Читать книгу Es bleibt für immer ein Geheimnis - Philipp Porter - Страница 6

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Kapitel 2

„Das kann nicht sein! Sie war eben noch hier …“, rief der Fluglotse der Flugsicherung in Salzburg fassungslos. Jörg Schmidt, der gerade zu seinem Büro unterwegs war, blieb stehen, sah auf den Schirm und fragte, was los sei.

„Sie war eben noch hier und plötzlich ist sie verschwunden. Ich habe noch vor einer Minute mit dem Piloten gesprochen und jetzt ist sie weg, einfach weg.“

„Versuch sie zu rufen. Vielleicht liegt ja nur eine Störung vor“, sagte Schmidt, der Leiter der Flugsicherung, und blieb, den Schirm mit einem ruhigen Blick nicht aus den Augen lassend, hinter Heribert Mögli stehen.

„Cessna Citation two, hier Flugsicherung Salzburg, bitte um Bestätigung“, rief Mögli in sein Mikrofon hinein. Aber nur ein Rauschen drang wie eine Drohung aus dem Lautsprecher zurück. Er starrte sekundenlang auf das feine schwarze Gitter des Lautsprechers und hörte verbissen in das stumme Rauschen hinein. Doch so angespannt er sich auch auf dieses Nichts konzentrierte, er bekam keine Antwort.

Schmidt nickte Mögli aufmunternd zu, es nochmals zu versuchen.

„Cessna Citation two, hier Flugsicherung Salzburg, bitte melden Sie sich“, rief Mögli erneut in das Mikrofon hinein. Doch es kam abermals nur ein stummes Rauschen zurück.

Jörg Schmidt schob einen Stuhl an den Kontrollmonitor heran und setzte sich zu dem Fluglotsen. Er drückte mehrere Knöpfe an dem Schaltpult und tippte einige Befehle in die Tastatur ein, die direkt unter dem Schirm installiert war. „Jetzt werden wir gleich sehen, was mit Ihrer Cessna ist“, murmelte er dabei vor sich hin, als die Aufzeichnung startete, und nahm alle Informationen, die er nicht benötigte, vom Schirm.

Nach wenigen Sekunden waren nur noch einige Signale zu erkennen, die sich träge über den Monitor bewegten. Im oberen linken Drittel wanderte die Buchstabenkombination CC550 über den Monitor und hinterließ eine dünne, fast unscheinbare Leuchtspur: der Flug aus Berlin.

„Achtung! Gleich … gleich ist sie weg“, versicherte Mögli und deutete dabei auf das Signal, das langsam über den Monitor glitt. Dann zeigte er wortlos auf den Bildschirm, als das Signal, wie einige Minuten zuvor, plötzlich verschwand. An der Stelle, an der eben die Markierung zu sehen gewesen war, schimmerte nur noch der dunkle Hintergrund.

Schmidt griff zum Telefon, informierte den Tower und kurz darauf die Polizeiinspektion von Freilassing. Die Cessna war laut Radar noch auf deutschem Gebiet, in der Nähe des Grenzflusses Saalach, abgestürzt.

*

Die Rettungsaktion bei Freilassing lief bereits auf Hochtouren, als der Anruf der Flugsicherung Salzburg eintraf. Der Absturz der Cessna war von verschiedenen Personen beobachtet worden und daher lagen bereits die ersten Meldungen aus der Bevölkerung vor. Nach wenigen Minuten war auch das Ausmaß des Unglücks bekannt. Ein Polizeihubschrauber, der in der Nähe das Autobahnstück bei Piding überprüft hatte, kreiste bereits über der Absturzstelle und setzte einen detaillierten Bericht über Funk ab.

Schmidt, der den Funkverkehr des Hubschrauberpiloten mit abgehört hatte, schaltete enttäuscht den Empfänger aus. Für ihn stand bereits fest, dass es keine Überlebenden gab. Die Maschine hatte sich anscheinend mit vollem Schub in den vereisten Waldboden gebohrt.

Sichtlich bekümmert verließ er den Kontrollraum und klopfte beim Hinausgehen dem jungen Fluglotsen fürsorglich auf die Schulter. Er hasste solche Momente, und Erinnerungen aus seiner Fluglotsenzeit drängten sich ihm auf.

In seinem Büro angekommen, nahm er sein Telefonregister aus der Schublade des Schreibtisches und schlug es auf. Schnell fand er den Namen, den er suchte. Klaus Gerbig, ein Beamter der BFU, war ihm in den vielen Jahren seiner Laufbahn ein guter Freund geworden. Sie hatten schon so manche Zechtour nach einem Absturz, zumeist waren es kleinere Sportmaschinen gewesen, miteinander durchgestanden und waren sich auf diesem Wege nähergekommen. An der langjährigen Freundschaft störte Schmidt von Mal zu Mal nur eines: Es war die Tatsache, dass sie beide sich immer nur dann trafen, wenn ein Unglück seine Schatten warf.

*

„Hallo, Klaus, hier Jörg. Ich habe mal wieder was für euch“, sagte Schmidt hörbar zerschlagen in den Hörer hinein, als sich am anderen Ende der Leitung nur ein knurriges „BFU, Gerbig“ meldete. Er massierte sich dabei mit Daumen und Zeigefinger das Nasenbein, denn die wenigen Minuten, die er an dem Kontrollschirm verbracht hatte, hatten bereits ausgereicht, seine Augen zu ermüden. Er hätte schon längst eine Brille benötigt, aber die Eitelkeit stand zwischen ihm und einem Drahtgestell auf seiner Nase.

„Oh“, kam von der anderen Seite nur zurück und Schmidt nickte zustimmend zu dieser kurzen, aber sehr treffenden Bemerkung. Er konnte sich den Ausdruck auf Gerbigs Gesicht gut vorstellen, denn er hatte erst vor drei Wochen einen Absturz, ebenfalls kurz vor dem Grenzfluss, bei ihnen aufgenommen.

„Ja, ein Oh ist hier wohl angebracht“, sagte Schmidt und musste beinahe über diesen verwunderten Ausruf seines Freundes lachen. „Ich kann dir auch gleich sagen, dass es mit Sicherheit weitaus mehr Zeit in Anspruch nimmt als letztes Mal, als die kleine Einmotorige ins Feld gefallen ist. Du kannst auch die langen Unterhosen und deinen dicken Pullover mit einpacken. Bei uns ist es schweinekalt geworden.“

„Hast du sonst noch eine gute Nachricht für mich, oder war’s das?“, fragte Gerbig spitz zurück.

Schmidt wusste, wie er es zu nehmen hatte: „Nein. Wie schon gesagt, wird es wohl etwas länger dauern. Es war eine zweistrahlige Cessna 550. Sie hat sich kurz vor Freilassing unangespitzt in den Boden gerammt. Wann wirst du hier sein?“

„Lass mich mal nachsehen“, brummte Gerbig, und Schmidt hörte im Hintergrund, wie er seinen Terminkalender mehrmals hin und her blätterte. „Also, den größten Teil meiner Termine kann ich verschieben, und wenn ich den einen, der noch übrig bleibt, meinem Kollegen aufs Auge drück, so gegen zwei, halb drei. Ich werde mir unsere Maschine nehmen.“

„Gut. Ich bereite schon mal alles vor. Wo möchtest du schlafen; in der Goldenen Gans?“

„Ja, wenn das ginge?“

„Sicher. Also bis heute Mittag.“

„Ja, bis heute Mittag“, gab Gerbig zurück und hängte ein. Schmidt behielt den Hörer noch einige Zeit in den Händen und spielte gedankenverloren damit herum, bis er seine eigene Nummer wählte. Nach dem Gespräch mit seiner Frau ging er in den Kontrollraum zurück.

Es bleibt für immer ein Geheimnis

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