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VORWORT
BONO
ОглавлениеDieser innovative Mensch, der mit dem Count und dem Duke spielte, die Kings und
Queens des Pop beriet, von Prince und dem Boss beneidet wurde, dieser Mann war zutiefst bescheiden und zugleich so selbstbewusst wie der Präsident. – BONO
Q
uincy Jones war zu cool, um cool zu sein … also erfand er Coolness einfach neu … holte Zurückhaltende aus der Reserve, ließ Elitäre aus dem Haus und auf Tuchfühlung mit dem gemeinen Volk gehen … Seine Neuschöpfung der Coolness bedeutete glühende Hitze, sie war heiß wie eine brasilianische Schönheit, heiß wie eine afrikanische Königin, heiß wie New Yorks klebrige Straßen im Sommer, wie der Schweiß der Rhythmen, die er der Popmusik brachte … Die warme Ausstrahlung des Menschen Jones hauchte sogar der Figur des Musikmoguls neuen Sexappeal ein.
In habe ein Foto im Kopf – ich glaube, der große Herman Leonard hat es gemacht –, auf dem Q in den späten 1950er-Jahren zusammen mit Miles Davis im Studio zu sehen ist. Darauf hat er das Geschehen mit einer solch stillen Eleganz in der Hand, die das ganze Geschrei und die Aufregung musikalischer Ehrgeizlinge so … uncool aussehen lässt.
Das muss der Grund gewesen sein, warum ich mich dem Mann an die Fersen heften wollte.
Iren werden nicht geboren, um cool zu sein. Laut, lustig, poetisch vielleicht. Musikalisch, wortreich, entschlossen, kämpferisch vielleicht. Aber nicht cool.
Sogar Frank Sinatra bemerkte, als er uns zum ersten Mal sah: »Wow … diese irischen Typen sind die Nummer eins, aber sie haben keinen Cent für Klamotten übrig.«
Es war fast auf den Tag genau vor 20 Jahren, dass ich nach Los Angeles flog, um in Quincys Haus zu erfahren, was »das neue Cool« bedeutete. Meine Frau Ali und ich fuhren von irgendwo nach Hause und unterhielten uns über eines von Alis Lieblingsthemen: Wer würde ich sein, wenn ich erwachsen bin? Ich ließ den Namen Quincy Jones fallen als jemanden, den ich immer bewundert hatte, der Mann, der mehr als irgendjemand sonst in den letzten fünf Jahrzehnten der Musik ihre einzigartige Bedeutung gegeben hat. Kurz darauf hielt Charlie, der am Steuer saß, ohne ein Wort zu sagen vor Quincys Haus. Er hatte dort angerufen und uns eine Einladung verschafft. Es war zwei Uhr nachts und wir erinnern uns noch immer in allen Einzelheiten an das schockierende Erlebnis, Qs nächtliches Universum betreten zu dürfen.
Da stand er, elegant wie immer, sprach mit leiser Stimme und war an der Gesellschaft von Frauen etwas mehr als an der von Männern interessiert. Ali fühlte sich gleich wie zu Hause und dem Rockstar wurde eine große Bronzeskulptur in der Eingangshalle gezeigt. Sie stellte einen Schwarzen dar, der in übertriebener Pose den Hals reckte.
»Das ist Attitude.«
»Was? So ein Werk zu besitzen?«, fragte ich.
»Nein, die Skulptur heißt Attitude.«
Q kann nie jemand anderer als er selbst sein und er bringt alle um sich herum dazu, sie selbst sein zu wollen. Eigentlich hat man nur ein Problem, wenn man in seiner Nähe nicht man selbst ist. Alle waren hier willkommen, solange sie ihr wahres Selbst mitbrachten … Ich vermutete, dass eine neue Idee der Eintrittspreis war. Das und Loyalität alter Schule. An diesem Abend war auch Lionel Richie da, ebenfalls ein Absolvent der Schule für wahre Gentlemen. Quincy, so zeigte sich, ging nachts auf die Suche nach neuen Freunden, Spaß, Ideen und Musik. Er kehrte ein, wo immer Gäste gern gesehen waren, aber im Laufe der Jahre wurde sein eigenes Haus das gastfreundlichste von allen.
»Jeder ist willkommen« bedeutete, dass auch alle musikalischen Genres willkommen waren. Deshalb konnte er an einem Tag mit Peggy Lee und am nächsten mit Chaka Khan arbeiten. Als Musikproduzent versucht Q nicht, Sänger zum Vehikel seiner eigenen Stimme zu machen, sondern er will ihre Stimme groß herausbringen.
In dieser Nacht im Jahr 1988 erzählte Quincy mir, dass Sinatra bei ihm angerufen habe, der für ein neues Album ins Studio wollte. »Es ist an der Zeit, die Leute aufzurütteln«, sagte Sinatra. »Damit fängt man am besten bei sich zu Hause an, oder?«, sagte Quincy. »Aber wir müssen uns Ziele stecken.«
Wir verabschiedeten uns, als die Sonne schon orangefarben hinter den Bäumen hervorkam und sein gläsernes Haus zu erhellen begann. Er umarmte uns zum Abschied.
»Es ist toll, am Leben zu sein«, sagte ich.
»Toll, am Leben zu sein?«, sagte er. »TOLL AM LEBEN ZU SEIN ?? … NUR DARUM GEHT ES DOCH.«
Man stelle sich die Welt in hundert Jahren vor. Dann wissen die meisten Musikfans vielleicht nicht, wie die Musik des 20. Jahrhunderts chronologisch aufeinander folgte. Kam Elvis Presley vor oder nach Hiphop? War Louis Armstrong ein Zeitgenosse von Eminem? Die zeitliche Abfolge verschwimmt, je weiter sie zurückliegt. In der Zukunft wird man sämtliche Musikstücke der Welt in einem ewigen Shuffle abspielen.
Aber Musikfans, die noch nicht geboren sind, werden die Alben kennen, die Quincy Jones produzierte, arrangierte, komponierte und/oder einspielte. Sie werden Ray Charles kennen, sie werden Thriller, Lena Horne, Sarah Vaughan, Count Basie, Roots, Norah Jones, Heißblütig – Kaltblütig, Duke Ellington, In der Hitze der Nacht, Dizzy Gillespie, Frank Sinatra, Miles Davis, »We Are the World« und »It’s My Party« kennen.
Wundern wird man sich nur, dass ein einzelner Mensch in seinem Leben so viel Musik hervorbringen konnte. Q sollte sein Schaffen gut dokumentieren, sonst werden in kommenden Jahrhunderten Historiker die Theorie aufstellen, dass hinter dem Namen Quincy Jones eigentlich zwei, drei oder vier Personen standen. Archäologen werden nach Q-Klonfabriken suchen, Biologen nach einem Q-Gen forschen. Er wird als eine Art musikalischer Shakespeare gelten: Kann ein Mensch wirklich all das erschaffen haben?
Aber wir wissen es besser. Quincy hat nicht nur das alles kreiert, er hat nebenbei auch noch für Steven Spielberg und Bill Cosby Filmmusiken geschrieben, war zwischen Amerika und Afrika karitativ tätig, zog sieben Kinder groß und machte sich ein schönes Leben.
Q ist der Typ Mensch, den man als Gefährten haben möchte, egal ob zum Kirchgang oder zum Banküberfall. Er hat Sinn für die Höhen und manchmal auch die Niederungen des Lebens. Es spielt keine Rolle, wo jemand herkommt, er interessiert sich für dessen Geschichte. Seine eigene Geschichte, die hier erzählt wird, ist äußerst ungewöhnlich. Sie handelt von einem musikalischen Genie, einem begnadeten Showman, einem altmodischen Gentleman, dessen Hirn so groß ist wie sein Herz – und fast so groß wie seine Libido. Nur selten trifft man einen Menschen, der auf einer Bühne in Vegas genauso entspannt ist wie in einer dunklen Gasse in Accra, beim Karneval in Bahia – wo wir übrigens fast zu Tode getrampelt wurden – oder inmitten päpstlicher Pracht.
Was letzteren Schauplatz angeht, so bin ich Zeuge, denn 1999 reisten Quincy und ich gemeinsam nach Rom zu einem Treffen mit Johannes Paul II. Wir engagierten uns für eine weltweite Kampagne, die Regierungen dazu bewegen wollte, den ärmsten Ländern die Schulden zu erlassen. Dafür wollten wir auch den Papst gewinnen. Ich kann nicht für Quincy sprechen, aber ich war ehrlich gesagt etwas eingeschüchtert, als wir Castel Gandolfo betraten. Ich war überwältigt von der geheimnisvollen Aura der Autorität, von den Schweizer Garden mit ihren Musketen und den von Leonardo da Vinci entworfenen Uniformen. Der Papst war sehr gebrechlich. Ich war bewegt von der Mühe, die es ihn kostete, auch nur aufzustehen und uns alle zu begrüßen. Mitten in dieser Atmosphäre des Pomps und der Ehrfurcht flüsterte Quincy mir zu: »Schau … dir … die … Schuhe … an.« Der Pontifex trug an diesem Tag Budapester und dazu beige Feinrippsocken. Q sagte leise und voller Bewunderung: »Der Typ trägt Zuhälterschuhe. Echt stylish!«
Quincy unterscheidet nicht zwischen oben und unten. Nur zwischen gut und schlecht. »We Are the World« ist nicht nur der Titel seines größten Hits – es ist auch seine Lebensphilosophie. Als Musiker ist es für mich eine Ehre, im Jahrhundert von Quincy Jones zu leben. Und ein Privileg, ihn meinen Freund nennen zu dürfen.
Sollte Gott eine Jukebox besitzen, so wüsste ich, welcher Name auf den meisten Titeln steht, die er auswählt: Er beginnt mit einem Q.
© Dean Ornish
Auf Bonos Schloss in Dublin
© Dean Ornish
Bono und Q unterhalten sich über Zuhälterschuhe