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#14 Schiedsrichter

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Gerade eben hat man sich noch durch fünf lange Sätze gequält, ist körperlich und mental an seine Grenzen gelangt und lässt sich jetzt schnaufend wie ein Walross auf den – wie immer viel zu niedrigen – Turnhallenbänken an der Seite nieder. Zunächst wischt man sich den Schweiß aus der leider bereits viel zu hohen Stirn und trinkt gierig von den mitgebrachten isotonischen Getränken (Weißbier). Nun möchte man natürlich in Ruhe seinen Mitspielern im Detail noch einmal die ganze Tragik des eben Erlebten berichten, inklusive einiger Räuberpistolen sowie dreisten Übertreibungen: Die heldenhaft abgewehrten Matchbälle im vierten Satz. Die grandiose Aufholjagd im Entscheidungssatz. Der ganz bittere Kantenball gegen Ende. Die Debatten mit dem Gegner, ob der Aufschlag richtig war oder nicht und ob man nun gestört war von dem Trubel an der Nachbarplatte oder nicht. Ja, man hat Redebedarf, egal wie das Match ausgegangen ist.

Doch da ertönt ein markdurchdringender Schrei durch die Halle, der einen jäh aus der Erzählphase reißt: „Schiedsrichter TSV Oberdorfkirchen an Tisch 2, bitte!“

Man blickt nach links und rechts und dann wieder nach links und noch einmal nach rechts und stellt dann mit Bedauern fest: Der Raucher des eigenen Teams ist schon lange auf eine strategische Zigarette nach draußen gegangen. Der Überambitionierte macht sich bereits minutenlang warm, mit Sit-Ups und Joggen auf der Stelle, denn er ist sicher gleich an Tisch 1 dran (dort steht es im zweiten Satz gerade 6:5). Kai-Uwe, in seinem zweiten Leben Trainer, gibt den Jugendlichen am anderen Ende der Halle ein paar ebenso gut gemeinte wie ausführliche Ratschläge. Und Hotte hat in seinem ganzen Leben noch kein Spiel gezählt – er ist sich immer so unsicher, was das Regelwerk betrifft: Der Satz geht nur noch bis 11? Siehste mal, wusste ich gar nicht. Zähl‘ besser du!

Die Lage ist also aussichtslos. Man erhebt sich schwermütig, trinkt schnell noch einen Schluck aus der Pulle und lässt sich mit einem lautstarken Seufzer auf dem Schiedsrichterstuhl nieder, wo die beiden Spieler schon erwartungsfroh an der Platte stehen. Seitenwahl bitte selber durchführen, danke. Es geht also los. Und wie immer im Tischtennis-Amateurleben gibt es nun einige grundverschiedene Schiedsrichter-Typen zu beobachten.

Da wäre zum einen der gelangweilte Starspieler: Er sieht es eigentlich als unter seinem Niveau an, überhaupt in der Kreisliga spielen zu müssen. Und dann auch noch zählen – ein Skandal! So sitzt er wie abwesend an der Platte und bekommt oft gar nicht mit, dass ein Ballwechsel beendet ist. Er blickt ins Nirgendwo und wünscht sich beim dritten Aufschlagfehler seines Mitspielers dringend woanders hin. In die Bezirksliga, zum Beispiel.

Ganz anders der joviale Schwätzer: In der rechten Hand eine Flasche Bier und die linke Hand am Zählgerät steht er – gerne oben ohne und mit Bierbauch – am Schiedsrichtertischchen und kommentiert jeden Ballwechsel mit „Ahs“ und „Ohs“. Auch währenddessen. Er tröstet die Spieler nach bitteren Netzrollern, applaudiert nach spektakulären Aktionen, verzählt sich ständig und hat dabei immer noch einen kessen Spruch auf der Lippe. Bei ihm steht natürlich klar das Gesellige im Vordergrund. Die ganze Jugend mit ihrer Jagd auf TTR-Punkte ist ihm mehr als suspekt und warum Hans ihn jetzt so sauer ansieht, nur weil er den Ballwechsel nicht rechtzeitig wegen Störung unterbrochen hat, ist ihm schleierhaft. Ist doch nur ein Spiel, nicht wahr!?

Der Schweiger wiederum sitzt mit verschränkten Armen vor dem Zählgerät. Er sagt keinen Ton und bewegt sich wirklich nur, um den Spielstand zu verändern. Ob sein eigener Mitspieler gerade eher vorne oder hinten liegt, kann man seinen Gesichtszügen nicht entnehmen, auch wenn heute die letzte Chance auf den Klassenerhalt genutzt werden soll. Ist das Match beendet, steht er wortlos auf und geht.

Auch der Smartphonesüchtige schweigt während des Zählens, allerdings nicht aus charakterlichen Gründen. Er ist mit seinem überteuerten Mobilgerät beschäftigt, da wird gechattet und gesimst und gefacebookt, dass es eine wahre Freude wäre – wenn man nicht gerade ein Tischtennismatch zählen sollte. Immer wieder muss er darauf hingewiesen werden, dass gerade ein Ballwechsel beendet wurde und er doch bitte den Spielstand entsprechend anpassen soll. Nein, genau andersrum, das war mein Punkt.

Der ambitionierte Erbsenzähler steht natürlich das ganze Match über am Zählgerät, damit er einen genauen Überblick auf das Spielgeschehen hat. Seine Stimme hallt beim Ansagen des Spielstandes gerne mal durch die ganze Halle. Außerdem verwendet er eine überkorrekte Sprache und weist die Spieler daraufhin, dass das Trikot ja eigentlich in die Hose gehört. Gegen Ende des Matches droht er dann auch noch mit Zeitspiel. Am Montag muss er dann wieder in seine Behörde.

Schließlich sei noch der Trübsal blasende Jugendliche erwähnt. Gerade hat er mal wieder gegen einen mit Noppen spielenden Senior verloren, der erstens sein Opa sein könnte, zweitens beim Ballaufheben kaum mehr in die Höhe kommt und drittens – rein objektiv gesehen – nun wirklich absolut kein Tischtennis spielen kann. Doch aus irgendeinem ihm schleierhaften Grund sind dem Jugendlichen alle seine sonst so grandiosen Topspins entweder drei Meter ins Aus geflogen oder traurig ins Netz getropft. Nun sitzt er wie ein begossener Pudel auf dem Schiedsrichterstuhl und hadert mit der Wahl seines Hobbys: So wird er es weder jemals in die erste Herrenmannschaft schaffen, noch die süße Anna aus der Mädchenmannschaft beeindrucken können. Da wird er plötzlich von einem Anschiss des Mannschaftsführers jäh aus seinen Gedanken gerissen, da er sich gerade zum vierten Mal verzählt hat. Knallrot im Gesicht berichtigt er kleinlaut den Spielstand und hofft inständig, dass Noppen bald verboten werden und die süße Anna gerade in die andere Richtung geschaut hat.

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