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STARKES IMMUNSYSTEM – KANN MAN DAS MESSEN?

»Ich habe seit zehn Jahren keinen Schnupfen mehr!« Mit diesem Satz erntet man Bewunderung und weckt beim Auditorium die Assoziation eines starken Immunsystems. Aber haben Sie sich schon einmal die Frage nach objektiven Parametern für eine leistungsfähige Abwehrarbeit gestellt? Damit legen Sie den Finger direkt in die Wunde. Denn seitens der Wissenschaft ist eine objektive Erfassung des Immunstatus kein einfaches Unterfangen. Es fehlen direkte Messgrößen. Immunstärke lässt sich nicht anhand eines einzelnen Parameters bestimmen, so wie es bei der Körpertemperatur oder dem Blutdruck funktioniert. Einen aussagekräftigen »Immunindex« gibt es nicht. In solchen Situationen sucht die Wissenschaft gern nach Ersatzgrößen – im Fachjargon Surrogatparameter genannt –, die mehr oder minder (un-)spezifisch Informationen über den interessierenden Sachverhalt liefern.

Im Fall des Immunsystems finden sich solche Informationen im Blut. Selbst kann man kaum objektiv beurteilen, ob man immunologisch ein starker oder eher schwacher Typ ist. Da bleibt tatsächlich nicht viel mehr übrig als das Körpergefühl, die Beurteilung der eigenen Infekthäufigkeit und die Selbsteinschätzung, wie gut Wunden heilen, aber auch wie schnell man nach sportlicher Leistung regeneriert und kleine Blessuren auskuriert. Um mehr Objektivität in die Sache zu bringen, führt der Weg am Arzt – genauer gesagt an einer Blutuntersuchung – nicht vorbei.

ANZEICHEN FÜR EIN ANGESCHLAGENES IMMUNSYSTEM

häufige Infekte (Erkältung/Grippe, Magen-Darm-Beschwerden)

Haut-/Schleimhautprobleme (z. B. Lippenherpes, Aphthen)

verzögerte Heilung von Wunden und Verletzungen

verlängerte Regeneration nach Belastung (Sport)

Tagesmüdigkeit und Erschöpfung

Antriebsschwäche, Stimmungsschwankungen

BLUTBILD GIBT AUSKUNFT

Reaktionen des Immunsystems sind häufig mit Entzündungen im Körper assoziiert. Da diese über spezielle Botenstoffe (Zytokine) und Eiweißkörper vermittelt werden, liefert deren Bestimmung im Blut Hinweise auf ein aktiviertes Immunsystem. In der Blutanalyse stehen dann Werte wie Interleukin-6 und C-reaktives Protein – alles Bezeichnungen, mit denen man als Normalsterblicher herzlich wenig anfangen kann. Die Sache wird zusätzlich dadurch verkompliziert, dass auch Regenerationsprozesse nach hartem sportlichen Training mit kleinen Entzündungen in den Muskeln einhergehen, die ebenfalls das Immunsystem aktivieren, ohne dass irgendeine Erkrankung durch fremde Erreger vorliegen würde. Dem Arzt zeigen Entzündungsmarker im Blut, dass irgendetwas im Gange ist, was das Immunsystem angeworfen hat. Aber das sind eben nur Ersatzparameter, die nicht spezifisch für ein bestimmtes Krankheitsgeschehen sind und daher nur den Anstoß liefern, gegebenenfalls weitere Untersuchungen anzugehen.

Erhärten sich Anzeichen für einen bestimmten Krankheitsverdacht, stehen heute moderne molekularbiologische Verfahren zur Verfügung, um spezifische Erreger anhand deren Erbmaterials und eine erfolgreiche Antwort des Immunsystems durch Nachweis spezifischer Antikörper nachzuweisen. Die Covid-19-Berichterstattung hat uns ja alle zu (Fast-)Virologen ausgebildet und mit solchen Testverfahren – PCR zum Infektionsnachweis und ELISA zum Nachweis von Antikörpern – konfrontiert.

Bis hierhin ging es um den Nachweis eines bereits reagierenden Immunsystems. Aber das ist nur ein Faktor zur Beurteilung der individuellen Immunsituation, der wenig über die Ausgangslage, also die grundsätzliche Stärke meines Immunsystems aussagt. Hier wird bereits die Wichtigkeit einer Unterscheidung deutlich: Aktivierung und Stärke des Immunsystems sind zwei Paar Schuhe. Ein gut ansprechendes, schnell reagierendes Immunsystem muss nicht automatisch ein starkes sein.

KLEINE WEISSE GESCHÜTZE

Ausdauersportler interessieren sich gewöhnlich sehr für ihre roten Blutkörperchen, die Erythrozyten (gr. »erythros« = rot). Sind sie es doch, die als »Taxis« im Blut den eingeatmeten Sauerstoff von der Lunge zu Muskeln und anderen Bedarfsorganen transportieren. Spitzensportler vermehren ihre Erythrozytenzahl durch gezieltes Höhentraining. Immer wieder laufen die Train-high-compete-low-Athleten die erythrozytenarme Konkurrenz in Grund und Boden. Kein Wunder: Mehr Sauerstoff bedeutet schnellere Energiebereitstellung. Das ist eine schöne Sache für die Medaillenjagd, aber dem Immunsystem nützt das kaum.

In Sachen Abwehrkraft sind die Farblosen viel relevanter. Die Rede ist von den weißen Blutkörperchen, den Leukozyten (gr. »leukos« = weiß). Sie bilden keine einheitliche Zellart, sondern eher eine Großfamilie mit ganz unterschiedlichen Zelltypen. Da gibt es Lymphozyten, Granulozyten, Monozyten und viele mehr. Wieder wird deutlich: Das Immunsystem glänzt nicht durch Übersichtlichkeit. Wichtig zu wissen ist, dass die Gehalte der verschiedenen Leukozytenarten im Blut dem Experten Informationen über den Zustand des Immunsystems liefern. Deutlich zu niedrige Leukozytenwerte (Leukopenie) können Zeichen verminderter Abwehrkraft sein. Erhöhte Werte (Leukozytose) weisen auf gerade aktive Entzündungen hin. Aber auch solche Anomalien sind unspezifisch. Das Spektrum möglicher Ursachen reicht von unausgewogener Ernährung bis hin zu schwersten Erkrankungen – mitunter viel Recherchearbeit für die Fachleute.

Diese Informationen sollen im Kontext dieses Buches nicht beunruhigen, sondern gerade auch die sportlich Aktiven zum regelmäßigen Medizin-Check-up animieren. Bei länger andauernder Erschöpfung, Schwäche, Infekt- oder Verletzungsanfälligkeit sollte der Hausarztbesuch nicht zu lange vor sich hergeschoben werden.

WEISSE BLUTZELLEN ALS IMMUNMARKER

Die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) gehören zusammen mit den lymphatischen Organen (Knochenmark, Thymus, Milz, Lymphknoten, Mandeln) zu den Hauptfunktionsträgern des Immunsystems.

4.000 bis 8.000 Leukozyten tummeln sich in einem Mikroliter (einem millionstel Liter) »immunstarkem« Blut. Sind es deutlich mehr oder weniger, ist immunologisch etwas im Gange.

IMMUNMARKER IM DARM

Hätten Sie gedacht, dass Ihr Darm samt seiner knapp 40 Billionen Bewohner aus dem Reich der Bakterien, Pilze und weiterer Mikroorganismen das dichteste und mit Abstand am meisten Immunzellen beherbergende System der körpereigenen Immunabwehr bildet? Sie werden in einem späteren Kapitel einiges darüber erfahren. Bei so viel Immunkompetenz bietet es sich an, im Darm nach Indikatoren für die Stärke des Immunsystems zu suchen – also etwa nach einer besondere Abwehrkräfte verleihenden Zusammensetzung der Darmflora. Tatsächlich ist diese Suche einer der gegenwärtig am stärksten vorangetriebenen Forschungsinhalte weltweit.

Fitness fürs Immunsystem

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