Читать книгу BLOOD RIVER - FLUSS DES GRAUENS - Phillip Tomasso - Страница 8
Kapitel 2
ОглавлениеBrent Halperin trug seine Haare lang und zu einem Pferdeschwanz gebunden. Er kleidete sich in dunkle teure Anzüge mit Seidenkrawatten. Alle wussten, dass sie aus Seide waren, da Halperin es nicht nur jedem erzählte, der zuhörte, sondern auch den Menschen, die ihn ignorierten. Insgesamt war er kein schlechter Typ, nur etwas zu sehr von sich vereinnahmt. Er sah sich weniger als jemand, der eine Angelsendung produzierte, die samstagmorgens nach den Zeichentrickfilmen ausgestrahlt wurde, sondern eher wie ein Hollywood-Filmproduzent.
»Stone, wie geht’s?« Sie schüttelten sich die Hände. Sie befanden sich im obersten Stock eines achtstöckigen Gebäudes in der Innenstadt. In den ersten beiden Stockwerken befanden sich ein paar Filmkulissen und ab dem dritten Stock die Büros. Mr. Harry Krantz, der Präsident des Senders, hatte ein Eckbüro, das den Genesee River überblickte.
»Ich will nicht lügen – ich bin etwas nervös. Außer den monatlichen Sitzungen wüsste ich nicht, dass ich jemals zu einer Konferenz mit nur Ihnen und Mr. Krantz eingeladen worden wäre«, sagte Rick. Besorgt fragte er sich, ob er schwitzte. Er meinte, Schweißperlen auf seiner Stirn zu spüren, wollte aber nicht dadurch sorgenvoll wirken, dass er sie sich abwischte. Stattdessen lächelte er und zeigte auf Halperins Brustkorb. »Eine neue Krawatte?«
»Das ist Satinseide. Hat so gut wie gar kein spürbares Gewebe. Wollen Sie mal fühlen?« Halperin hielt ihm die Krawattenspitze hin. Rick fuhr mit der Hand über das Material und nickte.
»Schön, was?«
»Sie haben die besten Krawatten«, sagte er. Es klang lahm. Jeder andere Mensch hätte es für einen komischen Kommentar gehalten, aber Halperin genoss das Kompliment.
»Danke«, sagte er. »Wirklich. Danke.«
»Bitte«, sagte Rick.
»Nun denn, warum kommen Sie nicht rein? Harry ist schon da. Wir können gleich anfangen. Wie hört sich das an? Und vertrauen Sie mir, Stone, ich denke, Ihre Nervosität ist ganz unbegründet. Völlig unbegründet. Wir haben nämlich eine … ach, kommen Sie, gehen wir in Harrys Büro. Wir wollen mit der Besprechung schließlich nicht inoffiziell ohne ihn im Flur anfangen. Oder?«
Halperin klopfte leicht an die Tür und drückte sie auf, ohne auf Krantz’ Aufforderung zu warten. »Nach Ihnen«, sagte er.
Rick betrat das Büro. Zwei Eckwände bestanden aus Fenstern. Die anderen waren mit gerahmten Fotos dekoriert, viele davon signiert, auf denen Harry Krantz mit diversen Stars zu sehen war.
Krantz erhob sich, als sie eintraten. Sein Haar war weiß und dicht. Älter als fünfzig konnte er nicht sein. Die gut geschnittene graue Hose und das dunkelblaue sportliche Jackett mit passender Krawatte waren seine übliche Kleidung. »Rick. Rick, wie schön, Sie zu sehen.« Er kam hinter seinem Schreibtisch hervor, um ihm die Hand zu schütteln. »Bitte setzen Sie sich doch.«
Rick nahm in einem der zwei Stühle vor dem Schreibtisch Platz. Halperin setzte sich auf die Tischkante und trommelte sich mit einem Radiergummi aufs Bein.
»Möchten Sie einen Kaffee oder Wasser oder sonst etwas?«, fragte Krantz, der wieder Platz genommen hatte. Er faltete die Hände.
»Nein, gar nichts, danke sehr«, sagte Stone.
»Gut, dann kommen wir doch gleich zur Sache.«
Rick atmete tief ein. Seit er von der Konferenz gehört hatte, versuchte er herauszubekommen, worum es sich wohl handeln könnte. Jetzt, wo es zur Sache ging, war er sich nicht mehr so sicher, ob er bereit war, es zu hören.
»Es wird Sie ja nicht weiter erstaunen, dass wir sowohl gute als auch schlechte Neuigkeiten haben«, sagte Krantz. Mit seinen verschränkten Fingern sah Krantz wie ein Mann aus, der betete. »Wir haben die Einschaltquoten von Catch and Release bekommen, und um ehrlich zu sein – gut sehen sie nicht aus. Die Zahlen sind gesunken.«
»Und zwar dramatisch.« Halperin legte den Radiergummi weg. Sein Lächeln war wie fortgewischt. Das war es also – daher die Konferenz. Die Sendung war ein sinkendes Schiff. Sie waren unzufrieden.
»Wir haben gerade das fünfte Jahr beendet. Es ist fast, als ob niemand auch nur eine einzige Episode gesehen hat.«
Rick rutschte auf seinem Stuhl herum, setzte sich weiter nach vorn, lehnte sich zurück. Es ging hier um seine Karriere, seinen Lebensunterhalt. Die Wahrheit war, dass er eher damit leben konnte, wenn die Show abgesetzt wurde, als es seiner Frau zu sagen. Sie würde ihm sofort ein Ich-hab’s-ja-gewusst ins Gesicht schleudern. Er würde es immer wieder zu hören bekommen. Wie konnte er noch weiter mit ihr leben? Er legte eine Hand über seinen Bauch, beunruhigt, dass ihm schlecht werden könnte und die paar verbrannten Eier, die er zum Frühstück hatte runterwürgen können, hochkommen würden. »Und, was wollen Sie damit sagen?« Er setzte sich auf und legte einen Ellbogen auf die Armlehne des Stuhls. »Was soll das bedeuten?«
Krantz hob die Hand. »Immer mit der Ruhe, Rick, kein Grund zur Sorge. Das waren nur die schlechten Neuigkeiten.«
»Es gibt ja noch die guten Nachrichten«, sagte Halperin. Sein Grinsen kehrte zurück, als er aufstand und hinter den Schreibtisch ging. Halperin stand mit den Händen in den Taschen neben Krantz.
Rick wollte zurücklächeln, aber sein verkrampfter Magen ließ es nicht zu. »Dann immer her damit – mit den guten Neuigkeiten. Denn im Moment werde ich das Gefühl nicht los, dass ich gleich gefeuert bin. Werde ich das nicht … gefeuert?«
Die Produzenten lachten, sahen sich an und lachten weiter. »Gefeuert«, sagte Halperin. »Nein. Ganz und gar nicht.«
Rick lehnte sich wieder vor und drückte seine Fingerspitzen gegeneinander. »Dann verstehe ich das nicht. Wenn die Show keinen Erfolg mehr hat und ich nicht gefeuert werde – was ist dann der, äh, Plan?«
»Ich bin froh, dass Sie fragen«, sagte Krantz.
»Passen Sie auf«, ergriff Halperin das Wort. »Wir gehen mit Catch and Release auf Tour.«
»Auf Tour?«
»Die Zuschauer langweilen sich dabei, Ihnen immer zuzusehen, wie Sie vier Forellenarten und drei verschiedene Lachsarten an den Haken bekommen. Verstehen Sie mich nicht falsch, Sie haben auf den Großen Seen ganz außerordentlich gefischt – den Menschen viel über Sicherheitsvorkehrungen, Angelschnüre, Rollen und die gesetzlichen Vorschriften beigebracht. Besonders auf Lake Ontario. Aber seien wir mal ehrlich, das ist alles recht trocken. Es wird langweilig. Die Zuschauer sehen Ihnen zu, wie Sie vor der Kamera über Ihre Leinen und Haken reden. Manchmal fangen Sie was Großes und manchmal gar nichts. Eine Stunde lang sieht man, wie Sie kleine Fische ins Wasser zurückwerfen«, sagte Halperin. »Genau deswegen laufen uns die Zuschauer davon.«
»Wir wollen nicht so kleinkariert denken«, sagte Krantz. »Wir wollen unsere Konkurrenz aus dem Weg räumen und hier wirklich ganz kreativ denken. Wie hört sich das an?«
Rick nickte. »Ja, sicher. Klingt gut. Allerdings … mir fällt dazu nichts ein. Ich schätze, dass Ihnen schon was Kreatives vorschwebt?«
Wieder dieses Lächeln. Rick bekam ein flaues Gefühl im Magen. Ein Produzent und ein Networkboss, die ihn beide angrinsten. Es war schwer, sich nicht wie ein Köder zu fühlen, der gleich als Haifutter über Bord geworfen werden würde.
Krantz öffnete eine vor ihm auf dem Tisch liegende Akte. Er nahm zwei große Schwarz-Weiß-Fotos heraus, sowie ein paar zusammengeklammerte Dokumente. Dann blätterte er die Fotos durch, als würde er sie zum ersten Mal sehen, und reichte sie Rick über den Tisch.
Ein Auge auf Halperin gerichtet, nahm dieser zögernd die Blätter entgegen.
»Bitte lassen Sie sich Zeit. Schauen Sie sich die Akte an«, sagte Krantz. »Ein Fan Ihrer Show hat uns das zugeschickt. Zuerst wollten wir ihm einen der üblichen vorgedruckten Antwortbriefe mit einem Ihrer signierten Fotos schicken. Die Sekretärin, die sich darum kümmerte, hat Brent diesen Brief gezeigt«, sagte Krantz.
»Und nachdem ich ihn gelesen hatte, habe ich ihn gleich Harry gegeben.«
Fantastische Teamarbeit, dachte Rick. Gedankenvoll nickte er wieder und warf dann einen Blick auf die Fotos. Er biss sich auf die Lippe und verkrampfte sich.
»Ich weiß, das sieht man sich nicht gerne an«, sagte Halperin. Er hob die Hände. »Aber schauen Sie weiter. Nicht wegsehen.«
Das erste Bild zeigte einen toten Mann in schwarz-weißem Hochglanzformat. Diverse Körperteile fehlten und aus der Leiche waren riesige Fleischstücke herausgerissen. Rick ließ die Akte sinken. Galle stieg ihm die Speiseröhre hoch und brannte sich ihren Weg wieder hinab, als er schluckte. »Was zum Teufel ist das?«
»Schauen Sie weiter. Lesen Sie den beigelegten Brief, und dann werden wir Ihre Fragen beantworten«, sagte Krantz. »Da steht alles drin – die Erläuterungen.«
Rick blätterte die Fotos durch. Sie waren noch drastischer als das erste. Nahaufnahmen der Wunden, der abgetrennten Glieder. Er war sich nicht sicher, ob er noch mehr davon ertragen konnte. Schließlich legte er die Bilder beiseite und las den Brief.
Der Fan war ein Typ aus Pennsylvania, der behauptete, religiös Catch & Release zu schauen, aber es langweilte ihn, ständig das Gleiche zu sehen – wie man Rick gerade informiert hatte. Trotzdem lobte er Rick und dessen Fertigkeiten mit der Angel die ganze erste Seite lang, sowie auch den Sender dafür, die Show zu produzieren. Er erwähnte die Tatsache, dass er Lance Crowleys Show schrecklich fand.
Crowley war in der fast identischen Angelshow eines konkurrierenden Senders zu sehen: Casting with Lance Crowley.
»Zumindest mag er Lance nicht«, sagte Rick. »Das ist doch ein großer Pluspunkt.«
Halperin zuckte die Achseln. »Wer mag den schon?«
Rick drehte das Blatt um und entdeckte einen auf das Papier geklebten Zeitungsausschnitt.
Mann von unbekanntem Monster im Eilanden River getötet
Rick lehnte sich im Stuhl zurück und fing an, den Artikel zu lesen. Der erschreckende Bericht erzählte von einem Eingeborenen, der im Fluss angegriffen wurde, als er für sein Dorf Wasser holen wollte. Unbekannte Kreaturen töteten ihn, bissen einen Arm und einen Fuß ab. Die Neuigkeit des Angriffs verbreitete sich über die Dörfer der Gegend. Panik brach aus, da dort dieses Jahr mehr als zwanzig Menschen verschwunden waren und es nun einen Augenzeugen des neuesten Angriffs am Fluss gab. Die Dorfbewohner, die vom Fischfang lebten, trauten sich nicht mehr ans Wasser, und die Häuptlinge verlangten, dass die Regierung von Papua die Kreaturen im Fluss beseitigte – sie hatten Angst, dass es sich um hasserfüllte Geister handelte, die die Menschen zerstören wollten.
Das zweite Blatt des Briefs umschrieb die Idee des Fans, wie sich aus Catch & Release ein wahrlich auserwähltes Meisterwerk von Fernsehsendung machen ließe – so lauteten seine Worte.
Rick las sich die dritte Seite des Briefs zweimal durch und überflog dann erneut die Fotos und die Zeitungsausschnitte. Er legte die Dokumente in die Mappe auf seinem Schoß zurück und klappte sie zu.
»Ihre grauen Zellen arbeiten«, sagte Halperin. Er drehte einen Finger neben seiner Schläfe, was eher so wirkte, als wollte er andeuten, dass jemand verrückt war.
»Sie arbeiten«, sagte Rick, »aber in alle möglichen Richtungen. Ich bin mir nicht ganz sicher, dass ich das verstehe.«
»Was gibt’s da nicht zu verstehen?«, fragte Krantz. »Es ist doch alles genau erklärt.«
»Und Ihnen gefällt das? Sie wollen diese Idee verwirklichen?« Rick war sich nicht im Klaren, ob er überhaupt begriff, was die Idee war. Er wollte nicht so wirken, als ob er nicht dazugehörte, sondern so, als wären sie alle der gleichen Meinung. Das war albern. Wenn er es nicht verstand, sollte er das auch sagen können. Aber stattdessen befürchtete er, nicht dazuzugehören.
»Ich persönlich finde es genial. Einfach genial!« Halperin klatschte so laut in die Hände, dass Rick fast zusammenzuckte.