einem Seitenweg kommen und zügig weitermarschieren. Unverkennbar Marion. Sieht man am Laufstil. Unverkennbar Sara. Weil eben einfach Sara. Wir alle versuchen zu rufen, aber sie sind bereits um die nächste Ecke verschwunden. Sara erzählte mir gestern, dass sie die wenigen Etappen bis Pamplona aufgrund von Marions Hüftproblemen schon komplett geplant und gebucht hat. Die Ortsnamen ihrer Reservierungen sagten mir alle absolut gar nichts. Irgendwie habe ich das Gefühl, ich werde sie nicht wiedersehen.

Genug Pause gemacht, zu sechst geht es weiter. Kurzer Fotostopp an einem Schild mit der Aufschrift Santiago 790 km. Geht ja noch. Ebenerdig verläuft der Weg neben der Straße durch einen schattigen Wald, der mich an den Rennsteig erinnert. Doch lange bleibt es nicht so. Kurz vor Burguete stoßen wir wieder auf die Hauptstraße und laufen weiter in der prallen, baskischen Nachmittagssonne. Es ist mittlerweile richtig, richtig heiß. Ich sende einen stillen Dank an meine Freundin, Kollegin und Testwanderpartnerin, die mir das große Tuch schenkte, welches ich heute Vormittag zum ersten Mal trug und das ich nun wieder aufsetze. Der perfekte Sonnenschutz und Schweißfänger.

Alex und ich suchen im Dörfchen Burguete nach Zigaretten, aber der einzige Laden des Ortes hat natürlich gerade Siesta. No problemo, Spanien fetzt. Ich wollte ja eh weniger rauchen. Dann geht es eben erstmal weiter. Burguete ist ein wunderschönes, kleines, typisch baskisches Dörfchen. Weiße Häuschen, überall Blumenschmuck und allgemein sehr viel Grün. Und aufgrund der Siesta vollkommen ausgestorben. Aber das macht es irgendwie noch schöner.

Vor lauter Dahinschwelgen übersehe ich fast den gelben Pfeil, der nach rechts zeigt und mich innerhalb weniger Minuten wieder in die blanke Landschaft und in die glühende Sonne katapultiert. Im Gleichschritt mit Alex geht es über kleine Bäche, vorbei an Kühen mitten auf dem Weg, einen bewaldeten Hügel steil und knackig nach oben, an dem ich den keuchenden Alex verliere und wieder hinab, während mich die ersten Häuser von Espinal bereits aus der Ferne zu sich winken. Ist gut so. Für heute reicht es.

Am Ortseingang lasse ich mich an einem schattigen Brunnen nieder und warte auf die kurz danach eintreffenden Alex, Inga, Maria und Hanne. Karin ist verschollen. Kommt schon noch. Wir freuen uns, den Ort erreicht zu haben und nicht mehr weiter durch die Sonne laufen zu müssen. Also geht es nur noch ein kleines Stückchen weiter ins Dorf hinein, auf der Jagd nach Betten für die heutige Nacht.

An einer sehr modernen und für die Gegend absolut untypischen Kirche biegt der Camino nach rechts ab. Der Wegweiser für die beiden Herbergen Espinals weist uns aber nach links. Na dann, auf gut Glück. Wir gehen einige hundert Meter die auch hier wie leergefegte Straße entlang, vorbei an der kleinsten Tankstelle, die ich je sah, und stehen verschwitzt, aber glücklich vor der Herberge Haizea. Das ist Baskisch. Keine Ahnung, was das heißt. Eine lustige Sprache. An einem Müllcontainer gegenüber der Unterkunft steht die Aufschrift: „Bidausiko Birziklapen Etxola“. Wir finden dank einer App heraus, dass das nichts anderes heißt als Recycling-Hütte. Wirklich eine famos lustige Sprache, dieses Baskisch. Selbst die besten Linguisten der Welt zermartern sich die Köpfe über diesen Ausnahmefall.

Wir pfeffern unsere Rucksäcke unter das Vordach der Herberge und fragen im Inneren vorsichtig nach sechs freien Betten. Erleichtert erhalten wir ein Nicken des Wirtes, zahlen zehn Euro pro Bett und bekommen einen Stempel in unsere Pilgerausweise. Inga rennt kurz darauf zurück zur Kreuzung an der Kirche und sammelt Nachzüglerin Karin ein. Alles funktioniert fast zu perfekt. Ich hoffe, es ist nicht nur Anfängerglück. Der Wirt erklärt uns die Lage unseres Schlafsaals. Erreichbar mit Fahrstuhl. Jetzt wird es gruselig. Das ist schon fast zu viel Luxus. Wie sagte dereinst der alte Ritter zu Indiana Jones? „Eure Wahl war weise“.

Wir sind sehr glücklich über diese tolle Herberge. 13 Betten sind in unserem Zimmer, teils Doppelstock, teils einzeln. Manche sind schon durch Handtücher von Phantompilgern markiert, aber noch herrschen genug Auswahlmöglichkeiten. Ich kann sogar eins der unteren Betten für mich beanspruchen. Zwei große Badezimmer gibt es noch dazu, einen riesigen Aufenthaltsbereich mit großer Terrasse als Sahnehäubchen obendrein. Astrein.

Ganz kurz sortieren, sammeln und duschen. Alex und ich können sogar Zigaretten auftreiben, nachdem wir im Ort suchten, nichts fanden und danach mehrfach an unserem hauseigenen Zigarettenautomaten vorbeiliefen. Zu viel Luxus macht blind. Später entscheiden wir, uns für vier Euro einen gemeinsamen Waschmaschinen- und Trocknerdurchgang für unsere Wäsche zu gönnen. Guter Deal. Aber jetzt reicht‘s, das wird langsam zu viel des Guten. Ich werde sonst innerhalb der ersten Tage zu sehr verwöhnt.

Umgezogen, geduscht und frisch gezapft machen wir es uns mit alkoholischen Kaltgetränken im Schatten vor der Herberge gemütlich und verschwatzen einfach den restlichen Nachmittag. Zwischen Alex, Inga und mir herrscht eine schöne, sofortige Verbundenheit.

Die beiden sind verheiratet, ungefähr in meinem Alter und unsere Erfahrungen überschneiden sich in vielen Bereichen. Wir reden über Privates, über Wohnorte an der Ostsee und im Thüringer Wald, über das Leben ganz allgemein und nicht selten lachen wir uns gegenseitig die Taschen voll. Inga lief schon vor sieben Jahren den ganzen Camino Francés mit ihrer Mutter, war mit Alex schon auf dem portugiesischen Camino und dem Camino del Norte unterwegs. Ein beeindruckender Erfahrungsschatz.

Eine Anekdote jagt die nächste, bevor wir uns recht widerwillig gegen Abend mit vielen anderen Gästen zum Pilgermenü treffen. Widerwillig, weil ich eigentlich nicht schon wieder drei Gänge, geschweige denn Rotwein, brauche. Alex und Inga auch nicht. Aber na ja. Ausnahmsweise. Einfach aus Mangel an Alternativen.

An unserer Pilgertafel sitzt natürlich auch mal wieder Lucy. Ich bin gespannt, ob der inkludierte Wein für sie ausreichen wird. Ich spekuliere über die Gänge des bevorstehenden Menüs, aber Inga winkt gleich ab. „Pass auf, zu 90 Prozent wird es wie folgt ausfallen: Der erste Gang besteht aus Nudeln oder Salat. Der Hauptgang besteht aus Pommes mit irgendwelchen dünnen Schnitzeln, egal welche Sorte Fleisch, und danach gibt es einen Becher Joghurt oder ein Eis am Stiel. So ist das fast immer.“ Recht hat sie. Nudeln, Schnitzel, Pommes, Eis.

Da er sowieso auf dem Tisch steht, vergreifen wir uns auch an dem Wein, welcher in Kombination mit dem nachmittäglichen Bier eine Welle der Heiterkeit aus uns herauskitzelt. Das besagte Eis am Stiel überlasse ich Hanne, schnappe mir mit Alex noch ein Bier für die Terrasse und lasse den Abend gemütlich ausklingen. Ein Versuch, auf meiner verzogenen Ukulele zu spielen, scheitert an Alex‘ musikalisch verwöhntem Ohr. Oh Mann, wird echt Zeit für ein neues Instrument.

Später im Zimmer registrieren wir erstmals all unsere Schlafgefährten, die Phantompilger des Nachmittags. Zwei französische Paare, ein Kanadier, ein Italiener und natürlich ist auch Wein-Lucy in unserem Schlafsaal.

Sie zieht sehr viel Aufmerksamkeit des männlichen Anteils im Zimmer auf sich. Man merkt aber auch, dass sie genau das will. Jetzt im Moment wird der Kanadier von ihr bezirzt. Scheint schon ganz hingerissen zu sein.

Ich gönne euch jede Liebelei, macht nur. Ich hab ja meine Oropax.

Ich legte heute 25 Kilometer zurück und stellte fest: Auch in einem Grüppchen ist man genau so oft alleine, wie man es sein muss.

The Racing Flower Pilgrim

Подняться наверх