Читать книгу Rudi und der Taschendrache - R. Seybold - Страница 6
Staubiger Schreck
ОглавлениеEin Rascheln schreckt Rudi aus dem Schlaf. Er schaut sich im Zimmer um. Staubpartikel flimmern in den schmalen Sonnenstrahlen, die durch die Schlitze des Rollladens scheinen. Da ist das Geräusch wieder. Es kommt direkt unter dem Hochbett hervor. Ängstlich flüstert Rudi zu seinem kleinen Freund, der auf der Fensterbank schläft, hinüber. „Taschendrache? Hast du das gehört?“ „Ja“, flüstert dieser zurück, „was ist das?“ „Ich habe keine Ahnung.“ Beide hören angestrengt in den Raum.
Das gruselige Geräusch ertönt wieder, gefolgt von – tapp, tapp, tapp – watschelnden Schritten.
Rudi ruft ängstlich: „Wer ist da?“
Keine Antwort.
Der Taschendrache flattert von der Fensterbank zu Rudi.
„Bestimmt ist es halb so schlimm, wie es klingt.“
„Mich gruselt’s!“
„Du bist doch kein Angsthase, oder?“
„Nein“, antwortet der Junge, „das bin ich nicht.“
„Außerdem bist du schon vier Jahre alt.“
„Fast fünf sogar.“ Der kleine Rotschopf hält kurz inne.
„Aber trotzdem!“
„Okay“, antwortet der grüne Freund, „ich bin bei dir. Kein Grund, ängstlich zu sein. Frag’ nochmal, wer da ist“.
Rudi nickt.
„Wer IST da?“
Wieder keine Antwort.
Stattdessen dringt ein leises Quak unter Rudis Hochbett hervor.
An der Wand ist ein großer Schatten zu sehen.
„Hast du das gehört?“
„Ja“, antwortet der Taschendrache, „und schau’ mal da rüber, an die Wand!“
Rudi zeigt zitternd auf das große Gebilde, das sich auf der gegenüberliegenden Wand abzeichnet.
Oval und zerzaust, wie der Umriss eines großen Monsters, bewegt sich der dunkle Fleck langsam hin und her.
„Iiihh“, ruft Rudi, „ein Monster wohnt unter meinem Bett!“
Der Junge ist den Tränen nah und atmet schnell.
„Oh Gott, was machen wir nur?“
„Beruhige dich!“
Rudi wundert sich, wieso der Drache keine Angst hat.
Gruselt es ihn nicht?
Weiß er vielleicht, was da unter seinem Bett wohnt?
Schließlich kommt er aus einem Land, in dem es jede Menge Monster gibt!
Ich glaube“, der grüne Freund flattert mit seinen kleinen gelben Flügelchen, „ich glaube, wir müssen nachschauen“.
„Lieber nicht!“
Die Augen des Taschendrachens funkeln im Halbdunkel des Zimmers zu Rudi.
„Ich habe eine Idee! Du schaust unter dein Bett und ich stehe genau neben dir.
Wenn es tatsächlich ein Monster ist, dann speie ich Feuer.
Und wenn es sich dann erschreckt, rennen wir schnell aus dem Zimmer, okay?“
Mutig steckt der kleine Junge sein Sommersprossengesicht durch die Bettgitter und blickt unter sein Hochbett.
Sein kleiner Drache klammert sich an seine Schulter, jederzeit bereit, einen Feuerstrahl unter das Bett zu schicken.
„Wer glotzt mich denn so komisch an? Der Rudi ist’s, oh Mann oh Mann.“
Eine fusslig-gelbe Kuschelente watschelt reimend unter dem Bett hervor.
„Quietschi!“, ruft Rudi überrascht,
„Gott sei Dank, du bist’s. Wir hatten schon solche Angst! Aber wo kommst du denn her? Dich habe ich schon gesucht!“
„Gesucht hast du mich? Das glaube ich nicht.“
Verärgert flattert das Stofftier zu Rudi ins Bett und reimt weiter: „Unter das Bett geworfen hast du mich, und das macht mich sehr ärgerlich.“
Rudi erinnert sich, mit der Ente gestern in seiner Spielhöhle gespielt zu haben. Dort hat er sie dann vergessen.
„Und deshalb musst du mir solche Angst machen?“
„Ich wollte dich nicht erschrecken. Nur wollte ich dich nicht wecken. Schon viel früher bin ich aufgewacht, denn ich hab’ geweint heut’ Nacht.
Ich durfte ja nicht in dein Bett. Das war wirklich gar nicht nett!“ Unter dem Bett ertönte eine weitere Stimme. „Ja, und uns geht es genauso!“ Die drei Freunde schauen verwundert hinunter. Langsam rollt ein Spielzeugauto ins Zimmer. Der große Teddy humpelt hinterher, gefolgt von der kleinen Stoffgiraffe. Alle drei stehen vor dem Bett, als noch der Käse, das Brot und die Milchflaschen aus dem Kaufladen dazu hüpfen.
„Du hast nicht nur Quietschi vergessen. Hier unten sind noch viel mehr. Wir sind ziemlich traurig darüber, wie du mit uns umgehst.“ Rudi blickt mit offenem Mund nach unten, die Ente und den Drachen fest an sich gedrückt. „Nach dem Spielen lässt du uns immer irgendwo liegen. Wir rutschen dann unter den Schrank oder dein Regal und werden dort vergessen. Ekelige Spinnen laufen mit ihren haarigen Beinen über uns und anstatt einer kuscheligen Zudecke, liegt Staub auf uns. Und der wärmt nicht. Meinst du, das macht uns Spaß?“ „Es tut mir Leid“, antwortet Rudi. „Ich glaube, ich sollte besser aufräumen, bevor ich ins Bett gehe. Nicht, dass noch mehr Spielzeuge traurig sind oder nicht mehr mit mir spielen wollen.“ Schnell klettert der Junge aus seinem Bett, schaltet das Licht an und kniet zu seinem Spielzeug hinunter. „Ich werde euch abstauben und jeden an seinen richtigen Platz legen.“ Er klopft den Staub vom Teddy und der Giraffe und setzt die beiden in sein Regal. Das Auto kommt in seine Spielkiste und die Lebensmittel in den Einkaufskorb des Kaufladens. Zufrieden sieht sich Rudi im Zimmer um. Zwar ist es nicht sauberer, aber alles hat einen Platz gefunden.
Rrrrrmmm.
Der rothaarige Junge hält sich den Bauch. „Mein Magen knurrt. Ich glaub’, ich hab’ Hunger!“ Der Taschendrache flattert auf Rudis Schulter. „Dann lass uns mal deine Eltern aufwecken. Ich könnte jetzt ein leckeres Käsebrot vertragen.“