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KAPITEL 2

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Drei Stunden westlich von Laâyoune,

die von Marokko besetzte Westsahara

Anna Collins öffnete die Schiebetür des Minibusses, noch bevor der Fahrer das Fahrzeug zum Stehen gebracht hatte, und sprang sofort heraus, wobei ihre Turnschuhe bei der Landung auf dem Boden eine kleine Staubwolke aufwirbelten.

Sie schob eine blonde Haarsträhne, die ihrem Pferdeschwanz entkommen war, zurück und schützte ihre Augen vor dem grellen Sonnenlicht, das von der weißen Lackierung des Fahrzeugs reflektiert wurde. Dann setzte sie ihre Sonnenbrille auf.

Anna schulterte ihren Rucksack und wartete ungeduldig darauf, dass ihr Kollege Benji aus dem Minibus kletterte, sich seinen Laptop an die Brust presste und die Tür zuschlug.

Sofort fuhr das Fahrzeug in so einem Tempo wieder los, als würde der Fahrer an der Rallye Dakar teilnehmen. Seine Hosentasche war prall gefüllt von der mehr als angemessenen Entschädigung, die sie mit ihm für seinen Umweg in letzter Minute ausgehandelt hatten.

Anna schluckte schwer, als sie die Panik in Benjis Augen entdeckte.

Seine Stirn war schweißüberströmt, und sie musste sich nicht länger fragen, ob er genauso verängstigt war wie sie.

Er tastete eine Sekunde lang in seiner Jeanstasche herum und zog dann sein Handy hervor.

»Immer noch nichts«, sagte er resignierend.

Anna trat von einem Fuß auf den anderen und versuchte ihren Herzschlag zu beruhigen. Sie hatte es geschafft, kurz mit ihrem Vater zu sprechen, bevor sie das Büro der Minengesellschaft verlassen hatten, und hatte ihm gesagt, dass sie sich große Sorgen um ihre und Benjis Sicherheit machte, und dass sie, bis sie ihm mitteilen konnte, dass sie in Sicherheit waren, bestimmt nicht mehr zur Ruhe kommen würde. Sie musste sie beide unbedingt aus dem Land schaffen … und zwar schnell.

»Okay«, presste sie hervor und fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. »Lass uns in unsere Zimmer gehen, packen und dann direkt zum Flughafen fahren. Ich treffe dich in fünfzehn Minuten beim Auto, okay?«

Benji nickte und blickte über seine Schulter hinweg in Richtung der neuen Phosphat-Mine, von der sie gekommen waren und die gerade erst eröffnet worden war. »Bist du dir da wirklich sicher?«

»Absolut«, antwortete Anna. »Du hast doch dieselben Unterlagen wie ich gesehen. Wir stecken in echt großen Schwierigkeiten.«

Benji fluchte und stieß dabei ein leises Zischen zwischen den Zähnen aus. »Okay, dann lass uns packen.«

Sie schulterten gleichzeitig ihre Reisetaschen und liefen dann schnell zu den provisorischen Gebäuden hinüber, die auf dem Gelände des für die Bauphase der neuen Mine errichteten Camps standen.

Die Nachricht, dass ein neues Phosphat-Vorkommen entdeckt worden war, hatte Arbeiter von überall her angelockt, die allesamt zum Äußersten entschlossen waren, um in der Mine gutes Geld zu verdienen. Obwohl die Mine als eine Möglichkeit angepriesen wurde, die einheimische sahrauische Bevölkerung mit Arbeit zu versorgen und ihre Perspektiven zu verbessern, waren es in Wahrheit vor allem die im Ausland lebenden marokkanischen Arbeiter, die viele der angebotenen Stellen besetzt hatten und begierig darauf waren, mehr Geld über die Grenze nach Hause schicken zu können.

Die Arbeiter waren alle im Hauptbereich des Minenlagers untergebracht, einer weitläufigen Ansammlung von quadratischen Hütten, die wie drei übereinandergestapelte Schiffscontainer aussahen und hoch über ihren Bewohnern aufragten, wenn diese bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang zur Arbeit gingen und wieder zurückkamen.

Die Westler, die bei der Minengesellschaft beschäftigt waren und auch ihre Gäste, waren allesamt in luxuriöseren Unterkünften im vorderen Bereich des Hauptlagers untergebracht worden.

Anna ging durch den kleinen, abwechslungsreich gestalteten Garten, der von einigen Arbeitern in der Nähe des Eingangs zum Empfangsgebäude angelegt worden war, während ihr Verstand bei dem Versuch, ihre Angst unter Kontrolle zu halten, auf Hochtouren arbeitete.

Rennen würde nur Aufmerksamkeit erregen, und das durften sie nicht riskieren, zumindest noch nicht.

Bevor sie die Kühle des Empfangsbereiches erreichten, bogen sie nach rechts ab und passierten dann einen Torbogen.

Dahinter umrahmten gelbes Gras und verkrüppelte Bäume eine Ansammlung von zwölf Bungalows. Beton- und Zinndachkonstruktionen, die fließendes Wasser und eine Klimaanlage boten, perfekt für die Nutzung durch die höheren Angestellten des Bauherrn und Gäste wie Anna und Benji, die nur kurzzeitig in der Mine zu tun hatten.

»Warte«, sagte Benji und ergriff Annas Arm. »Bevor wir uns trennen …«

»Was?« Sie runzelte die Stirn, als er in der Seite seiner Laptoptasche herumkramte.

Er zog einen USB-Stick heraus. »Nimm du ihn, er enthält alles, was wir herausgefunden haben. Du kennst zwar die wichtigen Dinge, die Codes und alles, aber hiermit können wir die Beweise dokumentieren.«

Annas Hand zitterte, als sie den Stick entgegennahm. »Was soll ich denn damit? Du hast doch auch alle Beweise auf deinem Laptop, oder?«

»Ja, als Back-up. Ich hatte vor Ort keine Zeit, die Unterlagen auf deinen Laptop zu kopieren. Lade sie also sofort herunter, sobald du in deinem Zimmer bist …«, trug er ihr auf. Benji schluckte. »… falls du recht hast, und es passiert irgendetwas, wodurch wir getrennt werden.«

»Hast du das auch als E-Mail an unsere Zentrale geschickt?«

»Die Verbindung war schrecklich. Ich glaube aber, einiges davon ist trotzdem durchgekommen.« Er machte ein langes Gesicht. »Doch angesichts dessen, was wir wissen, kann ich nicht garantieren, dass die E-Mail sie erreicht und nicht vorher abgefangen wird. Ich habe den Verschlüsselungscode verwendet, von dem ich dir erzählt habe, aber …«

Anna nickte. Keiner von ihnen war erpicht darauf, seine Ängste auszusprechen. »Bis gleich.« Sie steckte den USB-Stick in ihre Hosentasche und ging schnell auf den Bungalow am anderen Ende zu.

Weil sich direkt neben der Rezeption die Bar befand und die marokkanischen Arbeiter die Tendenz hatten, nach einem Arbeitstag die Sau rauszulassen, hatte sie sich bewusst für eine Unterkunft entschieden, die so weit wie möglich vom Hauptgebäude entfernt lag.

Die Bäume über ihr linderten die Hitze des Tages etwas, und nachdem sie die Stufen zu der hölzernen Veranda hinaufgestiegen war und ihren Schlüssel in das Türschloss gesteckt hatte, atmete sie erleichtert auf, als sie die Kühle der Klimaanlage umfing.

Sie schloss die Tür hinter sich sorgfältig ab, schob den Sicherheitsriegel vor und ließ ihren Rucksack auf das Bett fallen, dann zog sie ihren Laptop aus dem Rucksack, meldete sich hastig an und steckte den USB-Stick ein.

Während die Dateien hochgeladen wurden, blickte sie sehnsüchtig in Richtung Badezimmer, aber ihr war klar, dass sie sich den Luxus einer Dusche momentan nicht leisten konnte. Sie ließ das auffällige orangefarbene Hemd von den Schultern gleiten, ersetzte es durch ein einfaches schwarzes T-Shirt und band sich ein Sweatshirt um die Taille. Als Nächstes packte sie den Rest ihrer Kleidung ein, ohne sich Gedanken übers Zusammenlegen zu machen, und warf Shampoo und Sonnencreme in ihren Koffer.

Es dauerte nicht lange, denn sie und Benji hatten nur drei Wochen im Land bleiben sollen, um eine Bilanzprüfung abzuschließen, die sie im relativen Luxus ihrer Rotterdamer Büros begonnen hatten.

Ihr Blick schweifte nun zum Laptop-Bildschirm. Als der Download fertig war, schloss sie den Computer, zog den USB-Stick heraus und steckte den Laptop wieder in ihre Tasche zurück. Dann legte sie den Stick auf den Boden und zermalmte ihn unter ihrem Schuhabsatz.

Sie sammelte die Einzelteile sorgfältig ein, ging dann schnell zum Badezimmer, wickelte sie in Toilettenpapier und spülte sie hinunter.

Anna dachte an das Telefonat zurück, das sie vor zwei Stunden mit ihrem Vater geführt hatte. Als Benji an die Tür ihres zeitweiligen Büros geklopft und ihr die Daten auf seinem Laptop-Bildschirm gezeigt hatte, war sie von tiefer Panik erfasst worden, denn sie hatte sofort erkannt, dass sie viel mehr als nur einen einfachen Hackerdiebstahl aufgedeckt hatten.

Sie war von ihrem Schreibtisch aufgesprungen und hatte die Tür zugeworfen, bevor sie und Benji eine hitzige Diskussion darüber geführt hatten, was sie als Nächstes tun sollten. Sie wusste, dass wer auch immer den Diebstahl durchgeführt hatte, wahrscheinlich auch einen Alarm ins System eingebaut hatte, der denjenigen bei unerwünschter Aufmerksamkeit warnen würde, und der angesichts der Komplexität des Datendiebstahls bestimmt auch in der Lage sein würde, ihren genauen Standort herausfinden zu können.

Nach zehn Minuten hatte Benji ihrem Plan zugestimmt.

Die Telefonverbindungen in der Westsahara waren leider notorisch schlecht, doch nachdem sie ihr Büro nicht hatten erreichen können, war es Anna wenigstens gelungen, ihren Vater in Arizona anzurufen. Als sie seine Stimme gehört hatte, waren ihr vor lauter Erleichterung die Tränen gekommen.

Er hatte ihren Vermutungen zugestimmt und ihnen befohlen, so schnell wie möglich zu packen und zu verschwinden. Annas Vater hatte Verbindungen, und er würde alles in seiner Macht Stehende tun, damit sie jemand am Flughafen abholen und in Sicherheit bringen würde.

Alles, was sie jetzt tun mussten, war, den Flughafen von Laâyoune zu erreichen.

Seitdem hatte Anna versucht, ihn noch einmal anzurufen, um ihn auf den aktuellen Stand zu bringen, doch ihre Anrufe landeten immer direkt auf der Mailbox.

Anna kehrte ins Schlafzimmer zurück, packte ihren Koffer zu Ende und schloss den Reißverschluss. Anschließend zog sie die Bettwäsche glatt und überprüfte das Zimmer noch einmal gründlich.

Nichts wies mehr auf ihre Anwesenheit hin.

Sie warf erneut einen Blick auf ihre Armbanduhr. Noch fünf Minuten, bis sie Benji treffen sollte.

Nachdem sie vor drei Wochen auf dem einzigen internationalen Flughafen des besetzten Landes angekommen waren, hatten sie eine kleine Limousine gemietet, die seit ihrer Ankunft auf dem Parkplatz des Minenlagers stand. Anna wurde vor Angst schlecht, als sie daran dachte, dass der Motor eventuell nicht anspringen könnte; sie wusste schließlich, wie launisch Fahrzeuge in einem so rauen Klima sein konnten und verfluchte jetzt ihr Versäumnis, nicht regelmäßig den Öl- und Kühlmittelstand kontrolliert zu haben.

Ein lauter Schrei unterbrach jetzt ihre Gedanken und sie huschte hastig zum Fenster und spähte durch die Gardinen.

Dann musste sie einen Aufschrei unterdrücken.

Eine Gruppe von Männern stand am Eingang des Hains, der seine Schatten auf die Bungalows warf. Sie alle hielten Sturmgewehre in den Händen und ihre Tarnanzüge ließen keinen Zweifel am Grund ihrer Anwesenheit. Alle zielten jetzt gleichzeitig auf eine Gruppe von Arbeitern, die mit weit aufgerissenen Augen aus dem Hauptlager herausrannten und versuchten, den bewaffneten Männern zwischen den Gebäuden zu entkommen.

Die panischen Schreie der Bauarbeiter wurden immer lauter, als Schüsse die Luft durchdrangen. Die Flüchtenden am Ende der Menge stürzten in den Dreck, als sie hinter ihren stolpernden Kollegen niedergemäht wurden.

Annas Fingerknöchel wurden weiß, als sie den Fensterrahmen umklammerte, dann wich sie in die Dunkelheit des Raumes zurück, ohne ihren Blick von dem Blutbad abwenden zu können.

Als die Männer mit den Waffen näherkamen, hörten sie auf zu schießen und die Flüchtenden brachen durch die Sträucher, die den Hain vom Parkplatz hinter dem Haupteingang trennten, dann verschwanden sie außer Sicht; nur ihre geschockten Stimmen waren weiterhin zu hören.

Anna fluchte unterdrückt.

Ihre Verfolger hatten wesentlich schneller reagiert, als sie es ihnen zugetraut hatte. Zweifellos war ein Alarm ausgelöst worden, als sie und Benji zum ersten Mal die Sicherheitslücke entdeckt hatten, was bedeutete, dass ihre Befürchtungen begründet gewesen und sie beobachtet worden waren.

Sie schloss die Vorhänge und schaltete die Klimaanlage aus, dann schob sie ihren Koffer unter das Bett und zog die Bettdecke so weit herunter, bis sie das Gepäckstück verdeckte. Als Nächstes holte sie ihr Handy heraus, schaltete es auf stumm und deaktivierte auch die Vibrationsfunktion, anschließend tippte sie die Kurzwahlnummer für die Ranch ihres Vaters in Arizona an.

Sie bemerkte, dass sich der Deckenventilator noch drehte, und schlug auf den Schalter neben ihrer Schulter, während sie dem Wählton lauschte.

Anna fluchte, als sie sofort zur Mailbox weitergeleitet wurde, und beendete den Anruf. Als plötzlich zwei laute Schüsse durch den Komplex donnerten, ließ sie fast das Telefon fallen.

»Nein«, murmelte sie erschrocken.

Anna huschte zurück zum Fenster und ging in die Knie, bevor sie die Unterkante des Vorhangs zur Seite zerrte. Sie hielt sich die Hand vor den Mund, um sich selbst am Schreien zu hindern, als Benjis zappelnder Körper von zwei Männern aus seinem Zimmer geschleppt und auf der kleinen, holzüberdachten Terrasse, die den Bungalow umgab, fallen gelassen wurde.

Er blutete aus einer Wunde am Bein und schrie vor Qual und Schrecken, bis einer der Männer eine Pistole auf sein Gesicht richtete und den Abzug drückte.

Anna wimmerte, ließ den Vorhang zurückfallen und hastete durch den Raum. Als sie an ihrem Rucksack vorbeikam, der neben dem Bett auf dem Boden lag, schnappte sie ihn, schwang ihn sich über die Schulter und schlich dann ins Badezimmer.

Sie hockte sich auf den gefliesten Boden und gab erneut die Kurzwahlnummer für ihren Vater ein. Es klingelte dreimal, und vor ihrem inneren Auge sah sie Bilder des Satellitentelefons, das im Büro ihres Vaters in der Ladestation steckte, während er auf der Ranch unterwegs war, um die Arbeit seines geschäftigen Betriebs zu überwachen.

Sie unterdrückte ihre Tränen, als der Klingelton erneut verstummte und durch einen einzigen, einsamen Piepton ersetzt wurde, dann unterbrach sie die Verbindung.

Von draußen drangen jetzt Schreie an ihre Ohren und ihr wurde bewusst, dass ihr die Zeit in rasantem Tempo davonlief.

Sie steckte das Telefon in die Seitentasche ihres Rucksacks und richtete ihre Aufmerksamkeit nun auf das kleine Fenster über dem Waschbecken.

Sie krallte ihre Finger um den Metallriegel und zog fest daran.

Doch er bewegte sich nicht.

Sie fluchte unterdrückt, dann positionierte sie ihre Füße links und rechts vom Waschbecken, sodass sie sich gegen den Waschtisch abstützen konnte und drückte ihre Beine dagegen, während sie mit aller Kraft am Riegel zog.

Sie keuchte, als die Verriegelung unter ihren Anstrengungen ein wenig nachgab, dann zog sie noch einmal so fest sie konnte, mit zusammengebissenen Zähnen.

Der Riegel verschob sich in seiner Befestigung und eine kleine Menge getrockneter Farbe regnete auf das Waschbecken hinab, als die Metallbefestigung endlich nachgab.

Annas Aufmerksamkeit richtete sich jetzt auf den Rahmen, dessen Holzoberfläche von mehreren dicken Farbschichten überzogen war. Sie legte ihre Handflächen darauf und schob, doch er hielt stand.

Als von unten ein Schrei durch das Badezimmerfenster hinauf schallte, erstarrte sie und hielt den Atem an.

Aus größerer Entfernung wurde ein Befehl gebellt, dann zogen sich die Schritte vom Bungalow zurück.

Haben sie mich gehört?

Sie zählte bis zehn, atmete dann aus und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die anstehende Aufgabe. Verzweiflung ergriff sie, als sie erkannte, dass ihr Leben davon abhing, ein Versteck zu finden, und das so schnell wie möglich.

Die Stimmen draußen überzeugten sie davon, dass jeder Fluchtversuch sinnlos wäre. Sie würde gefunden und innerhalb von Sekunden getötet werden, genau wie Benji.

Bei dem Gedanken an den Schrecken, den er gefühlt haben musste, als die bewaffneten Männer in sein Zimmer gestürmt waren, kämpfte sie gegen ihre Tränen an und versuchte stattdessen, ihre Wut und Angst auf den Fensterrahmen unter ihren Händen zu fokussieren.

»Komm schon«, zischte sie verhalten und drückte erneut.

Sie zwang sich, die furchterregenden Geräusche, die von außerhalb des Bungalows hereindrangen, auszublenden und benutzte stattdessen ihren Handballen, um gegen das Fenster zu schlagen, um es von dem Belag zu befreien.

Sie fluchte leise vor sich hin und schob dann noch einmal mit beiden Händen.

Der Fensterrahmen gab jetzt so schnell nach, dass sie fast rückwärts auf die Badezimmerfliesen gestürzt wäre. Für ein paar kostbare Sekunden musste sie sich mit den Händen auf beiden Seiten des Waschbeckens abstützen und atmete schwer.

Ein weiterer Schrei von draußen, gefolgt von einem einzelnen Schuss, ließ sie endlich aus der Starre erwachen.

Sie durchsuchten jetzt offenbar die Bungalows … einen nach dem anderen, und töteten jeden, der ihnen im Weg stand.

Ein Stöhnen entwich ihren Lippen und die Stimme ihres Vaters hallte in ihrem Kopf wider: Wenn du jemals in einen Terroranschlag verwickelt werden solltest, versuch nicht, zu fliehen, es sei denn, es ist wirklich sicher. Versteck dich stattdessen. Halte den Kopf unten. Bleib still.

Anna riss ihren Rucksack vom Boden hoch und warf ihn auf den Waschtisch, bevor sie hinaufstieg.

Dann schob sie das Fenster weiter auf, verzog aber das Gesicht, als die Scharniere an der Oberkante des Holzrahmens ein Quietschen von sich gaben.

Ihr Herzschlag pochte laut in ihren Ohren, als sie sich bemühte, jede Bewegung auf der Rückseite des Bungalows zu registrieren.

Schreie und Rufe, dicht gefolgt von weiteren Schüssen, hallten durch das Hauptlager, aber sie sah niemanden hinter dem Gebäude auftauchen.

Annas Kopf zuckte hoch, als laut gegen die Eingangstür des Bungalows gehämmert wurde, dann sprang sie in die Höhe und schob das Badezimmerfenster auf, wobei sie leider staubige Handabdrücke an der Wand hinterließ.

Sie tauchte in die kleine Öffnung hinein und fing an, sich mit dem Kopf voran hindurch zu winden.

Anna fluchte, als ihre Hüfte an der Rahmenkante entlang schabte. Sie glitt wieder zurück und versuchte erneut, sich durch den schmalen Spalt zu schlängeln. Sie verdrehte ihre Schultern so weit, bis sie die obere Hälfte ihres Körpers hindurchschieben konnte, und versuchte dann, sich zu drehen.

Doch ihr Gürtel verhakte sich im Rahmen und Holzsplitter gruben sich in ihr Fleisch.

Sie biss sich auf die Lippen, weil sie genau wusste, dass die bewaffneten Männer sie innerhalb von Sekunden finden würden, wenn sie schrie.

Sie knirschte mit den Zähnen und drückte erneut, aber sie schaffte es einfach nicht durch die Lücke.

Frustriert schlängelte sie sich zurück, bis ihre Knie auf die Oberfläche des Waschtischs trafen, und ließ sich dann langsam auf den Boden gleiten. Sie wühlte in der Seitentasche ihres Rucksacks und zog ihr Handy heraus, dann lehnte sie sich an das Waschbecken und drückte erneut die Kurzwahlnummer für ihren Vater.

Endlich bekam sie ein Signal, doch dann hörte sie erneut die Mailbox-Ansage ihres Vaters. Sie atmete tief durch.

»Dad? Sag Mom, dass es mir leidtut. Ich liebe dich.«

GLÜHENDER SAND

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