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Als ein Vorwort: Warum reiten?

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Ein Pferd ist groß. Man hat einfach viel davon.

Ein Pferd hat sehr viel Fell. Ich striegle Poseidon sehr gerne. Es dauert schon eine ganze Weile, ich bis ich jede Stelle seines Körpers einmal gründlich massiert habe. Ich mache das sehr gerne und ich bin sicher, dass dies auch Poseidon gut tut. Wenn ich neben Poseidon stehe, kann ich nicht über seinen Rücken drüberschauen, aber ich muss mit der Bürste und Kardätsche auch dort mit Druck jeden Flecken Fell und Haut durchkämmen, wo ich nicht so leicht hinkomme. So bin ich körperlich allein vom Striegeln selber schon ziemlich gut durchgymnastiziert. Und dann hat er vier Hufe, die gründlich gesäubert werden müssen. Dazu muss ich dann natürlich in die Hocke gehen.

Ein Pferd braucht viel Raum.

An diesem Raum lässt es mich teilhaben und ich empfinde viel Glück, wenn ich mit dem Pferd die großen Entfernungen zwischen Stall, Weide und im Wald gemeinsam durchmessen kann.

Ein Pferd hat viel Kraft.

Auch an seiner Kraft lässt mich Poseidon teilhaben. Wenn er mal wirklich kräftig antritt, dann muss ich mich ordentlich mit Kraft und Gleichgewicht auf seinem Rücken festhalten, um mit ihm diese Beschleunigung aufzunehmen. Ich habe den Eindruck, das ist mehr, als in einem Sportwagen, wenn man das Gaspedal durchtritt und auch mehr, als ich spüre, wenn ein Flugzeug auf der Rollbahn zum Abflug spurtet.

Diese Kraft, die Poseidon hat und die er mir erlaubt zu bändigen, erfordert von mir einerseits auch eine gewisse Kraft und einen guten sportlichen Trainingszustand. Anderseits erzeugt es in mir ein großes Gefühl der Dankbarkeit, dass Poseidon es zulässt, seine große Kraft mit nur ganz sanften, kleinen Zeichen von mir wohl dosiert steuern zu lassen.

Das ist nur möglich, weil er mir vertraut und weil ich ihm vertraue. Wir lassen uns gegenseitig aufeinander ein. Mir gibt das sehr viel Selbstvertrauen. Poseidon hat viel mehr Kraft als ein Mensch ich muss mit ihm verhandeln, mich einigen, Vertrauen erarbeiten und mich auf ihn verlassen. Und Poseidon ist ein Pferd, man kann noch nicht einmal mit ihm sprechen. Na ja doch, wenn ich in ihn reinhöre, dann verstehe ich schon ziemlich gut, was er möchte, was er meint und was er mir mitteilen will.

Natürlich kommt von ihm auch mal ganz deutlicher Widerspruch. Meist hat das seinen Grund – den ich manchmal nicht sofort, sondern erst im Laufe der Zeit von ihm erfahre. Dann weiß ich, dass er Recht hatte und dass ich ihm gleich hätte glauben sollen. Also, wenn er im Wald mal nicht sofort auf meine Hilfe hin angaloppiert, könnte ich enttäuscht sein. Nach wenigen Metern aber wird mir klar, warum er das nicht gemacht hat: Er hat sich an die matschige Stelle hinter dem Busch da erinnert. Und gleich danach gehen seine Ohren nach hinten:

Und Du wolltest hier Galopp, nicht wahr?!

Solche Erlebnisse schaffen eine Zweisamkeit, die nachhaltig wirkt. Ich kann ihm vertrauen. Es gibt auch Situationen, in denen er lernen muss, mir zu vertrauen. Bei einem unserer ersten Ausritte in den Wald kamen wir an eine Stelle, die sehr stark bergab führte. So etwas hatte Poseidon wohl noch nie vorher gesehen. Mit heftigem, manchmal auch pfeifendem Ausatmen zeigte er mir, wie groß seine Angst war. Mit Beruhigung und mit allmählicher Überzeugung, mit sanften, aber nachhaltigen Paraden, beständig nach vorne, mit ganz kleinen Schritten ging Poseidon dann doch den Bergweg hinunter. Und unten im Tal hat er so voll Freude entspannt geschnaubt, und ist von da an mit selbstbewusst-forschem Schritt weitergegangen, dass ich sogar auch Tränen in den Augen hatte: Mir war es gelungen, dieses große Pferd zu einer Leistung zu überreden, die es von selbst gar nicht gewagt hätte, zu beginnen. Ich bin mir sicher, mit dieser Art der sanften, aber beständigen Überzeugung konnte ich auch schon so manchen Mitarbeiter von mir zu größerem anstiften. Ja, tatsächlich, meine Töchter haben mir beide schon gesagt, dass ich in der Erziehung bei ihnen eigentlich alles genau so mache, wie ich auch mit Poseidon umgehe. Das sehe ich als Kompliment. (Meine beiden Töchter kennen Poseidon sehr gut, mein Sohn reitet nicht und hat nicht diesen Vergleich).

Das Reiten selbst ist wirklich ein anstrengender Sport. Das wissen nur die Leute nicht, die nicht selbst reiten. Die denken, man sitzt da ja nur so drauf. Aber ein Pferd läuft nur dann gut, wenn der Reiter es möglichst nicht bei seinen Bewegungen stört. Das bedeutet, dass der Reiter selbst eine sehr gute Kondition haben muss, um die kräftigen Bewegungen des Pferdes rhythmisch aufzunehmen, elastisch abzufangen und zu modulieren. Reiten, also das Pferd steuern heißt dann, die eigene Körperspannung in kleinsten Details an jeder Stelle des Körpers ganz gering oder auch mal ganz stark so zu verändern, dass das Pferd diese Signale aufnehmen und umsetzen kann. Wenn ich nach einem guten Ritt von Poseidon absteige, dann zittern mir alle Muskeln. Dann weiß ich, das war wieder mal ein super guter Workout! Bis ich das selbst so konnte, hat es einige Jahre gedauert. Reitsport erfordert komplizierte Bewegungsabläufe, die ich nur mit sehr viel Disziplin, Ausdauer und auch dem Wunsch, es dem Pferd zuliebe endlich richtig können zu wollen, langsam aber gründlich gelernt habe. Ich kann an dieser Stelle zugeben, dass ich in der Schule noch so unsportlich war, dass ich nie (!) eine Urkunde bei den Bundesjugendspielen bekam und dass ich aus Angst nie über den Bock gesprungen bin. Wenn mein damaliger Sportlehrer heute nun sehen könnte, dass ich zusammen mit einem 600-Kg-Pferd unter mir noch über viel größere Böcke springe...

Ich genieße es, mich gewissermaßen auch schicksalhaft auf Poseidon einzulassen. Ich muss mich auf ihn verlassen können, wenn wir zum Beispiel mal gemeinsam eine so deutliche Schräglage einnehmen, aus der wir zusammen auch umkippen könnten, wenn er nicht doch noch mit einem richtigen Schritt unser Gleichgewicht wieder herstellen würde. Er ist ja der einzige von uns beiden, der läuft. Oder wenn er mal so richtig schnell, aus purer Freude und laut wiehernd mit höchstem Tempo über ein freies Feld galoppiert, dann muss ich wissen und darauf vertrauen, dass er Obacht gibt, nicht zu stolpern und dass er auch rechtzeitig wieder langsamer wird. Solche Situationen lasse ich zu, weil ich ihm vertraue. Ich spüre, dass er am Ende, wieder in gemächlichem Trab nach so einem fast selbstvergessen Spurt auch wieder merkt, ach ja, Du bist ja auch noch da – war doch aber eben ganz toll, oder?

Und wenn wirklich mal etwas passiert wäre, ja dann wäre es uns beiden gemeinsam passiert. Auch das schweißt zusammen. Wer das nicht glaubt, der muss es einfach mal selber erfahren!

Aber so reiten kann ich nur, wenn ich in jeder Sekunde zu hundert Prozent in Gedanken und körperlich bei Poseidon bin. Diese höchste Aktivität läßt mich all die anderen Dinge, die ich auch noch zu tun habe, vergessen. Diese gemeinsame Zeit schenken wir uns beide. Und das wirkt sehr stark entspannend.

Ich bin froh, dass ich die Gemeinsamkeit mit Poseidon erleben darf. Das zwingt mich auch, ganz unabhängig vom Wetter in ziemlicher Regelmäßigkeit Poseidon zu einem Ritt zu überreden, denn wir beide müssen im Training bleiben.

Zu all den Gründen, warum Reiten so schön, so wichtig und so gut ist, kommt noch ein weiterer Grund hinzu:

Die bedingungslose Liebe in dieser Männerfreundschaft, also Poseidon und ich.

Die Männerfreundschaft mit meinem Pferd Poseidon

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