Читать книгу Rockstar Love - Ein Song für Alexis - Poppy J. Anderson - Страница 7

Prolog

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2002

„Wir werden heute eine Wahnsinnsshow abliefern!“ Taylors Stimme vibrierte. Er konnte es nicht abwarten, auf die Bühne zu gehen und dort alles zu geben.

Adrenalin schoss durch seine Blutbahnen, sein eigener Herzschlag dröhnte ihm in den Ohren und ein euphorisches Kribbeln zog sich über seinen ganzen Körper, bis er glaubte, im nächsten Moment abzuheben. Die Aufregung und Anspannung, kurz bevor man auf die Bühne ging und vor einem kreischenden Publikum auftrat, war mit Sex zu vergleichen – man kam ins Schwitzen, verausgabte sich und war am Ende voll mit Glückshormonen, während man um eine Zugabe angebettelt wurde. Außerdem wurde man süchtig danach.

Wenn man einmal auf der Bühne gestanden hatte, wollte man immer wieder dort stehen.

Taylor liebte alles daran, auf einer Bühne zu sein, Songs zu singen, Gitarre zu spielen, eine gute Performance abzuliefern und seine Fans glücklich zu machen. Wenn er auf der Bühne stand, wusste er, wohin er gehörte und wofür er geboren worden war. Es fühlte sich richtig an.

Er fühlte sich richtig an.

Als Musiker hatte er seine Bestimmung gefunden, und er wusste, dass kein anderer Beruf ihn glücklich machen würde. Nur in der Musik fand er Erfüllung, so kitschig es sich auch anhörte. Nachdem er einmal Bühnenluft geschnuppert und in einem Tonstudio seine Songs eingesungen hatte, konnte er sich nicht vorstellen, etwas anderes zu machen. Sein Großvater war Apotheker gewesen und sein Dad verkaufte Badezimmermöbel, aber Taylors Liebe gehörte der Musik. Seit er mit drei Jahren auf dem Schoß seines Onkels gesessen und auf dessen Gitarre herumgeklimpert hatte, war er der Musik verfallen.

Während im Hintergrund Konzertbesucher jubelten und Teenager lauthals kreischten, weil sie es nicht erwarten konnten, dass das Konzert begann, atmete er tief durch. Die Vorband hatte das Publikum angeheizt und der dröhnende Bass, mit dem die ersten Takte ihres derzeitigen Hits angekündigt wurden, tat sein Übriges dazu, um die Stimmung unter den Konzertbesuchern anzustacheln. Sobald Taylor zusammen mit seinen Bandkollegen auf der Bühne erscheinen würde, wäre die Hölle los. Das spürte er, und das wusste er, schließlich hatte er schon einige Konzerte geben dürfen. Obwohl Taylor erst neunzehn war, besaß er bereits Erfahrung, was das Leben eines Musikers betraf.

Er wusste, wie es sich anfühlte, seine eigene Stimme im Radio zu hören, er konnte im schaukelnden Tourbus nicht nur wie ein Baby schlafen, sondern auch neue Songs komponieren, und er kannte die Spielregeln, nach denen man sich richten musste, um in der Musikwelt zu bestehen.

Alte Schulfreunde, die mittlerweile aufs College gingen oder noch immer in seiner winzigen Heimatstadt in Oregon wohnten, hielten sein Leben für puren Spaß und eine endlose Party, aber sie wussten nicht, welche Arbeit, welcher Aufwand und welche Anstrengung hinter seinem Job steckten. Ja, sicher – er hatte wahnsinnig viel Spaß, und ständig war er auf Partys eingeladen, deren Gastgeber er nur selten kannte. Außerdem hatte er bislang mehr von der Welt gesehen als der amerikanische Durchschnittsbürger, und er kannte auch die Vorteile, dank seiner Popularität keine Probleme damit zu haben, haufenweise Frauen kennenzulernen. Es war aufregend, an einem Tag im britischen Fernsehen aufzutreten und am nächsten Morgen in Italien aufzuwachen, um dort ein Konzert zu geben. Gleichzeitig steckte er seine komplette Energie in seine Musik und hatte kaum Freizeit, weil er entweder im Tonstudio oder auf Tour war.

Schon in der Schule war er derjenige gewesen, der seine Nachmittage und seine Wochenenden damit verbracht hatte, Musik zu machen, Songs zu schreiben und Instrumente zu spielen. Als Teenager hatte er Demobänder an Musikproduzenten geschickt und darauf gehofft, entdeckt zu werden. Sein Dad hatte seinen Eifer belächelt, und seine Stiefmutter hatte ihm vorgeschlagen, Tanzunterricht zu nehmen, damit er Musicaldarsteller werden konnte, aber Taylor hatte immer daran geglaubt, eines Tages als Musiker auf einer Bühne stehen zu dürfen.

Tatsächlich war es noch gar nicht so lange her, dass sein Telefon geklingelt hatte, weil einer der Musikproduzenten, denen Taylor sein Demoband geschickt hatte, auf ihn aufmerksam geworden war. Was er gehört hatte, musste ihm gefallen haben, denn kurz darauf war Taylor nach Orlando eingeladen worden, um dort jenen Produzenten kennenzulernen. Von dessen Idee, eine Band aus fünf Musikern zusammenzustellen, war Taylor anfangs nicht begeistert gewesen, auch wenn er das nicht gesagt hatte, schließlich hatte er sich diese einmalige Chance nicht verderben wollen. In seinen Ohren hatte der Plan des Produzenten verdächtig nach einer Boyband geklungen, was Taylor an sich ablehnte. Die meisten Boybands bestanden seiner Meinung nach aus hübsch anzusehenden Typen, die kaum einen Ton halten konnten und stattdessen peinliche Tanzschritte lernten, um dann mit nackten Oberkörpern aufzutreten. Musiker waren das nicht, sondern viel eher gut bezahlte Stripper. Er wusste, wovon er sprach, schließlich war seine Stiefmutter glühender Fan der Chippendales.

Eigentlich hatte Taylor den damaligen Vorschlag ablehnen und es als Solokünstler versuchen wollen, aber dann hatte er die anderen Jungs kennengelernt – allesamt Musiker, die Instrumente spielen und fantastisch singen konnten. Und die Chemie hatte von Anfang an gepasst. Alle fünf waren ungefähr im gleichen Alter, liebten die Musik und träumten davon, aus ihrem Hobby einen Beruf machen zu können.

Und sie träumten davon, berühmt zu werden.

Also hatten sie sich zusammengetan, waren alle fünf in die Band gekommen und hatten sich angefreundet. In weniger als anderthalb Jahren waren die anderen vier Jungs nicht nur seine Bandkollegen und Freunde geworden, sondern auch zu seinen Brüdern. Verdammt, er liebte die Mistkerle, auch wenn sie ihn manchmal um den Verstand brachten. Erst in der letzten Nacht hatten Zac und Jesse ihn stundenlang wach gehalten, weil die beiden Komiker ihm bis in die frühen Morgenstunden Telefonstreiche gespielt hatten, und vor zwei Wochen hatten sie Deans achtzehnten Geburtstag gefeiert, als sie in Spanien ihre neueste Single promotet hatten. Bei der Gelegenheit war Cole gleich mit drei Groupies im Tourbus erwischt worden und durfte sich seither gutmütige Frotzeleien seiner Bandkollegen anhören. Vor allem Dean nahm ihn mit der Geschichte auf den Arm, wobei Taylor vermutete, dass ein wenig Neid dahintersteckte, denn eigentlich war Dean der Aufreißer unter ihnen, der von Groupies geradezu gestalkt wurde und nichts anbrennen ließ.

Außerhalb der Band hätte niemand geglaubt, dass ausgerechnet der brav wirkende Cole mit drei Mädchen im Tourbus verschwinden könnte. Dafür sorgte das Image, das die Plattenfirma und das Management der Band sorgsam wahrten. Taylor und seine Bandkollegen wussten, was von ihnen erwartet wurde und welche Rollen sie zu spielen hatten. Obwohl sie keine Boyband im klassischen Sinn waren, weil sie auf der Bühne Instrumente spielten und keine ausgefeilten Tanzschritte üben mussten, waren ihr Zielpublikum junge Mädchen zwischen zwölf und zwanzig Jahren. Diese gaben ihr komplettes Taschengeld dafür aus, in SpringBreak-Bettwäsche zu schlafen, jede verfügbare CD zu kaufen und die Konzerte der Band zu besuchen. Sogar detailgetreue Barbiepuppen gab es von ihnen, was Taylor ein wenig verstörend fand.

Wer wäre nicht verstört gewesen, wenn sein Kumpel und Bandkollege im betrunkenen Zustand die Puppen, die aussahen wie sie selbst, ausziehen und sie das Kamasutra nachspielen lassen würde. Jesse hatte nun einmal einen merkwürdigen Sinn für Humor.

Um weiterhin Bettwäsche, CDs, Konzertkarten und auch Puppen zu verkaufen, war es wichtig, dass sich ihre Fans reihenweise in sie fünf verknallten. Und das ging nur, wenn sie ein gewisses Image besaßen und wenn sie Single waren. Die Mädchen, die sich darum prügelten, in der ersten Reihe zu stehen, selbst gemalte Plakate in den Händen hielten und sich die Kehle aus dem Leib brüllten, sollten glauben, dass sich Taylor und seine Kollegen in sie verlieben könnten. Aber das ging nicht, wenn einer von ihnen eine Freundin gehabt hätte. Also beteuerten sie bei jedem Interview, dass sie noch auf die Richtige warteten.

Nicht dass sie auf der Suche waren.

Taylor und auch die anderen vier hatten erstens keine Zeit für eine Beziehung und zweitens genossen sie das Leben eines Musikers, dem Telefonnummern williger Frauen zuhauf zugesteckt wurden, für den Frauen die Shirts hochzogen und ihre nackten Brüste zeigten, wenn er im Tourbus an ihnen vorbeifuhr, und dem so viel Unterwäsche auf die Bühne geworfen wurde, dass er problemlos eine Kleinstadt damit hätte einkleiden können. Wieso sollte sich ein Mann unter diesen Umständen mit einer einzigen Frau zufriedengeben? Laut würde keiner von ihnen so etwas sagen. Welche Eltern wären auch so verrückt gewesen, ihre Teenagertöchter zu Konzerten zu fahren, wenn sie gewusst hätten, wie es hinter der Bühne der ach so anständig wirkenden Band aussah?

„Die Halle ist ausverkauft“, erklärte er seinen Bandkollegen und konnte sehen, dass sie ebenfalls vor Aufregung und Adrenalin glühten. „Zwanzigtausend Zuschauer sind hergekommen, um uns zu sehen. Sie sind hier, um SpringBreak zu sehen, und wir werden ihnen eine Wahnsinnsshow bieten.“

Er blickte in die Runde und konnte sehen, dass Jesse nickte und tief durchatmete. Auch wenn er der Spaßvogel unter ihnen fünf war, wusste er, wann es darauf ankam, alles zu geben und sich auf den Job zu konzentrieren. Manchmal wünschte sich Taylor, ein bisschen mehr wie Jesse zu sein, der stets gut gelaunt und unbefangen war. Diese Leichtigkeit kam vor allem bei den Fans gut an, denen Jesse lediglich ein winziges Lächeln schenken musste, bevor sie kreischten, in Ohnmacht fielen oder ihm ihre ewige Liebe schworen. Von Vorteil war natürlich auch Jesses faszinierendes Aussehen, das er einem afroamerikanischen Vater und einer grünäugigen irischen Mutter verdankte.

Der Schönling unter ihnen fünf war jedoch nicht Jesse, sondern Cole, der momentan die Augen geschlossen hielt und den Kopf senkte, wie er es immer vor einem Konzert tat, um ein kurzes Gebet zu sprechen. Der blondhaarige Surferboy aus Kalifornien, den Taylor als Erstes kennengelernt hatte und mit dem er sich von allen am besten verstand, hatte vermutlich die meisten Fans von ihnen allen. Er war immer blendend aufgelegt, war das, was die weiblichen Fans niedlich nannten, und wirkte irgendwie ... harmlos. Bei seinem Anblick wäre niemand auf den Gedanken gekommen, dass er gleich drei Groupies auf einmal abschleppte, weil Cole wie jemand aussah, der seiner Grandma die Einkäufe ins Haus trug und anschließend das Geschirr spülte.

Das genaue Gegenteil von Cole war Dean, der keineswegs wie ein braver Enkel oder wie ein harmloser Surferboy aussah. Nein, brav und harmlos war Dean sicherlich nicht, was jeder Mensch in seiner Umgebung nach einem Blick wissen musste. Wenn man in Coles Gegenwart das Bedürfnis verspürte, ihm die Wange zu tätscheln, so wollte man Dean lieber aus dem Weg gehen, denn er versprühte eine gefährliche Ausstrahlung. Mit seinem schwarzen Haar, den stechend blauen Augen und einem muskulösen Körper, der mit diversen Tattoos bedeckt war, hätte er auch Mitglied einer Bikergang sein können. Von ihnen fünf war Dean der Bad Boy, den die Fans anhimmelten und bewunderten, weil er gerne Regeln brach, während sie ihren Eltern niemals erzählt hätten, dass sie für ihn schwärmten. Sobald Väter Dean kommen sahen, kämpften sie vermutlich gegen den Drang an, ihre Töchter zu Hause einzusperren und die Tür mit einer geladenen Schrotflinte zu verteidigen.

Dieses Bedürfnis löste Zac – der Jüngste von ihnen – sicherlich nicht aus. Zac besaß ein absolutes Babyface, hatte eine alberne Frisur mit abstehenden, blondierten Haarsträhnen und spielte anderen gerne Streiche. Weil er noch harmloser als Cole wirkte, schwärmten vor allem die Jüngsten ihrer Fans für ihn. Dass ausgerechnet Zac sie alle unter den Tisch trinken und die schmutzigsten Witze erzählen konnte, hätte niemand vermutet, der einen Blick auf sie fünf geworfen hätte.

Neben dem Spaßvogel Jesse, dem Surferboy Cole, dem Bad Boy Dean und dem Babyface Zac gab es noch ihn – Taylor. Er war sozusagen der Anführer, der inoffizielle Frontmann und der Vernünftige, der dafür zuständig war, seine Bandkollegen davon abzuhalten, über die Stränge zu schlagen und Unsinn anzustellen. Er wusste, dass er als der Ernsthafte verkauft wurde, der die Liebeslieder voller Inbrunst sang, in der Musik aufging und perfektes Schwiegersohnmaterial bot. Tatsächlich war es ihm egal, welches Image ihm zugedacht worden war, solange er nur Musik machen konnte. Gerne beteuerte er während Interviews, dass er auf der Suche nach der ganz großen Liebe war, und benahm sich stets wie ein Musterknabe, wenn er dafür nur Musik machen konnte.

Allein die Musik zählte für ihn.

Scheiße, ihre letzte Platte war die momentane Nummer eins in den USA! Für diesen Erfolg spielte er gerne den Hampelmann und betete die Aussagen rauf und runter, die das Management ihnen vorsagte.

Genau das raunte er seinen Bandkollegen zu, mit denen er in einem Kreis stand: „Denkt dran: Wir sind zurzeit die Nummer eins in den USA! Wir haben Jennifer Lopez und 50 Cent hinter uns gelassen. Wir sind gut. Wir rocken die Halle!“

Jesse grinste breit. Coles Brust schwoll sichtbar an. Deans Augen funkelten vor Begeisterung. Und Zac klatschte in die Hände. „Worauf warten wir dann noch?“

Nachdem sie sich gegenseitig umarmt, ihre jeweiligen Plätze eingenommen und einander ein letztes Mal zugenickt hatten, starrte Taylor auf den dunklen Vorhang vor sich und umschloss das Mikrofon mit seiner rechten Hand. Die Taktfolge des Intros ihres Eröffnungssongs dröhnte in seinen Ohren, und er konzentrierte sich auf seinen Einsatz, während der Vorhang rasant nach oben gezogen wurde. Vor ihm erschienen Tausende schemenhafte Gesichter, Blitzlichter und kreischende Teenager, als die Beleuchtung mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks einsetzte.

Er schloss die Augen und sang die erste Strophe des Songs.

Und dabei dachte er an nichts – außer daran, dass er schon immer nichts anderes gewollt hatte als das hier.

Rockstar Love - Ein Song für Alexis

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