Читать книгу Prinzessin wider Willen - Rachel Hauck, Rachel Hauck - Страница 11
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Freitagabends hielt Reggie Hof. So jedenfalls betitelte Al das Ganze. Reggies Hof. Und die Gruppe aus Freunden und Familienmitgliedern, die sich an der Scheune versammelten, nannte er ihren Hofstaat. Aber Reggie war keine Königin. Sie war einfach eine ganz gewöhnliche junge Frau, die ihr Leben mit ihren Lieben teilte. Das wöchentliche »Hof halten« hatte ziemlich spontan an einem Freitag begonnen, nachdem Al und sie die Werkstatt eröffnet hatten. Ein paar von Reggies ehemaligen Kollegen bei Backlund & Backlund waren vorbeigekommen, um zu schauen, ob ihr blinder Sprung in die Autorestauration das Opfer ihrer Zukunft als gutbezahlte Wirtschaftsprüferin wert war.
Sie hatten ihre Zweifel, aber Reggie hatte das Gefühl, dass die Restauration des Challengers sie überzeugen würde. Dann fingen ihre Freunde an, regelmäßig vorbeizukommen, um die Verwandlung des Autos im Auge zu behalten. Vielleicht wollten sie auch Reggie im Auge behalten. Würde sie es schaffen?
Rafe installierte Lautsprecher unter dem Vordach der Scheune. Freitags gegen fünf drehte Reggie die Musik auf – eine Mischung aus Country und Soul – und bestellte ein Dutzend Pizzas.
Ein halbes Jahr später war es nicht mehr nur ihre Audienz. Auch Als Freunde und Familie kamen vorbei. Wallys Enkelkinder. In letzter Zeit hatten sich auch andere Autoverrückte und Freunde von Freunden unter die Freitagabendmeute gemischt.
Heute trat Reggie mit einer kalten Flasche Rootbeer aus der Scheune heraus. Sie hatte die Pizzas bestellt und freute sich auf einen Abend mit viel Musik und Gelächter.
Und darauf, die Erfolgsgeschichte des Challengers zu erzählen, vielleicht gespickt mit dem einen oder anderen »Das habe ich dir doch gleich gesagt«. Vielleicht konnte sie Al dazu bringen, den Höflingen ein paar dezente Hinweise auf den Duesenberg zu geben.
Reggie setzte sich auf die Kante des Picknicktischs und grinste Carrie an. Ihre Freundin »seit ewig« versuchte, Rafe einen Line Dance beizubringen. Er bewegte sich mit der Eleganz eines Holzfällers nach einem langen Arbeitstag. Wenn er nach rechts gehen sollte, ging er nach links. Er war ein Soldat, kein Tänzer.
»Gib’s auf, Carrie!«, rief Reggie.
»Niemals!«, erwiderte diese und führte Rafe energisch, indem sie ihn um die Taille fasste.
Er lachte und sah zu der zierlichen, dunkelhaarigen Carrie hinunter. Aha, aha, schau an, schau an. Da entwickelte sich wohl etwas mehr als nur Freundschaft zwischen den beiden.
Gut für dich, Carrie-Bärchen. Das ist gut. Rafe ist einer von den guten Jungs.
Reggie sah zu Al hinüber, der mit einem Arm voll Klappstühle aus der Werkstatt kam. Wally folgte ihm mit einem Weidenkorb voller Chips und, hoffentlich, seinem berühmten Zwiebel-Meerrettich-Dip.
»Ein toller Abend für eine Audienz, Reg«, sagte Al und lehnte die Stühle an einen Baum.
»Fang nicht wieder mit dem Hof-Gerede an, Al.«
»Warum nicht? Ich finde das sehr passend.«
»Du bringst noch alle anderen dazu, auch so zu reden.«
Aber es war wirklich ein toller Abend, um Hof zu halten. Wenn das einfach nur bedeutete, Zeit mit den Leuten zu verbringen, die sie liebte. Es war der erste Herbstabend, und die Tagundnachtgleiche hatte Florida eine frische Brise beschert.
»Hey.« Mark setzte sich auf den Tisch neben ihr, dessen Bretter ächzten. Der Duft seines Aftershaves füllte die Luft zwischen ihnen.
»Alle Mann an Deck! Morgen gehen wir segeln.«
»Segeln? Mark, ich werde schon seekrank, wenn die Badewanne zu voll ist.« Reggie rückte von ihm weg. Weil er zu nah bei ihr saß. Weil sie nicht wollte, dass er zu vertraut tat. Sie hatte ihn letztens in die Schranken ihrer Freundschaft gewiesen, aber sein »Ich gehe auch nicht weg« hatte bei ihr alle Alarmglocken schrillen lassen.
»Du hast es mit dem Segeln doch noch nie richtig versucht, Reg.«
»Wie bitte? Ich bin zweimal Hochseeangeln gewesen.« Was hatte sie sich nur dabei gedacht, als sie das Desaster wiederholt hatte? Sie hatte schon beim ersten Mal die ganze Zeit über der Reling gehangen und sich übergeben. Sechs Stunden lang hatte sie versucht, den Geruch des Köders nicht einzuatmen – aufgeschnittener Tintenfisch. »Und die Weihnachtsfeier von Backlunds war dreimal auf einer Yacht. Jedes Mal habe ich den Abend damit verbracht, in inniger Umarmung mit der Toilette zu tanzen. Sag nicht, ich hätte es nicht versucht.«
»Aber doch nicht so, mit dem Wind in den Segeln und …«
»Mark, ich werde auf keinen Fall ein Wasserfahrzeug betreten, nur um den ganzen Tag die Fische zu füttern und ohne irgendwo ein Fitzelchen Land zu sehen.« Also ehrlich, kannte er sie gar nicht? Sah er sie denn nicht? »Morgen schlafe ich erst einmal schön aus, dann esse ich Pfannkuchen zum Frühstück«, das war eine spontane Idee, die ihr sehr gefiel, »und dann mache ich mich an die Bücher.«
Als Buchhalterin und Wirtschaftsprüferin war es selbstverständlich, dass Reggie den Papierkram übernahm, als Al und sie ihre Firma eröffneten.
»Nur Arbeit und kein Spiel wird irgendwann auch Reggie zu viel.« Seine Stimme hob und senkte sich in einem albernen Singsang. Er legte ihr den Arm um die Schultern. »Jetzt komm schon, lebe mal ein bisschen. Devin Swain und seine Freundin haben uns nach St. George eingeladen. Du erinnerst dich an die beiden, sie waren bei dem Fischessen. Kate mochte dich wirklich.«
»Was genau hat ›ein bisschen leben‹ damit zu tun, sich krank und elend zu fühlen und den Tod herbeizusehnen?« Reggie schnippte neben seinem Ohr mit den Fingern, beugte sich ein bisschen vor und flüsterte: »Ich werde nicht segeln gehen.«
»Auch gut. Psst, Reg.« Mark bewegte sich vom Tisch weg. »Dann lass uns doch sagen, ich bin zum Abendessen wieder zurück. Ich hole uns was vom Chinesen und komme um … acht Uhr? … bei dir vorbei.« Er fixierte sie mit hochgezogenen Augenbrauen.
Aber was sie in seinem Ausdruck sah, war nicht der erfolgreiche, gepflegte Geschäftsmann, sondern ein schmächtiger kleiner Junge, der sich nach Aufmerksamkeit sehnte.
»Mark, ich, äh …« Ihr Mitleid mit ihm war nichts Heiliges. Ihr falsches Mitgefühl trug nur dazu bei, romantische Hoffnungen zu nähren. Sie musste ihm klarmachen, dass sie nur Freunde waren, und die räumlichen Grenzen wahren, um ihn davon abzuhalten, ihr ihren ersten Kuss zu stehlen. Den Kuss, den sie sich für ihren ganz persönlichen Traumprinzen aufsparte.
Mark brauchte echte, wahrhaftige Worte. Ein klares, ausdrückliches Bekenntnis aus der Tiefe ihres Herzens zu ihrer Freundschaft. Wenn sie versuchte, seine Gefühle zu schonen, würde sie ihn am Ende nur umso mehr verletzen.
»Um acht also?« Er ging langsam rückwärts und zeigte auf sie. »Dahinten sehe ich Bob Boynton, und mit dem habe ich schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr geredet.«
»Um acht, ja.« Sie lächelte. Morgen würde sie ausschlafen, die Bücher durchgehen und dann beten. Sie würde Gott bitten, dass er ihr die richtigen Worte schenkte, die im Stande waren, Mark von der Wahrheit zu überzeugen.
Rafe machte die Außenbeleuchtung an, und Reggie drehte ihre Runden zwischen den »Höflingen«. Sie hörte sich um, wie ihre Arbeitswoche gelaufen war, und erkundigte sich, ob jemand spannende Pläne für das Wochenende hatte. Einer der neueren Höflinge, ein Rechtsberater, belagerte Wally, mit dem er sich lang und breit über einen uralten Mercedes unterhielt, den er online gefunden hatte.
Jubelrufe wurden laut, und Flaschen und Dosen wurden zum Gruß erhoben, als das Auto des Pizzalieferanten in die Auffahrt einbog. Reggie nahm sich ein frisches Rootbeer aus der Kühlbox und lehnte sich an die Scheunenwand. Sie beobachtete das Durcheinander bei der Pizza, lauschte den Unterhaltungen und freute sich über das aufbrandende Gelächter.
»Glücklich?« Carrie gesellte sich zu ihr an die Wand.
Reggie dachte einen Moment lang nach, dann nickte sie. »Ja, sehr.«
»Ich bin stolz auf dich, Reg. Ich bin stolz, dass du den Sprung in das Restaurationsgeschäft gewagt hast.« Carrie war das Gegenteil von Reggie. Sie hatte sich vom Mitglied einer Studentinnenverbindung an der Florida State University in eine Lobbyistin verwandelt, die immer nahe am Politikgeschäft dran war. Sie verbrachte ganze Tage in Spas und Schönheitsfarmen, flog im Frühjahr und im Herbst nach New York zum Shopping und machte Yoga-Urlaube. »Du hast uns alle zu Visionären gemacht, indem du deine Arbeit aufgegeben hast und deinem Herzen gefolgt bist, Regina Beswick.«
»Wie, hattest du etwa gewagt, an mir zu zweifeln?«
Carrie lachte. »Albern, ich weiß, aber selbst die Stärksten kommen manchmal ins Straucheln.«
Reggie warf ihr einen Blick von der Seite zu. »Rafe und du, ihr versteht euch besser als nur gut, wie ich sehe.« Rafe passte eigentlich nicht zu dem Geschmack, den Carrie bei Männern sonst an den Tag legte. Sie ging mit Rechtsberatern aus. Mit anderen Lobbyisten. Geldbeschaffern. Mit Männern, die Maßanzüge trugen und regelmäßige Maniküretermine hatten.
Ihr letzter Freund? Ein narzisstischer Zombie. Wirklich wahr.
»Rafe und ich? Neiheihein …« Aber selbst die Abenddämmerung konnte die Röte nicht verbergen, die Carries Wangen küsste. »Er wollte lernen, wie ein Line Dance geht. Das ist alles. Er ist nicht mein Typ.«
»Und was für ein Typ soll deiner sein? Menschlich?«
»Ha, ha, sehr witzig.« Carrie lehnte sich etwas bequemer an die Wand und stützte sich mit einem Fuß daran ab. »Ich habe doch schon zugegeben, dass du mit dem Zombie-Mann Recht hattest.«
»Mit Rafe habe ich auch Recht. Gib ihm eine Chance.«
»Du gehst davon aus, dass er überhaupt eine Chance haben will.«
»Willst du mir etwa erzählen, er wolle keine?«
Carrie errötete noch mehr. Ihr Lächeln sah dadurch noch entzückender aus. »Wir sind für morgen zum Abendessen und einem Film verabredet.« Sie stieß sich von der Wand ab und zeigte mit dem Finger auf Reggie. »Sag nichts, kein Wort!« Carrie ließ sich wieder gegen die Wand sinken und brüllte über den Hof, Rafe solle Reggie und ihr Pizza bringen.
»Erinnerst du dich, wie Mama und ich früher manchmal auf der hinteren Veranda saßen und uns die Sterne ansahen?«, fragte Reggie. »Sie fragte mich, was ich werden wolle, wenn ich groß sei. Sie sagte mir, ich solle große Träume träumen.«
»Ich frage mich, ob sie gerade vom Himmel herunterschaut und die goldenen Knöpfe ihres Engelkleides fast platzen, weil sie so stolz auf dich ist.« Carrie sah sie an. »Meinst du, es gibt diese Art Stolz im Himmel?«
Reggie schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht, aber irgendwie kann ich mir vorstellen, dass Gott zu allen, die im Himmel sind, sagt: ›Leute, schaut mal, was meine Kinder machen. Sind die nicht einfach toll?‹ Aber das hier«, sie klopfte gegen die Scheunenwand, »ist ziemlich weit von allem entfernt, was ich mir damals vorgestellt habe.«
»Auf jeden Fall.« Carrie lachte. »Du wolltest doch immer Prinzessin werden.«
»Daran war nur Uroma Alice schuld.«
Uroma hatte mit Reggie und Carrie immer Prinzessin gespielt, sie bastelte Kronen aus Tonpapier und dekorierte sie mit Glitzer.
»Ich habe immer noch eine der Kronen, die ich einmal mit ihr gebastelt habe«, sagte Carrie.
»Selbst mit 97, als sie kaum noch sehen konnte, hatte sie Spaß daran, Verkleiden zu spielen.« Reggie hakte sich bei Carrie ein. Außer Daddy und ihrer Stiefmama Sadie war Carrie ihre einzige Verbindung zu diesen Kindheitserinnerungen. Sie war die Einzige, mit der sie in den Geschichten über Uroma und Mama schwelgen konnte.
Rafe tauchte mit zwei Papptellern Pizza auf. Er flirtete mit Carrie, die … kicherte. Eine Kicherliese im reifen Alter von 29 Jahren? Da war definitiv etwas im Busch.
Reggie ging zurück zum Picknicktisch, wo die Höflinge ihr immer einen Platz freihielten. Als sie einen großen Schritt über die Bank machte, blieb ihr Blick an etwas zwischen dem Scheunendach und den Ästen der Eiche, die die Sicht einschränkten, hängen.
Was war das? Reggie stellte ihre Pizza auf den Tisch und studierte die Flecken des verblassenden Zwielichts, das durch die Blätter gerade noch sichtbar war.
Da. Ein blauer Blitz. Da war etwas in den Wolken. Reggie kniff die Augen zusammen und versuchte, ins Abendlicht zu sehen. Was war das? Es jagte ihren Puls hoch.
»Reg, hast du genug Platz?«
Sie legte eine Hand auf Seth Davis‘ Schulter. »Ja, ja, ist alles gut. Ich dachte nur, ich hätte etwas gesehen.« Aber sie hatte sich getäuscht, oder? Bestimmt spielte ihr ihre Fantasie einen Streich. Mit einem letzten Blick in den Abendhimmel setzte sich Reggie und drückte sich eine Hand aufs Herz. Sollten sie sie ruhig für verrückt halten, aber sie hätte schwören können, dass Uromas sanfte blaue Augen auf sie herabblickten.