Читать книгу Eringus, der Drache vom Kinzigtal - Rainer Seuring - Страница 3
Vorwort
ОглавлениеIch halte es für angebracht, so langsam dann mal doch die Geschichte aufzuschreiben, bevor ich beginne zu vergessen. Ich merke, dass die Wirkung des Drachenodems, der uns Drachenkinder so langes Leben und so viel Erinnerung schenkt, so langsam in mir nach lässt. Es wäre schade, ginge auch nur eine Kleinigkeit dieser Ereignisse im Dunkel der unerzählten Vergangenheit verloren.
Es ist die Geschichte meiner Urgroßmutter, die vor mehr als tausendvierhundert Jahren lebte. Ohne vorab zu viel zu verraten: Ja, wir Drachenkinder werden sehr alt. Weil das unsere Umwelt nicht verstehen kann, ziehen wir zu gegebener Zeit an Orte weiter, wo man uns nicht kennt und nichts von uns weiß. Wir müssen uns bedeckt halten und würden doch manches Mal gerne in die Geschichte eingreifen. Doch das wird im Laufe der Zeit natürlich immer schwerer. Versetzen Sie sich doch einmal in die Lage des Grafen Lamboy vor Hanau im Dreißigjährigen Krieg. Wenn da meine Mutter gesagt hätte, sie könne ihm helfen, weil ihre Mutter (was also meine Großmutter ist) schon zu Hanaus Gründungstagen in den Niederungen als Kind spielte, man hätte sie auf das Rad geschnallt oder ähnlich schmerzliches. So bleibt uns nur die Rolle des stillen Betrachters.
Ich hatte auch schon viele Namen, wie meine Mutter auch, damit unsere Spur durch die Zeit nicht gefunden werden kann. Sind die Kinder groß genug, müssen sie die Mutter verlassen, eben um die Verbindungen zu verschleiern. Nur Urgroßmutter hatte es da leichter. Die Welt damals war weit weniger dicht besiedelt und Aberglaube und Sagen waren glaubwürdiger, als in unserer heutigen aufgeklärten Zeit.
Doch, wie gesagt, ich spüre, dass wir langsam wieder zur normalen Sterblichkeit zurück kehren. Wir werden wieder einfache Menschen und dadurch verblasst auch das Wissen, was vor so langer Zeit im Kinzigtal geschah.
In keiner Geschichte der Dörfer, Städte und Gemeinden findet sich auch nur der kleinste Hinweis darauf, dass hier einmal Menschen, Zwerge, Halblinge, Riesen, Zauberer und viele andere Wesen mehr oder weniger bis gar nicht friedlich mit einem mächtigen und klugen Drachen zusammen lebten. Wer wird heute noch an so etwas glauben, in unserem aufgeklärten und nüchternen 21. Jahrhundert. Niemand will sich damit schmücken und verdammt alles ins Reich der Märchen. Nicht einmal die Brüder Grimm haben sich das getraut. Dabei haben sie darüber oft gesprochen und überlegt, wie man das eine oder andere in ein Märchen verpacken kann. Ich weiß das von meiner Mutter. Sie war der Familie des Öfteren zu Diensten. Ehrlich.
Ach ja, noch etwas in eigener Sache. Verzeiht die teilweise für heutige Zeit doch sehr merkwürdige Ausdrucksweise, der ich mich befleißige. Immerhin ist dies der Tatsache geschuldet, dass diese Erzählung aus einer Zeit herrührt, in der die Sprache Deutsch noch gar nicht existent war. Im Extremfall verstanden die Menschen damals nicht, was im Nachbarort gesprochen wurde. Heutzutage würde man diesen Umstand mit „Echt krass ej“ kommentieren. Da dies nun aber absolut keine angemessene Ausdrucksweise für mich ist und ich trotz widriger Umstände daran festhalten will, wenigstens stellenweise eine angepasste alte Rede wieder zu geben, mag der eine oder andere meine besondere Sprachweise verzeihen. Mein Dank hierfür sei euch gewiss.
Und noch eine Anmerkung sei mir gestattet.
So mancher Genius Musicus mag am Wortrhythmus die Melodey erkennen, welche sich darin verbirgt. Wer dies nicht vermag und doch Gelüste in sich trägt, Töne dazu zu finden, der mag mich anschreiben und ich werde mit Suchrätseln weiter helfen.