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#18 Sonderwünsche

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Eigentlich ist der Ablauf so eines Punktspieles ja ganz genau vorgesehen: Der Verband gibt ein offizielles Spielsystem vor und auf dem bürokratischen Spielberichtsbogen mit zahllosen Durchschlägen und dem herben Charme der 80er Jahre findet jeder Mannschaftsführer die Reihenfolge der einzelnen Matches vorgegeben: D A1 gegen D B2, außerdem A2 gegen B1, nicht zu vergessen A6 gegen B6 und ganz am Ende natürlich noch das Highlight D A1 gegen D B1 – ein Fest für geborene Formularausfüller!

Doch immer wieder einmal beißt sich diese so stringent und zielstrebig wirkende Theorie mit der Praxis. Dann nämlich, wenn der Manu gerne seine Spiele vorziehen möchte, weil entweder die Schwiegermutter zu Besuch kommt, sein kleiner Bruder zum dritten Mal Junggesellenabschied feiert, seine Frau bereits in den ersten Presswehen liegt oder für den morgen beginnenden dreiwöchigen Camping-Urlaub dringend noch gepackt werden muss. Oder aber schlicht und einfach, weil er seiner Frau hoch und heilig versprochen hat, heute wirklich frühzeitig zu Hause zu sein – aber das würde er den Jungs natürlich nie verraten.

Denn gestern kam er nach dem verlegten Rückrundenspiel auch erst um halb vier morgens heim, wollte dann seiner Uschi mit zweieinhalb Promille noch etwas zärtlich werden und ist dann gegen Mittag mit einem roten Handabdruck auf der linken Wange neben der Schlafcouch im Gästezimmer wieder zu sich gekommen. Also hat er der Uschi bei den gemeinsamen Kindern geschworen, heute definitiv um halb zehn zu Hause zu sein, denn sonst wird man sich demnächst wohl nur noch beim Scheidungsanwalt sehen. Oder schlimmer noch: Bei dieser Öko-Esoteriktante aus dem Nachbardorf, die macht nämlich auch Paartherapie.

Der Mannschaftsführer ist natürlich wie immer wenig begeisterst über solche Vorschläge, bringt es doch alle Abläufe durcheinander, der Gegner liebäugelt bei einer Niederlage bestimmt mit Protest und der Manu gewinnt auf jeden Fall wieder mal nix weil er so gehetzt ist. In der Tat hat der Manu an solchen Abenden meistens ein großes Problem und das heißt Fitness. Beziehungsweise die Abwesenheit genau dieser. Normalerweise stöpselt er ja nur ein bisschen im zweiten Doppel herum, ohne sich zu sehr anzustrengen, man muss ja mit seinen Kräften haushalten. Dann hat er eine längere Pause bis er im hinteren Paarkreuz zu seinem ersten Einzel antreten muss. Und das zweite Einzel ist gewöhnlich hinfällig, da man sich bereits rechtzeitig wieder eine Klatsche eingefangen hat.

Nun aber gilt es, ein Doppel und beide Einzel in Rekordzeit direkt hintereinander zu spielen. (Mannschaftsführer: „Klar können wir gegen den Tabellenführer lange mithalten! Stell dir vor wir verpassen die Überraschung nur, weil du schon heimgegangen ist und wir dein zweites Match schenken müssen…“) Also will sich der Manu im Doppel nur noch in den Ausmaßen eines Bierdeckels bewegen (das gelingt), versuchen, das erste Einzel mit all seiner Routine locker-lässig gegen diesen 13-jährigen zu gewinnen (gelingt nicht) und pumpt schließlich trotzdem im zweiten Einzel wie ein Maikäfer, so dass er kurz vor der Aufgabe ist. Gott sei Dank macht sein Gegner dann ein paar schnelle Punkte mit seinen gemeinen Aufschlägen und tütet damit Manus dritte Niederlage in diesem Spiel endgültig ein. Schnell unter die Dusche und dann ab dahin, wo es heute Abend noch wichtiger ist als in der Turnhalle des TSV Breitenbach IV.

In Manus Abwesenheit zieht sich das Spiel allerdings in die Länge, denn der Gegner ist etwas hochnäsig mit drei oder vier Ersatzleuten angetreten. Da geht heute was! Umso wichtiger wäre es also gewesen, wenn der Manu ein, zwei Punkte hätte beisteuern können, aber ach! Stattdessen fällt dem Mannschaftsführer während des zweiten Einzel-Durchgangs auf, dass in der ersten Runde die falschen Paarungen gespielt wurden: Matze hätte gegen diesen Dicken spielen müssen, stattdessen hat er den wirren Senior des Gegners vernichtet. Und beim jungen Elias war es folglich genau andersrum. Nun also: Haare raufen, interne Besprechung, abwägen. Dann zum anderen Mannschaftsführer rüber, doch der sieht das ganz locker. Alles nochmal neu spielen? Spinnst du!? Kommt nicht in die Tüte, schließlich haben wir doch alle großen Durst! Weitermachen.

Folglich wird nun im Spielberichtsbogen herumgeschmiert, gestrichen, verbessert und hinzugefügt: Hier ein Tausch-Pfeil eingetragen, dort aus der 8 eine 11 gemacht, unten alles durchgestrichen und auf der Rückseite neu eingetragen – ein großes Chaos. Ein kurzer Blick auf die zahllosen Durchschläge zeigt, dass man dem Gegner leider keinen irgendwie lesbaren Spielbericht mitgeben wird. Gott sei Dank wird ohnehin alles im Internet eingetragen! Manu wird währenddessen per Handy über die weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden gehalten, hat aber bisher noch nicht geantwortet. Gut für ihn, das war schließlich nur ein gemeiner Test, wie beschäftigt er nun wirklich ist.

Schließlich geht es an die Schlussdoppel, die Entscheidung naht. Der gegnerische Mannschaftsführer schlurft herüber und erkundigt sich nochmal, ob das Vorziehen von Manus Spielen denn wirklich rechtens war und ob der Spielberichtsbogen denn wirklich noch lesbar ist. Man merkt, dass er mit seinem Team eigentlich verlustpunktfrei aufsteigen wollte und er bereit wäre, dafür notfalls auch einen kleinen Protest beim Verband einzulegen.

Doch beim intensiven Studieren des kaum mehr leserlichen Spielberichtsbogens wird er plötzlich blass. Ein kleiner Spurt zurück zur eigenen Bank, wo er mit seinen Mitspielern lautstark zu tuscheln und wild zu gestikulieren beginnt. Ein paar Wortfetzen wehen durch die Halle, irgendetwas mit „Doppel“ und „falsch aufgestellt“ kann man heraushören. Minuten vergehen. Anscheinend ist man dann doch noch zu einer Entscheidung gekommen, nochmals wird prüfend auf einem Zettel herumgerechnet, dann kommt der gegnerische Mannschaftsführer zurück zum Spielberichtsbogen. Er schnappt sich diesen sowie den wie immer kaum mehr funktionstüchtigen Kugelschreiber, murmelt irgendetwas davon, dass sein Hansi sich ganz sicher sei, dass er im vierten Satz 11:6 und nicht 11:8 gewonnen habe, und kritzelt dann schnell etwas auf dem mittlerweile ohnehin sinnlosen Bogen herum.

Als er sich völlig fertig wieder zu seinen Jungs auf die Gästebank setzt, blickt man selber kurz auf den Spielberichtbogen. Und irgendwie, also ich weiß nicht, aber ein komisches Gefühl sagt mir, naja, wie dem auch sei, ist ja auch egal – aber ich hätte schwören können, dass der Bernd Meier vor zwei Stunden noch im Zweier-Doppel angetreten ist und sein Bruder Dieter im Dreier-Doppel, doch hier steht das genau andersherum. Also zumindest, wenn das da oben am Rand wirklich ein „B“ sein soll. Aber egal – im Internet wird es ja dann sicherlich alles besser lesbar sein.

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