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1.4Theorien als Linsen

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In ihrer Untersuchung zur Lernforschung im 20. Jahrhundert führen Murphy und Knight (2016) 17 explizite Definitionen von Lernen (S. 407–410) und zahlreiche Operationalisierungen von Lernen im Kontext von Forschungsarbeiten auf und stellen dabei fest: «Perhaps the most telling trend evident in the coded studies was that learning must be observable and enduring» (S. 425). Ferner bemerken sie (S. 428 f.), dass die spezifische Konzeptualisierung von Lernen einen wesentlichen Einfluss auf Aussagen zu Lernergebnissen, Einflüssen aufs Lernen, Forschungsdesigns und so weiter hat. Die Theorie dient dem Forscher wie das Objektiv einem Fotografen. Es gibt keine Linse, die sich für alle Situationen eignet. Die Wahl der Linse bestimmt zum Beispiel die Tiefenschärfe und den Winkel des Bildausschnitts und der Fotograf kann mit zusätzlichen Filtern arbeiten. In ähnlicher Weise dienen Theorien dem Forscher dazu, die Aspekte einer spezifischen Studie einzuschränken. Wer für seine Forschung zum Beispiel eine behavioristische Linse wählt, wird den kognitiven Prozess des Lernens nicht untersuchen.

Um die spezifischen philosophischen, psychologischen und lerntheoretischen Perspektiven einzuordnen, entwarfen Murphy, Alexander und Muis (2012) ein zweidimensionales Raster, das sie «erkenntnisbezogene Koordinaten» nannten, und in dem sie den lerntheoretischen Fokus von konkreten Forschungsprojekten zum Lernen situieren konnten. Die beiden Achsen beziehen sich auf zwei zentrale Fragen: Die horizontale Achse betrifft die Frage nach dem Ursprung des Wissens. Dieser liegt zwischen den Extremen «individuell erworben» und «sozial konstruiert». Die vertikale Achse bezieht sich auf die Frage nach dem Ort des Wissen. Dessen Werte liegen zwischen den Extremen «im Verstand des Individuums» und «in der Umwelt».


Abbildung 1: Erkenntnistheoretische Perspektiven von Lerntheorien (nach Murphy & Knight 2016, S. 429)

Die Quadranten im Koordinatensystem bezeichnen vier lerntheoretische Perspektiven als Basis von Forschungsprojekten im Bereich des Lernens und des Wissens (siehe Abbildung 1): Kognition, Kultur, Verhalten und Kontext.

Für Murphy und Knight (2016, S. 430 ff.) lassen sich auf der Basis dieses Rasters grundsätzlich drei lerntheoretische Linsen bestimmen (siehe Abbildung 2): die behavioristische/biologische, die kognitive und die kulturelle/kontextuelle.


Abbildung 2: Linsen und deren erkenntnistheoretische Perspektiven von Lernen (nach Murphy & Knight 2016, S. 432)

In den folgenden zwei Kapiteln stellen wir bedeutende Lerntheorien vor, ohne uns strikt an die Kategorisierung von Murphy und Knight zu halten. Entscheidend ist für uns die Idee, dass Theorien als Linsen dienen und gar nicht den Anspruch stellen (sollten), Lernen umfassend zu erklären. Damit umgehen wir das Problem, Theorien gegeneinander abzuwägen und entscheiden zu müssen, welche nun für die unterrichtliche Praxis besser sei. Vielmehr können wir jeder Theorie das entnehmen, was wir für das Lehren und Lernen im Unterricht als wichtig erachten.

Da für das Lernen die Motivation ganz bedeutend ist, haben wir ihr ein eigenes Kapitel gewidmet. In dessen Zentrum stehen die Selbstbestimmungstheorie mit den Aspekten der intrinsischen und extrinsischen Motivation, die Bedeutung der Lernbiografie zum Beispiel in Bezug auf die Erfolgs- und Misserfolgszuschreibung und die Zielsetzung als wichtiges Element der Motivation.

Im nächsten Kapitel wird als Erstes die Bedeutung von Wissen fürs Lernen erläutert, bevor die klassischen vier Wissensarten vorgestellt werden. Ausführungen zum Wissen über Aufgabentypen und Lernformen schliessen dieses Kapitel ab.

Das Kapitel zum selbstregulierten Lernen schliesst diese Hausapotheke ab. Vor dem Hintergrund des Dreischichtenmodells von Monique Boekaerts (1999) wird erläutert, wie selbstreguliertes Lernen im Unterricht gefördert werden kann.

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