Читать книгу Der Dolch des Propheten - Ralf-Erik Thormann - Страница 5
Kapitel 3
ОглавлениеAls das Bewusstsein zurückkehrte, gab es keinen Körper mehr - nur noch Schmerzen!
Einen Moment später füllte ein Männergesicht meinen gesamten Blick aus.
Broderik.
War er nicht abgereist?
Mir fiel keine Antwort auf die Frage ein. Währenddessen drang Stimmengewirr undeutlich herüber. Es war zu leise, um etwas verstehen zu können.
Ich schien zu liegen und fühlte mich unerklärlich matt. Dann kam die Erinnerung zurück.
Der Lesesaal!
Aufgeregt wollte ich mich aufrichten. Meine Brust schien dabei zu zerreißen. Mit einem gurgelnden Stöhnen blieb es bei dem Versuch. Sobald sich der Schwindel wieder gelegt hatte, kreisten zumindest die Augen.
Die Umgebung wirkte fremd - weder der Raum noch seine Einrichtung kamen mir bekannt vor. Ein bekannter Geruch stieg unangenehm deutlich hoch.
Als der Templer merkte, dass der Verletzte zu sich gekommen war, überschüttete er mich mit Fragen. Antworten gab es nur spärlich, denn das Sprechen fiel unendlich schwer. Die Worte kamen nur undeutlich gebrabbelt heraus.
Ich hatte nichts gesehen oder gehört - bis zum jenem Moment des Zustoßens.
Broderik beseitigte die Verwunderung bezüglich meines Überlebens.
Der Meuchelmörder hatte sein Werk nicht vollenden können, weil ihn ein Novize überraschte. Er betrat den Raum in dem Moment, als ich zusammenbrach und die Waffe nochmals erhoben wurde. Seine Schreie ließen die Mönche herbeieilen und den Attentäter flüchten. Er sprang aus einem Fenster des Lesesaals in den Hof, kletterte über die naheliegende Abteimauer und verschwand danach spurlos auf dem Markt nebenan.
Die Gassen neben der Abtei waren eng und überfüllt, so dass sich eine Verfolgung fast unmöglich gestaltete. Broderik, der sich entgegen seiner Pläne noch im Kloster aufhielt, folgte ihm fast auf dem Fuß, aber der Mörder kannte scheinbar jeden Winkel. So blieb die Verfolgung durch einen einzigen Mann allein im Gewimmel eines Markttages erfolglos.
Der Ritter erklärte nicht, wieso er sofort zur Stelle gewesen war.
Der Mann wurde mir immer unheimlicher.
Und nun erzählte er fast beiläufig, dass man mich nach dem Anschlag in das Hauptquartier der Templer gebracht hatte, um mich zu schützen - mit dem Einverständnis des Abtes!
Ambrosius, der immer Wissen und Fähigkeiten der Mönche über jegliche Kenntnisse der weltlichen Umgebung stellte, ließ mich wider seine Aussagen in diesem Zustand wegbringen, in andere Hände!
Über diesem Gedanken wurde mir schwindelig, und die Augen fielen zu.
Als ich wieder wach wurde, stank es nach Blut.
Eine Körperbewegung zur Seite verwandelte meine ruhige Lage in ein wildes Zucken. Die Schmerzen waren überall, und der Verstand kam kaum gegen sie an. Gleichzeitig stieg unverkennbar Pferdegeruch hoch, und metallenes Klirren ließ sich nicht überhören.
Waffen!
Die Gedanken hatten kaum ein Ende gefunden, als sich die Dämmerung im Kopf schon wieder ausbreitete. Unterschwellig schoss mir noch das letzte Gespräch mit Broderik durch den Kopf.
Ich war bei den Templern!
Mit einer Kopfbewegung seitwärts versuchte ich zu erkennen, was um mich herum passierte.
Auf einem nahen Tisch stand ein Wasserkrug mit einem blutigen Tuch. Daneben war ein Teller mit ärztlichem Werkzeug zu sehen, außerdem eine Schale mit mehreren Lappen.
Meine Augen gingen mühsam in die Höhe. Der Ritter und der Abt!
Beide standen an einer Seite des Bettes und sahen dem Arzt zu, der gerade ein weiteres blutiges Tuch ablegte und sich dann über die frisch vernähte Wunde beugte.
Mit aller Macht versuchte ich wachzubleiben.
Dem unaufhörlichen Gebrabbel des Abtes war zu entnehmen, dass die Mönche mich zu den Ordensrittern gebracht hatten, um mein Leben zu retten. Deren Ärzte hatten mannigfaltige Felderfahrung bei der Versorgung von Schwerverletzten, und so war die Wahrscheinlichkeit, zu überleben, bei ihnen größer als in der Abtei.
Man hatte mich in einen leeren Raum nahe des Pferdestalls gebracht. Zur Operation wurde ich dort auf einen Tisch gelegt. Mehrere Wachen sollten etwaige Zwischenfälle verhindern.
Ambrosius und Broderik wachten seit dem Transport ins Hauptquartier der Ritter ohne Unterlass über mich.
Soweit möglich, hörte ich dem Abt zu, während der Templer wortlos meine Hand hielt. Er drückte sie fortwährend, als wolle er mir so Kraft geben.
Mühevoll versuchte ich mich an das zu erinnern, was von den Ordensrittern bekannt war.
Sie lebten absolut bescheiden im Vergleich zu anderen Ritterorden, ihrem Eid getreu. Die Einheit auf Malta konzentrierte sich in einem stark befestigten Hauptquartier in Valletta, der Hauptstadt der Insel. Man versuchte sich zu behaupten und bildete den Brückenkopf für eine weitere Ausdehnung des Ordens. Allein der Papst stärkte sie bewusst und bezog ihre Präsenz auf der Insel in seine Politik stillschweigend mit ein.
Malta stellte sich als Insel vor Italien und Europa wie ein Bollwerk der arabischen Welt entgegen. Entsprechend hoch war die Anzahl der anwesenden Ritter.
Die Gedanken des Ordens kreisten allein um Glauben und Schwert. Auch auf der Insel waren sie bestrebt, irgendwann die politische und militärische Vormachtstellung zu erreichen. Der hiesige Statthalter machte ihnen fortwährend Schwierigkeiten, da er seine eigenen Pläne bedroht sah.
Ansonsten verliehen die Templer auch auf Malta Geld an jeden, der es wünschte. Die Obrigkeit wie jeder einfache Reisende konnte der Sicherheit ihres Finanzwesens vertrauen.
Glaube, Macht und Geld - diese Mischung hatte den Orden bisher in vielen Teilen an die Spitze der Politik gebracht. Trotzdem war das tägliche Leben der Brüder weiterhin karg und genügsam, ihren eigenen Regeln entsprechend.
Ich konnte nicht mehr.
Die Augen fielen mir zu, während die Schmerzen fast gleichzeitig eine weitere Ohnmacht heranbrachten.
Beim nächsten Erwachen fühlte ich mich besser.
Sofort tauchte Ambrosius´ Gesicht neben mir auf. Der Abt wirkte ernst und übernächtigt, als er diesmal kurz und knapp berichtete.
Ich hatte zwei Tage ununterbrochen geschlafen. Der kritische Punkt war überwunden und die endgültig Wendung dem Leben entgegen geschafft.
In der Zwischenzeit hatte es einen Zwischenfall gegeben, der die Templer peinlich berührte und ihren Ruf nicht verbesserte.
Erneut war ein Versuch, mich umzubringen, nur knapp gescheitert. Diesmal hatten die Mörder es inmitten der Komturei, dem Sitz der Ordensritter auf der Insel, versucht!
Nach der Operation hatte man mich in einen Raum mitten im Hauptgebäude gebracht. In dem weitläufigen und mehrstöckigen Gebilde sollte ich, von Templern umgeben, neben Ruhe auch Sicherheit finden. Zusätzlich postierte man zwei Wachen vor der Tür und einen weiteren Mann neben dem Lager.
Trotzdem hatten drei Mörder, als Knechte getarnt, mühelos den Weg bis zu meinem Zimmer gefunden. Niemandem war dabei etwas Ungewöhnliches aufgefallen!
Die Männer hatten alle Kontrollen innerhalb der Komturei passiert, obwohl sie kein Ordensangehöriger kannte. Ein Passierschein und der vehemente Verweis auf Broderiks Verlangen nach ihnen wirkten wie Türöffner. Die drei kamen schnell über die langen Gänge bis zu meinem Zimmer und erstachen die beiden Wachen davor. Der Mann neben dem Bett bemerkte den Tumult und schlug Alarm. In einem erbitterten Kampf erschlug der schwerverletzte Ritter zwei der eindringenden Mörder. Der dritte Attentäter wurde von herbeieilenden Templern getötet, als er bereits mit blanker Waffe an meinem Lager stand.
Diese Attentäter waren mit unglaublicher Präzision vorgegangen. Sie besaßen die nötigen Ausweispapiere und detaillierte Kenntnisse des Hauptquartiers der Templer. Vom Aussehen her gab es keinen Unterschied zu den Knechten. Seelenruhig bahnten sie sich ihren Weg mitten durch eine Schar von Gegnern.
Die Härte, die die Mörder dabei an den Tag legten und mit der das eigene Leben geopfert wurde, nur um ein Ziel zu erreichen, ließ an Fanatiker denken. Kein einfacher gedungener Mörder würde derart rücksichtslos sein eigenes Leben aufs Spiel setzen, nur um einen Auftrag zu erfüllen!
Für wen war ich so wichtig, dass er unbedingt meinen Tod wollte?
Wer schickte zweimal binnen weniger Tage Mörder? Mehr noch, wer konnte sie mühelos in eine Abtei und das schwer gesicherte Hauptquartier der Templer eindringen lassen?
Die Gedanken ließen mich nicht los. In einem steten Zusammenspiel von Schlaf und Genesung kamen Ambrosius und ich doch keinen Schritt weiter bei unseren Gesprächen.
Seinen Worten nach hatte sich Broderik seit dem zweiten Attentat nicht mehr bei mir sehen lassen.
Ihn beschäftigten andere Dinge.
Mittlerweile konnte ich wieder artikuliert reden und gesundete deutlich, aber die Wunde war tief.
Es würde noch Wochen dauern bis zum Vollbesitz aller Kräfte.
Ambrosius´ und mein Verhältnis war mittlerweile unterkühlt, fast wie unter Fremden - keine Spur der Herzlichkeit früherer Tage.
Früherer Tage? Vor weniger als einer Woche noch war mein Leben im Kloster ein einziger, sicherer Hort gewesen. Alles verlief in geordneten Bahnen - mit dem Abt als Freund!
Welche Rolle spielte er wirklich?
Der Mann kannte Broderik besser als zugegeben; zudem schien ihm jeder noch so kleine Knick meines bisherigen Lebensweges bekannt zu sein. Und nun wollte mein Mentor vergangener Jahre mich unbedingt loswerden, als sei alles Frühere bedeutungslos!
Trotzdem saß Ambrosius jetzt dauernd an meinem Krankenlager, als ob es keine anderen Aufgaben für einen Abt gäbe. Die Besuche nahmen drei Viertel des Tages ein und versuchten, Abwechslung zu bringen. Vielleicht sollte ich auch nur vom Grübeln abgehalten werden.
Permanent bemühte er sich, einen normalen Tonfall zu pflegen, vermied es jedoch, auf meine Herkunft einzugehen. Von dem Zettel in der nächtlichen Zelle hatte ich nichts erzählt.
Ambrosius blockte konsequent jeden Versuch ab, mehr zu erfahren. Es ließen sich ihm nur Sätze und Informationen entlocken, die bereits in Broderiks Beisein gefallen waren.
Irgendwann gab ich es auf, weiterhin nach etwas zu fragen, dass er ohnehin nicht preisgeben wollte.
Auf jeden Fall wusste der Mann mehr, als er zugab!
Wann immer der Abt sich verabschiedete, versank ich alsbald in schier unendlich tiefen Gedanken und Überlegungen.
Immer wieder schob sich die geheimnisvolle Nachricht dazwischen. Wenn mein Vater lebte, warum sprach Broderik von einem Erbe, das anzutreten wäre? Welcher Unbekannte wollte mich mit dem Hinweis vom Gegenteil überzeugen?
Die Tage vergingen, ohne dass sich eine Lösung gefunden hatte.
Diese Erfahrung machte ich neuerdings ständig ...
Seit dem Auftreten des Ritters schien es keine klaren Strukturen in meinem Leben mehr zu geben. Konfusion war an die Stelle eindeutiger Abläufe und Lebensplanung getreten.
Ich begann es zu hassen.
Vier Wochen später erfolgte die Verlegung in ein anderes Gebäude.
Ich konnte mich wieder halbwegs bewegen und auch ohne große Schwierigkeiten lesen, anstatt vor Schmerzen Schwindel zu bekommen. Allerdings kreisten die Gedanken ständig um den Zettel in der Zelle. Der Versuch, sie zu ignorieren, blieb dauerhaft erfolglos. Auch hatten sich seit dem Attentat regelmäßige Albträume eingefunden. In ihnen ging es um einen lebenden Vater, der für tot erklärt wurde …
Tagsüber lief ich den Gang vor meinem Raum auf und ab, um wieder zu Kräften zu kommen. Weitere Wege blieben verboten, um keine Gefahr heraufzubeschwören. Broderik wollte kein Risiko eingehen. Eine Wache folgte auf dem Fuß, aber es gab keine weiteren Attentate mehr.
Ambrosius verabschiedete sich - dauerhaft, wie er betonte.
Meine Zelle ähnelte der in der Abtei. Sie lag inmitten eines weiteren großen Gebäudes, nach innen zum Hof gerichtet, und konnte ihren militärischen Ansatz nicht verleugnen. Fenster gab es nicht. Stattdessen ließen einige in dicke Mauern eingelassene Schießscharten Licht herein. An den Wänden hingen alte Schwerter, und auf dem Tisch lagen Machwerke über Kampftaktiken und Kriegsführung neben der Bibel.
Das Essen wurde gebracht, da die Templer der Sicherheit wegen jeden Kontakt zu anderen Menschen unterbunden hatten. Ich war allein mit mir, und die Zeit kroch nur so dahin.
Wochen später war die Genesung abgeschlossen.
Ich konnte wieder richtig laufen und wie vor dem Attentat jede einfache körperliche Anstrengung bewältigen. Nachdem alle Überprüfungen des Arztes abgeschlossen waren, eröffnete mir Broderik, dass die Zeit nun reif sei, mit den Maßnahmen zu meinem Schutz zu beginnen.
Zwei Tage später bat ein unbekannter Templer um ein Gespräch.
Fast freute ich mich über die Abwechslung nach der Tristesse der vergangenen Zeit, doch das änderte sich binnen weniger Momente.
Der Mann erklärte nüchtern und knapp den Ablauf der bevorstehenden Wochen und Monate. Ich sollte auf Befehl Broderiks und des Abtes in allen Fähigkeiten eines Ritters unterrichtet werden. Nach Abschluss der Ausbildung würde man über eine Aufnahme in den Orden der Tempelritter befinden.
Damit würde der Orden nicht nur den letzten Willen des unbekannten Vaters erfüllen. Zusätzlich bekäme ich so auch unbekanntes Wissen und die Fähigkeiten, mich in Zukunft selbst gegen jeden Angriff zu verteidigen.
Das Leben als Klosterschüler sei unwiderruflich vorbei!
Der Tempelorden würde mich ab sofort weder zurück zu den Zisterziensern noch in die Welt außerhalb der Komtureimauern gehen lassen.
Mir sei ein anderer Weg bestimmt!
Ein Schmiedehammer schien auf meinen Kopf zu fallen.
Wer war ich, dass so viel Aufhebens gemacht wurde? Hatte nicht von klein auf der Entschluss felsenfest gestanden, nie ein Krieger werden zu wollen? Dies war nicht nur ein flüchtiger Gedanke in den ruhigen Momenten am Vogelfelsen gewesen, im Abendlicht, mit dem Hund in meiner Seite!
Nichts konnte mich zu solch einem Dasein bewegen!
Selbst die Erzählungen und Mythen der Kämpfer aus allen Jahrhunderten in den Büchern der Bibliothek hatten nie einen Beweggrund dargestellt. Ich las sie nur zur Vertiefung der Sprachkenntnisse, anstatt wie andere Jungen jede einzelne Zeile regelrecht zu verschlingen.
Das war nicht mein Leben!
Ich wollte in den Orden der Zisterzienser eintreten oder - eine Frau, Kinder, ein Heim!
Beten, Lesen und Lernen! Ansonsten vielleicht später einmal Lieben - nicht aber stattdessen dreckverschmiert und stinkend neben einigen anderen Überlebenden mit dem blutigen Schwert in der Hand gegen eine Übermacht kämpfen und sterben!
Ich wollte auch nicht halb verdurstet irgendwo eine Karawane begleiten, immer in der Hoffnung, während des eigenen Todes noch einige Feinde mitzureißen!
Und schon gar nicht wollte ich ein Leben aus Wissen und geistiger Arbeit gegen ein elitäres Ritterdenken und geheime Männerriten eintauschen!
Vor allem aber wollte ich dieses Leben nicht, das nun vorgezeichnet schien, nur weil ein unbekannter Mann es so geplant hatte!
Nur das nicht!
Warum hatte der Mörder keinen Erfolg gehabt?
Im Nachhinein wäre dies eher ein Glück gewesen - für mich!
Ich versank in einem Meer voller Trauer, Lebensmüdigkeit und Angst. Sämtliche Gefühle schienen sich dem düsteren Raum anzupassen, in dem ich an einem Tisch vor einem Becher Wasser saß, die Wache direkt daneben. Nicht einmal die Sonne konnte helfen, indem sie mehr Licht hereinschickte, als durch die Schießscharten passte. Zu klein waren diese Öffnungen ...
Irgendwann trat ich auf den Gang vor der Zelle, um in den großen Innenhof zu sehen. Es war dringend eine Ablenkung nötig, sonst würden die Gedanken mich wahnsinnig machen!
Nirgendwo war ein Lachen zu hören, stattdessen das Klirren von Stahl bei der Reinigung. Dazu mischte sich der Geruch von Lederfett und Männerschweiß.
Keine vertrautes Miteinander wie bei den Mönchen, sondern nur ernste Gesichter von Kämpfern, die sich selbst zu wichtig nahmen!
Es war widerlich - mich umgab all das, was ich bisher im Leben verachtet und gemieden hatte!
Die Templer bedeuteten Schutz vor jemanden, der jeden Moment zustoßen konnte. Gegen einen wirklichen Feind stand mir jedoch niemand bei - meinen Vater!
Jahre schienen über diesen Überlegungen vergangen zu sein, als die Wache das Essen brachte - eine große Portion Schweinefleisch und Gemüse.
Was sollte das? Wollte man mich fettfüttern für kommende Quälereien? Abends waren Mönche nur leichte Kost gewöhnt, um den Nachtschlaf nicht durch einen vollen Magen zu stören!
Widerwillig nahm ich das Essen an. Über dem Grübeln war ein ganzer Tag verstrichen, und selbst der Wachwechsel war dabei unbemerkt geblieben.
Ein Diener brachte mich anschließend zu Broderik in einen anderen Raum. Als ich eintrat, stand der Templer am Fenster, einen Apfel in der Hand. Er kaute mit halboffenem Mund und ließ auch nicht ab, als das Gespräch begann.
Ein ungehobelter Klotz!
Das war die Elite? Zorn schoss in mir hoch. Hatte er schon bei dem Benehmen nicht mehr zu bieten?
Seine Beschreibungen der kommenden Wochen und Monate brachten mein Blut zum Kochen.
Ambrosius und er waren zu dem Schluss gekommen, dass ich am ehesten überleben würde, wenn man mich hier auf Malta in den Fähigkeiten eines Kämpfers ausbildete. Auf Zypern oder im Heiligen Land dagegen, wie von dem verfluchten Unbekannten gewünscht, würden mögliche Attentäter ein ungleich leichteres Ziel bekommen.
Nach der Zeit auf der Insel sollte ich dann an Transportbegleitungen teilnehmen. Kleinere Scharmützel mit Dieben und Wegelagerern würden dabei erste Erfahrungen als Kämpfer bringen, ohne große Gefahr zu bedeuten. Eine massive Präsenz der Ordensritter im Hintergrund sollte die Sicherheit für mein Leben bringen, die man dem Willen ihres Freundes schulde. Irgendwann stünde dann die Aufnahme in den Tempelorden an. Bis dahin hätte man das Problem des unsichtbaren Feindes längst gelöst.
Was sollte der Unsinn?
Die Tempelritter waren ausnahmslos bereits bei ihrem Eintritt in den Orden von edler Geburt und brachten Vermögen und Einfluss ein. Alle höheren Ränge wurden ausnahmslos mit ihnen besetzt. Von den einfachen Brüdern stiegen nur wenige in der Hierarchie auf. Und selbst wenn es geschafft war, so hatten sie dann wegen ihrer Herkunft doch nicht das gleiche Ansehen. Auch später würde ich nur ein dienender Bruder, aber kein Ritter sein ...
Wollte Broderik schon wieder schönreden, was nicht meine Entscheidung war?
Er ignorierte jegliche Einwände und gab mannigfaltige Ausführungen. Es war unerträglich. Unvermittelt schoss ich mit schnellen Schritten zur Tür und riss sie auf. Sofort kreuzten sich von der anderen Seite aus zwei Lanzen und versperrten den Weg. Ich wischte darunter durch und rannte den Gang hinunter. Kurz darauf beendeten zwei weitere Wachen die planlose Flucht.
Wut waberte regelrecht hoch. Nichts mehr war von der Zurückhaltung des gebildeten Klosterschülers geblieben. Dieser Broderik ließ mich nicht nur unentwegt von den Templern in unmittelbarer Nähe beschützen, sondern noch von weiteren im Hintergrund!
Wie sollte ich dem je entkommen?
Der Mann musste geisteskrank sein. Nahm er sich oder mich zu wichtig?
Mein Leben konnte niemals eine solche Leibwache wert sein! Wozu all diese Quälereien?
Ich wusste es nicht.
Vor allem aber ließen sich seine wahren Motive nicht ansatzweise ergründen!
Die Wachen schlossen mich trotz lautstarker Proteste in meinem Raum ein. Etwas später brachte ein Diener die Nachricht, dass aufgrund des Fluchtversuches die Ausbildung vorgezogen würde - auf morgen!
Man hatte mir die Möglichkeit der Entscheidung schlichtweg genommen. Egal, wie die Wahl ausgefallen wäre - ich wurde nun endgültig fremdbestimmt. Ritter und Abt zeigten endlich ihr wahres Gesicht - sie setzten ihren Willen einfach durch!
Schlaf fand sich nicht in dieser Nacht.
Durch die Schießscharten fiel das Mondlicht herein. Ein fahler Kegel wanderte langsam die Wand entlang, während die Zeit verging. Ich zermarterte mir den Kopf.
Nichts.
Keine Lösung, kein Entkommen!
Doch es musste einfach einen Weg geben, die unsägliche Situation hier zu beenden!
Letztendlich fanden sich nur zwei Möglichkeiten, dem Elend zu entgehen. Bei der erstbesten Situation würde ich fliehen und als Schiffsjunge anheuern, um dann irgendwo an Land zu gehen und in einem Orden unterzukommen. Oder besser als schwarzer Passagier nach Italien übersetzen und dort unerkannt Mönch werden?
Für eine Familie fehlten Frau und Geld, also verwarf ich diese Überlegung – nicht ohne einen Anflug von Selbstironie.
Wilde Gedanken ...
Wie gut die Überlegungen auch sein mochten - es ließ sich keine Umsetzung noch in dieser Nacht finden. Ab morgen würden die Templer kaum einen Weg zur Flucht offenlassen ...
Die Zeit verrann unerbittlich.
Sie holten mich mit dem Ruf des Hahns. In der Nähe des Stalles wurde mir ein Teller in die Hand gedrückt - Hafergrütze und etwas Wasser als Frühstück. Gegessen wurde hastig und im Stehen. Anschließend suchten wir ein Magazin auf. Dort folgte gegen Angabe des Namens die Einkleidung.
Ein Bettler konnte nicht schlechter aussehen!
Verwaschene Kleidung aus grobem Stoff, Schuhe, die Lumpen ähnelten, ein Leibriemen, der den Sack von Oberkleidung an den Schläuchen von Beinkleid halten sollte ...
Direkt danach trieb mich ein Templer über den Innenhof des Ordenskomplexes. Ununterbrochen musste ich den großen Hof die Mauer entlang umrunden. Das sollte den Körper straffen und auf kommende Aufgaben vorbereiten, wie der Bruder süffisant erklärte. Diese Schinderei brachte mich bald an den Rand des Zusammenbruchs. Rücksichtslos trieb der Templer an, während er im Schatten eines Baumes saß. Niemand im Innenhof der Komturei beachtete uns. Ritter in voller Bewaffnung liefen vorbei, Knappen zogen Pferde von einem zum anderen Stall und gleichzeitig wuschen Knechte metallene Wannen an den Brunnen aus. Es blieb keine Zeit, über deren Bedeutung nachzudenken. Ein mit Stroh beladener Karren ließ mich straucheln, weil er unverhofft anhielt, während ich hinter ihm herrannte.
Bis mittags setzte sich die Prozedur fort.
Nach etwas Brei mit Wasser und einer kurzen Pause ging es weiter. Nun mussten in einer Ecke der Komtureimauer Baumstämme und große Steine umgeschichtet werden, von einem Stapel auf den anderen und wieder zurück - den ganzen restlichen Tag.
Abends war ich kaum noch Herr meiner selbst. Krämpfe und Schüttelfrost hielten den Körper in eisernem Griff. An Essen oder Schlaf war nicht zu denken.
Am nächsten Morgen hatte sich der Zustand kaum gebessert.
Trotzdem stieß man mich erbarmungslos in den Hof. Jetzt wurde das Herumrennen mit langen Stangen verlangt, während die Sonne erbarmungslos vom Himmel brannte. Wasser gab es nicht. Ich konnte mich kaum bewegen; zu sehr schmerzte der Körper noch von den Prozeduren des Vortages. Trotzdem verhielt sich der Templer noch erbarmungsloser als bisher.
Mittags gab es wieder Brei und Wasser; danach setzte die Quälerei bis zum Einbruch der Dunkelheit fort.
Welch ein Alptraum hatte hier begonnen!
Ein Tag folgte dem anderen, ohne dass ein Ende in Sicht war.
Anfangs gab es nur den Kampf gegen die drohende Ohnmacht. Später fasste ich mich und biss die Zähne zusammen, ohne einen Sinn im Durchhalten zu sehen.
Vielleicht war es der blanke Überlebenswille ...
Bald wurden während der Schleppens und Laufens auch noch die Schlachtrufe und Gesänge der Ordensritter geübt. Es blieb keine Wahl, also fügte ich mich widerwillig.
Irgendwann würde ein Ausbruch möglich sein!
Die Schinderei setzte sich fort, und die Anforderungen wurden immer größer. Bald bemerkte ich, dass der Templer mich allein drillte, während weitab eine kleine Gruppe anderer Männer die gleichen Übungen durchstehen musste.
Warum hielt man uns voneinander fern?
Eine Woche später brachte der Schleifer mich zu einem Übungsplatz vor der äußeren Verteidigungsmauer, die die Komturei schützte.
Hier begann die eigentliche Quälerei. Es gab mit Dung gefüllte Löcher, breite Sandflächen und viele Felsen. Auf Geheiß des Ordensritters musste ich im tiefen Sand mannshohe Gräben ausheben und wieder zuschütten, anschließend wieder Laufen und unentwegt die Gesänge üben.
Von morgens bis abends wurde wiederholt, was gerade erst geendet hatte. Auch weiterhin war keine Gewöhnung daran eingetreten, täglich auf das Neue drangsaliert zu werden. Längst wuchs der unbändige Wille zum Widerstand mit den steigenden Anforderungen.
Eine Möglichkeit zur Flucht bot sich bisher nirgendwo.
Also galt es, diese Zeit durchzustehen und danach weiterzusehen!
Den blanken Stumpfsinn, der mich wie eine Decke umschlang, ignorierte ich längst völlig, um Kraft zu sparen.
Einige Zeit später folgten die ersten Waffenübungen, erneut bis zur völligen Erschöpfung.
Es begann mit Stöcken als Schwertersatz. In jeder Körperhaltung und zu jeder Tageszeit drillte der Templer mich im Kampf. Die Belastung nahm mehr und mehr zu.
Mittlerweile standen dauernd immer einige Soldaten bereit, um pausenlos üben zu können.
Sobald er erste Fortschritte erkannte, hielt der Ritter sich nicht mehr an übliche Tageszeiten oder Regeln. Nun wurde ich auch nachts geweckt und zu Waffenübungen gezwungen, die wie Kämpfe auf Leben und Tod wirkten. Zum Ausgleich ließ man mich tagsüber kurz schlafen, wenn mir beim Essen wieder einmal die Augen zugefallen waren.
Völlige Erschöpfung war längst ein treuer Gefährte geworden.
Auf die Entfernung hin ließ sich deutlich erkennen, dass die Gruppe der anderen Männer bei weitem nicht so hart übte. Was sollte das? Wollte der oberste Templer der Insel ein Exempel an mir statuieren?
Irgendwann wurden die Anstrengungen zu übermächtig. Es verlor sich jedes Zeitgefühl.
Nur ganz leise regte sich noch der Kopf. Dumpf erinnerte ich mich an vergangene Zeiten im Kloster. Sie waren noch so nah und doch so unendlich fern ...
Abrupt wurde die Art der Kämpfe geändert.
Nun brachten sie mir bei, alle Waffen der Templer zu benutzen - Schwert, Lanze, Streitkolben, Bogen und Messer. Gleichzeitig ging der körperliche Drill mit unverminderter Härte weiter.
Es blieb weiterhin eine unglaubliche Quälerei. Vieles von dem, was ich durchmachen musste, war völlig unsinnig. Das Meiste überstieg bei weitem meine Kräfte, aber so war es wohl auch gedacht. Trotzdem hielt ich weiterhin durch, wenn auch nur mühevoll.
Broderik würde nicht die Freude bekommen, mich um Gnade winseln zu hören!
Grenzenlose Wut blieb eine andauernde Triebfeder, trotz aller Versuche, sie zu beherrschen. Selbst nachts, wenn Erschöpfung und Schmerzen jeden Ansatz von Schlaf erfolgreich vertrieben, änderte sich an dem Gefühl nichts.
Mit aller Macht kämpfte ich dagegen an. Sobald sich morgens die Hölle des Vortages wiederholte, gewannen sie jedoch wieder die Oberhand.
Es folgten weitere Wochen voller Torturen und Entbehrungen, die mich mein früheres Leben beinahe vergessen ließen.
Hatte der Templer anfangs noch Rücksicht auf die frisch verheilte Wunde genommen, benahm er sich mit der Zeit umso rücksichtloser. Der Schinder forderte mich fast bis zur Besinnungslosigkeit.
Gleichzeitig schien mein Intellekt regelrecht zum Verhungern gezwungen zu werden. Es gab keine Bildung mehr, wie ich sie kannte und liebte. Stattdessen nur noch Körperlichkeiten, um das eigene Überleben unter dem Banner der Ordensziele unbedingt zu sichern!
Das Wissen der Templer war vordergründig auf Waffen, die eigenen Ziele und ihren Sieg im Kampf ausgelegt. Es gab eine ganze Ansammlung von Regeln für ihr Zusammenleben und weitere für alle Lebenslagen. Ansonsten hatten sie sich allein dem Glauben verpflichtet. Die Ausprägungen waren vielfältig, aber anders als in einem Kloster. Keuschheit und Armut kannte ich bereits von dort, nicht jedoch die radikale Umsetzung und Sicherung der Ordensziele mit dem Schwert.
Vielleicht stellte sich auch alles ganz anders dar als innerhalb dieser Mauern ...
In diesen Tagen jedoch erschloss sich mir ein möglicher Unterschied zwischen der Wirklichkeit und dem Vermittelten nicht.
Ich kämpfte nur darum, nicht unterzugehen.
Allmählich trat man mir innerhalb der Komturei freundlicher entgegen.
Öfter wurde ich nach dem Ende der täglichen Übungen von Templern aufgemuntert. Es waren ernstgemeinte Versuche, kein dummes Gerede. Der Ausbilder geriet darüber in Rage. Er versuchte mich unentwegt von allen Menschen fernzuhalten. Die Wachen, die Tag und Nacht in der Nähe blieben, unterstützten ihn dabei tatkräftig.
Broderiks Macht blieb allgegenwärtig.
Langsam wuchs die Gier nach dem nächsten freundlichen Wort. Nach wie vor wollte ich weder zu dieser Gemeinschaft gehören noch etwas mit ihren Mitgliedern zu tun haben. Trotzdem half es ungemein, Anteilnahme zu erfahren und Mut zugesprochen zu bekommen.
Ich beobachtete die Menschen innerhalb der Mauern, wann immer möglich.
Es war faszinierend. Das Zusammengehörigkeitsgefühl war hier noch intensiver als im Kloster und wurde extrem gepflegt. Verständlich, denn das Leben des einen Mannes hing vom anderen ab, wenn sie in den Kampf zogen.
Was sollte ich davon halten?
Zogen mich die Templer nun an oder bewirkte ihr Tun nach wie vor brüske Ablehnung?
Ärgerlich wies ich diese Frage weit weg. Natürlich hatte es bisher nicht einen Moment des innerlichen Näherrückens gegeben. Meine Gedanken blieben dieselben, und die Quälerei verstärkte sie täglich. Allerdings blieb unbedingt darauf zu achten, nicht von den perfiden Plänen Broderiks übertölpelt zu werden!
Vielleicht versuchte der Ritter mich durch die Schinderei und gleichzeitige Freundlichkeit nur genau in die Richtung zu lenken, in die er und der unbekannte Vater mein Leben gehen sehen wollten!
Vielleicht ergriff mich aber auch einfach nur langsam der Irrsinn ...
Weitere Wochen zogen vorüber.
Nach wie vor konnte ich mich kaum auf den Beinen halten. In den freien Momenten, die blieben, kämpften Körper und Geist gegen eine unbeschreibliche Erschöpfung, die jede Faser meines Körpers durchdrungen hatte. Ansonsten las ich in der Bibel. Die unsäglichen Machwerke über Waffen oder Kriegsführung lagen weiterhin unberührt auf dem Tisch.
Das hier hatte nichts mit den Templern zu tun, die überall bekannt waren. Über diese Helden wurden Lieder gesungen und unendliche Geschichten erzählt. Sie waren edel, großmütig und frei im Geist. Ihre hehren Ziele hoben die Mönchsritter vom Rest der armseligen Welt ab, doch jeder Einzelne von ihnen blieb demütig dabei.
Die Wirklichkeit sah anders aus!
Zynisch lächelnd kam mir die Historie der Tempelritter in Erinnerung. Ich hatte sie früher im Kloster mehrmals übersetzt.
Acht Männer hatten die Gemeinschaft des „Ordens der armen Gemeinschaft Christi und des salomonischen Tempels“ gegründet, um die Gläubigen im Heiligen Land zu beschützen. Sie schworen Armut, Keuschheit und Gehorsam und verpflichteten sich zu Waffendienst und Gebet. Eine solche Mischung aus Mönchsorden und Waffenbruderschaft hatte es bis dahin noch nicht gegeben.
Jahre später kehrte einer ihrer Gründer von einer Reise in den Okzident, dem Abendland, zurück. Von da an wurde die neue Gemeinschaft mit Schenkungen überhäuft und bekam einen unglaublichen Zulauf. Im Laufe der Zeit erneuerte sie das Finanzwesen und unterhielt Kontakte zu den höchsten Gesellschaftsschichten. Nur dem Papst verpflichtet, nutzte man jegliche Freiheit zum eigenen Vorteil.
Die militärische Macht der Templer bildete zusammen mit anderen Vereinigungen lange unüberwindlichen Schutz gegen jeden Angriff auf das Heilige Land. Outremer - „das Land jenseits des Meeres“ - entwickelte sich mit ihrer Hilfe zu seiner damaligen Größe.
Der neue Zusammenschluss wuchs in der kommenden Zeit ununterbrochen und dehnte den Einflussbereich kontinuierlich aus. Seine Angehörigen zählten zu den besten Kämpfern des Abendlandes. Den eigenen Zielen streng verpflichtet, hatten die Ritter stets hohe Verluste in den Kämpfen. Ihre Strategien im Kampf und die Anpassung an Feinde und Umgebung sorgten dafür, dass langfristiger Erfolg gesichert blieb. Gläubig bis in den Tod und gefürchtet von den Feinden, wurden sie bei einer Niederlage eher umgebracht als versklavt.
Nach einer langen Zeit des Aufschwungs entstanden ungeplante Schwierigkeiten. Fehlentscheidungen, Missgunst sowie Saladins Geschick mündeten 1187 in der vernichtenden Niederlage von Hastings. Weder die Tempelritter noch die Christen in Outremer erholten sich davon dauerhaft wieder. In der Folge drohte der Verlust des gesamten Heiligen Landes. Trotzdem versuchte sich der Orden verzweifelt zu behaupten.
Und nun war ich bei ihnen gelandet!
Fügung oder Schicksal?
Egal - dies war nicht mein Leben und würde es auch nicht werden!
Nach wie vor schlief ich abends totunglücklich ein, ohne dass die Wut geringer geworden war. Ein einziger, großer Albtraum hielt mich gefangen.
Drei Monate später wirkte ich immer noch nicht wie ein Angehöriger des Ordens, weder innerlich noch äußerlich.
Körperlich in bester Verfassung, zeigten jedoch selbst die einfachsten Waffenübungen überhaupt keinen Erfolg. Auch die vermittelte Art, wie ein Templer zu denken und sich wie einer zu verhalten, prallte unübersehbar an mir ab. Nichts fand eine erfolgreiche Umsetzung. Ich stellte mich bewusst dumm, ohne offen zu provozieren.
Wer nicht lernen konnte, der war eben zu nicht viel fähig ...
Endlich hatte sich ein Weg des Widerstandes gefunden!
Der Ausbilder war dem Wahnsinn nahe - ich hatte mich nicht brechen lassen. Zumindest dieser Teil des Plans Broderiks und des Abtes war nicht aufgegangen. Sie hatten keinen Kämpfer oder Tempelanwärter aus mir machen können!
Unentwegt dachte ich auch weiterhin an die Zeit im Kloster und versuchte, mich an jeden Moment dort zu erinnern. Noch immer wusste ich eine Fliege ohne Verletzung mit einem Gewürz zu vertreiben, bevor sie das Essen anflog. Rezepte und Übersetzungen wurden innerlich unentwegt wiederholt, um sie nicht zu vergessen. Der Gedanke an die Herzlichkeit unter den Mönchen brachte ein Lächeln auf mein Gesicht, während gleichzeitig der Templer schreiend das Tempo der Übungen erhöhte.
Vielleicht würde die Ausbildung vorzeitig abgebrochen, wenn ich die Unfähigkeit lange genug durchhielt ...
Mein Widerstand wuchs mit jedem Tag.