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SECHS

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Für einen Mann, der sich von einem Herzinfarkt erholte, war Daddy von Chaos umgeben. Sein Zimmer floss bald über vor Tanten und Onkeln, Cousinen und Cousins.

Avery hatte den Kopf auf das Bett neben seinem gelegt und hielt seine Hand. Susanna beobachtete das Ganze aus einer Ecke, sie lächelte, als Daddys müde Augen ihren Blick auffingen.

Typisches Truitt-Tohuwabohu.

Das sagte er immer, wenn sich die Familie über ihn senkte und Mama anfing, alle herumzukommandieren.

„Essen wir jetzt oder nicht?“

„Wer will einen Film sehen?“

„Hört mal alle her, wir spielen eine Runde Karten. Turnier, auf geht’s.“

Sie war die ganze Zeit am Organisieren. Wenn sie einmal aufhören müsste, andere herumzukommandieren, würde sich ihre Mutter ganz einfach hinlegen und sterben, überlegte Susanna.

Im Moment attackierte sie gerade Cousin Zack mit ihrem Klemmbrett und teilte ihm mit, in welcher Schicht er im Rib Shack zu arbeiten habe.

„Tante Glo, jetzt komm schon.“ Er lachte. „Ich habe seit meinem ersten Sommer im College nicht mehr im Rib Shack gearbeitet.“

Susanna lächelte. Zack, du mutige Seele. Nimmst es mit Mama auf. Er war Direktor des Grünflächenamts, surfte jeden Morgen und ging jeden Abend aus. Seine weißblonden Haare, himmelblauen Augen und sonnengebräunte Haut machte ihn bei den Frauen der Insel sehr beliebt.

„Kannst du mit einer Suppenkelle umgehen?“

„Ja, ich bin ja nicht blöd.“

„Dann kannst du auch in der Küche arbeiten.“ Mama notierte etwas im Zeitplan auf ihrem Klemmbrett. „Komm am Mittwoch um sechs. Dann kommst du wieder in Form, bevor am Freitag der große Ansturm kommt.

„Tante Glo …“ Schmunzeln, Schnauben, ha-ha-ha, aber Zacks Gesicht sagte genug. Er fiel um. „Schau mal, ich hab … Dinge … zu …“ Mamas einäugiger Blick ließ seine Abwehr in sich zusammenfallen. Er schickte Susanna einen stummen Hilferuf.

„Schau mich nicht an. Ich habe kein Zaubermittel.“ Hätte sie das gehabt, hätte sie wohl kaum ihren Weihnachtsurlaub in den drei schönsten Gärten Europas – Keukenhof in Holland, Mirabell in Österreich und den Lecharran in Brighton – während ihres letzten Collegejahrs abgebrochen, um das Restaurant zu führen, damit Mama Daddy mit einem Wochenende im Schnee in Vermont überraschen konnte.

Aber Susanna hatte das Wunder ihrer geheilten Ehe erkannt. Es war Jahre her gewesen, dass die beiden einmal weggefahren waren, deshalb hatte sie sich damit einverstanden erklärt, auf das Shack und Avery aufzupassen. Nichts lag ihr ferner, als abzulehnen, wenn es darum ging, der Liebe auf die Sprünge zu helfen, wenn sie darum gebeten wurde.

Zack atmete aus, ließ sich gegen die Wand fallen und fuhr sich mit den Händen durchs Haar.

„Es ist wie bei den Borg.“ Silas, Zacks Bruder, klopfte ihm lachend auf den Arm. „Widerstand ist zwecklos.“

Aber Silas verging das Lachen schnell.

„Silas.“ Mama richtete das Klemmbrett auf ihn. „Ich habe dich für Dienstag, Donnerstag und Samstag eingeplant.“

„Mich?“ Er riss die Augen auf und legte sich die Hände auf die Brust. „Tante Glo, ich habe ja sogar noch weniger Erfahrung als Zack. Ich war ja noch nicht einmal in der Küche seit – na, bestimmt seit der zehnten Klasse.“

„Schön, dann kannst du Tische abräumen.“ Mama kritzelte auf ihrem Klemmbrett herum. „Deine Baufirma hat zurzeit sowieso nicht viel zu tun.“ Mama blitzte ihn an. Sie wusste alles. Und selbst wenn sie vielleicht nicht alles wusste, vermittelte sie einem doch das Gefühl, als sei es so. „Bring mal ein bisschen Kohle nach Hause, dann gibt dir Hadley vielleicht eine zweite Chance.“

Silas’ Wangen glühten rot. „Wir haben uns nicht wegen des Geldes gestritten.“

„Nichts ist heilig, Silas“, sagte Susanna mit einem Lachen. „Das weißt du doch.“ Nicht einmal die Zerrissenheit ihrer eigenen Tochter. „Ich habe den richtigen Ring, aber nicht die richtige Frau gefunden“ gehörte schon halb zum Hauswortschatz der Familie. Alles wegen Mama.

Silas sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. „Geht‘s dir gut, Cousinchen? Mit der ganzen, du weißt schon, Adam-Geschichte?“

„Ich komme zurecht, Si.“ Zack und Silas waren mehr wie Brüder als Cousins für sie. Als sie klein war, hatte ihre Mutter Linda, Daddys Schwester, manchmal einen oder zwei Tage lang auf sie aufgepasst, wenn Daddy und Mama wieder einen ihrer wahnsinnigen Krachs hatten.

„Glo“, Daddy hob seine heisere Stimme. „Lass doch die Jungs in Frieden. Wir haben genug Leute in der Küche. Ich bin doch nur ein einziger Mann.“

„Ein Mann, der die Arbeit von fünf schafft.“ Mama lehnte sich über sein Bett und streichelte sanft seine Wange. „Das ist es ja, was dich hier reingebracht hat, Gib. Wir haben Glück gehabt, dass es nur ein kleiner Infarkt war.“

„Mach ihnen das Leben nur nicht so schwer“, flüsterte Daddy. Seine flatternden Lider schlossen sich.

„Gut“, sagte Mama, „alle Mann raus hier. Lasst Gib sich etwas ausruhen.“

Die Familie verabschiedete sich einer nach dem anderen von Daddy. Sie versprachen ihm, den Himmel mit ihren Gebeten zu füllen. Mama gab Avery ein Handzeichen, um das Bett herumzukommen.

„Komm, meine Kleine. Wir müssen zusehen, dass du nach Hause kommst. Morgen ist Schule.“

„Gute Nacht, Daddy.“ Avery beugte sich über ihn, um ihm einen Abschiedskuss zu geben. „Tut mir leid, dass ich den Krankenwagen gerufen habe.“

Daddys schwaches Lächeln erhellte das Zimmer. „Das hast du gut gemacht, Süße.“

„Das hat sie wirklich gut gemacht.“ Mama gab Avery einen Klaps auf den Hintern, als sie das Zimmer verließ. „Ich komme morgen früh wieder, Gib. Susanna, du auch. Lass uns gehen.“

„Bleib.“ Daddy winkte Susanna mit einer kleinen Bewegung seiner Finger zu sich. „Muss … mit dir … reden.“

„Bleib nicht zu lange, Suz“, sagte Mama und beugte sich über Daddy, um ihn zu küssen. „Werd gesund, Gib. Hörst du mich?“ Mama. Sie, der man gehorchen musste. Daddy würde gar nichts anderes übrigbleiben, als völlig wiederhergestellt nach Hause zu kommen. Hundertprozentig.

Die Tür schloss sich leise hinter Mama, die Sanftheit in ihrer Stimme hing noch im Raum. Hinter aller Ruppigkeit liebte Mama Daddy leidenschaftlich. Und ihre Familie auch.

„Sie liebt dich“, sagte Susanna und setzte sich auf den Stuhl, aus dem Avery aufgestanden war.

„Ja, das tut sie, das herrische alte Mädchen.“

„Was würdest du nur ohne sie tun?“ Susanna schob vorsichtig ihre Hand in Daddys, um seine Infusionsnadel nicht zu berühren.

„Dann hätte ich mal einen Moment Ruhe.“ Er lachte und drückte ihre Hand. Der Monitor piepte kurz, aber als Susanna den Bildschirm studierte, sah sie, dass Daddys Herzfrequenz gleichmäßig und stabil war.

„Du hast uns ganz schön erschreckt.“ Susanna rutschte im Stuhl hin und her und versuchte, es sich mit dem Kleid bequem zu machen. Das enge Etuikleid war schick und perfekt, um darin zu stehen und zu gehen. Bequemes Sitzen war allerdings etwas anderes.

„Das ist nix. Nur eine kleine Verstopfung.“

„Du weiß, dass wir alle ohne dich aufgeschmissen wären. Besonders Mama.“

Susanna strich mit ihrem Daumen über Daddys Handrücken, die Augen voller Tränen.

„Morgen früh machen sie eine Angioplastie. Hinterher bin ich wie neu. Zu stur, zu sterben. Erst 48. Hab vor, dich zum Altar zu führen.“ In diesem Moment sah er ihr in die Augen, klar und fokussiert. „Es tut mir leid wegen Adam, Kätzchen. Du wolltest immer die einzig wahre Liebe, nicht wahr?“

„Tja, das war er dann wohl nicht.“ Schon wieder Tränen. Susanna pulte mit ihrer freien Hand an den Fäden der Bettdecke herum. „Aber weißt du, es wurde ja schon langsam albern. Warten, nicht weiterkommen, sich mehr wie Freunde benehmen als wie ein Liebespaar.“ Sie nahm sich ein Taschentuch vom Nachttisch. „Ich seh’s vor mir. Mein vierzigster Geburtstag, und wir sitzen alle auf der Terrasse des Shack, und Tante Jen sagt:, Na, Suz, was meinst du, wann Adam dir einen Antrag macht? Das wird so langsam ein bisschen zäh mit euch.’“

Daddys kurzes Lachen wich einem Keuchen. Während er um Atem rang, stand Susanna auf, kurz davor, nach der Schwester zu klingeln. „Nicht … so … lustig, nehme ich an.“

Sie setzte sich wieder, wickelte sich das Taschentuch um den Finger und tupfte sich das Wasser aus den Augen. „Doch, ist es. Lach ruhig. Wir könnten alle etwas Lachen vertragen.“ Wieder schob sie ihre Hand unter Daddys. „Das Einzige, was mich jetzt interessiert, ist, dass es dir wieder besser geht.“

„Nach morgen bin ich wieder fit wie ein Turnschuh.“ Daddy schloss seine Augen mit einem tiefen, erfüllenden Atemzug. „Was hat es mit deinen schicken Klamotten auf sich?“ Er hatte ein Auge zu einem Schlitz geöffnet. „Du siehst hübsch aus.“

„Ich war bei einer Benefizveranstaltung mit Gage. Er versucht, den Job für den neuen Krankenhausflügel an Land zu ziehen.“

„Gage Stone. Guter Mann. Fleißig. Hat seine eigene Firma …“

„Hör auf, Daddy.“

Seine Lippen verzogen sich zu einem halben Lächeln. „Du durchschaust mich.“

„Ja, das tu ich.“ Susanna zerpflückte die Kante ihres Papiertaschentuchs. „Daddy, sollte ich versuchen, Adam zurückzugewinnen?“ Sie kannte die Antwort. Aber sie war so lange mit ihm zusammen gewesen, dass es ihr geradezu unheilig erschien, die Beziehung so sang- und klanglos enden zu lassen.

„Das kannst nur du wissen, Kätzchen.“

„Es tut weh wie verrückt, aber …“ Ihre Stimme schwankte unter dem Gewicht der Wahrheit. „Ich glaube, er hat uns beiden einen Gefallen getan.“

Je mehr ihr klar wurde, dass sie ihn auch nicht heiraten wollte, desto dämlicher fühlte sie sich. Das Beste wäre, einfach weiterzugehen. Es hinter sich zu lassen.

Das Gespräch verebbte, und Susanna sah Daddy beim Ausruhen zu, dabei, wie er einfach atmete. In den Streitjahren mit Mama hatte Daddy sie immer auf ihr Zimmer geschickt, wo sie sich angstschlotternd in ihrem Kleiderschrank versteckte. Jetzt überwältigte sie die Liebe fast.

Susanna war zwölf, als er Mama wieder geheiratet hatte, und er war danach ein völlig anderer Daddy geworden. Er war sanft und freundlich, ermutigend und unterstützend. Er sagte ihr auf seine Weise, dass es ihm leidtat um ihre Kindheit. Wieder und wieder.

„Was mache ich nur mit all dem Geld?“, wagte er einen weiteren Vorstoß durch die Benommenheit, die Augen immer noch geschlossen, die Atmung immer noch etwas angestrengt.

„Welches Geld?“

„Das Geld, das ich für deine Hochzeit beiseitegelegt habe.“

Sie lachte durch einen neuen Tränenschwall hindurch. „Kauf dir die Jacht, mit der du Mama schon so lange drohst.“

Hochzeit. Jacht. Es war egal. Es gab keine Ersparnisse. Daddy und Mama verwendeten ihr ganzes Geld darauf, das Rib Shack über Wasser zu halten. Das war Daddys Jacht. Verankert im roten Lehm Georgias.

„Ich nehme die Schuld auf mich. Na ja, auf Mama und mich“, sagte er, jetzt mit offenen Augen. „Wir haben dich an die Wand genagelt, bevor du dich ducken konntest.“

„Hör auf, Daddy. Wir müssen nicht jetzt darüber reden.“ Sie fing eine schnelle Träne auf, bevor sie auf seine Hand tropfen konnte.

„Du beschützt meine Gefühle nicht, wenn du so tust, als seien wir tolle Eltern gewesen.“

„Das mach ich nicht. Ihr wart furchtbar, als ich klein war. Aber Daddy, ich kann wirklich nicht dich und Mama für meine gescheiterte Beziehung mit Adam verantwortlich machen.“

„Ich hab immer gedacht, du gibst dich mit ihm nur zufrieden.“

„Wirklich …“ Susanna lehnte sich mit großen Augen zurück. „Das wäre mir neu.“

„Na, du weißt schon. Liebe ist eine komplizierte Angelegenheit. Es sah aus, als würdest du glauben, er sei die große Liebe, nach der du dich immer gesehnt hast. Er war ein netter, vernünftiger Junge mit guten Karriereaussichten. Aber, Kätzchen, da ist noch mehr für dich drin. Ich fühle das. Was Großes.“

„Also, jetzt höre ich aber deine Tabletten sprechen. Alles, was ich will, ist dass es dir besser geht. Das ist mein Großes.“

Daddy nickte ein. In der Stille des Raumes erkannte Susanna, wie viel Angst sie auf dem Weg ins Krankenhaus gehabt hatte, aber Nate –

Sie sprang auf. Nate. Ach, du liebe Güte, den hatte sie ja ganz vergessen. Im Wartebereich einfach sitzen lassen.

Die Tür ging auf und zwei Krankenschwestern kamen herein.

„ … er sitzt schon den ganzen Abend da“, sagte eine der beiden Schwestern.

„Ich kann mich gar nicht von ihm losreißen. Er sieht aus wie ein schönes Gemälde“, sagte die Krankenschwester mit dem Namensschild, auf dem Kasey stand. „Hallo, Miss Truitt.“

„Er schläft“, sagte Susanna. „Sagten Sie, ein Mann sitzt im Wartezimmer?“

„Der hübsche.“ Kasey tippte Notizen in den Computer an Daddys Bettkante. „Hat sich die letzte Stunde nicht wegbewegt. Sagt, er wartet auf eine Frau.“ Sie hob ihre Augenbrauen. „Sind Sie die Frau?“

„Natürlich nicht.“ Jedenfalls nicht die Frau in dem Tonfall. Susanna küsste Daddy sanft auf die Wange und flüsterte: „Ich liebe dich. Alle meine Gebete gelten dir.“

Sie eilte auf Zehenspitzen den Flur hinunter und versuchte, die anderen Patienten nicht mit dem Geklacker ihrer Absätze auf dem gefliesten Fußboden zu stören. Ihre Beine kämpften gegen die Enge ihres Rocks. Ihr Herz klopfte gegen die Einschränkung ihrer Erwartungen an.

Warum hatte er so lange gewartet?

Doch als sie um die Ecke des Schwesternzimmers bog, waren die Stühle leer. Susanna blieb abrupt stehen. Also war er am Ende doch gegangen. Die Enttäuschung schmerzte, während sie langsam das restliche Stück zu den Stühlen hinüberging.

Nun, gut für ihn. Er hätte sowieso nicht so lange warten sollen.

Aber, oh, es wäre so schön gewesen, mit ihm zu sprechen.

Noch einmal. Zweimal in vier Tagen war er jetzt ihr Ritter in glänzender Rüstung gewesen.

Vielleicht konnte sie Mrs. Butlers Veranstaltungsmanagerin fragen, ob sie seine Telefonnummer oder seine Adresse herausrückte.

„Danke, Nate“, flüsterte Susanna in das leere, kalte Wartezimmer, während sie sich auf den nächstbesten Stuhl setzte und anfing, zu überlegen, wie sie nun nach Hause kommen sollte.

„Susanna?“

Sie sah auf in Nates feines Gesicht. Er stand über ihr mit einer Tasse Kaffee in der Hand.

„Ich dachte, du wärst gefahren.“ Sie stand auf, um ihn zu begrüßen, eine Hand auf den Magen gepresst, ungefähr in dem Bereich, in den ihr Herz gerade gerutscht war. Er sah wirklich schneidig aus, ein besseres Wort kam ihr nicht in den Sinn, mit seinem frechen Grinsen und dem zuversichtlichen Funkeln in seinen Augen.

„Ich bin immer noch hier, ich habe nur eben Kaffee geholt.“ Er hob den Plastikbecher aus dem Automaten hoch. „Möchten Sie … möchtest du welchen?“

„Nein, nein. Danke.“ Hundemüde sank sie wieder auf den Stuhl. „Warum bist du geblieben?“

Er wählte den Stuhl neben ihrem und es kam ihm so vor, als sähe sie ihn zum ersten Mal richtig an. Als könnte sie hinter seine hohen, feinen Gesichtszüge sehen, hinter das Gefühl, als trüge er ein Jahrhundert Geschichte in seinen Knochen.

Er sah wirklich gut aus, ja, aber freundlich war das erste Wort, das Susanna in den Sinn kam, wenn sie an ihn dachte. Bei der Liebeseiche oder wie er sie den Flur entlang zur geheimen Garage der Butlers führte. Wie er sie auf der Fahrt zum Krankenhaus getröstet hatte.

„Ich muss nicht immer gerettet werden“, sagte sie, aus dem Blauen und aus der Tiefe ihres Herzens heraus.

Sein Lächeln forderte die Schatten im Wartezimmer heraus. „Wäre es denn schlimm, wenn es so wäre?“

Sie betrachtete ihn mit großen Augen. „Kennst du vielleicht einen Mann, der eine Frau will, die andauernd in der Patsche steckt?“

„Manchmal tut es einem Männerherzen ganz gut, eine schöne Frau zu retten. Es mag ihn daran erinnern, warum Gott ihn gerettet hat.“ Sein samtenes Bekenntnis berührte ihr Herz.

„Du bist ein sehr interessanter Mann, Nate Kenneth.“

„Du bist eine faszinierende Frau, Susanna Truitt.“ Er nippte an seinem Kaffee. „Sag, wie geht es deinem Vater?“

„Gut. Er hat Glück gehabt. Es ist ein kleines Gerinnsel. Morgen früh machen sie eine Angioplastie.“

„Mein Vater kämpft gegen Leukämie.“ Nate lehnte sich in dem blauen Vinylstuhl zurück.

„Das tut mir sehr leid, Nate.“ Es war das erste Mal, dass sie überhaupt daran dachte, dass er einen Vater oder Eltern hatte.

„In den letzten Monaten ist es ziemlich bergab gegangen mit ihm.“ Die starken Empfindungen intensivierten seinen Blick. „Es tut mir ziemlich leid, dass ich mich so viele Jahre mit ihm angelegt habe, im Glauben, ich wüsste es besser. Rebellion.“ Er lachte über seinen Kommentar. „Bin ich nicht mutig? Meine Jugendsünden einzusehen, jetzt, wo es meinem Vater schlecht geht?“

„Besser jetzt als nach seinem Tod.“

Nate lächelte und nickte. „Das mag ich so an euch Amerikanern. Nicht um den heißen Brei herumreden. Einfach sagen, wie es ist.“

„Sagen, wie es ist? Ich glaube, ich habe mich in meinen letzten zehn Lebensjahren nicht unbedingt klar ausgedrückt.“ Sie rutschte im Stuhl hinunter und legte ihren Kopf gegen die Lehne. „Ich bin zu müde, um nach Hause zu fahren.“

„Dann sitzen wir einfach hier und ruhen uns aus“, sagte Nate.

Susanna atmete langsam aus und ließ die Anspannung des Abends, des Tages, des ganzen Wochenendes weichen und holte sich Kraft aus Nates ruhiger Gesellschaft.

Sie war fast eingedöst, als sein Telefon klingelte. Der durchdringende Ton ließ beide gleichzeitig hochschrecken. „Es ist Liam.“ Er nahm den Anruf an und ging zum Fenster, dann um das Schwesternzimmer herum, das Telefon am einen Ohr, eine Hand über dem anderen.

Susanna sah seinem aufrechten Rücken hinterher, bis er verschwand, und beschloss, dass sie ihn mochte. Nicht, weil er in den seltsamsten Momenten und immer gerade dann auftauchte, wenn Not am Mann war, sondern weil er so aufrichtig und bodenständig wirkte. Wenn sie wieder mehr Energie hatte, würde sie mit ihm über Brighton reden, über seine Familie und ihn fragen, was er eigentlich arbeitete, wenn er Leute wie Liam brauchte.

„Susanna! Da bist du ja …“ Gage kam mit der Wucht eines zornigen Stiers in den Wartebereich gerannt. „Ich habe überall nach dir gesucht.“

„Daddy hatte einen kleinen Herzinfarkt.“

„Ich habe mich den ganzen Abend über bei Mrs. Butler entschuldigt …“

„Entschuldige mal, Gage, aber Daddy hatte einen Herzinfarkt.“ Jetzt war sie wach und zitterte fast vor Adrenalin.

„Den Auftrag kriegen wir nie“, schnaubte Gage mit den Händen in den Hüften. „Ich habe einen Kredit aufgenommen … hab ‘ne Lohnabrechnung gemacht … weil ich so sicher war, dass –“

„Bitte behaupte jetzt nicht, dass wir den Auftrag wegen mir nicht bekommen. Bitte.“

„Nein, nicht wirklich.“ Gage ließ sich auf den nächstbesten Stuhl fallen. „Sie hat noch nicht einmal bemerkt, dass du gegangen bist. Ich bin einfach nur wütend. Ihr Gastsprecher ist verschwunden, und sie war so außer sich, dass ich kein Wort darüber anbringen konnte, dass Gage Stone Associates die Architekten ihrer Wahl sein sollten. Bestimmt kriegen Hayes & Associates in Savannah unten den Job.“ Sein Tonfall veränderte sich, wurde niedergeschlagen und schwach. „Ohne diesen Auftrag werden wir untergehen. Hörst du mich, Susanna? Untergehen.“

„Weißt du was, Gage?“ Susanna sah ihn an und nahm ihren Mut zusammen. „Ich mach dir das Leben ein bisschen leichter. Ich kündige.“ Wenn sie überhaupt etwas aus der Trennung von Adam gelernt hatte, dann loszulassen. Ihr Herz für neue Möglichkeiten zu öffnen. Zu springen.

„Kündigen?“ Mit einem harten Lachen verspottete er ihre Erklärung. „Jetzt komm schon. Sei mal realistisch. Wo willst du denn hin, wenn du mich verlässt?“

„Ich weiß es nicht, Gage. Ich weiß es nicht.“ Sie stärkte sich mit einem tiefen, befreienden Atemzug. Pustete den ganzen Schrott von wegen nach Plan leben einfach weg. „Aber das erste Mal in meinem Leben ist es mir egal.“

Es war einmal ein Prinz

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