Читать книгу Homo sapiens movere ~ gejagt - R. R. Alval - Страница 6

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Drei Tage waren seitdem vergangen; das Rudel inzwischen in Aufbruchsstimmung. Wenn auch nicht ganz freiwillig. Alan brachte den Großteil seines Rudels nur mit Hilfe seiner Stimme dazu, den Weg nach Spline anzutreten. Bis vor Kurzem hatte ich angenommen, dass Alan keine nennenswerte Magie beherrschte.

Doch ich wurde eines besseren belehrt.

Wie Alphas zu diesem Zauber, der sich Zwang nannte, kamen, konnte ich lediglich vermuten. Ich glaubte, dass es etwas mit der Loyalität des Rudels zu tun haben musste. Eine ähnliche Magie wie die, die während des Rituals und auch der Heilzeremonien freigesetzt wurde. Sobald Alan seine Stimme mit diesem Zwang belegte, tat jeder damit Angesprochene, was Alan von ihm verlangte. Ich hatte diesen Zwang schon einmal gespürt, als er damals dieses Flittchen zur Rede gestellt hatte, die behauptete, von ihm schwanger zu sein. Ich konnte mich jedoch nicht erinnern, dass er ihn schon einmal bei mir angewandt hatte. Hoffentlich blieb das so. Es gab nämlich einige Dinge, die er mit mir geregelt haben wollte.

Zum Beispiel diesen Blödsinn mit der einen Gefährtin.

Allerdings bezweifelte ich nicht mehr, dass wir früher oder später Sex haben würden. Mich deswegen lebenslang an ihn zu binden, kam für mich trotzdem nicht in Frage. Wir lebten schließlich nicht mehr im achtzehnten Jahrhundert; und ich war alles andere als ein Edelfräulein, deren Ruf ruiniert werden könnte.

Wir fuhren mit mehreren Autos. Alan hatte angewiesen, keine Kolonne zu bilden, um Roman so wenig wie möglich Angriffsfläche zu bieten.

Das Wetter passte übrigens hervorragend zu meiner Stimmung: trüb, nass, grau, neblig. Und sowas Ende Juni!

Wehmütig und schweigsam dachte ich an meine vernagelten Fenster, während der Van, in dem ich mit Alan und acht weiteren Gestaltwandlern saß, gemächlich Richtung Spline fuhr.

An die Fenster.

Du meine Güte!

Aber besser das, als an die vielen Leute, die in letzter Zeit gestorben waren. Laura, Humphrey, und jetzt all die Gestaltwandler, von denen ich ein paar flüchtig gekannt hatte. Tapfer verdrängte ich die Gesichter der Toten, die mich alle in meinen Träumen verfolgen würden und starrte gedankenverloren auf die Landschaft, die an uns vorbei huschte.

Allmählich kam mir die Gegend vertraut vor. Weit war es also nicht mehr bis Spline. Gott sei Dank hatte ich Alan klar machen können, dass ich, ebenso wie er, nicht in Spline bleiben würde. ‚Beleg mich bloß nicht mit Zwang!’, hatte ich ihn eindringlich gewarnt und ihm erklärt, dass er sich ansonsten auf etwas gefasst machen konnte. Als er wissen wollte, worauf genau – ha, ich sah ganz genau, wie er dabei grinste, obwohl es nicht ganz sorgenfrei war – hatte ich nur mit den Schultern gezuckt und gemeint, dass es so schon schlimm genug werden würde.

Ich sah das Wabern der Magie, die Spline wie eine Glocke einhüllte, schon mehrere hundert Meter entfernt und geriet leicht ins Schwitzen. Nicht wegen der Temperaturen, die uns erwarteten. Sondern wegen dem, was passieren würde, sobald wir Spline wieder verließen. Hätte ich mich soweit im Griff, dass ich nicht sämtliche Energie der Stadt abzog, um meine Energiereserven bis an die Schmerzgrenze zu sättigen?

Nicht das erste Mal fragte ich mich, warum mich dieser Drang nur nach meinem Aufenthalt in Spline überkommen hatte und nicht nach einem Gewitter. Wenigstens wusste ich, dass ich der Übelkeit nach einem dieser Wetterereignisse entgehen konnte, indem ich während eines Gewitters jemanden in meiner Nähe hatte. Zumindest nahm ich es an. Humphrey war sich dessen nicht ganz sicher gewesen. Wir hatten keine Zeit gehabt es auszuprobieren.

Humphrey, oh Gott.

Das erste Mal nach dem Kampf mit der Ker-Lon und Roman ergaben seine Worte einen Sinn.

Sowohl die an mich, als auch die an Alan. Wenigstens hatte ich mich von ihm verabschiedet, auch wenn ich der Meinung gewesen, selbst zu sterben.

Ob er wohl beerdigt worden war?

Hatte Alan dafür gesorgt?

Oder regelten Ker-Lon das anders?

Ich konnte mich nicht an Vieles erinnern. Außer an die Macht, die mich durchflutet hatte. An Humphreys Essenz in mir, die tröstlich und gleichzeitig berauschend gewesen war.

Was um mich herum passiert oder wie ich auf Alans Anwesen gekommen war, war hingegen wie ausradiert. Als wäre ich nicht bei Bewusstsein gewesen. Was, wenn ich es recht bedachte, die einzige Erklärung darstellte.

„Wir warten im Auto, bis alle da sind.“

Alans Stimme rief mich aus meinen Erinnerungen zurück in die Gegenwart. Während wir warteten, gab Alan letzte Anweisungen. „Miguel, ich verlasse mich auf dich. Du musst notfalls schlichten.“ Der große Mann, der mich an einen Surfer erinnerte, nickte. Sein Haar war mehr weiß als blond, kurz geschnitten wie eine Bürste und setzte sich kontrastreich von seiner sonnengebräunten Haut ab. Den anderen Männern warf Alan einen eindringlichen Blick zu. Vermutlich sollte der heißen, dass sie Miguel unterstützen sollten. „Sam, willst du noch was erklären?“ Ich räusperte mich, da ich nicht damit gerechnet hatte, dass er mich zu Wort kommen ließ.

Er war nämlich vollkommen im Alphamodus.

„Haltet euch von den Gebäuden fern. Die verleiben sich alles ein, was in ihre Nähe kommt. Geht also nicht allein durch Spline. Wenn es unbedingt sein muss, schnappt euch einen von Fiats Leuten. Die wissen, was zu tun ist.“ Garry, ein sehr hellhäutiger Wer, der jedoch auffallend schwarzes Haar und schwarze Augen hatte, knurrte missmutig. „Haltet euch daran!“, befahl Alan, „Euer Leben hängt davon ab. Gegen die Magie in Spline kommt ihr nicht an.“ Abermals knurrte Garry. Es wunderte mich, dass er mir nicht vor die Füße spuckte. „Sie ist auch allein dort gewesen. Oder liege ich falsch, Boss?“ Alan schnaufte. „Sie ist eine Saphi. Außerdem deine Alpha. Wären wir nicht in einer solch kritischen Lage, in der ich auf euch alle angewiesen bin, würde ich dir eine Lektion erteilen.“ Alans Stimme klang derart hart, dass ich beinah die Zähne spürte, die sich in die Haut von Garry gruben. Prompt zuckte dieser zusammen und sah schuldbewusst auf seine Füße. „Mögen unsere Götter uns vergeben, dass wir vor Fiats Füßen im Staub kriechen, weil wir mit einem Vampir überfordert sind.“, setzte Alan hinterher, um die Stimmung ein wenig aufzulockern.

Das komische Lachen, was Garry von sich gab, ließ mich vermuten, dass er in seiner Tierform eine Hyäne sein musste. Natürlich konnte ich auch vollkommen falsch liegen und er wäre ein… Karnickel. Was wusste ich schon?

In der Zeit, die wir warteten, quetsche Surferboy mich über Einzelheiten aus, was in Spline noch zu erwarten war. Ich sah ihm an, dass er sich weder die Hitze, noch die flirrende Magie, noch die lebenden Gebäude vorstellen konnte.

Als endlich alle Gestaltwandler versammelt waren, die Autos abgeschlossen, wir langsam nass wurden vom Regen, während Alan auch den anderen lebenswichtige Tipps erteilte und wir schließlich die Grenze zu Spline überquerten, wurde Surferboy eines Besseren belehrt.

Es dauerte nicht lange, bis sämtliche Gestaltwandler stöhnten und ihre Jacken auszogen.

Manche sogar ihre Shirts.

„Bleibt dicht beieinander und vor allem hinter Sam!“, brüllte Alan, der den Schluss des Rudels bildete. Ich hingegen hatte gehörig damit zu tun, die Gebäude von einer Fressorgie fernzuhalten.

Sie kamen von überall.

Sogar von unten.

Meine Kräfte nutzend und gleichzeitig die Energie in mich aufsaugend, blockierte ich alles, was sich mir – uns – in den Weg stellte.

Ohne dass die Were etwas davon mitbekamen.

Bis einige der Gestaltwandler murrten.

Ihrer Meinung nach kämen sie schneller in dieser Hitze voran, wenn sie selbst vorausgehen würden. Lächelnd verschränkte ich die Arme und drehte mich um, so dass sie abrupt stehen blieben. „Ihr denkt, ihr schafft es allein? Nun, dann sollte ich wohl einfach nichts mehr tun. Ihr wisst es schließlich besser, hm?“ Ein ziemlich mutiger Wer gab mir die Antwort, die ich bereits vermutete. „Du tust doch nichts, außer dass du vornweg läufst.“ Alans Knurren ignorierte ich und gönnte ihm einen scharfen Blick, der ihm sagte, dass er sich nicht einmischen sollte. „Oh? Weil ich nicht brülle, schreie und mir Fell und Klauen wachsen? Ihr müsst noch einiges lernen.“ Dabei sah ich Alan an, dessen Augen vor Wut dunkel glitzerten.

Diese Schlacht musste ich allein schlagen. Selbst wenn ich offiziell ihre Alpha war, erkannten sie mich nicht an. Das würde sich dadurch hoffentlich ändern.

„Als Mensch kann ich eurer Meinung nach nichts für euch tun, richtig? Dann seht zu, wie weit ihr allein kommt.“ Das zustimmende Murmeln wurde lauter. Alan hingegen kochte vor Zorn. Mit einem kaum merklichen Kopfschütteln hielt ich ihn davon ab, Zwang zu benutzen. Die Were mussten erkennen, dass ich weit hilfreicher war, als sie glaubten.

Ohne eine sichtbar wahrnehmbare Bewegung ließ ich sämtliche Energien, die die Gebäude in Schach hielten, fallen.

Es kostete mich weit mehr Anstrengung, das zu tun, als die meisten glauben mochten. Trotzdem schaffte ich es, indem ich mich auf die unmittelbare Energie von Spline konzentrierte und stattdessen diese in mich aufsaugte wie einen Schwamm. Oh ja, das war es. Ich fühlte, wie ich trunken wurde von der Macht, die mich wie kühles Wasser durchflutete.

Gleichzeitig begannen die Gebäude, sich zielstrebig auf die sofort in Alarmbereitschaft gesetzten Were zu zubewegen.

Und das nicht unbedingt langsam.

Meine Energien zogen sie ebenso an wie das lebendige Pulsieren in den Adern der Were. Von mir hielt ich sie auf Distanz, was auf den Rest des Rudels, abgesehen von Alan und ein paar weniger aufmüpfigen Gestaltwandlern, nicht zutraf.

Ein Großteil der anderen wandelte sich in ihre Kampfgestalt, während der Rest versuchte, den Wänden und Stahlträgern durch Schnelligkeit zu entkommen. „Sam!“, fauchte Alan, der wohl der Meinung war, sie hätten ihre Lektion bereits gelernt. „Was? Sie schaffen es doch ganz allein.“

Taten sie nicht.

Aber das wollte ich aus ihren Mündern hören.

Nicht aus Alans.

Mir war bewusst, dass Fiat dieses lustige Treiben von irgendwo aus beobachtete. Wenn nicht sie selbst, dann einer ihrer Leute. Und es war mir ein Vergnügen, die dickköpfigen, arroganten Were von Alans Rudel wie die verängstigten Häschen umher flitzen zu sehen. Dass dies aussichtslos war, erkannten die ersten ziemlich schnell.

„Bitte!“, keuchte der, der vorhin seinen Mund am weitesten aufgerissen hatte. „Ich habe mich geirrt. Wir haben uns geirrt!“ Meine Arme immer noch verschränkt, zog ich eine Augenbraue in die Höhe. Ich hätte ihn gern in seiner Ehre gekitzelt. Er und auch die anderen sollten sich ganz, ganz, ganz sicher sein, dass ich zu mehr fähig war, als sie sahen.

Zu meiner Verblüffung tat der Wer nichts Unüberlegtes oder Dummes, wie es erneut zu versuchen, nachdem ich ihn schweigend und sogar ein wenig überheblich musterte.

Vermutlich weil er wusste, dass er keine Chance hatte.

Die Gebäude waren nichts, womit er einen Kräftewettstreit auszutragen vermochte.

Tief Luft holend bündelte ich die magischen Energien an mich, saugte sie auf, ergötzte mich daran und nahm den Gebäuden dadurch jegliches durch diese Magie eingehauchtes Leben. Die Augen der meisten wurden groß, als sie sahen, wie mühelos ich diese Aufgabe händelte.

Und vor allem, wie wenig sie davon sahen.

Klar brüllte ich nicht oder machte seltsame Bewegungen wie ein Schlangenbeschwörer. Der Effekt wäre sicher umwerfend. Doch das hatte ich nicht nötig.

Allein das Erstarren der Gebäude sorgte für den nötigen Respekt.

„Danke.“ Der Wer, der vorhin so großkotzig gewesen war, verneigte vor mir den Kopf.

Vor mir!

Wow, vielleicht hätte ich schon eher irgendeine tolle Show vorführen sollen? Hm… nein… eigentlich nicht. Ich legte keinen großen Wert darauf eine Alpha zu sein. Trotzdem hatte mir diese Vorführung meiner – für die meisten unsichtbaren – Talente einen kleinen Kick verschafft. Alan nickte zufrieden, während wir unsere Prozession fortführten. Langsam näherten wir uns Fiats Unterschlupf.

Es wunderte mich nicht, dass wir beim Eintreffen schon von Fiats Leuten erwartet und sogar willkommen geheißen wurden. Obwohl es den meisten von Alans Rudel – Alan inbegriffen – zuwider sein musste, Asyl bei Fiat zu finden.

Trotz allem betraten sie reichlich ehrfürchtig deren Haus.

Seltsam.

Sonst sprachen sie von Fiat wie von einer Aussätzigen.

Hier jedoch krochen die Were fast zu ihren Füßen. Beziehungsweise zu den Füßen der Leute, die zu Fiats Rudel gehörten. Oder Nest, wie Alan es nannte.

Die samtweiche Stimme von Fiat hätte ich selbst im Dunklen erkannt. „Alan Garu, welch doch recht unerwartete Freude, dich in meinem bescheidenen Heim begrüßen zu dürfen.“ So unerwartet konnte die nicht sein. Schließlich war Fiat weit besser auf dem Laufenden als man meinen mochte. „Werte Fiat Moon, ich danke Euch, dass Ihr mein Rudel unter euren Schutz stellt.“, erwiderte Alan, sich tief vor Fiat verbeugend.

Das… ich… äh…

Um Himmels Willen, jetzt stotterte ich schon in Gedanken!

Aber zu sehen, wie Alan sich vor jemandem verneigte, sah ich wirklich nicht alle Tage. Selbst seine respektvolle Anrede musste ich erstmal verdauen. Während ich versuchte, meinen Kiefer daran zu erinnern, wie man diesen schloss, sah ich verwirrt von Alan zu Fiat, die kaum merklich zu Alan nickte und ihm versicherte, dass es ihr keine Umstände bereite.

So viel zu der unerwarteten Freude.

Fiat hatte genau gewusst, dass Alan aufkreuzen würde. Samt Rudel. Denn alle, die mit uns gekommen waren, wurden von Fiats Leuten mit freundlichen Aufforderungen zu ihren vorübergehenden Quartieren geleitet. Trotzdem: Das Bild, wie Alan sich Fiat unterordnete, passte nicht. Schon möglich, dass er auf ihre Hilfe angewiesen war. Doch im Moment sah es so aus, als wäre Fiat eine Königin und Alan jemand, der um Almosen bettelte. Dabei konnte er Fiat doch gar nicht leiden.

„Sam, meine Liebe. Wie geht es dir?“ Lächelnd zog sie mich in eine mütterliche Umarmung, was Alans Mund fassungslos aufklappen ließ. Am liebsten hätte ich laut gelacht. Stattdessen umarmte ich Fiat ebenso fest und antwortete ihr, dass es schon bessere Zeiten gegeben hätte. „Der Briam, hm? Komm, lass uns was trinken. Allzu lang wirst du vermutlich nicht bleiben können, oder?“ Konnte ich nicht.

Dass Fiat darauf Rücksicht nahm, fand ich kaum verwunderlich. Schließlich mussten wir Frauen zusammenhalten. Ob nun Wer oder Mensch sei dahingestellt. Dass Fiat eine Alpha war, ließ ich wissentlich außer Acht. Es war bedeutungslos.

Alan links liegen lassend, schlenderten wir – Fiat bei mir untergehenkelt – in das Zimmer mit dem herrlichen Kamin, in dem ich schon das letzte Mal gewesen war. Wir begannen angeregt miteinander zu plaudern. Hauptsächlich ging es dabei um Roman. Aber wir kamen auch auf das Thema Gefährtin zu sprechen. Dass Alan mich noch nicht an sich gebunden hatte, verwunderte Fiat weit mehr, als sie möglicherweise bereit war zuzugeben.

„Jetzt bist du in meiner Achtung noch mehr gestiegen. Ich weiß, dass es schwierig – und ab einem gewissen Punkt sogar unmöglich – ist, sich dem Ruf dieser Magie zu widersetzen. Umso mehr, da es sich um Alan handelt. Er mag in vielerlei Hinsicht ein Arsch sein, aber er sieht umwerfend aus. Es freut mich, dass du ihn so lange zappeln lässt. Auch wenn es – leider – unausweichlich ist, Sam.“ Dessen war ich mir bewusst und doch sträubte sich alles in mir dagegen. Klar wollte ich mit Alan ins Bett. Aber deswegen mein normales Leben aufgeben und für immer an Alan gebunden sein?

Auf ewig?

Bis ich die Radieschen von unten ansah?

Das erschien mir ein wenig… hm… lang.

Ich hatte für mich etwas anderes vorgesehen. „Mit der Zeit kommt die Liebe, Sam. Wenn es soweit ist, wird er dich auf Händen tragen. Egal, ob du das willst oder nicht. Er wird mehr um deine Sicherheit besorgt sein, als um seine eigene. Er wird dir jeden Wunsch von den Augen ablesen, deine Meinung wissen wollen. Du wirst der Inhalt seines Lebens sein. Die Magie der Gefährtenbindung sorgt dafür, dass ihr zusammenkommt. Egal, welche Gefühle ihr jetzt füreinander hegt. Ihr könntet euch hassen und doch könntet ihr einander nicht widerstehen. Doch die Liebe kommt, Sam. Wahrscheinlich nicht sofort, doch sie wird kommen. Manchmal muss man nur ein wenig geduldiger sein.“

Liebe.

Ich war mir sicher, dass ich mich in Alan verlieben könnte. Aber ob er dazu fähig war? Als Alpha, dessen Rudel über allem stand? „Gibt es Ausnahmen?“ Fiat nickte langsam nach einer sorgenträchtigen, lautlosen Minute. „Ja.“ Ja? Mehr nicht? „Gibt es besondere Gründe dafür?“ Wieder nickte sie. Diesmal mit einem schwachen, beinah wehleidigen Lächeln. „Die Loyalität eines Alphas liegt nicht zwangsläufig bei seiner Gefährtin. Da dies der Natur zuwider ist, kann es dazu führen, dass jegliche Gefühle, die die Gefährtin oder den Gefährten betreffen, zum Schweigen gebracht werden. Aber die Bindung, Sam, wird dennoch bestehen. Ich hoffe für dich, dass Alan nicht zu diesen Ausnahmen gehört.“ Das war schlecht.

Was mein Glück in letzter Zeit betraf, stand ich bei ihm nicht zwingend an erster Stelle.

Oder überhaupt irgendwo auf der Liste.

Was, wenn ich mich in Alan verliebte und er in mir trotzdem nichts anderes sah als die Frau, die ihm starke Nachfahren gebären konnte? Nein, das wäre nichts für mich. Ich musste mich solange mit Händen und Füßen gegen ihn wehren, bis ich mir sicher sein konnte. „Also, wenn wir keinen Sex haben, gibt es keine Bindung, richtig?“ Fiat nickte. „Was aber noch wichtiger ist: Wenn die Bindung erst einmal besteht, kann er dich nicht mit einer anderen Frau betrügen. Auch dann nicht, wenn er ein halbes Dutzend blaue Pillen einwirft. Solltest du einmal mit ihm schlafen, Sam, wirst du ihn nie – hörst du – nie wieder los! Egal, ob ihr vögelt wie die Wilden, ob ihr unterbrochen werdet oder nur einer von euch zum Höhepunkt kommt. Ähnlich einer Entjungferung: Drin ist drin; das ist genug. Die Magie der Bindung ist… wie soll ich es am besten erklären… Stell sie dir vor wie ein Siegel, das sich in dem Moment aktiviert, in dem ihr eins werdet. Das war jetzt sehr vereinfacht, aber hoffentlich bildlich genug. Eine Magie, die lebenslang hält.“ Das klang wie eine Warnung.

Eine sehr ernst zu nehmende, die mir noch eine Zeit lang in den Ohren nachhallen würde.

„Verstehe. Dann wird er wohl noch eine Zeit schmoren müssen.“

Und ich auch.

Nur für ein bisschen Spaß gedachte ich nicht meine Zukunft wegzuwerfen. So plemplem war ich nicht. Sogar wenn meine Hormone mich in Alans Nähe dazu brachten, mich sehr, sehr unvernünftig zu benehmen. Wobei: Nach Fiats Erklärung schien es zu genügen, wenn Alans Schwanz meiner Vagina nur mal kurz Hallo sagte. Ein wenig dürftig, oder? Dabei hatte ich immer angenommen, es hinge mit dem Samenerguss zusammen. Wie sehr man sich doch irren konnte.

„Komm, Sam. Alan dürfte vermutlich inzwischen platzen, weil wir zwei uns so lang unterhalten haben.“ Huch, waren wirklich schon drei Stunden vergangen? Entweder das oder meine Uhr ging falsch. „Darf ich dich noch was fragen?“ Fiat nickte lächelnd. „Klar. Ich vermut,e es geht darum, dass Alan und sein Rudel mich derart respektvoll behandeln, obwohl ich mir sicher bin, dass sie nichts lieber tun würden, als mir in den Hintern zu treten, richtig?“ Wow, konnte diese Frau auch noch Gedanken lesen?

Betreten schaute ich zu Boden und nickte.

„Er hat es dir nicht gesagt.“ Mir was gesagt?

Stirnrunzelnd sah ich sie an und erkannte, wie sie mit sich selbst rang. Was verschwieg sie mir? „Ist es etwas Schlimmes?“ Fiat lachte. Ein melodiöses Lachen, dass wunderbar zu ihren anmutig gleitenden Bewegungen passte. „Nein. Es sei denn, du verhältst dich mir gegenüber dann auch so ... unterwürfig. Dann werde ich dir in den Hintern treten müssen.“ Sie sollte es endlich ausspucken und mich nicht so lang auf die Folter spannen! „Wir sind Naga.“

Aha.

Falls da was bei mir klingeln sollte, es klingelte nicht. „Hmhm.“ Eine sehr intellektuelle Antwort von mir. „Und was soll das sein?“ Ihr melodiöses Lachen wurde von einem breiten Grinsen begleitet. „Halbgötter. Wir sind Halbgötter.“ Fiat wollte mich wohl auf den Arm nehmen. „Klar. Und ich bin Kleopatra.“ Ihr Lachen verstummte, das Grinsen aber blieb. „Das war kein Scherz, Sam. Erinnerst du dich daran, als du damals gefragt hast, ob Roman eine unserer Frauen umgebracht haben könnte? Es wäre ihm nicht möglich gewesen. Naga sterben nur durch die Hand eines anderen Naga. Alle anderen Verletzungen – und seien sie auch noch so schwerwiegend – heilen.“ Meine Augen drohten mir aus dem Kopf zu fallen.

Sie machte echt keinen Witz, oder?

„Aber… warum bezeichnen euch Alan und die anderen dann als…“, ich musste kurz nachdenken, „…keine echten Were? Sie meinen, ihr könnt keine vollkommen tierische Gestalt annehmen? Wie kommen sie auf diesen Gedanken, wenn ihr doch… Halbgötter seid?“ Fiats Augen glitzerten belustigt, wobei ich das Gefühl hatte, dass die sich irgendwie veränderten. War es die Farbe? Sie schienen fast von innen heraus zu leuchten. Ein glühendes Gelbgrün, dass intensiver kaum sein konnte.

Abgesehen davon irritierten mich ihre Pupillen.

Bei unserer ersten Begegnung hatte ich angenommen, es handelte sich um eine Täuschung. Doch jetzt erkannte ich, dass sie tatsächlich anders waren. Nicht rund, sondern länglich geschlitzt. „Ich zeige es dir.“ Zeigen? Verdammt! In letzter Zeit machten meine Gedanken einem Papagei Konkurrenz. Furchtbar. Es reichte doch, wenn es gesagt wurde. Ich musste es gedanklich nicht wie ein Echo wiederholen.

Mit fließenden Bewegungen entledigte sich Fiat ihres Kleides, unter dem sie nichts trug.

Gar nichts.

Nur makellose Haut über wohl definierten Muskeln. Völlig ungeniert stand sie mir nackt gegenüber und sah mir tief in die Augen. Wahrscheinlich waren es diese Augen, die mich nicht losließen; mich zwangen hinzusehen. Dabei wollte ich meine angesichts des hellen Lichts, von dem Fiat plötzlich umgeben war, schließen.

Magie.

Anders als alles, was ich bisher gefühlt hatte.

Anders als die Magie von Spline, die ich schmecken konnte.

Anders als die Magie, die Humphrey benutzt hatte.

Älter, reiner und stärker als alles, was ich mir hatte vorstellen können.

Gewaltig!

In dem tanzenden Licht verschwanden Fiats wunderschöne Haare unter einer silbrig glänzenden Platte, die sich aus ihrer Stirn über ihren Schädel bis in ihren Nacken schob, in dem sie wie eine Verstärkung verharrte. Auf ihrem gesamten Oberkörper und ihren Armen bildete sich silbrige Schuppen, die sich übereinander schoben und dabei leise klirrten. Von der Taille abwärts jedoch – erstaunt schnappte ich nach Luft – war sie noch nicht einmal mehr menschenähnlich. Ihre Beine waren verschwunden. Stattdessen bestand ihr Unterkörper aus dem Leib einer Schlange, der derart muskulös war, dass Fiat weiterhin aufrecht vor mir stand. Das Ende reichte ein ganzes Stück weiter hinter sie ins Zimmer hinein. Würde sie sich vollkommen aufrichten, wäre sie sicher sieben Meter groß. Möglicherweise sogar noch größer. Ihre Fingernägel wuchsen auf eine beachtliche Länge und glitzerten scharf und sehr, sehr spitz.

Trotz dieser grotesken Mischung aus Schlange und Mensch war ihre Erscheinung alles andere als abstoßend. Äußerst anziehend und charismatisch. „Dies ist meine echte Gestalt. Die des Menschen ist eine gewandelte. Es gibt durchaus Naga, die eine vollkommene tierische Gestalt annehmen können. Denen bleibt jedoch die menschliche vorenthalten. Du siehst, wir sind anders als Were und doch gar nicht so verschieden. Nur nennen wir uns nicht Gestaltwandler, obwohl wir doch ebenso wie sie zur Familie der Metamorph zählen. Freilich haben wir eine andere Abstammung. Doch das dürfte in den Augen der Menschen nebensächlich sein. Fakt ist, wir wandeln unsere Gestalt. Wenn auch nur zur Tarnung. Menschen und Götter – selbst wenn wir nur Halbgötter sind – es geht einfach nie gut. Du hast selbst gesehen, wie Alan sich uns gegenüber verhält. Und der ist weit entfernt davon ein Mensch zu sein. Er müsste es nicht tun. Er weiß, was wir sind und hält sich an die Etikette. Vermutlich aus Respekt. Oder weil er nicht weiß, wie er sonst mit uns umgehen soll. Ich für meinen Teil möchte ihn gar nicht aufklären, dass die Einhaltung der Etikette unnötig ist.“ Verschmitzt lächelte sie mich an, was ich mit einem ebenso schelmischen Grinsen erwiderte. „Von mir erfährt er nichts.“ Mit einer Geste, die einen Reißverschluss andeutete, verschloss ich meinen Mund und warf den imaginären Schlüssel weg. „Ich mag dich wirklich, Sam.“

Fiat nahm wieder ihre menschliche Gestalt an, schlüpfte in ihr Kleid und wies mich mit einem Kopfnicken darauf hin, dass wir zu Alan gehen sollten. „Vermutlich geht er bereits die Wände hoch, weil er sich sonst was denkt, was ich mit dir anstelle.“ Ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen.

Ich lachte auch dann noch, als wir Alan, dessen finsteres Gesicht sofort von Erleichterung überzogen wurde, erreichten. „Solltet ihr unsere Hilfe brauchen, zögert nicht, zu fragen, Sam. Wir können diesen Briam zwar nicht unschädlich machen, aber wir können ihn ein wenig aufhalten. Die Magie der Ker-Lon wirkt auf uns nicht.“ Ich bedankte mich; auch im Namen von Alan.

Der stand wie angewurzelt neben mir und brachte keinen Ton über seine Lippen.

Und das nicht etwa, weil er sich zu fein dafür war, sondern weil er – es stand im quer über sein schönes Gesicht geschrieben – völlig verdattert war, dass Fiat und ich derart vertraut miteinander umgingen. Dass diese mir sogar freiwillig ihre Hilfe anbot, ohne dass ich vor ihr im Staub kriechen musste. Obwohl ich nicht zu fein wäre, das falls nötig zu tun.

Für das Wohlergehen meiner Familie würde ich alles tun. Selbst wenn das eben hieße, mich anderen bettelnd vor die Füße zu werfen.

Notfalls sogar vor Alan.

Auf dem Rückweg von Spline waren wir beide sehr ruhig. Alan, weil er vermutlich noch mit dem Erlebten fertig werden musste; ich, weil ich mit den Nachwirkungen von Spline zu kämpfen hatte. Ich befürchtete, jeden Moment Alans Wagen zu brutzeln.

Oder Alan selbst.

Die Stimmen in meinem Kopf rieten mir Dinge, die verlockender und süßer erschienen, je näher wir der Stadt kamen. Bereits jetzt konnte ich das Summen der Energie fühlen. Das Rauschen der Energieteilchen, die die Haushalte versorgten, die Straßen belebten und die Stadt funktionieren ließen.

Mehr, mehr, mehr…, flüsterte es in meinem Kopf. Lass uns kosten… es ist genug da… mehr… lass uns kosten…

Als reichte es nicht aus, dass sich winzige Dämonen in meinen Schädel eingenistet hatten, die mich unbarmherzig mit ihrem Singsang traktierten, begann meine Haut zu jucken, als wolle sie den geflüsterten Worten Nachdruck verleihen. Wie sollte ich nur ohne Humphrey stark genug sein, diese Tortur zu überstehen?

„Sam, alles ok?“ Alans Frage klang furchtbar verzerrt, nachdem sie sich erst ihren Weg durch das Flüstern der Stimmen bahnen musste. Meine Hände zusammenballend und die Zähne fest zusammenbeißend, schüttelte ich langsam den Kopf.

Nichts war ok.

Humphrey war tot.

Meinetwegen.

Das Rudel hatte große Verluste erlitten und musste in Spline Asyl suchen.

Meinetwegen.

Und jetzt kämpfte ich mit Kräften, die in mir tobten und das Schicksal der Stadt beeinflussen könnten. Wenn ich diesen Kampf nicht gewann, würde ich nicht nur die Stromversorgung lahmlegen. Möglicherweise würde ich sämtliche Einwohner auf dem Gewissen haben. Denn nach meiner Energieaufnahme kam es unweigerlich zu einem Ausbruch.

Meinerseits.

Mir blieb also keine Wahl außer stark genug zu sein. Ich musste diesen Stimmen Einhalt gebieten. Meine Fähigkeiten unter Kontrolle halten. Den lockenden Energiemengen widerstehen.

Ich war derart damit beschäftigt, meine inneren Dämonen zu zähmen, dass ich nicht bemerkte, wie Alan den Wagen stoppte.

Mich abschnallte.

Ausstieg.

Die Beifahrertür öffnete und mich sanft in seine Arme zog.

Ich fühlte mich bereits sicherer und fähig, stark genug zu sein, ehe ich begriff, dass ich an seiner breiten Brust lag. Umschlungen von seinen muskulösen Armen. Zufrieden seufzend schloss ich die Augen. Vermutlich hatte Alan keine Ahnung, wie dankbar ich ihm für diese unerwartete Geste war. Oder wie viel Kraft er mir damit gab.

In diesem Moment war er der Mittelpunkt meiner Welt.

Sein kräftiger, gleichmäßiger Herzschlag übertrug sich auf mich; ließ mich vollkommen ruhig werden. Ein willkommener, harmonischer Gleichklang nach dem wilden, lockenden Chaos in meinem Kopf. Seine Hände auf meinem Rücken streichelten die letzten quälenden Stimmen mühelos von mir.

Als hätten sie nie existiert.

Bisher hatte ich nicht geglaubt, dass so etwas möglich war. Dass Alan dazu imstande sein konnte, diese Gier zu besänftigen. Noch nicht einmal Humphrey hatte das fertig gebracht. Lag es daran, dass Alan mein… dass er der Mann war, der mich als seine Gefährtin sah?

Dass das Schicksal uns füreinander bestimmt hatte?

„Danke.“, murmelte ich an seine warme Brust, an die ich mich inniger schmiegte, als ich es mir noch vorhin bei Fiat vorgenommen hatte. Selbst meine Arme, die eben noch nutzlos an meinen Seiten gebaumelt hatten, hatten sich um Alans Taille geschlungen. Meine verkrampften Hände hatten sich gelockert und lagen flach auf seinem Rücken. Seine harten Muskeln konnte ich deutlich spüren. Am liebsten wäre ich ewig in dieser Umarmung stehen geblieben.

Doch das Leben hatte wie immer andere Pläne.

„Wie… süß. Rührend… Habt ihr euch lieb?“

Romans Stimme klang scharfen Nägeln ähnlich, die über eine Schultafel kratzten. Sie hinterließ ein Frösteln auf meiner Haut und sorgte dafür, dass meine Augenlider angewidert flatterten. Alan versteifte sich für den Bruchteil einer Sekunde, bevor er mich hinter sich in Sicherheit schob.

Als ob das etwas nützte!

Ich keuchte entsetzt, als Roman näher kam, wobei er mehr glitt als dass es man es laufen nennen konnte. Sein Gesicht glich einer ausdruckslosen, schönen Maske, die keinerlei Gefühle preisgab. „Bleib hinter mir!“, zischte Alan, dem die Situation erheblich mehr zusetzen musste als mir.

Schließlich war Roman sein bester Freund.

Oder war es zumindest gewesen.

Eigentlich sollte ich froh sein, dass es nicht Humphrey war, der uns gegenüberstand. Aber nachvollziehen zu können, wie Alan sich fühlen musste, tat mir dennoch weh.

„Alan, Alan.“, tadelte Roman seufzend mit schnalzender Zunge, als wäre der Mann, der mich deckte, ein ungezogenes Kind. „Meinst du, du kannst mich aufhalten? Wie töricht von dir.“ Ohne, dass ich eine Bewegung von Roman bemerkte, flog Alan in hohem Bogen seitlich – und mit gewaltiger Kraft – krachend gegen das Auto und sackte an diesem bewusstlos zusammen. Aus seinem Mund tropfte Blut, während ich wie angewurzelt stehen blieb, um das ebene Gesehene zu begreifen.

Roman hatte nichts getan.

Kein Blinzeln.

Kein Fingerzucken.

Kein Wort.

Nichts!

Und trotzdem war Alan wie eine Stoffpuppe durch die Luft geschleudert worden. Ohne mich mit sich zu reißen. Wie viel gottverfluchte Macht hatte dieser Mistkerl? Der Schock und mein sofort aufkeimender Zorn brachten all die Energie, die ich in Spline aufgenommen hatte, an die Oberfläche und den Drang, den Alans Umarmung beschwichtigt hatte, vollständig zurück. Doch obwohl ich spürte, dass Roman vor magischer Energie knisterte, fand ich keine Möglichkeit sie ihm zu entziehen.

In Sekundenbruchteilen entschied ich mich um.

Wenn er mir keine geben wollte, dann musste eben ich diejenige sein, die austeilte. Ich entlud meinen ganzen Zorn auf den reglos lauernden Vampir, der sofort in eine gleißende Energiewand eingehüllt wurde. Innerlich triumphierend und mich gleichzeitig bei Alan entschuldigend, war ich geschockt, als sich ein Arm um meine Kehle legte und Roman mir ins Ohr raunte, dass ich mich schon ein wenig mehr anstrengen müsste.

Die Energieflämmchen tänzelten weiter über meine Haut, aber ich selbst erstarrte regelrecht. Chakren. Ich kannte Romans Chakren!

Hastig stieß ich das erste Wort hervor, doch außer einem schnurrenden Lachen passierte nichts. „Ach, kleine Sam. Wie dumm von dir. Schon vergessen, dass ich nicht mehr nur ein Vampir bin?“ Verdammter Bockmist!

Das hatte ich tatsächlich nicht bedacht.

Denn das hieß, dass seine Chakren nicht mehr die waren, die ich kannte. Er war jetzt ein Briam.

Und dessen Energiepunkte hatte ich nie beeinflusst. Ich kannte sie nicht. Vermutlich würde ich sie gar nicht entwirrten können. Ebenso wenig wie Humphreys.

Bedächtig langsam wanderte Romans freie Hand von meiner Schulter, zu meinem Busen und weiter zu meinem Bauch – wobei sie ein flammendes Begehren auslöste – und wieder hinauf. Dabei legte er meinen Kopf leicht beiseite. „Hmm, so klein. So zart. So weich. So… zerbrechlich.“

Romans Raunen war gefährlich.

Sein Atem auf meinem Hals sorgte für eine Gänsehaut, die ich nicht abzuschütteln vermochte. „Was meinst du, kleine Sam, soll ich dich kosten?“ Hatte ich ein Mitspracherecht? Entrüstet wollte ich aufbegehren, doch mein Körper gehorchte mir nicht. Sogar meine Stimme versagte. Zielsicher rutschte Romans Arm von meiner Kehle zu meiner Taille, die er besitzergreifend umschlang, während er mit sanfter Stimme flüsterte, dass ich berauschend roch.

Oh, ich hasste diese Vampirerotik!

Dagegen war ich ebenso wenig gewappnet wie gegen einen Meteoriteneinschlag. Mich schauderte vor Wolllust. Etwas, wogegen ich herzlich wenig unternehmen konnte. Es war mir schlichtweg unmöglich, nicht auf Roman zu reagieren. Ich war wie Wachs in seinen Händen, als er mich umdrehte, ein Knie zwischen meine Beine schob, meinen Unterleib eng an sich presste, meinen Kopf nach hinten bog und seine Zunge tanzend über meine Lippen gleiten ließ.

Ich öffnete sie ihm bereitwillig.

Es war kein sanfter Kuss.

Roman verschlang mich mit einem Feuer, dem ich nicht entrinnen konnte. Seine unbändige Macht schloss sich wie ein erdrückender Handschuh um mich. Ich konnte kaum atmen, so sehr war ich von ihm, seinem unnachgiebigen Mund und seiner forschenden Zunge gefangen. Romans Hände packten fester zu, während er sein Knie gegen meine pochende Mitte presste. Mein Wunsch, ihn zu flambieren oder schreiend wegzurennen, war abgelöst von dem wahnwitzigen Verlangen, mich von ihm in Besitz nehmen zu lassen.

Ein klitzekleiner Rest meines Verstandes ganz hinten im Kopf kreischte entsetzt auf, als ich mich begehrend an Romans Bein rieb, ihn umklammerte, meine Nägel in seinen Rücken bohrte, meine Hände durch seine Haare gleiten ließ, seinen Nacken umschlang und ihm damit signalisierte, dass er alles mit mir anstellen konnte, wonach ihm beliebte.

Mein Keuchen, als ich in einem derart intensiven Höhepunkt kam, dass ich haltlos zitterte, war selbst in meinen Ohren viel zu laut.

Umso größer war meine Beschämung, als ich bemerkte, dass Roman nicht annähernd so erregt war wie ich. Seine Lippen lagen immer noch auf meinem, verzogen sich aber zu einem Grinsen, das abwertender kaum sein konnte. Sein fester, schon schmerzhafter Griff lockerte sich nicht, als er seinen Mund von meinem löste und mich mit seinen silbrig-blauen Augen ansah, als wäre ich ein ekelhaftes Insekt.

„Wie schamlos.“ Sein Lächeln erreichte seine Augen nicht.

„Sag, kleine Sam, hat Alan dich zum Schreien gebracht? Hat er dich gut gefickt?“ Vor Entrüstung klappte mein Kiefer nach unten. Ich weigerte mich, ihm eine Antwort zu geben. Das hier war beschämend genug. Ich musste ihm nicht mitteilen, dass ich weder mit Alan geschlafen hatte, noch gedachte, es in nächster Zeit zu tun. Natürlich wollte ich es, aber die Konsequenzen dessen wollte ich nicht tragen. „Oh?“ Überrascht zog Roman eine Augenbraue in die Höhe. Unmöglich!

Er…

Natürlich.

Ich Dummkopf!

Selbst wenn Roman jetzt ein Briam war – halb Ker-Lon, halb Vampir – so konnte er immer noch meine Gedanken lesen. „Er hat sich noch nicht an dich gebunden. Zu schade. Dann muss ich wohl noch eine Weile warten.“ Er nahm meinen Mund derart grob in Besitz, dass ich vor Schmerz wimmerte, ehe er sich mit ausdrucksloser Miene von mir verabschiedete. „Man sieht sich, kleine Sam. Bis dahin…“

Ich taumelte und plumpste rücklings auf meinen Allerwertesten, als Romans Griff sich durch dessen Verschwinden abrupt löste und ich den Halt verlor.

Gott, was habe ich nur getan?

Mein schlechtes Gewissen rang mit meiner Sorge um Alan, der sich nach wie vor bewegungslos neben dem Auto befand. Mit wackeligen Beinen rappelte ich mich auf, torkelte zu Alan und war froh, dass seine Atmung regelmäßig und sein Puls kräftig war. Abgesehen von dem kleinen Rinnsal Blut, was aus seinem Mund floss, sah er aus, als ob er schlief.

Mit großer Anstrengung gelang es mir, ihn in den Van zu verfrachten.

Ihn zu wecken hatte ich aufgegeben.

Ein paar Leute des Rudels waren immer noch da: Josh, Maya, Matthes und ein paar andere – der harte Kern.

Sie würden mir helfen können.

Sie mussten mir helfen können!

Homo sapiens movere ~ gejagt

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