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VORREDE

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Unmittelbar nach der Eröffnung der ersten Reichstagssitzung des Norddeutschen Bundes am 19. Juli 1870, ergriff der –damals noch Bundeskanzler- Graf Bismarck das Wort: „Ich teile dem hohen Hause mit, dass mir der französische Geschäftsträger heute die Kriegserklärung Frankreichs überreicht hat. Nach den Worten, die Se. Majestät soeben an den Reichstag gerichtet hat, füge ich der Mitteilung dieser Tatsache nichts weiter hinzu.“ Die Worte Se. Majestät war die vergleichsweise gemäßigte Thronrede Wilhelms I.

Anlass für die Kriegserklärung war die Kandidatur des Hohenzollernprinzen Leopold, dem zweiten Sohn des Prinzen Anton, für den Spanischen Königsthron.

Bereits einen Tag später bewilligte der Reichstag den beantragten Geldbetrag in Höhe von 120 Millionen Taler - ohne Debatte und einstimmig. Wiederum einen Tag später verkündete Reichstagspräsident Simon: „Möge der Segen des allmächtigen Gottes auf unsrem Volke ruhen, auch in diesem heiligen Krieg. Der oberste Bundes-Feldherr der deutschen Heere, König Wilhelm von Preußen, er lebe hoch!“

Ganz so harmonisch verlief die vorausgegangene Sitzung (15. Juli) des „gesetzgebenden Körpers“ in Paris zwar nicht, denn es gab teils heftige Auseinanderset-zungen zwischen den Fraktionen. Aber am Ende setzte sich das Regierungslager durch: Das Parlament bewilligte einen „Credit“ von 50 Millionen Franc mit 245 gegen 10 Stimmen. Bereits am 16. Juli begab sich eine Deputation, um den Kaiser Napoleon III. darüber zu informieren. Er erwiderte: „Ich empfinde eine hohe Befriedigung, … Ihnen für die patriotische Unterstützung, welche Sie meiner Regierung gewährt haben, zu danken. Ein Krieg ist legitim, wenn er mit der Zustimmung des Landes und der Bewilligung seiner Vertreter geführt wird.“ Schließlich zitierte er noch Montesquieu: „Der wahre Urheber des Krieges ist nicht, welcher ihn erklärt, sondern der, welcher ihn notwendig macht.“

An dieser Stelle sei der Wortlaut der Kriegserklärung wiedergegeben:

Der unterzeichnete Geschäftsträger Frankreichs hat in Ausführung der Befehle, die er von seiner Regierung er-halten, die Ehre, folgende Mitteilung zur Kenntnis Sr. Excellenz des Herrn Ministers der auswärtigen Angelegenheiten Sr. Majestät des Königs von Preußen zu bringen:

Die Regierung Sr. Majestät des Kaisers der Franzosen, die den Plan, einen preußischen Prinzen auf den Thron von Spanien zu erheben, nur als ein gegen die territoriale Sicherheit Frankreichs gerichtetes Unternehmen betrachten kann, hat sich in die Notwendigkeit versetzt gesehen, von Sr. Majestät dem Könige von Preußen die Versicherung zu verlangen, dass eine solche Combination sich nicht mit seiner Zustimmung vereinheitlichen könnte.

Da Se. Majestät der König von Preußen sich geweigert, diese Versicherung zu ertheilen, und im Gegentheil dem Botschafter Sr. Majestät des Kaisers der Franzosen bezeugt hat, dass er sich für diese Eventualität, wie für jede andere, die Möglichkeit vorzubehalten gedenke, die Umstände zu Rathe zu ziehen, so hat die kaiserliche Regierung in dieser Erklärung des Königs einen Frankreich eben so wie das allgemeine europäische Gleichgewicht bedrohenden Hintergedanken erblicken müssen. Diese Erklärung ist noch verschlimmert worden durch die den Cabinetten zugegangene Anzeige von der Weigerung, den Botschafter des Kaisers zu empfangen und auf irgend eine neue Auseinandersetzung mit ihm einzugehen.

In Folge dessen hat die französische Regierung die Verpflichtung zu haben geglaubt, unverzüglich für die Vertheidigung ihrer Ehre und ihrer verletzten Interessen zu sorgen, und, entschlossen zu diesem Endzweck alle durch die ihr geschaffene Lage gebotenen Maßregeln zu ergreifen, betrachtet sie sich von jetzt an als im Kriegszustande mit Preußen.

Der Unterzeichner hat die Ehre, Sr. Excellenz die Versicherung seiner hochachtungsvollen Ergebenheit aus-zudrücken.

Le Sourd

Berlin, den 19. Juli 1870“

Noch am selben Tag überschritten französische Chasseurs d’Afrique die Grenze bei Saarbrücken.

Der Bundesfeldherr Wilhelm von Preußen verfügte zu Beginn des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 über rund 520 Tsd. Mann, denn die vier süddeutschen Staaten (Bayern, Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt) traten zur Überraschung Napoleons III. an seine Seite. Währenddessen blieb das übrige Europa neutral, da es Frankreichs Angriff als unbegründet an-sah. Die Franzosen stellten unter ihrem Feldherrn 336 Tsd. Mann. Nach übereinstimmenden Angaben stieg die Kopfzahl des deutschen Heeres in dem nur wenige Monate dauernden Krieg auf 1,3 Millionen.

Die deutschen Kräfte traten in drei Armeen aufgeteilt an, in der Rheinpfalz, an der Saar und Mosel. Die 2. Armee wurde vom Prinzen Friedrich Karl befehligt, die 3. durch den Kronprinzen Friedrich Wilhelm, zu ihr gehörten auch alle süddeutschen Verbände. Gemäß dem Aufmarschplan des Generalstabes kam es zu dem Gefecht bei Weißenburg. Wörth und Spichern erlagen dem preußischen Ansturm. Es mag verwundern, dass nur gesiegt wurde, und zwar schnell.

Bei Metz sammelte der Franzosenfeldherr sein Heer, und unterlag bei Mars-la-Tour, bei Vionville, bei Gravelotte/St. Privat; am 18. August schloss das deutsche Bundesheer 180 Tsd. Franzosen unter Marschall Bazaine in der Festung Metz ein. Der andere Marschall der Franzosen, Mac-Mahon, eilte mit einem Entsatzheer nach Metz und musste, bei Sedan abgefangen, kapitulieren. Da sich Napoleon III. bei dieser Armee aufhielt, kam er in schimpfliche Gefangenschaft.

Bazaine kapitulierte am 27. Oktober, nach mehreren erfolglosen Ausbruchsversuchen und übergab die Festung den Deutschen. Das sollte schwerwiegende Folgen für ihn haben, wie wir sehen werden.


Beenden wir den kurzen Siegesbericht mit der Wiedergabe zweier Handschreiben. „Mein Herr Bruder! Da es mir nicht vergönnt war, in der Mitte meiner Truppen zu sterben, so bleibt mir nichts übrig, als meinen Degen in die Hände Eurer Majestät zu legen“, schrieb der Kaiser der Franzosen an den König der Preußen. Der antwortete im gleichen Stil: „Mein Herr Bruder! Indem ich die Um-stände, unter denen wir uns begegnen, bedauere, nehme ich den Degen Eurer Majestät an und bitte Sie, einen Offizier zu bevollmächtigen, um über die Kapitulation der Armee zu verhandeln, welche sich so tapfer unter Ihrem Befehl geschlagen hat. Meinerseits habe ich den General von Moltke hierzu bestimmt.“

Wen es wundert, dass sich der Herr Bruder zwar in die Hände seines Besiegers begeben, nicht aber für seine Armee sprechen durfte, mag bedenken, dass die Franzosen neben einem Kaiser auch noch eine Regierung hatten, die sogenannte „Regierung der nationalen Verteidigung“. Und diese setzte den Krieg fort. Trotz einiger kleinerer Erfolge wie etwa bei der Rückeroberung von Orléans oder Villersexel, war die Niederlage nicht aufzuhalten – im Februar 1871 gab es einen Vorfrieden und am 10. Mai 1871 endete der Krieg.

Das Deutsche Reich entstand, Wilhelm I. wurde Kaiser und Bismarck Reichskanzler. In Frankreich wurde die Monarchie endgültig abgeschafft.

Doch Zurück zu Marschall Bazaine: Seine Kapitulation erregte in Frankreich höchste Erbitterung. Als der Innenminister Gambetta von der Kapitulation hörte, rief er aus: „Ich würde es vorgezogen haben, die Armee von Metz in ein Beinhaus verwandelt zu sehen.“ Bazaine wurde zunächst der Unfähigkeit und der Feigheit, später des Hochverrats beschuldigt. 1872 wurde er auf ei-genes Verlangen verhaftet und vor ein Kriegsgericht gestellt. Dieses Gericht trat nach einer umfangreichen Voruntersuchung im Oktober 1873 im Schloss Trianon, nahe dem Schloss von Versailles zusammen.

Der Prozess war ein Schauprozess und von Beginn an umstritten. Vicomte de Gontand-Biron, der von 1872 bis 1877 Botschafter in Berlin war, schrieb in seinen Erinnerungen: „Was man auch über den Marschall Bazaine denken mag, ich bezweifle, dass sein Proceß einen Nutzen hat. Welches Interesse haben wir, unsere Armee herabzusetzen. Die Fehler der Untergebenen vermindern diejenigen des Staats-Oberhauptes, und, wenn man Herrn von Arnim glauben darf, werden diese Verfolgungen uns in Europa nur schaden. Herr Thiers hat vergeblich gekämpft, um sie zu verhindern.“

Der Prozess erregte großes Aufsehen. Bücher wurden verfasst, die die Ereignisse minutiös darstellten oder er-örterten, ob die Niederlage Bazaines überhaupt vermeidbar war. Dazu später mehr.

Natürlich nahm auch die Presse regen Anteil am Geschehen. Ein Beispiel für viele: Zwischen 1867 und 1890 erschien in Leipzig das Blatt „Der Salon für Literatur, Kunst und Gesellschaft“, herausgegeben von Ernst Dohm, Julius Rodenberg und anderen.

Diese schickte den österreichischer Schriftsteller und Journalisten, Paul d’Abrest, nach Versailles. D’Abrest wurde als Friedrich Kohn in Prag geboren und kam schon mit zehn Jahren zu Verwandten nach Paris. 1877 wurde ihm auf Antrag die französische Staatsbürgerschaft verliehen.

Hier Auszüge aus seinem Bericht, der 1873 in zwei Teilen erschien; sein Artikel bietet einen anschaulichen Eindruck von den Ereignissen im Trianon:


Marschall Bazaine Hochverrat

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