Читать книгу Rockstar Love - Ein Song für Alexis - Poppy J. Anderson - Страница 9

2

Оглавление

Sein Agent hatte Dutzende Klinken putzen müssen, um ihn auf die Gästeliste dieser Party zu setzen. Es war die Aftershow-Party der Grammys – eine der unzähligen Partys, die nach der Verleihung überall in Los Angeles stattfanden. Musikproduzenten, Plattenfirmen, TV-Sender und Zeitschriften veranstalteten in der Nacht, in der der wichtigste Musikpreis der ganzen Branche verliehen wurde, diverse Partys und hofften, dass sich das Who is who der Musikwelt bei ihnen blicken lassen würde. Nur war das Who is who der Musikwelt ziemlich wählerisch und besuchte lediglich die wirklich wichtigen Partys, nachdem es im Staples Center in Downtown L. A. an der Grammy-Verleihung teilgenommen hatte.

Zum Who is who gehörte er schon lange nicht mehr.

Taylor Sutter, einstiger Frontmann von SpringBreak und Besitzer eines Albums mit Platinstatus, schaute sich in dem gemieteten Restaurant um, in dem heute Abend die Party eines weniger erfolgreichen Musikproduzenten stattfand, und fragte sich, wie er hierhergekommen war.

Bei dem Gedanken verzog er selbstironisch den Mund, denn die Frage war eher rhetorischer Natur gewesen, immerhin war er mit einem Taxi hergekommen.

Nein, er fragte sich, wie weit es gekommen war, dass er heute mit fünfunddreißig Jahren nur durch die Kontakte seines Agenten zu einer Party eingeladen worden war, nach der sowieso kein Hahn krähte. Er musste es wissen, denn früher war er zu Gast auf allen wirklich wichtigen Partys gewesen. Von daher konnte er einschätzen, dass diese Party für keinerlei Schlagzeilen sorgen würde. Sie diente lediglich der Gelegenheit, ein paar kostenlose Drinks und seltsam schmeckende Häppchen abzugreifen und gleichzeitig zu hoffen, dass wundersamerweise ein Kontakt zu einem Musikproduzenten oder Agenten hergestellt werden konnte, um später von diesem Kontakt zu profitieren.

Taylor nahm einen Schluck aus seinem Glas und ließ seinen Blick währenddessen über die übrige Gästeschar wandern.

Die meisten Gäste hatte er niemals zuvor gesehen, aber das musste nichts heißen, denn Taylor schaute ziemlich wenig Trash-TV, und er war sich sicher, dass einige der dürftig bekleideten Mädchen mit den künstlichen Fingernägeln und den künstlichen Oberweiten an diversen Reality-Shows teilgenommen hatten und jetzt hofften, ihre Gesangskarriere zu starten. Er hätte ihnen gleich sagen können, dass der Weg, den sie eingeschlagen hatten, nicht funktionieren würde. Sogar bei seinem Kumpel Cole, der nach seiner Karriere als erfolgreicher Musiker an einem unerträglichen TV-Format, das auf einer karibischen Insel gedreht worden war, teilgenommen hatte, hatte der Plan nicht funktioniert. Anstatt durch seine Teilnahme wieder in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken und das Interesse von Musikproduzenten zu wecken, war Cole lediglich zur Lachnummer der Nation geworden. Von diesem Ruf hatte er sich auch heute, Jahre später, noch nicht erholt. Und von einem Plattenvertrag war er meilenweit entfernt.

Taylor auch, obwohl er nicht nur mit einem Bambusröckchen bekleidet vor laufender Kamera diverse Challenges bestreiten und unter anderem Eidechseninnereien hatte essen müssen. Bis heute begriff er nicht, weshalb sich sein Kumpel und ehemaliger Bandkollege auf diesen Scheiß eingelassen hatte.

Im Gegensatz zu Cole, der nach dem Aus von SpringBreak nicht mehr auf der Bühne oder in einem Tonstudio gestanden hatte, war Taylors weitere Karriere sogar ziemlich erfolgversprechend gestartet.

Als Solokünstler hatte er gleich nach dem Ende der Band einen Vertrag bekommen und an einem Album gearbeitet, das Platinstatus und mehrere Preise gewonnen hatte. Alles war glänzend verlaufen – so glänzend, dass die Plattenfirma mit Dollarzeichen in den Augen darauf gedrängt hatte, das nächste Album so schnell wie möglich zu produzieren. Und dummerweise hatte sich Taylor darauf eingelassen, anstatt die Zeit einzufordern, die er gebraucht hätte, um erstklassige Songs zu schreiben und zu komponieren. Inmitten einer Konzerttour durch über zwei dutzend Städte innerhalb weniger Wochen, einer groß angelegten Pressetour mit zehn Interviews am Tag und mehreren Videodrehs hatte er zugestimmt, den Großteil der Songs schreiben zu lassen.

Songwriter waren nicht verwerflich. Die wenigsten Sänger schrieben ihre Songs selbst. Auch die ersten Lieder und Alben von SpringBreak stammten fast ausschließlich von Songwritern, aber Taylor war nun einmal nicht nur Sänger, sondern auch Songwriter. Er wusste, dass seine besten Songs diejenigen waren, die er auch selbst geschrieben hatte. Dennoch hatte er sich auf einen Kompromiss eingelassen, weil das fast alle Künstler taten. Woher hätte er auch die Zeit nehmen sollen, Lieder zu schreiben, wenn er sowieso nur vier Stunden Schlaf pro Nacht bekam?

Weil sein erstes Album Left behind frenetisch gefeiert worden war und großartige Kritiken erhalten hatte, war Taylor davon ausgegangen, dank seiner Vorschusslorbeeren auch mit seinem zweiten Album Sunset Erfolg zu haben. Natürlich war ihm klar gewesen, dass ein paar der Songs eher mittelmäßig geworden waren – ohne nennenswerte Tiefen und individuellen Klang, aber ein paar andere Songs waren wahnsinnig gut gewesen. Leider hatte sich die Plattenfirma mit Only us für einen der Songs entschieden, die nur mittelmäßig gelungen waren, und ihn als erste Auskopplung des neuen Albums präsentiert.

Verdammt, an jenem Album war so viel grottenschlecht und total beschissen gewesen. Angefangen bei den teilweise unerträglich kitschigen Songtexten bis zu den grauenvollen Coverfotos, auf denen er wie ein lächerlicher Schmusesänger aussah, der sich mit der Unterwäsche seiner Fans den Schweiß von der Stirn wischte. Man hätte ihn für den Nachfolger von Tom Jones halten können.

Noch heute könnte sich Taylor selbst in den Arsch treten, dass er nicht einfach Nein gesagt und die Reißleine gezogen hatte. Es war gekommen, wie es hatte kommen müssen.

Die Kritiker hatten sich wie die Hyänen auf ihn und auf das Album gestürzt.

Niemanden hatte interessiert, wie gut sein erstes Album gewesen war und wie sehr seine eigenen Songs des zweiten Albums überzeugen konnten. Stattdessen war er über Nacht als One-Hit-Wonder gebrandmarkt worden, das sich sozusagen ausgeschrieben hatte und nach seinem ersten Album nichts Neues, nichts Innovatives und nichts Überzeugendes mehr vorzeigen konnte.

Taylor war vom Senkrechtstarter, dem eine überragende Solokarriere vorhergesagt worden war, zum absoluten Flop abgestiegen. Und das so schnell, dass er erst Monate später begriff, was überhaupt passiert war.

Zwar hieß es immer, dass die Musikindustrie schnelllebig war und man stets auf der Hut sein musste, um nicht auf der Strecke zu bleiben, aber Taylor hätte nie für möglich gehalten, dass ihm so etwas passieren könnte. Das beste Beispiel war die Party, auf der er sich momentan befand.

Mit Anfang zwanzig war er in der Grammynacht von einer Party zur nächsten gefahren und hatte auf jeder Gästeliste gestanden. Auf wirklich jeder einzelnen. Damals hatte er auch nicht in einer Schlange stehen und einem Türsteher seine Einladung vorzeigen müssen, sondern war sehnlichst erwartet und bevorzugt eskortiert worden. Er und seine Bandkollegen. Dabei waren sie damals nicht einmal trocken hinter den Ohren gewesen. Und auch am Anfang seiner Solokarriere war er immer ein gern gesehener Gast gewesen, der hofiert worden war, wenn er eine Veranstaltung oder auch ein Restaurant in Los Angeles oder in New York betrat.

Zehn Jahre später sagte sein Name kaum noch jemandem etwas, wenn er ihn erwähnte. SpringBreak waren schließlich nicht die Beatles gewesen. Und er war nicht Paul McCartney.

Der heutige Abend war offensichtlich der absolute Tiefpunkt seiner bisherigen Karriere. Niemals zuvor hatte er eine Einladung zu einer Party erbetteln müssen, die sogar auf den ersten Blick ziemlich ernüchternd aussah. Nach außen machte das Restaurant, das für diesen Anlass gemietet worden war, zwar etwas her, aber wenn man genauer hinsah, bemerkte man, dass nicht etwa Grey Goose Vodka ausgeschenkt wurde, sondern billiger Fusel für ein paar Dollar die Flasche, dass die weiblichen Gäste keine echten Taschen von Chanel oder Gucci trugen, sondern billige Imitate, und dass beinahe alle Gäste hinter ihren Lächeln gehetzt und fast schon verzweifelt wirkten, weil sie sich von dieser Party mehr erhofften, als sie sein würde. Dabei musste man bereits bei den lustlosen Türstehern, dem verschlissenen roten Teppich, dem fehlenden Parkservice und der nicht existenten Warteschlange vor dem Eingang des Restaurants erkennen, dass diese Veranstaltung eine echte Zeitverschwendung war. Aus langjähriger Erfahrung konnte Taylor sagen, dass ein Event, bei dem keine hochwertigen Give-away-Tüten an die Gäste verteilt wurden, ein ziemlicher Reinfall war.

Um ehrlich zu sein, ärgerte sich Taylor schon jetzt darüber, den heutigen Abend hier zu verbringen, anstatt zu Hause an seinen Songs zu arbeiten. Momentan hatte er nämlich einen ziemlichen Lauf und war mehr als zufrieden mit der Ausbeute der letzten Wochen. Dieses Album versprach, sehr gut zu werden, sofern er jemanden fand, der sich dazu bereit erklärte, es zu produzieren, wonach es momentan nicht aussah. Nach dem Flop mit seinem zweiten Album war er in der Branche verbrannte Erde. Mittlerweile war er sogar nicht einmal mehr das. Er war ein Niemand. Unter diesen Umständen war es schwierig, jemanden zu finden, der ihm eine Chance gab.

In den vergangenen Jahren hatte sich Taylor damit über Wasser gehalten, für andere Künstler Songs zu schreiben, für diverse Plattenlabels Demotapes einzusingen und sogar – obwohl er mit diesem Job nicht hausieren ging – ein paar Werbejingles zu komponieren. Außerdem hatte er ein dickes finanzielles Polster aus seiner Zeit bei SpringBreak und als Solokünstler, denn Taylor hatte niemals Geld aus dem Fenster geworfen, indem er im Luxus gelebt hatte, schließlich war er Musiker geworden, weil er die Musik liebte, und nicht, weil er ein Star hatte werden wollen, der im Champagner badete.

Taylor wollte auch nicht wegen des Geldes wieder im Aufnahmestudio stehen und ein Album herausbringen, sondern weil er sich rastlos und ohne Aufgabe fühlte. Er brauchte eine sinnvolle Beschäftigung, die ihn ausfüllte und die ihm Spaß machte. Außer der Musik fiel ihm nichts ein, was ihm dieses Gefühl gab.

„Kenne ich dich nicht irgendwoher?“

Mit einem unverbindlichen Lächeln drehte sich Taylor zu der hohen, fast schon quietschenden Stimme um, die dem winzigen Persönchen gehörte, das sich neben ihn gestellt hatte und ihn aus dick bemalten Augen anstarrte – und das viel zu jung aussah, um zu dieser Party eingeladen worden zu sein und legal Alkohol trinken zu dürfen. Jedenfalls ging er davon aus, dass die knallrote Flüssigkeit in dem Martiniglas aus Alkohol bestand.

Auch wenn er nicht damit gerechnet hatte, am heutigen Abend interessante Gespräche zu führen, wollte er erst recht nicht mit einem Teenager plaudern und Gefahr laufen, von der Polizei verhaftet zu werden, weil man ihm vorwarf, die Kleine mit Alkohol versorgt zu haben. Er kannte genügend Leute aus der Branche, die auf diese Weise in der Klatschpresse gelandet und mit einem schlechten Ruf davongekommen waren. Nichtsdestotrotz antwortete er dem Mädchen: „Keine Ahnung. Das kann schon möglich sein.“

Sie wirkte beeindruckt, warf sich in Pose und verkündete: „Ich heiße Estelle, aber ich überlege, mir einen Künstlernamen zuzulegen, mit dem ich bekannt werden kann.“

Himmel! Taylor wusste nicht, ob er amüsiert oder besorgt sein sollte, denn Estelle gehörte zu den Mädchen, die voller Optimismus und Naivität eine Karriere anstrebten und über kurz oder lang auf die Nase fallen würden. Er wusste zwar nicht, aus welchem Provinznest sie kam, aber Los Angeles war ein hartes Pflaster. „Aha. Schön.“

„Ehrlich.“ Die Kleine himmelte ihn förmlich an. „Du kommst mir total bekannt vor. Bist du ein Sänger?“

„Das war ich – in einem früheren Leben“, entgegnete er trocken und schaute sich in der Hoffnung um, jemanden zu entdecken, den er begrüßen konnte, um dem Gespräch mit Estelle zu entkommen. Er war hier, um gesehen zu werden, weil sein Agent darauf bestand, und nicht, weil er auf der Suche nach einer schnellen Nummer war. Mit Mädchen in Estelles Alter hatte er zum letzten Mal gevögelt, als er im gleichen Alter gewesen war. Taylor fand Frauen attraktiv, mit denen er sich auch unterhalten konnte.

Estelle kicherte. Offenbar fand sie ihn lustig.

Taylor hätte beinahe eine Grimasse geschnitten, denn nur leicht zu beeindruckende Teenager konnten über diesen abgedroschenen Spruch kichern.

„Ich bin auch Sängerin“, gestand sie ihm.

„Faszinierend.“

Für seinen Sarkasmus unempfänglich bekannte sie: „Ich bin erst seit ein paar Tagen in der Stadt und habe jetzt schon eine Einladung zu dieser Party bekommen. Jetzt hoffe ich, dass Lady Gaga hier auftaucht. Vielleicht bekomme ich sogar ein Autogramm.“

Die einzige Frau, die hier auftauchen und Lady Gaga ähnlich sehen würde, wäre ein vom Veranstalter gebuchter Transvestit. „Mhm.“

„Bist du mal bei American Idol aufgetreten?“ Estelle runzelte die Stirn und klebte dabei an seinen Lippen. „Ich wüsste zu gern, wo ich dich schon einmal gesehen habe.“

Seufzend nahm er einen Schluck von seinem Drink und räusperte sich anschließend. „Ich war früher Mitglied von SpringBreak.“

„SpringBreak?“

„Die Band SpringBreak.“

Estelle starrte ihn weiterhin unwissend an.

It has to be you, Shame, Downstairs“, zählte er ein paar ihrer damaligen Songs auf, die alle auf Platz eins der nationalen Charts gekommen waren. Ihr Lied It has to be you war sogar in einigen Ländern Europas auf Platz eins gelandet und hatte sich in den USA mehrere Wochen an der Spitze gehalten.

„Ach so!“ Bei dem Mädchen fiel anscheinend der Groschen, denn sie fasste sich an die Stirn. „Jetzt weiß ich, wen du meinst.“

Taylor nickte, nahm den letzten Schluck aus seinem Drink und stellte das Glas anschließend auf einem der Tische ab, da er bislang keinen Kellner entdeckt hatte, der leere Gläser einsammelte.

„Meine Mom war ein großer Fan und hat eure Musik immer gehört, wenn sie mich zur Schule gefahren hat“, plauderte Estelle vergnügt. „Die wird Augen machen, wenn sie hört, dass ich jemanden getroffen habe, der früher mal berühmt war. Und ich Idiotin dachte, du wärst dieser Typ von American Idol gewesen! Aber der muss natürlich viel jünger sein als du.“

Es kostete ihn einige Mühe, dass ihm seine Gesichtszüge nicht entglitten.

Plötzlich fühlte sich Taylor uralt und hatte das Bedürfnis nach etwas Stärkerem als dem Gin Tonic, den er gerade getrunken hatte.

Die wird Augen machen, wenn sie hört, dass ich jemanden getroffen habe, der früher mal berühmt war.

Dieser Satz beschrieb seine Situation ziemlich gut und traf Taylors bereits angeknackstes Ego.

Er hätte sich niemals als einen Aufschneider bezeichnet, der sich durch den Grad seiner Bekanntheit definierte und durch seinen früheren Ruhm abgehoben war. Auch heulte er seinen damaligen Erfolgen nicht hinterher – jedenfalls tat er es nicht immer. Dennoch hatte Taylor daran zu knabbern, aufs Abstellgleis geschoben worden zu sein und sich wie ein Verrückter abzustrampeln, um eine zweite Chance zu bekommen und zu beweisen, wie gut er war.

Denn er war gut. Verdammt gut.

Und wenn er sah, dass talentlose Idioten wie Brad Paxton Erfolg hatten, dann ärgerte er sich, weil er wusste, dass der ihm musikalisch betrachtet nicht das Wasser reichen konnte.

Die Vorstellung, dass Taylor vielleicht nie wieder die Möglichkeit hatte, der Musikwelt zu beweisen, was in ihm steckte, und dass er der Nachwelt als der Typ von SpringBreak in Erinnerung blieb, der an dem Versuch gescheitert war, sich als Solokünstler zu etablieren, machte ihn fast wahnsinnig. Mit seiner Musikerkarriere konnte er nicht einfach abschließen. Irgendwie hatte er das Gefühl, es sich selbst schuldig zu sein, alles dafür zu geben, um wieder Erfolg zu haben.

Seine früheren Bandkollegen handhabten ihre Karrieren etwas anders, nachdem sie sich vor dreizehn Jahren getrennt hatten.

Cole war nach einem kurzen Abstecher in den Reality-Show-Wahnsinn zum Modeln gekommen und arbeitete nach ein paar Gastauftritten in diversen Telenovelas als DJ.

Jesse hatte sein komplettes Geld in das Bauunternehmen seines Bruders gesteckt, das vor ein paar Jahren pleitegegangen war, und verdiente seine Brötchen zurzeit als Radiomoderator.

Dean war nach dem Aus der Band abgestürzt und hatte drei Entzüge hinter sich gebracht, bevor er der Glitzerwelt den Rücken zugekehrt hatte und mittlerweile in Oregon als Handwerker arbeitete, wo Taylor ihn ab und zu sah, wenn er seinen Dad und seine Stiefmutter besuchte, die ganz in der Nähe von Dean wohnten.

Was Zac machte, wusste Taylor überhaupt nicht. Zu ihm war der Kontakt gänzlich abgerissen, als er die Band verlassen hatte. Das Letzte, was Taylor gehört hatte, war, dass der damals Zwanzigjährige aufs College gegangen war.

Leider war das Ende von SpringBreak alles andere als glamourös oder anständig gewesen. Was damals mit Zac geschehen war und welchen Anteil sie alle daran besessen hatten, brannte Taylor noch heute auf der Seele.

„O mein Gott! Der Kerl da vorne sieht aus wie Mario von den DeeDee-Brothers“, unterbrach Estelle seine Gedanken, indem sie sich auf die Zehenspitzen stellte und zum Eingang des Restaurants spähte. Taylor konnte nur hoffen, dass es besagter Mario war, auch wenn er von ihm noch nie etwas gehört hatte. Ihm war alles recht, solange es Estelle dazu brachte, das Weite zu suchen.

„Entschuldigst du mich? Von ihm brauche ich unbedingt ein Autogramm!“

„Viel Glück“, verabschiedete er sich von dem Mädchen, das auf seinen hohen Absätzen rasch davoneilte. Mario von den DeeDee-Brothers tat ihm jetzt schon leid.

„Du scheinst dich genauso sehr zu amüsieren wie ich.“

„Und wie“, erwiderte er inbrünstig und drehte sich zu der Stimme um, die hinter ihm erklang. „Wer hat dich dazu genötigt, heute Abend herzukommen?“, wollte er von Raphael Medina wissen, den er seit einem gemeinsamen Job vor einigen Jahren kannte.

Damals hatte Taylor den Titelsong für eine Fernsehsendung geschrieben und Raphael hatte ihn gesungen. Für beide war nicht viel Geld herausgesprungen und die Fernsehsendung war gleich nach den ersten vier Folgen abgesetzt worden, aber seither waren sie miteinander befreundet.

So gut man in Los Angeles miteinander befreundet sein konnte – in der Stadt, in der die meisten Leute die eigene Großmutter für ein Engagement verkauft hätten.

„Ich bin freiwillig hier, denn ich hörte, die Drinks wären gut und die Frauen bildschön“, bekannte der gut aussehende Südamerikaner, der vor zehn Jahren mit einer nicht gänzlich unbekannten Latina-Popsängerin, die für ihre heißen Rhythmen und ihren prallen Hintern bekannt war, eine kurze Beziehung geführt und dank ihr Fuß im Musikgeschäft gefasst hatte. Wie bei vielen hatte er anfangs Erfolge gefeiert, bis er aus dem Dunstkreis seiner Exfreundin verschwunden und nicht mehr interessant genug gewesen war. Seither hangelte er sich von einem Job zum anderen – immer auf der Suche nach einer Chance, um groß herauszukommen.

„Die Drinks sind verwässert und die Frauen sind Mädchen, mit denen man sich nicht unterhalten kann.“

„Wer spricht denn davon, dass ich mich mit ihnen unterhalten will?“

Taylor schnaubte, denn seiner Meinung nach sollte Raphael Abstand zu Mädchen wie Estelle nehmen, die alterstechnisch seine Töchter hätten sein können. Der Sänger gab sich zwar als Mittdreißiger aus, hatte die Vierzigermarke jedoch schon vor einigen Jahren überschritten. Verfallsdaten gab es in der Branche nicht nur bei Frauen.

„Wer schmeißt eigentlich diese Party?“

ThalulaProductions“, erwiderte Taylor schlicht und beobachtete währenddessen, wie sich die meisten Gäste auf das spärliche Buffet stürzten, das soeben aufgebaut wurde.

„Der Name sagt mir nichts.“

„Da bist du nicht der Einzige“, entgegnete er trocken und drehte sich wieder zu Raphael um, der in seinem weißen Sakko und mit dem auffällig schwarzen Haar ein bisschen wie der Schneider von Panama aussah. „Angeblich sollen sie ein brandheißes, neues Talent am Start haben, das bei ihnen unterschrieben hat.“

„Ist an dem Gerücht was dran?“

Taylor verdrehte die Augen. „Was denkst denn du?“

Raphael grinste und schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Und wie sieht es bei dir aus? Ich dachte, du hättest einen Vertrag bei deinem alten Label in Aussicht?“

Es war ihm ein bisschen peinlich, vor seinem Kumpel zuzugeben, dass nicht einmal sein altes Label, das mit ihm einen Haufen Geld verdient hatte, bereit war, das Risiko einzugehen, ihn unter Vertrag zu nehmen. Mit fünfunddreißig war er zu alt, um von Teenagern umschwärmt zu werden, sein Name war kein Selbstläufer mehr und seine Altersgenossen waren kritisch, wenn es um neue Sänger ging, die plötzlich auf der Bildfläche erschienen. Heute brauchte man schon einen richtig guten Aufmacher, um zu einer Chance in der Musikbranche zu kommen. Sobald man im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand und für Furore sorgte, war der Plattenvertrag lediglich eine Formalität.

„Die wollten lieber einen jüngeren Sänger“, antwortete er leichthin, auch wenn die Lässigkeit seiner Stimme ihm einiges abverlangte. „Momentan arbeite ich an ein paar Songs. Vielleicht überzeugen die ja irgendeinen Produzenten. Mal abwarten.“

Raphael zuckte mit den Schultern. „Mein Agent verhandelt gerade mit einem Streaminganbieter über eine Sprechrolle in einer Comicverfilmung. Wenn du willst, kann ich auch deinen Namen fallen lassen.“

Taylor lächelte schwach. „Ich glaube, ich bleibe lieber bei meinen Songs.“

„Falls du deine Meinung änderst, gib mir Bescheid.“ Raphael hob den Kopf. „Da vorne habe ich meinen Agenten entdeckt. Kann ich dich allein lassen?“

„Sicher.“

„Gut, wir sehen uns später.“ Er klopfte ihm gegen die Schulter und machte sich anschließend vom Acker, was Taylor nur recht war.

Sobald er allein war, machte er sich daran, selbst eine Runde zu drehen und seine Schuldigkeit zu leisten, indem er mit ein paar Leuten ins Gespräch kam und sogar mit dem Verantwortlichen der Party ein paar Worte wechselte. Er glaubte nicht, dass sich seine Anwesenheit am heutigen Abend irgendwann auszahlen würde, aber wenigstens konnte er sich nun nicht nachsagen lassen, dass er es nicht wenigstens versucht hatte. Sein Agent würde zufrieden sein.

Ungefähr zwei Stunden später verließ er die Party wieder und lief zu Fuß über den Sunset Boulevard, weil er auf die Schnelle kein Taxi bekommen hatte und die Uber in der Grammy-Nacht beinahe zusammenbrachen. Um ein wenig frische Luft zu bekommen, war ein nächtlicher Spaziergang nicht das Schlechteste.

Während er am Roxy Theatre, am berühmten Club Whisky a Go Go und am wunderbar heruntergekommenen Viper Room vorbeilief und die harten Bässe hörte, die aus dem letzten Club drangen, vermisste er die Zeiten, in denen er zusammen mit seinen Bandkollegen Clubs in Großstädten der ganzen Welt unsicher gemacht hatte. Nach ihren Konzerten waren sie in Clubs gefahren, um dort ausgelassen zu feiern, bevor sie nach der Sperrstunde ins Hotel gefahren waren und dort weitergemacht hatten. Sie hatten so verdammt viel Spaß gehabt.

Sie alle fünf.

Diese Zeiten vermisste er.

Komischerweise hatte er lange Jahre nicht an seine Zeit mit SpringBreak gedacht, sondern sich auf seine Solokarriere konzentriert. Dabei war ihm nie in den Sinn gekommen, dass er als Teil einer fünfköpfigen Band sehr viel glücklicher gewesen war als zu der Zeit, in der er als Solokünstler aufgetreten war.

Damals hatte er SpringBreak als Sprungbrett betrachtet, das er ausnutzen wollte, um irgendwann Solokünstler zu werden. Das hatte auch funktioniert, doch im Nachhinein hatte es viel mehr Spaß gemacht, mit vier anderen Menschen als Band – als Einheit – aufzutreten und mit ihnen Musik zu machen. Vielleicht vermisste er auch einfach nur die Leichtigkeit, die man mit Anfang zwanzig besaß, weil das Leben als Erwachsener manchmal verdammt schwer sein konnte.

Bevor er noch in Depressionen verfiel, schnappte er sich eines der Taxis, die vor einem Restaurant auf Fahrgäste warteten, und fuhr nach Hause nach Glendale. Während der knapp zwanzigminütigen Fahrt checkte er seine Mails, ärgerte sich über die Nachricht, dass ein wichtiger Termin mit einem Musikproduzenten abgesagt worden war, las die Anfrage eines Tonstudios, das ihn als Demosänger engagieren wollte, und hoffte, dass der Anruf seines Anlageberaters nichts Schlechtes bedeutete.

Als er sein Handy in seiner Hosentasche verstaute und sich anschließend in den Sitz zurücklehnte, befahl er sich, nicht eingeschnappt zu sein, dass man ihn als Demosänger haben wollte.

Dennoch nagte die Anfrage an seinem Ego. Demosänger wurden für Probeaufnahmen engagiert, um einen ersten Eindruck der Songs zu vermitteln, bevor die richtigen Sänger die Stücke einsangen. Für jemanden, der früher mit seiner Band mehrmals für den Grammy nominiert gewesen war, dreimal den Billboard Music Award und zweimal den MTV Music Award gewonnen hatte sowie daheim mehrere Platinplatten hängen hatte, war der Status eines Demosängers ein kolossaler Abstieg.

Noch vor ein paar Jahren hätte er gelacht oder zumindest geschmunzelt, wenn man ihm gesagt hätte, dass er als Demosänger arbeiten sollte.

„Sind Sie sicher, dass ich Sie nicht bei irgendeinem Club herauslassen soll? Es ist nicht einmal zwölf, und Sie sind zu sehr herausgeputzt, um allein nach Hause zu gehen.“

Taylor schaute auf und begegnete dem Blick des Taxifahrers durch den Rückspiegel hindurch. Er lächelte schwach. „Nach Hause klingt fabelhaft.“

„Langer Tag?“

„So könnte man es nennen.“

„Streit mit der Freundin?“

Seine Mundwinkel zuckten. „Es gibt keine Freundin.“

Der Taxifahrer, der dank des akkurat geschnittenen Bartes und der winzigen Brille dezente Ähnlichkeit mit Ringo Starr besaß, zog seine Augenbrauen in die Höhe. „Dann sollten Sie vielleicht wirklich ausgehen und sich auf die Suche nach einer machen.“

Eine Freundin würde sicherlich dazu beitragen, dass er noch mehr Probleme hatte, als er ohnehin schon besaß. Aus seiner Erfahrung mit Frauen wusste er, dass das weibliche Geschlecht nicht damit zurechtkam, wenn der Mann bereits eine große Liebe besaß, für die er alles tun würde.

Und bei Taylor war es die Musik.

Frauen spielten nicht gerne die zweite Geige, wenn der Partner Musiker war und seine volle Aufmerksamkeit seinem Job widmete.

„Lieber nicht“, wägte er ab, woraufhin der Taxifahrer mit den Schultern zuckte und das Radio lauter stellte.

„Für viel Gelächter, etwas Spott und auch einige Kritiken sorgte der Moderator der diesjährigen Grammy-Verleihung. Der britische Comedian Bill Carey überraschte das Publikum bei seiner Eröffnungsrede, indem er verkleidet als Liza Minnelli auftrat und eine Darbietung von Cabaret bot. Nur kurze Zeit später parodierte er den Skandal des letzten Jahres, als er mit blonder Perücke die Bühne betrat und die Rede der mehrmaligen Grammy-Gewinnerin Ivy persiflierte. Ivy, die nach ihrem grotesken Auftritt im letzten Jahr für einige Skandale sorgte, war in diesem Jahr nicht ...“

„Könnten Sie das Radio bitte ausschalten?“, bat Taylor den Taxifahrer und merkte, wie sich seine Kopfhaut unangenehm zusammenzog – auch dann noch, als der Fahrer das Radio längst ausgeschaltet hatte.

Nach seinen heutigen Gedanken über SpringBreak und über den Verlauf seiner Karriere wollte er nicht auch noch über Ivy nachdenken müssen.

Ivy.

Noch mehr Nostalgie, die unangenehme Gefühle in ihm auslöste, konnte er an diesem Abend wirklich nicht vertragen.

Rockstar Love - Ein Song für Alexis

Подняться наверх