Читать книгу Liebesglück - Prof. Dr. Martina Leibovici-Mühlberger - Страница 7

I

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In der Nacht hatte es geschneit. Als Katharina den Vorhang ihres Schlafzimmers am frühen Morgen zur Seite schob, lag eine weiße, mehrere Finger hohe Decke über allem. Es war noch dämmrig und würde es, wie der Blick auf den schiefergrauen Himmel nahelegte, mit Ausnahme einer kleinen Zeitsichel während der Mittagsstunden wohl auch den ganzen Tag bleiben. Der Schneemantel verlieh den Konturen der verschachtelten Hinterhöfe dieser Jahrhundertwendehäuser mit ihren streitsüchtig angeflanschten modernen Balkonen, die von schlauen Immobilienmaklern als Grünoasen bezeichnet wurden, und dem runden Dutzend Schornsteinen eine ungewohnte Weichheit.

Am meisten schien es Katharina jedoch so, als würde der Schnee eine Stille und unerwartete Langsamkeit zulassen. Diesmal müsste das Aufwachen nicht mit der gewohnten Hast und der wie ein Fiedelbogen gespannten Ausrichtung auf den kommenden Tag erfolgen, sondern durfte als ein Prozess der langsamen Lösung aus der nächtlichen Verinnerlichung der Seele ablaufen. Vielleicht war es deswegen, dass sie plötzlich wieder an Stefan dachte. Das erste Mal seit vielen Wochen, wie ihr auffiel.

Sie erinnerte sich an Zeiten, in denen der Gedanke an ihn ihr ständiger Begleiter, ja eine schmerzvolle Besessenheit gewesen war. Und dann, als sie der Notwendigkeit ihrer Entscheidung, sich zurückzuziehen, nicht mehr hatte ausweichen können, waren Zeiten aushöhlender Trauer und Sinnlosigkeit zu durchleiden gewesen.

Befriedigt stellte sie fest, dass der Gedanke an Stefan jetzt nahezu gefühlsbefreit in einem akademischen Kokon und damit in seinem analytischen Sarkophag ruhte. Es fühlte sich heute fast genauso an wie irgendeine andere Erinnerung eines bewältigten und integrierten Erlebnisses ihres Lebens, vor allem ohne jeden Stachel eines Schmerzes.

Die Bitterkeit, die sie empfunden hatte, nachdem ihr klar geworden war, dass die trostlose Unhöflichkeit und demonstrative Oberflächlichkeit Ausdruck seiner Angst vor der Selbstherausforderung waren, die jeder echten Begegnung innewohnt, hatte sich längst in sentimentale Akzeptanz verwandelt. Sie hatte seinem Sich-selbst-Beschämen, dem Verlust an Eleganz seiner sinnlichen Männlichkeit und jener ohnmächtigen Transformation seines Umgangs mit ihr in Rüpelhaftigkeit ein klares Ende gesetzt. Dass Stefan all dies nicht verstanden hatte und widerstandslos im Kosmos des Vergangenen verschwunden war, hatte ihr die Richtigkeit ihres Handelns noch mehr bestätigt.

Sie war also wirklich im tieferen Sinn des Satzes mit ihm fertig. Das plötzliche Aufblitzen der Erinnerung an ihn war allein dieser Schneeruhe zu verdanken, die das frei schwebende Bewusstsein wie einen Scheinwerfer über die inneren Weiten der Seelenlandschaft hatte gleiten lassen und diesen alten Geröllbrocken kurz angeleuchtet hatte.

Katharina duschte und kleidete sich in eine jener eleganten, austauschbaren Panzerungen, die ihren Kleiderschrank bevölkerten – bereitwillig überstreifbare Identitäten, die dem Zweck dienten, ihre Professionalität zu unterstreichen. Daraufhin trug sie Gesichtscreme auf und schlüpfte mit dem raschen Minimalismus einer geübten Hand in ihr geschminktes Tagesgesicht. Alles folgte einem über Jahre trainierten Ritual: ein Ballett aus Gewohnheiten und Abläufen, ein äußeres Korsett und jene Oberfläche, die gemeinsam mit einem ermunternden Gesichtsausdruck ihrem jeweiligen Gegenüber jene Projektionsfläche erwartbarer Erwartungen eines Ankommen-Könnens bot, derentwegen sie sie aufsuchten.

Für sie selbst fühlte es sich viel mehr wie eine Schutzschicht an, ein Schild, der ihren weichen inneren Kern abschirmen sollte. Anschließend drückte sie sich ihren Morgenespresso aus der flinken Kaffeemaschine und aß ihr übliches Frühstück: eine Scheibe Schwarzbrot, zur Hälfte mit Käse, zur anderen mit Honig, auch dies eine jahrelang geübte Gewohnheit lächerlich wärmender Gleichförmigkeit.

Der Praxistag war wie immer, anfordernd, aufregend, ein zähes Ringen mit den vielgestaltigen Dämonen, die die Weltbilder ihrer Klienten bevölkerten. Ihr schien es, als würde sich in all den unterschiedlichen Geschichten immer wieder dieselbe Melodie in endloser Schleife neu inszenieren, die eines aufreibenden Kampfes um die Zuversicht, dass die Welt ein guter Platz wäre, mit anderen Worten: der Glaube an die Liebe.

Für den Abend hatte sie ein Treffen mit ihrem Verleger geplant. Sie waren miteinander in einem jener verstaubten Cafés an der Grenze zur Innenstadt verabredet, in die neuerdings bedauerlicherweise dank Internetlotsung nun auch Touristen vordrangen.

Für den kurzen Weg von der Praxis nahm sie ein Taxi. Es war wärmer geworden. Der Himmel mochte zwar noch Flocken schenken, doch auf der Windschutzscheibe schlugen sie als wässrige, zerrinnende Kleckse auf, die die Scheibenwischer monoton ins Abseits beförderten.

Der Fahrer schien ihr sehr groß und ernst, sein dichter Bart unterstrich dies noch. Er war in seinen späten Vierzigern, schätzte Katharina. Der dicke blaue Strich auf dem Navi führte das Kommando. Es war wenig Verkehr. Katharina kannte den Weg. „Fahren Sie diese Straße einfach weiter geradeaus“, versuchte sie den Fahrer entgegen der umständlichen Wegweisung auf dem Navi zu überzeugen. Doch der Angesprochene folgte unbeeindruckt der Linienführung des Geräts. „Sattelite kennt besten Weg.“

Seine Aussprache trug den fremdländischen Akzent der Bemühung eines Menschen, der in einer anderen Heimat aufgewachsen sein musste. „Vielleicht Stau“, setzte er nach.

Die Straße war nahezu leer gewesen. Katharina resignierte. Menschliche Erfahrung und Einschätzung schienen im Vergleich zum Wahrheitsanspruch von Hochtechnologie bedeutungslos geworden zu sein.

Im Radio wurde in den Nachrichten von einem Mord berichtet. Ein achtzehnjähriger Tschetschene hatte seine sechzehnjährige österreichische Freundin nach einem Streit erstochen. Er hatte den Kleiderkasten vor die Zimmertüre geschoben und war durch das ebenerdige Fenster entkommen. Die Mutter hatte einen Nervenzusammenbruch erlitten. Ein weiterer furchtbarer Tropfen in einem zunehmend aufgewühlten Meer pluralistischer, widersprüchlicher Wertvorstellungen. Ausschlachtbares Futter für nationalistische Demagogen, wo doch das Problem viel tiefer lag, die Versäumnisse einer besonnenen Gesellschaftspolitik verantwortlich zeichneten. Die Spaltung der Gesellschaft würde sich immer weiter fortsetzen. Die Aufklärung ist längst vorbei, dachte Katharina.

Der Fahrer begann ein Gespräch mit ihr. Es riss sie aus ihren trüben Gedanken und war ihr willkommen. Er hatte sechs Kinder. Die älteste Tochter würde heuer maturieren und gerne Medizin studieren. Er spulte die Altersangaben seiner weiteren Kinder wie bei einem amtlichen Fragebogen herunter. Das jüngste war zwei Monate.

Seine Frau sei eine gute Ehefrau, wie er anmerkte. Er liebe sie, wobei Katharina nicht klar war, was genau er damit meinte. Er sei zehn Jahre älter als sie, achtundvierzig, wie er hinzufügte. Er stamme aus Russland, eigentlich Tschetschenien, aber der alles zerstörende Krieg vor fünfzehn Jahren habe ihn hierher verschlagen. Er vermisse seine Heimat sehr, die Atmosphäre eben, aber hier habe er ein besseres Leben, für das er sich sehr anstrengen müsse. Katharina gratulierte ihm zu seinen Kindern und seiner guten Frau. Es war das Einzige, das ihr passend erschien.

Das Taxi erreichte endlich das angegebene Café. Sie zahlte und stieg aus. Bevor sie die Wagentüre zuschlug, hatte sie noch den Impuls, ihm zu sagen, dass auch sie Ärztin sei und dass dies sicher auch ein guter Beruf für seine Tochter sein könnte.

Ihr Verleger wartete bereits im Lokal. Er saß in einer der rot gepolsterten Nischen vor einer dampfenden Tasse Kräutertee. Bei jedem Treffen wirkte er noch kachektischer und asketischer und zugleich brennender auf sie. Er hatte sicher wieder abgenommen, so als würde eine unbekannte Macht ihn zunehmend in die Länge ziehen, ausdünnen. Die vollkommene Haarlosigkeit seines knochigen Schädels und sein intensiv sie musternder Blick unterstrichen dies.

Er war ein extremer Typ, ernährte sich seit Jahren nur von irgendeiner tropischen Frucht, fuhr meistens Fahrrad. Er hatte so eine soziale Ader, gab nicht integrierbaren, verhaltensauffälligen Jugendlichen oft Jobs in seinem Verlag, bis sie ihn in den Wahnsinn trieben, und manche von ihnen strandeten sogar vorübergehend als Mitbewohner bei ihm.

Katharina hatte ihn im Verdacht, dass er entweder mit ganz jungen oder aber bereits ziemlich alten Frauen schlafen müsste. Für Ersteres hatte sie Zuträger, Letzteres war nur Vermutung.

In seiner Jugend war er längere Zeit am Gesetzesrand angesiedelt gewesen, irgendwann zum Andenkenverkäufer avanciert. Heute ging er auf den ersten Blick als alternder Bio-Freak durch, aber man hätte ihn auch für einen psychopathischen Serienmörder, der seinen Zenit noch nicht erreicht hatte, halten können. Als Verleger besaß er ein ausgezeichnetes Gespür für die verdeckten Leidenschaften und Ängste seiner Leserschaft.

Katharina schätzte die Gesellschaft ihres Verlegers, dessen Fähigkeit zu intellektueller Auseinandersetzung und sein über alle Grenzen hinwegtänzelndes Hinausdenken, das erlebte existenzielle Herausforderung als Grundlage voraussetzt. Seine Art strahlte eine unterkühlte Erotik für sie aus. Das mochte sie. Es beflügelte sie im Denken und Entwickeln neuer Ideen.

Sie plauderten über mögliche neue Buchprojekte. Sie hatte vor ein paar Jahren angefangen zu schreiben. Ihre Bücher lagen alle in ihrem Fachgebiet. Da es sich dabei um die Seele handelte, war sie ziemlich frei in der Themenwahl.

Eigentlich ging es ihr in allem, was sie schrieb, neben dem Thema in erster Linie um die Sprache. Sprache übte eine unbeherrschbar hypnotische Faszination auf Katharina aus, genauso wie jeder Mann nahezu unmittelbar sinnliche Erregung in ihr auslöste, der imstande war, Worte durch präzise Wahl zu Erkenntnis erzwingenden atmosphärischen Beschreibungen zu verschweißen. Nur hohe Empfindungsstärke verlieh diese Fähigkeit.

Da war er wieder, der Gedanke an Stefan. Ganz unerwartet sprang er sie kurz wie ein übermütiges Geißlein an und war dennoch ein im Hinterhalt ihrer Seele lauernder Räuber ihrer Ruhe. Dieses Spiel mit der Sprache als erotisches Menuett zwischen ihnen hatte bewirkt, dass sie sich ihm stark verbunden gefühlt hatte. Es war sogar viel mehr gewesen. Sie hatte sich seiner Sprachgewalt und dem damit verbundenen Gleichschwingen im Erleben ausgeliefert.

Noch nie zuvor hatte sie ein Mann gleichzeitig so direkt in ihrem innersten Zentrum ansprechen können wie er. Sein Geruch war ihr von Anbeginn vertraut, sein Geschmack Heimat und seine Berührung ließ jede Spannung in ihr schmelzen. Manchmal tauschten sie Blicke aus oder scheinbar harmlose Sätze, die dennoch einen unsichtbaren erotischen Code trugen, und sie fühlte ganz unvermutet die Nässe zwischen ihren Beinen.

Doch sie hatte es beendet, denn es war eine Scharade, ein Manöver gewesen. Er hatte seine Tiefe bekannt, sie damit gelockt, ohne den rückhaltlosen Weg wirklicher Begegnung gehen zu können. Und als sie ihm zu nahegekommen war und ihn herausgefordert hatte, nahm er Zuflucht in verstörende Brutalität und Verhöhnung. Vögeln, kunstfertig und gleichzeitig mit herabgezogenem Visier, die verschlungenen Arabesken von genießender Lust ohne Begegnung und im Nachgang die Kälte eines Geschäftsfalls hielt er im Angebot, gemeinsam mit jener schmählichen Abwertung einer machtvollen Bestimmung des von ihm gewählten Zeitpunkts, an dem sie „dran wäre, es ihr zu besorgen“, denn er allein wollte über ihre Lust bestimmen.

Sie hatte die Angst in seinen Augen gesehen und seine Schwäche. Ihre eigene Überschätzung seiner Stärke hatte sie noch weitaus mehr, ja in einer grundsätzlichen Weise beschämt als die rüde Behandlung.

Sie war ihm treu gewesen, doch nicht aus Gebot, sondern allein aus ihrem eigenen Wollen, ihn so am besten spüren zu können. Schließlich musste sie ihn als einen von seiner Angst vor der Weiblichkeit Besessenen erkennen, der versuchte, diese Angst mit der Eroberung weiblicher Geschlechtsteile in Schach zu halten. Die Hingabe der Frau führte also nicht zu gleichwertiger Begegnung, sondern bedeutete seinen Triumph und ihre Entwertung. Die Erkenntnis war bitter gewesen.

Der Verleger hatte seinen inzwischen abgekühlten Kräutertee ausgetrunken, Katharina ihren Cappuccino. Sie verabredeten sich für ein weiteres Treffen in einigen Wochen, um die möglichen Projekte konkreter zu besprechen. Die Verabschiedung erschien Katharina unerwartet herzlich. Sie schaute ihm nach, wie er mit seinem Fahrrad entschlossen durch den Schneematsch davonpflügte.

Spontan entschloss sie sich, zu Fuß nach Hause zu gehen. Sie brauchte die Bewegung. Die würde ihr guttun, ihr helfen, diese seltsame Unruhe abzugehen, die am Rande ihrer Seelenlandschaft wie eine Partisanenattacke an einem Grenzposten ganz plötzlich aufgeflackert war. Eindeutig stand sie mit dem unvermuteten Auftauchen von Stefan in ihren Gedanken in Zusammenhang.

Sie war doch fertig mit ihm, fragte sie sich kritisch, während sie ihren Seelenspiegel unbarmherzig nach Sehnsucht, Bitterkeit oder verkrustetem Schmerz abtastete. Nein, kein Faden eines ziehenden Schmerzes, keine gallige Bitterkeit in der Kehle, stellte sie befriedigt fest, aber Sehnsucht in der Brust und in ihren Armen, die umfangen, ihren Kopf an eine Brust legen und in kurzer Stille ankommen wollten. Aber das alles galt nicht mehr ihm. Es war ein namen- und gesichtsloses Gegenüber, dem ihr Sehnen galt.

Der Schneeregen hatte aufgehört. Katharina blickte nach oben in das nachtschwarze Himmelsstück, das sich zwischen den Häuserfronten der Straße auftat. Ein paar sehr weiße Sterne fielen ihr heute auf. Es war in der Zwischenzeit nun wieder kalt geworden, ganz der winterlichen Jahreszeit entsprechend.

Katharina zog ihren Mantel dichter um sich, schlug den Pelzkragen gegen den Wind hoch und schritt entschlossen aus. Die Pfützen begannen zu frieren. Das Licht der Straßenlampen zauberte auf den zarten Eiskristallgebilden an den Rändern glitzernde Reflexionen. Sie fühlte, wie der Boden unter ihr stellenweise rutschig wurde. Ob ihr Verleger wohl sturzfrei angekommen war? Sie musste bei dem Bild seiner spinnenartig an sein dürres Fahrrad geklammerten, dahinschlingernden Gestalt unvermutet lächeln.

Erste pflichtbewusste Hausmeister, zumeist in Jogginganzügen und einer mürrisch übergeworfenen Parka, kreuzten ihren Weg, um Sand auf den ihnen zugeteilten Gehsteigabschnitten zu streuen. Ein Räumfahrzeug fuhr mit Getöse durch die Straße. Das orange Drehlicht tanzte wie ein Irrlicht an ihr vorbei.

Durchfroren erreichte Katharina etwas später ihre Innenstadtwohnung. Als sie kurz danach unter der dampfenden Dusche stand und den wärmenden Wasserstrahl mit neuer dankbarer Bewusstheit genoss, wurde ihr wieder einmal bewusst, wie sehr die menschliche Wahrnehmung auf der Diskrimination von Unterschieden aufgebaut und wie sehr Menschen in ihrer Bewertung damit manipulierbar waren. Der Tag fühlte sich nach dem Bad rund und abgeschlossen an. So beschloss sie, früh zu Bett zu gehen.

Er musste angerufen haben, als sie bereits eingeschlafen gewesen war. Sie empfand dies vollkommen ungerechtfertigt, aber dennoch deutlich spürbar, wie einen Eingriff in ihre Privatsphäre. „Stefan 22:44“, las sie auf dem Display ihres Handys, das wie ein unermüdlich akkurater Buchhalter jede Regung elektronischer Kommunikation in einer kühlen, unbarmherzigen Listenführung festhielt.

Ihre Reaktion war Freude und Flucht zugleich. Was blieb, war unendliches Herzklopfen, das ihre Brust zu sprengen drohte. Flucht war der eindeutig stärkere Impuls. Sie würde seinen Anruf ihrerseits nicht beantworten. Was könnte er ihr schon zu sagen haben? Wahrscheinlich wollte er einfach mal sondierend nachfragen, wie er es sicherlich bei vielen seiner Frauen tat, um auszuloten, ob sie noch in seinem Besitz wäre. Das war die Sprache aller Unsicheren, die Nachschau halten wollen, ob der einmal besetzte Claim im Notfall noch zur Verfügung stehen würde. Für diesen demütigenden Reigen von Trivialitäten würde sie nicht zu haben sein.

Oder würde er ihr mit quirliger Leichtigkeit erzählen wollen, dass er nun doch wieder eine Frau heiraten würde? Wäre sein Anruf ein verspäteter Racheimpuls? Immerhin hatte sie diese seltsame Begegnung – denn „Beziehung“ hätten sie es nie zu nennen gewagt – beendet. Aber er hatte damals überhaupt nichts verstanden, war gänzlich fühllos gewesen. Seine distanzierte Gleichgültigkeit, die aus ihrer Begegnung eine verzichtbare Banalität gemacht hatte, hatte sie geschmerzt. Doch ihre Trauer hatte viel mehr seinem Leben und seiner Unmöglichkeit, die ihm innewohnende Tiefe gestaltend zu leben, gegolten als ihrem eigenen Verlust.

Ja, resümierte sie, es wäre sehr wahrscheinlich, dass er ihr von seiner bevorstehenden Heirat erzählen wollte, wie sicher vielen anderen Frauen auch. Denn Katharina war genauso nie mehr als irgendeine gewesen, und die immer wiederkehrenden feinen Doppeldeutigkeiten der Besonderheit zwischen ihnen auch nur raffinierte Manöver. Außerdem würde eine Heirat seinem Muster entsprechen, der Oszillation zwischen vermeintlicher Freiheit und ergebener Resignation!

Der Gedanke gab ihr dennoch einen Stich. Es half nichts, sich vorzustellen, dass dies seine übliche Kapitulation vor dem Leben wäre und gleichzeitig ein weiterer Beweis dafür, dass sie richtig gehandelt, die Abwendung von ihm als einzig richtigen Schritt erkannt und vollzogen hatte.

Nein, sie würde ihn nicht zurückrufen, um sich einem oberflächlichen „Wollte nur mal nachfragen, was du so treibst und wie es dir geht“ und beiläufig nachgeschobenem „Ich heirate jetzt übrigens ein braves Mädel“ auszusetzen.

Sie hatte das Buch mit seinem Namen zugeschlagen, und so sollte es bleiben. Immerhin, auch wenn er dies nicht wusste und nur Instrument dafür gewesen war, hatte sich an die vergangene Begegnung mit ihm vor mehr als drei Jahren eine totale, eine existenzielle Krise geknüpft.

Trotzdem wickelte Katharina den folgenden Praxisalltag in ungewohnter Unruhe ab. Dieser Mangel an notwendiger Selbstdisziplin verärgerte sie.

Sie hob bereits beim zweiten Läuten ab. Eigentlich hob es ab. In den verbleibenden Bruchteilen von Sekunden, bevor sie seine Stimme erkannte, die sie so schmelzend berühren konnte, gelang es ihr gerade noch, in eine Rüstung bereiter abwehrender Kälte zu schlüpfen und das Visier ihrer Seele zuzuklappen.

Er hielt sich jedoch nicht auf, kam gleich zur Sache, so als würden nicht mehr als drei Jahre zwischen ihrem letzten Kontakt liegen, und spulte seinen Lebensfaden seit ihrem Kontaktabbruch flink und mit ungewohnter, fast schmerzender Offenheit vor ihr ab.

Er war damals unmittelbar in eine Beziehung gestolpert, eine, die ihm nicht guttun würde, wie er von Beginn an wusste. „Dabei war sie ein nettes Mädchen, Juristin, gerade mal sechsunddreißig Jahre alt“, beschrieb er ihr. Katharina spürte den heißen Schmerz der zwei Jahrzehnte, die sie von dieser Frau trennten. Wie einen scharfen Schnitt fühlte sie die damit verbundene Bloßstellung, geglaubt zu haben, in einer Gesellschaft, die patriarchalen Denkmustern gehorchte, ihm mehr bedeutet zu haben, als sich allein ihre Verfügbarkeit zu beweisen. Ein Peitschenhieb der Disziplinierung, der nur in wirklicher Begegnung in seiner eigenen Lächerlichkeit zu entlarven war.

Rückhaltlos offenbarte Stefan Katharina die Systematik des Niedergangs dieser Beziehung. Wie er das brave Mädel betrogen hatte, wie er die Enge der von ihr geforderten Häuslichkeit nicht ertragen konnte, wie seine Lebensfreude stranguliert und Langeweile gewichen war und gleichzeitig Angst vor Trennung und Einsamkeit Besitz von ihm ergriffen hatten.

Ihr Kinderwunsch hatte ihn beängstigt, ihre Bereitschaft, ihn seinetwillen aufzugeben, fassungslos werden lassen, ihr unbedingter Wille, sich ihm und dieser Beziehung zu opfern, Panik bewirkt.

Er war, wie in allen seinen Ehen und definierten Beziehungen zuvor, mit seiner eigenen Unmöglichkeit, in gesetztem Rahmen zu leben, konfrontiert worden. Regulierungen und Erwartungen des gesetzten legitimen Kodex hatten seine Lebenskraft aufgezehrt.

Sein Körper hatte ihn sodann an seine Grenze geführt, das an ihn gerichtete Verlangen, entlang der gesellschaftlich geforderten Norm zu funktionieren, als persönliche Unmöglichkeit zu erkennen. Seine Geschlechtsorgane gehorchten nicht. Ein Nierenstein, eine beharrliche Prostataentzündung, hartnäckige sexuelle Unlust, die von einer verstörenden trockenen Ejakulation begleitet wurde, eine schmerzhafte Beckengelenksverspannung und Depressionen waren die Mahnmale des Niedergangs gewesen.

Vor drei Monaten hatte er die Beziehung und damit die an ihn gestellten Erwartungen gekündigt. Seine körperlichen Beschwerden hatten deutlich nachgelassen.

Wie Seele und Körper miteinander verschaltet waren, erschien ihm schier unglaublich. Aber auch in diesem Bereich hatte er einiges dazugelernt. Er ging nun seit mehr als zwei Jahren in Psychotherapie.

Das traf sie wie ein Schlag. Mit dem Mann, den sie vor drei Jahren gekannt hatte, war kritische Selbstreflexion nicht in Einklang zu bringen.

Der alte Schmerz traf sie so vollständig und unvorbereitet, wie sie es nie für möglich gehalten hatte. So bewusst, so klar, so offen spürend in der Rückbindung zu sich selbst, wie er ihr jetzt in diesem Moment in seinem Monolog entgegentrat, hatte sie Stefan damals vergeblich ersehnt. Es schien, als wäre das Panzerschloss vor seiner Seele aufgebrochen und gewährte nun Ausblick auf die Weite seiner inneren Landschaft.

Er sagte, es gehe ihm beschissen, sogar vollkommen beschissen.

Sie erzählte ihm, dass auch sie vor drei Monaten ihre Beziehung beendet hatte. Irgendwie schien ihr das passend, obwohl sie nicht wusste, warum.

„Wir durchleben gerade dasselbe“, meinte er in einem Ton, als wäre diese Synchronizität selbstverständlich. Sie schwieg dazu.

„Wir finden einander immer wieder“, fuhr er fort, „wie verschränkte Teilchen.“

Das gab ihr einen Stich und rief alte Erinnerungen ab. Immer wenn sie damals innerlich von ihm Distanz genommen hatte, war sein Signal gekommen und hatte sie in geheimnisvoller Weise aufs Neue verbunden.

„Ich war vollkommen zu damals in ‚unserer Zeit‘, vollkommen getrennt von mir“, gab er offen zu, um danach unvermutet zur Nachfrage nach ihrem Beziehungsende zu wechseln. Das war sein Stil, den sie hier wiedererkannte, diese raschen unvermuteten Sprünge, mit denen er einen ungedeckt erwischte.

Sie erzählte ihm in kurzen Sätzen von der Enttäuschung ihrer letzten Beziehung.

„Ziemlich ähnlich, wo wir da in den letzten Jahren durchgegangen sind“, merkte er an, als sie geendet hatte. „Verschränkte Teilchen eben.“

Einen Moment lachten sie und Katharina fühlte sich so frei, leicht und angekommen auf dieser kleinen Insel des Augenblicks. Sie waren wie zwei Raumfahrer, die im unendlichen lautlosen Universum umhertaumelten und einander dennoch magisch immer wieder an den Händen fassen konnten.

„Wir müssen einander wieder treffen, ich muss dir viel erzählen“, legte er dann fest. Sein Ton war jetzt leicht, besonnen und fast geschäftlich, wenn nicht die Schwingung seiner Stimme eine zuverlässige Vibration in Katharinas Innerem ausgelöst hätte. Aber das könnte auch allein an ihr liegen, überlegte sie noch lange nach dem Gespräch.

Die nächsten Tage erfüllten sie mit Zwietracht mit sich selbst. Wie kam es, dass er ihre so sichere Panzerung der Gewissheit, dass jede wirkliche Begegnung mit ihm unmöglich war, ganz spielerisch mit diesem einen Gespräch hatte durchbrechen können?

Für jene erbärmliche Schar patriarchaler Männer, die anstandslos und vielleicht sogar mit lächerlichem Stolz ungeachtet ihrer eigenen Körperlichkeit zwanzig Jahre jüngere Frauen zu Spielgefährtinnen nahmen, hatte sie doch nur Verachtung übrig. Eine ganze Generation von Lebenserfahrung und Reife zwischen sich und eine Partnerin schieben zu müssen war ihr immer als eine Entlarvung der puren Angst vor echter Begegnung erschienen. Sie hatte sich nie geirrt. Was sollte sie also mit ihm?

Und was diese, seine neue Bewusstheit anging, so war ihr kaum sichere Stabilität zuzutrauen. Dass er in seine bewährten Muster gewohnter Oberflächlichkeit zurückfinden würde, wäre weitaus wahrscheinlicher. Eine weitere biografische Karussellrunde wäre schließlich kurzweiliger, als den mühevollen Weg eines wirklichen inneren Umbaus zu bestreiten. Mädels dafür gab es genug. Und sein Charme würde noch für ein paar Jahre reichen.

Das Buch mit seinem Namen war doch zu und sollte es auch für immer bleiben, selbst wenn sie sich an Zeiten erinnerte, zu denen in ihren Kniekehlen beim Tonfall seiner Stimme ein Zittern lief und sich wie in einem Uhrwerk eine Unruhe in ihrem Unterbauch abzuspulen begann.

Und was wollte er überhaupt von ihr? Sollte sie ein Trostpflaster, eine Überbrückungshilfe bis zur nächsten Frau mit straffem Busen und Schenkeln werden oder war es noch schlimmer? Wollte er sie nun als „gute Freundin“ anwerben? Wollte er sie als bereitwilligen Eimer für das Erbrochene seines Seelenschrotts nutzen? Immerhin zählte sie bekannterweise zu den besten Therapeuten der Stadt.

Der Panzer, den Katharina vor ihrer Seele hochzog, wurde von Tag zu Tag solider und sicherer.

Eine Woche später musste sie nach Frankfurt am Main fliegen, um einen Vortrag zu halten. Sie freute sich auf den Vortrag und hasste die Reise dorthin. Schon der quälende Weg zum Flughafen durch den Abendstau drückte auf ihre Stimmung.

Eindeutig zog sie es vor, noch mit der letzten Maschine anzureisen, als mit unausgeschlafenen, schlecht rasierten und scheinbar wichtigen Geschäften entgegenfliegenden Männertrauben in der allerersten Frühmaschine zu sitzen.

Viel zu dünnhäutig, diagnostizierte sie sich wieder einmal selbst. Ein Eindruck, der mit dem zunehmenden Überfremdungsgefühl in den nüchternen Weiten des Flughafengebäudes immer dichter wurde. Jetzt war auch noch ein weiterer Terminal hinzugebaut und leider auch schon in Betrieb genommen worden. Ein Gefühl von solider Aussichtslosigkeit beschlich sie auf dem unendlich anmutenden Marsch zum Abflugsteig.

Transportbänder, die einem überirdische Bedeutsamkeit zu verleihen schienen, wenn man sich auf ihnen schnellen Schritts weiterbewegte und alle nebenher Gehenden leichtfüßig überholte, wechselten mit Zwischenstreifen eines spiegelnden Granitbodens. Glas und Stahl, Anzeigetafeln mit springenden Zeilen der abfliegenden Maschinen und der ihnen zugeordneten Gates bildeten ein Orchester tadellos funktionaler Architektur. Katharina empfand diese durchmechanisierte präzise Organisation menschlicher Reisetätigkeit als beängstigend. Es war, als würden die Menschen hier selbst zu einer zu verwaltenden Sache werden. Nirgendwo sonst trafen so viele Reisende in steter gespannter Bewegung gleichzeitig aufeinander, ohne sich wechselseitig persönlich wahrzunehmen, um dann in kurzfristiger lungernder Teilnahmslosigkeit am Reisegate auszuharren, wo ihre Durchschleusung erfolgen sollte. Entmenscht, schoss es Katharina durch den Kopf, als sie sich endlich am richtigen Gate befand. Erschöpft von den Eindrücken ließ sie sich auf dem letzten noch freien Sitz einer schwarzledernen Bankreihe nieder.

Wir sind nicht mehr Reisende, bloß noch Werkstücke auf einem Förderband, die ihrer Verpackung und Verschickung nach den Gesetzmäßigkeiten eines übergeordneten Steuersystems entgegentreiben, dachte Katharina. Neben ihr saß ein junger schlaksiger Schwarzer, sorgfältig auf Gangster-Rapper-Look getrimmt, der unaufhörlich mit einem Bein in raschem Rhythmus wippte. Die Frau auf der anderen Seite wirkte mit ihrem funktional-faden Auftreten dagegen wie eine farblose Grundschullehrerin. Wären wir Versandgegenstände auf einem Band der Logistikzentrale eines jener Internetunternehmen, so wäre der Rapper ein Vibrator und die Lehrerin ein Küchengerät, ein Toaster oder eine Waffelmaschine vielleicht, entschied Katharina. Und sie selbst? Wahrscheinlich ein Feuerlöscher, auch wenn sie sich lieber als Flammenwerfer in dieser Szenerie gesehen hätte.

Der junge Schwarze schien ernsthaft erkältet. Er nieste immer wieder und schniefte unaufhörlich. Katharina ging das Geräusch gehörig auf die Nerven.

Gerade in diesem Moment brummte ihr Handy. Sie hatte es auf lautlos gestellt. Es gelang ihr, es noch zeitgerecht aus ihrer Tasche zu fischen, bevor der Anruf auf ihre Box umgeleitet wurde. Der rasche Blick auf die Namensanzeige auf dem Display und seine Stimme genügten, um plötzlichen Aufruhr in ihr zum Ausbruch zu bringen, ganz so, als würde ein tief verborgener Vulkan sich unvermutet melden, um aus seinem Inneren eine Ladung feuriger Lava in den nachtschwarzen ruhigen Himmel zu schleudern.

Stefan wollte sich, wie schon letztens angekündigt, verabreden. Möglichst bald, wenn sie könne. Seine Stimme klang etwas drängend, ja geradezu unruhig.

Ihr gefiel es, dies als interessiert zu deuten. Trotzdem reagierte sie verhalten. Sie erklärte ihm die Lage, dass sie gerade am Terminal auf ihren Abflug nach Frankfurt warte, um dort einen Vortrag zu halten. Er fragte nichts dazu nach. Auch diesmal fiel ihr auf, dass er kaum fähig war, Anteilnahme und Interesse an den Lebensabläufen anderer Menschen zu zeigen.

Aber er wollte wissen, wann sie wieder zurück sein würde. Morgen Abend, mit der Spätmaschine, versicherte sie. Und weil dies Freitag sein würde und zu spät für ein „sinnvolles Treffen“, wie er es nannte, verabredete er sich, bevor sie sich noch zu einem Gefühl der Ablehnung hatte durchringen können, mit ihr für Sonntagabend, da sie samstags noch einen nicht verschiebbaren Abendtermin einer wohltätigen Organisation einhalten musste.

Stefan schien ein wenig enttäuscht, dass es erst Sonntag möglich wäre, und das schmeichelte ihr, wie sie vor sich selbst zugeben musste.

Das Gespräch war kurz, denn die Lautsprecheransage wies die Passagiere an, sich zum Einstieg bereit zu halten. Es gab aber auch nichts mehr zu sagen. Als sie aufstand, fühlte sie zum ersten Mal, wie eine heiße Welle sie durchlief. Sie führte es auf das Gespräch mit Stefan zurück.

Als Katharina das Flugzeug in Frankfurt verließ und die gleiche trostlose, wenngleich von Sicherheitsmaßnahmen befreite Prozedur der endlosen Durchschleusung, diesmal Ausschleusung, hinter sich gebracht hatte, um in der Ankunftshalle mit ähnlich spiegelndem Granitboden wie in ihrem Einstiegsflughafen in einer Art Freiheit zu landen, wusste sie, dass das Hitzegefühl Fieber und nicht Stefans Anruf war.

Vom Schwarzen am Terminal konnte das wohl nicht sein. Aber wahrscheinlich hatten sie beide jetzt auch noch zusätzlich ihre diversen Viren ausgetauscht. Ihr Hals fühlte sich trocken und rau an. Außerdem begann sie sich zunehmend gänzlich elend zu fühlen, wirklich durchgreifend elend und fremd noch dazu. Sie stellte sich vor, dass ihre Chancen auf ein Überleben in diesem Zustand auf ein Minimum gesunken wären, würde sie sich jetzt auf einem der vielen Flüchtlingsrouten befinden, auf denen Menschen unterschiedlicher Volksgruppen aus vielfältigen Gründen gerade unterwegs waren.

Im Unterscheid zu ihnen würde sie es nur vom Flughafen bis in ihr Fünf-Sterne-Hotel, das ihr Auftraggeber für sie vorgesehen hatte, schaffen müssen, und das wäre mit dem Besteigen eines sicher vor dem Eingang wartenden Taxis gefahrlos zu regeln.

Wenig später lag ihr beim Blick aus dem Hotelfenster die nächtlich beleuchtete Skyline Frankfurts zu Füßen. Katharina befand sich, wie es in jedem Prospekt so verheißungsvoll beschrieben wurde, nun mitten im pulsierenden magnetischen Herzen der deutschen Wirtschaft. Auf sie wirkte es mehr wie ein kaltes Utopia.

Eigentlich wurde die ganze Wand von einer von der Decke bis zum Boden reichenden verspiegelten Glasfront eingenommen, was Katharina einen seltsamen Eindruck von Bloßstellung, Objekt von Beobachtung zu sein, vermittelte. Aber chic war es und cool. Zumindest hatte die Internetbeschreibung für jenes Hotel diese Begriffe großzügig verwendet, um Berufsreisenden eine Wohlfühlwelt zu suggerieren, die für modernen Zeitgeist und erfolgreiches Business stand.

Katharina fühlte sich eindeutig anders, nicht wohl, ja sogar beängstigend übel. Dies wurde nicht nur durch die sterile Unpersönlichkeit, die trotz Eleganz und Hochwertigkeit der Einrichtung des Zimmers Trostlosigkeit verströmte, verursacht, sondern zugleich auch durch ein Krankheitsgefühl, das sich nun immer mehr zu solider Gewissheit verdichtete.

Gerade zuvor hatte ihr brennender Blick dem Nachtconcierge die Sinnhaftigkeit seiner Vorschriften bestätigt, als sie ihn um die spezielle Erlaubnis bat, die Fensterverriegelung im Zimmer zu deaktivieren. Bevor er ihrem Ansinnen nachkam und den Hausarbeiter mit seinem flinken Inbusschlüssel zu ihr schickte, hatte er Katharina mit belästigt, wenn nicht sogar feindselig auf sie wirkender Gestik ein Formular zur Unterschrift hingeschoben, auf dem sie die volle und alleinige Verantwortung übernahm, sollte ihre damit demonstrierte Eigenwilligkeit Vorbote sein, sich auf diese Weise das Leben nehmen zu wollen. Alles reduzierte sich heute auf eine Haftungsfrage.

Das Brennen in ihren Augen war jedoch nicht Anzeichen selbstmörderischen Wahnsinns gewesen, sondern eindeutig hohes Fieber, ein untrüglicher Vorbote einer anflutenden Erkrankung der Atemwege. Inzwischen fühlte es sich an, als hätten ihr Hals und die Bronchien in der Brust die Oberfläche einer Käseraspel angenommen, auf der die Luft bei jedem Atemzug nun schmerzhafte Reibung verursachte.

Katharina wandte sich von der Fensterfront ab und öffnete ihren Koffer. Sie spürte dabei Schwindel und musste sich an einer spiegelnden Kommode anhalten. Am hinteren Rand war ein ganzes Paneel von Touch-Sensoren integriert, mit denen sich alle Lichtquellen des Raums in spielerischer Beliebigkeit steuern ließen.

Es wäre besser gewesen, gar nicht zu fliegen. Im Koffer fand Katharina in einer vorausschauend gepackten Toilettentasche ein starkes Grippemittel, das größere Freude in ihr auslöste, als sie ein katholischer Priester empfinden könnte, der in seinem Hotelzimmer in Teheran eine Bibel in der Nachttischlade vorfände.

Entgegen der Empfehlung auf der Packung löste sie zur Sicherheit gleich zwei Säckchen in einem Becher heißen Wassers auf und leerte den Inhalt in einem Zug. Morgen musste sie um zehn Uhr ihren Vortrag für den Kunden, ein großes Versicherungsunternehmen, halten. Rund vierhundert Personen, lauter Vertriebsmitarbeiter, waren geladen, um ihren Ausführungen zu biometrischen Daten und Aspekten der psychosozialen Gesellschaftsentwicklung zu lauschen. Natürlich um daraus Verkaufsargumente für ihre Polizzen von Berufsunfähigkeitsvorsorge bis Pflegeversicherung zu ziehen. Die Grundbotschaft war einfach. Die traditionellen sozialen Netze von Familie und Freunden verloren in einer von Geschwindigkeit, Wandel und persönlicher Beliebigkeit getriebenen rationalen Steigerungsgesellschaft zunehmend an verlässlicher Tragfähigkeit oder lösten sich für den Einzelnen sogar gänzlich auf. Das staatliche Leistungssystem hingegen geriet allmählich an seine Belastungsgrenzen, dünnte sich in seinen Unterstützungen beängstigend aus und beschritt den Weg einer Transformation in eine schmale Basissicherung und Notfallversorgung mit zunehmenden Qualitätseinbußen.

Jeder für sich, lautete eindeutig die Devise, auch wenn alle voll romantischer Sehnsucht von Beziehungsnähe, Geborgenheit und Vollkasko-Rundumsicherheit schwärmten. Das vermeintlich von allen Normzwängen im Lebensentwurf befreite Subjekt fiel in der Konsequenz seiner tatsächlichen Biografie immer mehr auf sich selbst zurück. Das war der Preis für den narzisstischen Individualismus, der ganz nach eigenem Gutdünken und Wahl den Pinsel der Lebensgestaltung in die zahlreichen Farbtöpfe pluralistischer Werte tauchen konnte, um ein einzigartiges, sich persönlich installierendes Lebensgemälde zu gestalten.

Sie würde diese Trends und bereits eingetretenen Entwicklungen mit zahlreichen Zahlen und auflockernden Bildern belegen und mit leichtfüßigen, humoristisch anmutenden Falldarstellungen persönlicher Lebensabstürze als Zerrbilder des Optimierungs- und Freiheitswahns ausmalen.

Niemand schien übrigens mehr zu wissen, was den Unterschied zwischen Freiheit und Beliebigkeit ausmachte.

Sie verstand es, einen Inhalt unterhaltsam zu bringen. Deswegen wurde sie gerne gebucht, auch hier in Deutschland. Aber trotzdem blieb es harter Stoff, dieser Fahrplan einer drohenden sozialen Apokalypse.

Als es ihr endlich nach mehreren Versuchen gelang, doch noch alle Lichtquellen des Zimmers zugleich zu löschen, erinnerte sie sich, dass sie in der Kindheit in bedrängten Situationen immer gebetet hatte. Das schien ihr aber doch etwas zu abwegig.

Am nächsten Morgen fühlte sie sich nicht besser, ganz im Gegenteil. Erstmals befiel sie Panik vor dem Tag und ihrem Auftritt. Das Reibeisen in ihrem Hals und der Brust schien jetzt auch noch in Flammen zu stehen. Vielleicht hätte sie doch beten sollen. Sie nahm nochmals zwei Säckchen des Grippemittels und hoffte inständig auf die Wirkung.

Ihr Vortrag fand in einem jener architektonischen Stahl- und Glasgebilde statt, die mit ihrer funktionalen Architektur zugleich bedrohliche Effizienz der in ihnen Arbeitenden wie siegesgewisse Größenfantasien suggerierten.

Gemeinsam mit dem schneidigen hochdeutschen Akzent der ihr zugeteilten Veranstaltungsassistentin und ihrem aushöhlenden Krankheitsgefühl wirkte das Ganze auf Katharina gänzlich einschüchternd und damit vollkommen unpassend zu dem ihr zugeordneten Status. Sie war hier die hochbezahlte Expertin. Die Show gehörte ihr und wurde im Gegenzug auch von ihr erwartet. Ein kurzes Sehnsuchtsgefühl nach den gewohnten Altwiener Ringstraßenbauten und dem buckeligen Kopfsteinpflaster der vertrauten Innenstadtgassen gönnte sie sich dennoch, ehe sie ihre Schultern straffte und sich der Begleitung der jungen Frau überließ.

Diese war bereits mit einer völlig unangebrachten freudigen Lebendigkeit quer durch die Eingangshalle, die mit einer obligaten undeutbaren, aber imposanten Kunstinstallation bestückt war, auf sie zugeeilt, als sich Katharina aus dem Taxi quälte. Sie fand sie sofort unsympathisch. Ihre Dienstbeflissenheit eines Jagdhunds, der apportieren möchte, irritierte Katharina. Das enthusiastische Geschnatter, mit dem sie Österreichern Charme, Tiefsinnigkeit und Witz zuordnete, verärgerte sie.

Der Tagungssaal nahm fast die gesamte oberste Etage ein und war rundum verglast. Die vierhundert Vertriebspartner und sonstigen Mitarbeiter erwiesen sich als nüchternes, nachdenkliches und folgsam mitschreibendes Publikum mit begrenztem Humorverständnis, jedoch rascher Schlussfolgerungsbereitschaft zur Systematik der sozialen Vergröberung. Die nachfolgende Diskussion gestaltete sich entsprechend erwartbar und dauerte gerade so lange, bis Katharina merkte, dass das Grippemittel in seiner Wirksamkeit eindeutig nachließ.

Im Taxi zum Flughafen schien das Fieber wieder rapide anzusteigen. Gleichzeitig fühlte sie zunehmende Atemnot. Das Fremde lastete plötzlich besonders auf ihr. Sie wollte nur mehr heim.

Ihr fiel ein, wie Stefan in ihrem ersten langen Gespräch seine Entdeckung der Einheit von Seele und Körper mit so viel begeisterter Verwunderung erwähnt hatte. Sie war eine erwachsene, reisegeübte, selbstständige Frau. Auch Erfolg und soziale Anerkennung waren ihr nicht vorenthalten. Gerade eben hatte sie wieder von mehr als vierhundert Menschen Applaus erhalten. Dennoch reichten ein paar Grippeviren, Fieber und das Gefühl, ihre Lunge wäre zunehmend ein nasser Schwamm, in dem der Pegel von Flüssigkeit kontinuierlich ansteige, um solide Panik und den dringenden Wunsch nach der schützenden Geborgenheit von „zu Hause“ auszulösen.

Irgendwie schaffte sie es bis zum Gate. Nach einem Telefonat mit einem Freund und Kollegen wusste sie, dass sie nach der Landung sofort zu ihm ins Krankenhaus fahren müsste. Als Zweiten rief sie Stefan an, um ihr kommendes Treffen abzusagen. Sie erlebte ihn nicht wirklich besorgt, aber deutlich über die Absage enttäuscht. Er ersuchte sie allerdings höflich, ihn zu informieren und auf dem Laufenden zu halten, wie es ihr gehe. Das Gespräch war sehr kurz gewesen. Katharina fühlte sich sehr leer, aber das Fieber war tatsächlich sehr hoch.

Die Diagnose erwies sich als eindeutig, die notwendige Infusionstherapie ebenso, ihr Krankenhausaufenthalt für die nächsten Tage unvermeidbar. Ihr Kollege, ein Internist, zog lieber noch einen Lungenfacharzt hinzu, der seine Besorgnis ausdrückte.

„Du hast viel zu lang gewartet. Diese Reise nach Deutschland war eine Kamikaze-Aktion“, hatte ihr Kollege, der vor vielen Jahren während des Studiums einmal auch ihr Liebhaber gewesen war, kopfschüttelnd angemerkt. Er kannte sie von damals und ihre Unnachgiebigkeit hatte sich nicht geändert.

Nun laborierte sie an einer bösen Lungenentzündung, ihre Atemkapazität war drastisch eingeschränkt. Der Pulmologe zeigte ihr die Flüssigkeitssicheln und Entzündungsherde auf dem Röntgenbild, das sie auf ein weißes Skelett mit Organkonturen und wolkigen Verschattungen in unterschiedlichen Grautönen reduzierte.

Sie genoss die Besorgnis des ärztlichen Kollegen und die Umsorgung des Pflegepersonals in ihrem Sonderklassezimmer sowie die Ernsthaftigkeit ihrer Erkrankung, die durch die direkt in ihre Venen gepumpten Infusionslösungen noch unterstrichen wurde.

Es wirkte wie ein nun kraftvoll verordnetes Anhalten in ihrem Leben – etwas, von dem sie lange schon gefühlt hatte, dass es notwendig gewesen wäre. Doch bislang war sie dem ausgewichen, hatte ihrer anflutenden Furcht nachgegeben und war unter dem Vorwand ihrer zahlreichen Verpflichtungen immer geflüchtet.

Jetzt lag sie hier in diesem Krankenbett, das seine Funktion durch schnittiges, jede Technik dezent versteckendes Design verbergen wollte, und in einem Gartenzimmer, das eher einer Fünf-Sterne-Hotelkette als einem Spital zuzuordnen gewesen wäre.

Diese Stille, die es bedeutete, dass der Terror ihres Terminplaners außer Kraft gesetzt war, ließ ihr Inneres machtvoll laut werden. Sie musste sich nun der Rekapitulation der Ereignisse und Entwicklungen der letzten Jahre anvertrauen und darauf setzen, das Ergebnis aushalten zu können.

Das Ganze hatte auch mit Stefans neuerlichem Erscheinen in ihrem Leben zu tun. Dessen war sie sich sicher. Sie fühlte als tiefe Gewissheit, dass sein unvermutetes Auftreten eine Mechanik im verborgenen Schaltwerk ihres Lebensfundaments angestoßen hatte. Es erinnerte sie an Abenteuerfilme, wo durch das Betätigen kleiner verborgener Hebel oder das Einfügen unwesentlich wirkender Schlüsselsteine in ein geheimnisvolles archaisches Felspuzzle oft eine machtvolle Dynamik der Offenlegung eines seit tiefster Vorzeit gehüteten Tempelschatzes bewirkt wurde.

Aber zuerst musste sie rekapitulieren und klaren, freien Herzens sein. Auch das war eine wesentliche Lektion von Indiana Jones und all jenen, die im Gegensatz zu den von Gier Getriebenen ihr Ziel erreichten.

Zur vergangenen Begegnung mit Stefan vor drei Jahren fiel Katharina das Bild eines in kunstvoller Verschraubung aufgeschichteten Jenga-Turms ein. Stefan war damals jenes obenauf gelegte Hölzchen gewesen, das ihren Lebensturm in bedenkliche Schwankungen versetzt hatte. Gleichzeitig hatte die Überkreuzung ihrer Lebenslinien für Katharina eine existenzielle Auseinandersetzung geboten und ihr im Druck der Herausforderung abverlangt, die Hölzchen an ihrer Lebensbasis gänzlich neu zu ordnen.

Er war unwissendes Instrument dafür gewesen, ein blinder Schauspieler mit einem ihm auf den Leib geschriebenen Text, der gleichzeitig den tatsächlichen Inhalt des Stücks, in dem er spielte, nicht kannte. Doch das waren sie wahrscheinlich alle füreinander auf dieser Lebensbühne: blinde Schauspieler.

Ihre eigene Ehe war damals erst vor wenigen Monaten auf dem nüchternen Schreibtisch einer unbeteiligten Richterin nach fünfundzwanzig Jahren geschieden worden. Die Banalität und Schäbigkeit des kleinen Bezirksgerichts und der Handlung im Besonderen hatte Katharina gleichermaßen verstört wie empört. Als wären fünfundzwanzig Jahre Ehe nicht der Wucht einer großen Inszenierung im Abgang würdig gewesen. Stattdessen hatte es nur leise Einigkeit gegeben.

Geblieben war ihr dieses Gefühl der Scham, das sich im Anschluss immer mehr verdichtet als nachgelassen hatte und im Alltagsleben als eine Empfindung seltsamer Schutzlosigkeit zunehmend zu einer Begleitung geworden war.

Stefan war also im denkbar ungünstigsten Moment in Katharinas Leben getreten. Eigentlich war es kein bewusstes Auftreten gewesen, sondern hatte sich mehr wie ein Streifschuss angefühlt, der einen sanft an der Weiche trifft. Nur ein feiner, süßer, ja ästhetischer Blutfaden schlängelte sich harmlos auf warmer Haut und führte dennoch unaufhaltsam im Inneren zum Ausbluten.

Die so enttäuschende Begegnung mit Stefan – das hatte sich bereits in den ersten nachfolgenden Wochen angebahnt – hatte sie gezwungen, zum tiefsten, dunkelsten Seelengrund ihres Seins hinabzusteigen. Denn der Tod ihres Vaters, des mächtigsten Repräsentanten männlicher Prägung in ihr, dem Stefan so ähnlich war, hatte einen kaum auszuhaltenden Feuersturm in ihr ausgelöst.

Es war sehr knapp gewesen, tatsächlich existenziell. In einer Nacht war sie unendlich lange hoch oben in einer offenen Fensternische des mittelalterlichen Turms eines kleinen Dorfes in der Toskana gesessen. Aus den weit unter ihr liegenden Gässchen waren übermütiges Lachen und die Geräusche von feiernden Menschen wie schmerzvolle Nadelspitzen zu ihr heraufgedrungen. Über ihr war die sternenvolle Stille eines südländischen, nachtschwarzen Himmels gelegen.

Einsamkeit, Schmerz, das Gefühl von ewiger Ausgeschlossenheit und erlittener Seelenkälte hatten sich für einen winzigen Moment in einer kristallklaren Sehnsucht nach einer Vorwärtsbewegung verdichtet, bevor sie in tiefem Erschrecken in sich zusammengebrochen war, ihre eigene Seelenstarre loslassen konnte und ihre zukünftige Befreiung zu fühlen glaubte.

Wenige Wochen danach hatte sie gerade hier in der Toskana jenen Mann kennengelernt, von dem sie sich nun vor wenigen Monaten getrennt hatte. Er hatte sich als eine weitere düstere Lektion dafür entpuppt, dass rückhaltlose Liebe zwischen den Geschlechtern wohl nur eine Traumgestalt blieb.

Katharina lächelte bitter in sich hinein. Und das Ganze nach zig Jahren eigener Analyse. Aber wahrscheinlich brauchte Heilung die Durchwanderung des eigenen Lebens und konnte nicht wirklich von der analytischen Couch aus bewältigt werden. Ähnlich, wie die Aufarbeitung der Aufzeichnungen des Flugsimulators nur zum Erkennen von Fehlern führte. Wirklich fliegen konnte man damit aber noch immer nicht.

Umso mehr war sie gut beraten, die Finger von Stefan zu lassen. Er hatte seine Rolle in ihrem Leben bereits gespielt. Sein Part lag in einem lang vergangenen, abgeschlossenen Kapitel, in dem wirklich nichts mehr offen sein sollte. Ihre Erkrankung war gerade recht gekommen, hatte sie vor einem Aufnehmen des Fadens mit ihm bewahrt. Sie würde ein neuerliches Treffen mit ihm ablehnen.

Plötzlich leuchtete der Schirm ihres Handys auf. „Wo bist du?“, las sie. Es war Stefan. Sie wusste nicht warum, doch sie nahm ihr Mobiltelefon zur Hand und schrieb Stefan in einem Drang, als wäre sie machtvoll ferngesteuert, dass sie wegen einer Lungenentzündung für die nächsten Tage im Krankenhaus aufgenommen sei. Sie teilte ihm auch den Namen der Privatanstalt, in der sie lag, mit.

In weniger als einer Minute kam seine Antwort. Auch wenn es unwahrscheinlich war, schien es, als hätte er auf ihre Nachricht gewartet. Er textete ihr, dass er sie besuchen wollte. Damit hatte sie nicht gerechnet. Katharina merkte, wie Panik sie ergriff. Stefan in dieser Schutzlosigkeit ihrer Erkrankung zu begegnen, ganz ohne die Panzerung ihrer präsentablen Öffentlichkeitsoberfläche, war viel zu nahe für sie.

Sie schrieb ihm etwas scherzhaft, dass sie sich wenig präsentabel und ansprechend als Gesprächspartnerin fühle und mit ihrer derzeitigen Lungenkapazität auch wenig durchhaltefähig wäre, doch er ließ ihre Einwürfe mit insistierendem Drängen unbeachtet. Seine Bemerkung, sie seien über Äußerlichkeiten nun wohl hinweg, fühlte sich so warm an, als würde plötzlich jene Ebene von Intimität zwischen ihnen herrschen, die sie damals als möglich zwischen ihnen gespürt, aber vergeblich ersehnt hatte.

Vielleicht war er heute tatsächlich ein anderer. Schließlich meinte sie kokett, dass sie hier im Krankenhaus die nächsten Tage sowieso nicht vor ihm Reißaus nehmen könne und es seine Verantwortung sei, wenn er einem bleichen, abgezehrten, schwer hustenden und an Infusionen hängendem Zerrbild der Frau, die er vor drei Jahren gekannt hatte, begegnen wolle. Er versprach, zu kommen.

Die nächsten Tage vergingen, ohne dass sie etwas von ihm hörte oder er auftauchte. Bei jedem Klopfen an ihrer Tür fühlte sie, wie sich ein Adrenalinschwall in ihr ausbreitete und sie in einem raschen, wie sich schützen wollenden Reflex die Bettdecke hochzog.

Die ersten drei Tage waren eindeutig von Erleichterungsgefühlen geprägt, wenn nachfolgend jemand vom sorgenden Pflegepersonal oder einer der Ärzte im Türrahmen erschien. Katharina wollte gerne, dass sie sich wieder kräftiger, weniger angeschlagen und schutzlos fühlte, wenn sie Stefan erstmals wieder begegnen würde. Vielleicht nahm er ja mit seinem Warten sogar gerade darauf Rücksicht.

Am vierten Tag fühlte sie sich tatsächlich besser. Das Fieber war nun konstant gefallen. Sie war sogar bereits wieder soweit gestärkt, dass sie ihrer Oberflächenpanzerung aus Lidstrich und gewaschenem Haar Aufmerksamkeit schenkte. Nun konnte er kommen.

Das wäre jetzt sogar der beste Zeitpunkt. Das Rücksicht gebietende Leiden zeigte sich noch ausreichend durch den mit Mulltupfern verpflasterten Venenzugang an ihrem Unterarm, doch alles Abstoß- oder Ekelerregende, das vorwiegend als abgestandene Ausdünstung und Schlaffheit des Körpers mit einer schwereren Krankheit einherging, war bereits wieder sicher zurückgedrängt.

Am fünften Tag wurde sie unruhig, am sechsten spürte sie unabweislich Enttäuschung, obwohl sie deswegen über sich selbst verärgert war. Am siebenten war sie wütend auf Stefan und seine Unzuverlässigkeit. Ihre Entlassung war für den nächsten Tag vorgesehen.

Die Routine der medizinischen Absicherung verlangte noch nach einem Kontrollröntgen. Die Röntgenabteilung lag im Erdgeschoß. Katharina schnappte sich die Zuweisung und machte sich selbstverständlich ohne den lächerlichen Eskorte-Service durch eine Schwesternschülerin, die üblicherweise die Patienten fürsorglich auf jedem Gang zu einer Untersuchung begleitete, auf den Weg.

Als Ärztin war die Krankenanstalt ihr natürliches Habitat und ihr Verhalten eine bemühte Demonstration ihres Ringens um ihr so fragiles Autonomiegefühl. Aber das hatten alle auf der Station Diensttuenden längst begriffen und ihr Begleitung diesmal gar nicht mehr angeboten.

Auf dem Rückweg begegnete ihr im Spitalslift einer ihrer ehemaligen Patienten. Er stieg gemeinsam mit zwei Frauen und zwei jungen Männern ein. Er erkannte Katharina in ihrem eigenen Patientenlook mit einer Krankenmappe unterm Arm nicht, sah einfach über sie hinweg. Sie hatte ihn sofort bemerkt.

Dass sie in ihm kein Wiedererkennen auslöste, verärgerte sie in völlig unangemessener und übermäßig heftiger Art, schließlich war er eine weitaus auffälligere Erscheinung als sie selbst. Ihn merkte man sich eben. Mit seinem schwarzglänzenden, schweren schulterlangen Haar wirkte er wie ein verschlissener, aus dem Leim gegangener Indianer: Ein riesiger Kerl, aufgemotzt mit Ledergilet, Westernhemd, Lederbändern und Silberschmuck, der so als Lederstrumpf in Präriekleidung durchging.

Daran hatte sich nichts geändert, seit er bei ihr in der Praxis gewesen war. Im Outlook von Winnetou steckte allerdings ein Serbe, einer von der schlimmen Sorte, der einigen Leuten ziemlich böse mitgespielt hatte. Bei einem davon hatte er sich dann verrechnet. An dem hing ein ganzer Clan dran. Die Dimensionen hatte er falsch eingeschätzt. Heftige Angstzustände waren die Folge gewesen, nicht aus Reue, sondern aufgrund seiner Befürchtungen einer ihn treffenden Blutrache durch die Verwandten. Mit seiner Einschätzung war er eigentlich auch ziemlich richtig gelegen.

Nachdem er wegen der verordneten Psychopharmaka keinen mehr hochbekommen hatte, war er auf ihrer Couch gelandet. Das Problem mit seinem Schwanz war ein echter Aufreger für ihn. Als er sie konsultierte, war er sich nicht klar darüber gewesen, ob die vorherigen Angstattacken schlimmer waren oder die Entmannungsgefühle, weil er nicht mehr so vögeln konnte, wie er wollte.

Den Stress der direkten Bedrohung hielt er ja nun mit drei Leibwächtern recht gut in Schach. Die warteten dann zumeist auch wie Chorknaben in ihrem Vorzimmer, wenn er bei ihr war. Das mit dem Vögeln war dagegen ein wirklich vitales Thema für ihn und beinhaltete außerdem handfeste Geschäftsinteressen. Er hatte ja eine ganze Truppe Huren neben seinen sonstigen Tätigkeiten nebenherlaufen und die musste er immer wieder mal drannehmen, wie er Katharina erklärt hatte, um ihnen die Grenzen aufzuzeigen und zu verdeutlichen, zu wem sie gehörten.

Sie hatte das mit dem Vögeln dann mit einer Kurzzeittherapie für ihn „geregelt“, in ganz funktioneller Art eben, mehr war bei dem Typen nicht drin.

Aber es hatte geklappt, wie häufig bei schlichten Charakteren, äußerst gut sogar, ganz aus einer naiven Übertragung heraus und der Tatsache, dass sie ihm erzählt hatte, volles Verständnis für seine Situation zu haben, da sie sich in ihrer Jugend eine Zeit lang in Zuhälterkreisen aufgehalten hatte. Einer davon war eine Legende und auch er hatte ihn, als er noch ganz jung im Gewerbe gewesen war, selbst kennengelernt. Diese Gemeinsamkeit hatte zusammen mit den exorbitanten Sitzungskosten sein Vertrauen zu ihr begründet – mit dem Effekt, dass die Therapie griff.

Er war ganz euphorisch gewesen, als er nach ein paar Sitzungen wiederkam und ihr berichtete, dass er mit seinem besten Organ wieder völlig normal konnte, und er vögle wie ein wildgewordener Stier. Wahrscheinlich hatte er auch einiges aufzuholen, um seine Position zu konsolidieren. Er war so begeistert gewesen, dass er ihr angeboten hatte, ihr einen Gefallen tun zu wollen, falls sie etwas zu erledigen hätte. Aber sie hatte niemanden, den sie hätte beseitigt haben wollen – damals nicht.

Und jetzt erkannte sie dieser Idiot nicht. Irgendwie kränkte sie das, kratzte an ihrem Ego, auch wenn sie sich dafür gleichzeitig vollkommen blöd vorkam. Ihr ehemaliger Patient, der vor neuer Lebensfreude strotzende Apachen-Serbe, schien dagegen durch seine unreflektierte Primitivität gegen jeden Selbstzweifel gefeit zu sein.

Sie betrachtete ihn und seine Truppe aus dem Augenwinkel, während der Lift langsam anfuhr. Lederstrumpf war eindeutig das tonangebende Machtzentrum in der kleinen Gruppe.

Die etwas über Vierzigjährige schien seine Frau zu sein und war reich mit auffallenden Goldketten behängt und grell geschminkt. Unter einem Leopardenprint-T-Shirt wölbten sich zwei melonenähnliche, vollkommen steif wirkende Brüste wie eine Drohung. Ihr enger schwarzer Rock war eindeutig mehr als eine Nummer zu eng und beim Einsteigen in den Lift hatten die hochhackigen, schwarzledernen Pumps durch den Gang ihrer Trägerin die solide Vulgarität ihrer Gesamterscheinung besiegelt.

Neben ihr stand eine unscheinbare, unsicher wirkende Frau, die von der Geburtsurkunde her wohl knapp über sechzig sein musste, obwohl ihre Vergreisung nicht zu übersehen war. Sie wirkte wie eine verschreckte, über Jahrzehnte ausgelaugte Putzfrau und musste wohl die Mutter der jüngeren sein.

Der Apachen-Serbe schenkte den beiden Männern eindeutig mehr Beachtung. Der jüngere war sicher sein Sohn. Er wirkte, obwohl bereits hoch aufgeschossen, neben ihm fast noch wie ein Junge, einer von der Sorte, die den mangelnden Inhalt einer Aussage durch Imponiergehabe ersetzen wollten. Er lag damit zumindest eindeutig auf der Wohlgefallenslinie seines Vaters. Der andere war ein paar Jahre älter und schien noch nicht lange zur Familie zu gehören. Beipflichtende, diensteilige Zustimmung prägte seine Haltung, die Bemühung eines Unsicheren, der dazugehören will.

Dem Gespräch war zu entnehmen, dass die Familie auf dem Weg zur Geburtenstation, zur Tochter Lederstrumpfs war. Der machte einen zotigen Witz, indem er die Tatsache, dass es sich um einen männlichen Enkel handelte, mit der sexuellen Technik seiner Produktion in Zusammenhang setzte, wobei er dem Schwiegersohn auf die Schulter klopfte. Jener lachte auffallend laut mit.

Die unerschütterliche Selbstsicherheit, mit der ihr früherer Patient Hof hielt, nahm Katharina unerwartet persönlich, vielleicht gerade deswegen, weil sie in die schützende Schlichtheit seiner psychischen Struktur hatte Einblick nehmen können.

Alles war so deutlich und beneidenswert einfach für ihn, jede seiner Entscheidungen oder Handlungen lag so simpel vor ihm. Die Welt war ein vollkommen überblickbares Gebilde, seine Zielsetzungen deutlich und richtig, solange sein Schwanz funktionierte. Nie gäbe es einen Anlass, sich selbst oder die Sinnhaftigkeit seines Tuns zu hinterfragen. Sein Schwanz musste stehen und seine Umgebung subordiniert werden, Frauen eben in anderer Art und Weise als Männer.

Das war sein Gesetz, das Gesetz, welches er seit frühester Jugend erkannt hatte und es mit der ruhigen Gewissheit eines Menschen befolgte, der meinte, ein Naturgesetz in Händen zu halten.

Und genau so würde er sich in seiner Biografie weiterbewegen, zwischen seinen Huren und seinen Immobilienprojekten, die mal mehr, mal weniger mit einem kriminellen Anstrich versehen waren.

Der Erfolg schien ihm recht zu geben. Immerhin lag seine Tochter als Wöchnerin jetzt nicht mehr in einem Mehrbettzimmer eines Schwerpunktkrankenhauses in einem Arbeiterbezirk, sondern sein Enkel residierte bereits im Klassezimmer mit Gartenblick. In der Tiefgarage der Privatklinik hatte er sicher einen jener hochmotorisierten Geländewagen mit schwarzverspiegelten Glasscheiben stehen, und sein Weibchen steckte in einer Fünftausend-Euro-Ausrüstung. Was die Titten gekostet hatten, ganz zu schweigen.

Er würde einfach immer so weitermachen. Nie käme ihm ein Zweifel. Und dann, wenn es an der Zeit wäre, würde er auch vollkommen ruhig die Geschäfte in die Hände seines Sohnes legen. Möglicherweise würde er sich ein Anwesen zulegen, vielleicht auch in seiner Heimat in Serbien, und auf die Jagd gehen.

Ein Weilchen würden die Mädchen, die er vögelte, immer jünger werden müssen, ehe er nur mehr auf die Jagd gehen und schrittweise zu der letzten, der oralen und damit kulinarischen Periode seines Lebens zurückkehren würde. In seinem Fall würde er mehr der Fülle als der sorgfältigen Auswahl von Speisen und Getränken Aufmerksamkeit schenken und daraus enorme Befriedigung ziehen.

Sein Leben wäre rund, satt und ohne nachtschwarze Beängstigung, für eine Sinnfrage nicht ausreichend Beantwortung gefunden zu haben. Nie hätte ihn die Liebe gestreift, aber sie würde ihm auch nie fehlen.

Aus den Sitzungen mit ihm wusste Katharina, dass er als Jugendlicher – er war wohl so alt gewesen wie sein Sohn jetzt – bei einigen Massakern und Folterungen im Ex-Jugoslawienkrieg Zeuge gewesen war.

Manche Dinge verlangen eben nach klaren Entscheidungen. Da bleibt kein Raum für Philosophie, wenn der nackte Herzschlag über das Leben entscheidet.

Seine Kindheit war ebenfalls von der üblichen Gewalt primitiver patriarchaler und sozialer Verhältnisse geprägt gewesen. Zwischen den Welten von Mann und Frau hatte das Nutzungsrecht gewaltet.

Am Ende würde wohl seine Familie mit angemessener Ehrfurcht um sein Totenbett versammelt sein und ihm den großen Abgang ermöglichen, selbst wenn im Hintergrund bereits die ersten Fehden späterer blutiger Erbschaftsstreitigkeiten aufflackerten. Er würde also prächtig und sicher, auf jeden Fall ohne quälende Selbsthinterfragung auf seiner Bühne durch sein Leben kommen.

Für einen Moment beneidete Katharina den Apachen-Serben unsäglich und die Verachtung für sein Lebensmodell kam ihr wie die Entlarvung der eigenen Schwäche vor. Denn würde sie sich je so leicht und von jedem Selbstzweifel ungebrochen durch ihr Leben bewegen können?

Der Glaskäfig des Lifts hielt in ihrem Stockwerk. Katharina stieg aus und grinste ihn, einem plötzlichen bösartigen Impuls folgend, auffällig an. Erwartungsgemäß irritierte ihn dies mächtig. Vielleicht wurde ihm jetzt seine Unaufmerksamkeit siedend heiß bewusst.

Sie spürte ein atavistisches Befriedigungsgefühl. Er hatte sie als ältere Frau einfach übersehen, hatte sich täuschen lassen, war nicht wachsam gewesen, und dabei hätte sie doch ein gedungener Mörder von einer jener Familien sein können, die ihm Blutrache geschworen hatten.

Während Lederstrumpf mit seiner Sippe samt goldbehangenem Weibchen weiterfuhr, blickte er ihr durch die Glaswände des Liftkäfigs viel zu lange nach. Er wirkte entgeistert und versuchte, plötzlich sichtlich unruhig, Katharina in seinem Erinnerungsspeicher einzuordnen.

Ich hätte ihn freundlich ansprechen sollen, statt diese blöde Nummer abzuziehen, schoss es Katharina durch den Kopf, während sie den langen Flur auf der Station bis zu ihrem Zimmer vorging. Die Szene im Lift kam ihr plötzlich seltsam unwirklich vor, so als müsse sie nachträglich feststellen, dass sie sich in ihrem Verhalten kurz selbst entglitten war.

Warum benehme ich mich so seltsam? Die allgemeine Ungeborgenheit hat wohl auch mich erfasst, resümierte sie sauer. Die Kruste meiner Selbstbewusstheit scheint sehr dünn. Ich verschwimme mir leicht und drohe viel zu rasch im Abfluss meiner eigenen Lebensunsicherheit zu verschwinden. Und dann befällt mich giftgrüner Neid nach lindernder Oberflächlichkeit, so als gäbe es einen Weg zurück in die Unbewusstheit.

Das Einzige, was sie versöhnte, war, dass sie zumindest ihren Job gut gemacht hatte und Lederstrumpf durch ihre Intervention wohl nach wie vor wie ein junger Gott vögeln müsste. Diese Annahme schien, seinem großspurigen Auftreten nach, durchwegs Berechtigung zu haben.

Als Katharina in ihr Zimmer kam, waren die Putzfrauen bereits damit beschäftigt, das Bett abzuziehen und dem Raum die geforderte sauber-sterile Empfangsatmosphäre für den nächsten Patienten zu verleihen.

Sie nickte ihnen zu und bedeutete, dass sie sich durch sie nicht stören lassen sollten. Kurz spürte sie ihre Enttäuschung, dass Stefan während ihres Krankenhausaufenthalts nicht aufgetaucht war. Eigentlich war es Beschämung über die Feststellung ihrer Enttäuschung darüber.

Selbst jetzt, wo sie innerlich emotionale Distanz gehalten und nicht mehr als ein verhaltenes Interesse für ein mögliches Treffen mit ihm zugelassen hatte, war es ihm gelungen, über irgendeine schlecht versiegelte Seitenpforte in ihrem Gefühlsleben unangenehme Resonanz provozieren zu können.

Es war seine genauso wirre wie virtuose Oszillation zwischen Nähe und Distanz im Kommunikationsverhalten gemeinsam mit der Unvorhersagbarkeit, ob intime Anteilnahme oder vollkommene Abwendung den nächsten Moment bestimmen würde, die diese Wirkung hervorriefen.

In Zukunft würde sie viel mehr bei sich bleiben, entschied sie entschlossen, als sie ihre Sachen packte und das Krankenzimmer räumte. Es war ihr in den vergangenen acht Tagen als ein Schutzraum erschienen, den sie nun mit fester Entschlossenheit verließ, sich selbst in ihrem Leben neuen Raum geben zu wollen.

Mit der Liebe würde sie nun unerbittlich umgehen, zuallererst mit sich selbst, und alle Versuche zurückweisen, sich selbst zu korrumpieren. Es müsste sein, auch wenn dies bedeutete, allein im Kosmos zu segeln und jener manchmal fast mit spürbarem Schmerz einhergehende Wunsch, ein Gegenüber umfangen zu wollen und mit dem Herzschlag des anderen am Ohr auf dessen Brust zu ruhen, unerfüllbar bliebe. Sie würde einfach grundsätzlich nicht mehr zur Verfügung stehen. Diese eine Lektion hatte sie wohl noch benötigt. Es sollte die letzte gewesen sein.

Der freundliche Portier, der so gerne einen weißen Mantel trug und sich damit sicher als Arzt fühlte, verabschiedete sie herzlich, als sie diesmal in ziviler Kleidung an ihm vorbei und auf den Ausgang zuging. Als sie auf die Straße trat und den kurzen Weg zum Taxi mit ihrer Tasche in der Hand zurücklegte, fiel ihr mit großer Intensität und Bewusstheit die Frische der Luft auf. Die Wintersonne schien ihr nicht mehr so bleich wie vor einer Woche. Für einen köstlichen Moment fühlte sie sich glücklich.

Ich werde mich nur mehr mit drahtigen, gesundheitsbewussten, zähen Freundinnen umgeben. Das ist essenziell in dieser Altersgruppe, denn ich will nicht in absehbarer Zeit mein Leben mit Krankenhausbesuchen ausgefüllt wissen, dachte sie und gab dem Taxifahrer die Zieladresse an.

Liebesglück

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