Читать книгу #Fatboysrun - Philipp Jordan - Страница 13
ОглавлениеKlatsch! Ich lieg auf dem Boden, obwohl ich diesen verdammten Absatz im Weg doch kenne, und bevor ich in die schmale Gasse bog, dachte ich noch: »Pass bloß auf!« Jetzt liege ich doch platt auf dem Boden. Es ist stockdunkel, März, kalt. Mein Board ist irgendwo weit hinter mir gegen eine Mauer gerollt. Schmerzen! Ich muss mir mein Knie irgendwie verdreht haben. Aber meine Hände? Wie um alles in der Welt können Hände, die auf den kalten Asphalt aufgeschlagen sind, so wehtun? Sie pochen und beben und fühlen sich irgendwie taub an. Mein Helm liegt vor mir auf dem Weg und schaukelt hin und her. Ich hielt ihn eben noch in der Hand. Eine junge Frau, die auch gleich Skatekurs hat, bringt mir mein Board. Saupeinlich das Ganze. Ich versuche, den tough guy raushängen zu lassen, aber alles, was ich zustande bekomme, ist humpelnder Jammerlappen. Ich merke, wie mein Knie von innen an der Hose klebt. Mama, ich blute! Ich bedanke mich bei meiner Helferin und humpele zum Eingang der Skatehalle. So ein fuck! Da ist irgendwas mit dem Knie nicht ganz koscher. Das wird mich wieder ein – oder gar zwei – Wochen Lauftraining kosten. Na super!
Seit vergangenem Winter gehe ich jeden Montagabend zu einer Art Skatetraining für Erwachsene. Hätte man mir das als Kind prophezeit, ich hätte das nie geglaubt. Fürs Skaten braucht man doch niemanden, der einem das beibringt, hätte ich wohl gesagt. Und trotzdem gehe ich da hin, und ich mag es sehr. Viele Gleichaltrige, denen man ansieht, dass sie in ihrer Jugend wohl auch eine Zeit lang dem Rollbrett-Virus verfallen waren. Das hier ist eine riesengroße Midlife-Crisis-Party. And I love it! Ich mach das hier ja nicht, um irgendwie jünger zu wirken. Ich hatte einfach voll Bock drauf, wieder skaten zu gehen. Ich habe sowieso das Gefühl, dass ich im Kopf immer Skater geblieben und in Gedanken jedes Treppengeländer gegrindet bin.
Skateboarden war mein erster richtig krasser Virus. Das erste Hobby, die erste Passion, in die ich mich so richtig eingebuddelt hab. Mal ab und zu, das war einfach nicht genug. Das musste richtig ausgekostet werden. Dabei fing alles recht harmlos an. Das erste Skateboard in der Casa Jordan war ein gelbes Gordon-&-Smith-Fiberglas-Board, das mein Vater in Bonn im vermutlich ersten Skateshop Deutschlands kaufte. Es war ein kleines Brett und hatte die Form und die Größe dieser Dinger, die heute gern die Bezeichnung »Cruiser« tragen und vornehmlich an gezwirbelte Hipster-Bärte verkauft werden. Es hatte sehr dicke und weiche Rollen, womit man leicht und bequem auch auf besonders rauem Asphalt skaten konnte. Es wäre gelogen, würde ich behaupten, dass damals alles so richtig bei mir anfing. Klar, ich mochte dieses Brett, und mein Bruder und ich haben viele Stunden damit verbracht, aber bis auf ein wenig Geradeausfahren habe ich es vor allem sitzend oder auf Knien genutzt. Es wurde von mir einfach zur super futuristischen Seifenkiste zweckentfremdet.
Die eigentliche Initialzündung sollte erst viele Jahre später stattfinden. Im Jahr 1986 unternahmen unsere Eltern mit meinem Bruder Hartmut und mir eine Amerikareise. Für uns Kinder war es der erste USA-Urlaub, und er sollte uns beide tief beeindrucken und unser weiteres Leben beeinflussen. Wir reisten mit dem Auto von Seattle nach San Francisco entlang des Highway 101, einer fast 2.500 Kilometer langen Straße, die von Olympia im Norden bis Los Angeles im Süden entlang der Westküste verläuft und gemeinhin als eine der Traumstraßen der USA gilt. Es war ein klassischer Roadtrip, inklusive Blick aufs Meer und Nächten in Motels, wie man sie aus Filmen kennt. Mit Highway-Restaurants, vor denen der dicke Pick-up des örtlichen Sheriffs steht und wo einen eine weiß beschürzte und Kaugummi kauende Trulla bedient, die von allen nur beim Vornamen genannt wird. In Retrospektive für mich der schönste Familienurlaub meiner Kindheit. Amerika war wie eine Traumwelt für mich. Das Essen, die Geschäfte, die Autos, einfach alles war hier eine Nummer größer und besser. Und in meinen Augen auch irgendwie cooler. Erwachsene Menschen trugen Baseballmützen und Turnschuhe, nicht Spießerhüte und weiße Socken in Sandalen. Es gab nicht nur drei Programme im Fernsehen, sondern fast 100, und einige zeigten sogar schon morgens Zeichentrickserien für Kinder. In Deutschland gab’s das nur sonntags und hieß Sendung mit der Maus. War ja auch irgendwie toll und pädagogisch wertvoll, aber gegen Thundercats musste das leider abstinken. Ich war im siebten Himmel!
SKATEBOARD-LIEBE
MEINE ERSTEN METER AUF DEM BRETT. SITZEND. VOR DEM HAUS MEINER OMA.
Ein Höhepunkt dieser Reise war San Francisco. Die steilen Straßen, die Cable Cars, der Hafen, die Brücke, die Obdachlosen, Alcatraz, die Straßenkünstler, das alles hat mein kleines Hirn mächtig beeindruckt. Während eines Shoppingtrips passierten wir im Herzen der Stadt einen Platz, an dem einige Jugendliche skateten. Wow! Mein Bruder und ich waren sofort begeistert. Unsere Eltern haben das bemerkt und erlaubten uns, an dem Skate-Platz zu warten, während sie Erledigungen machten. Ich frag mich bis heute, ob sie direkt an dem Platz in einem Laden waren, oder ob sie sich auch weiter weg entfernt haben. Ich habe auch keinerlei Ahnung, wie lange sie weg waren, keinen Plan! Helikoptereltern aus der Jetztzeit würden wohl bei dem Gedanken, ihre Kinder in einem fremden Land in einer Großstadt für eine halbe Stunde allein zu lassen, ohnmächtig werden. Ohne Handy! War auch egal, wie lange sie genau weg waren, es war lange genug. Lange genug, um mich völlig wegzuballern. Ich war hooked! Das hier war das Beste, was ich bis zu diesem Zeitpunkt gesehen hatte. Keine Frage: Das wollte ich auch lernen. Das musste ich auch lernen. Ich wollte nichts anderes mehr machen. Ich wollte auch so cool wie diese Dudes sein. Das Mehr-Monster hatte zum ersten Mal zugebissen, meine Adern mit unstillbarer Begeisterung gefüllt. Einen Virus in meinen Organismus gepflanzt, der meinen zarten Körper von nun an besetzte. Ich will – ich muss – auf so einem Ding stehen und so lässige Tricks machen!
Ein Junge stand auf einer Hand und hielt dabei sein Skateboard fest. Ein anderer sprang von einem großen Betonblock und landete auf seinem Skateboard. Kein Mensch auf diesem Planeten konnte das, was dort passierte, nicht für die coolste Sache der Welt halten. Ich wusste damals nicht, dass ich an einem wichtigen – wenn nicht sogar an dem wichtigsten – Skatespot der Welt saß, dem EMB oder auch Justin Herman Plaza. Der Platz hat es später sogar in das berühmte Videospiel Tony Hawk’s Skateboarding geschafft.
Da ich aber kein Skateboard hatte und am anderen Ende der Welt war, musste meine Skateboard-Karriere vorerst noch im Wartezimmer Platz nehmen. Aber ein glücklicher Zufall sollte mir bald meinen Wunsch erfüllen, schneller, als ich zu hoffen gewagt hatte.