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Der Ernst des Lebens beginnt

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Das Telefon klingelte. Meine Mutter nahm ab und es klang wichtig. Wichtig für mich. Ich sollte mein erstes Vorstellungsgespräch haben. Der gutbürgerliche Gasthof Heinrich suchte einen Kochlehrling.

Am frühen Abend des nächsten Tages standen wir Drei auf der Matte. Werner Heinrich, der Inhaber, begrüßte uns und bat uns in das Gesellschaftszimmer. Herr Heinrich war für mich schmaler Hering eine imposante Erscheinung. Eine kräftige Gestalt, etwas jünger als meine Eltern, tierisch groß mit einem nicht zu übersehenden Bauch im Anschlag, und einer Stimme, die mir auf der Stelle gleichermaßen Furcht sowie einen Heidenrespekt einflößte. Ich war verwirrt, hatte richtig Bammel. Und bekam erst einmal eine Limo vorgesetzt.

Wie das Gespräch dann im Einzelnen verlaufen ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich saß vermutlich völlig apathisch auf meinem Stuhl, nickte hier und da brav in die Kamera, wenn ich etwas gefragt wurde, und am Schluss sagte ich wahrscheinlich ganz tapfer und gequält lächelnd: „Ja, ich will.“

Denn nach einer knappen halben Stunde saßen wir wieder im Auto, auf dem Weg nach Hause und ich hatte die zunächst mündliche Zusage, dass in zwei Tagen meine Kochlehre beginnen würde. Was für ein Schock! Dabei hatte ich doch noch drei Wochen Sommerferien vor mir! Pah, das war so unfair!

Meine Eltern hingegen waren ganz aus dem Häuschen! Oh, Gasthof Heinrich, eine gute Adresse! „Die haben viel zu tun, Ralfchen“, sagte meine Mutter in ihrer etwas übertriebenen Fröhlichkeit und drehte sich mit leuchtenden Augen zu mir um, „da stehen immer Autos auf dem Parkplatz.“

Ich wusste nicht wie mir geschah! Ich fühlte mich wie von einer Dampfwalze platt gedrückt. So rasant schnell hatte ich mir meinen Einstieg ins Berufsleben sicherlich nicht vorgestellt. Ich hatte mir so rein gar nichts vorgestellt. Aber jetzt sollte sich mein pubertäres Gefasel tatsächlich rächen.

Zwei Tage später im selben Theater! Mit dem Fahrrad wäre ich, wenn ich, wie normalerweise bei mir üblich, wie ein Irrer in die Pedale getreten hätte, in knapp einer Viertelstunde da gewesen. Nach guten 30 Minuten stieg ich also vom Sattel, lehnte mein Fahrrad links neben den Eingang und betrat kurz nach zehn Uhr morgens die gute Stube. Mir war unendlich flau. Jetzt gab es kein Zurück mehr!

Es war der erste Tag nach dem dreiwöchigen Betriebsurlaub. Herr Heinrich stand hinter der Theke und begrüßte mich sofort laut einladend mit den Worten: „Na, Jung!“

Ich zuckte augenblicklich zusammen. Ein von mir gestottertes „’n Morgen“ folgte.

„Na, dann komm mal mit.“

An der Theke saßen auch schon die ersten Frühschoppengäste, vereint mit ihrem Bier und vor sich hinbrabbelnd. Ich ging um die Theke herum und folgte meinem zukünftigen Chef verschüchtert in die Küche. Mit einem ordentlichen Ruck stieß der die Schiebetür zur Seite und schon standen wir an dem Ort, der in den nächsten Jahren mein zweites Zuhause sein würde.

Zuerst erblickte ich, unmittelbar rechts neben uns, einen Mann in leicht gebückter Haltung über einer großen roten Schüssel stehend, der seine beiden Händen in Hackfleischmasse begraben hatte. Der Mann, Anfang 40 schätze ich mal, war wie ein echter Koch gekleidet. Diese noch frisch blütenweiße Kochjacke machte sofort mächtig Eindruck auf mich. Sah irgendwie sehr nobel aus. Nur, er hatte keine Kochmütze auf und so hatte man einen freien Blick auf sein Haupthaar, oder besser formuliert, auf seine glänzende Halbglatze. Das schien dann wohl mein zweiter Chef zu werden.

„So, Herr Grothe, das ist unser neuer Kochlehrling. Gell, Jung?“ Heinrich schaute erst seinen Koch an und dann mich.

Herr Grothe richtete sich etwas auf, nahm seinen rechten Arm aus der Schüssel, wischte sich die Hackfleischmasse notdürftig von der Hand ab und streckte sie mir mit einem kurzen knappen, aber freundlichen „Hallo“ entgegen. Ich nahm seine Hand und jetzt wusste ich schon mal so ungefähr, wie sich Hackfleisch am Körper anfühlt. Dann war Herr Grothe wieder in seine Arbeit vertieft.

Heinrich unternahm den Versuch, mich durch die Küche zu führen. Aber schon an der Durchreiche brach er ab, weil vorne an der Theke das Telefon läutete. „Machen Sie das“, bellte Herr Heinrich in Richtung seines Kochs und war auch schon wieder hinter der Theke verschwunden. Herr Grothe brummelte was vor sich hin, was ich nicht verstand.

Plötzlich hörte ich hinter mir Geräusche. Ich drehte mich um und bemerkte nun erst, dass im Gang von der Theke in die Küche noch eine Treppe nach oben ging, wo im Eiltempo die drei Söhne des Hauses herunterlärmten. Dahinter die Gemahlin von Werner, Frau Roswitha Heinrich. Ah, dachte ich bei mir, die haben also da oben ihre Wohnung.

Ich trat manierlich einige Schritte weit in die Küche rein, um den Herrschaften Platz zu machen. Die Söhne nahmen eigentlich kaum Notiz von mir und rauschten ohne einen Ton vorbei. Frau Roswitha Heinrich hingegen blieb vor mir stehen und begrüßte über meine Schulter hinweg zunächst ihren Koch und dann mich. Sie sah bei meinem Anblick nicht wirklich erfreut aus, sondern musterte mich geringschätzig, um nicht zu sagen: von oben herab. Sie schien mir ganz schön eingebildet zu sein. Das komplette Gegenteil von ihrem Mann, der laut polternd, etwas tapsig und bodenständig daherkam. Sie hingegen vermittelte sofort in Wort und Bild den Eindruck der Grande Madame.

Madame schritt nun erhobenen Hauptes, wie die Königin Mutter von England, an die Theke und nickte flüchtig, als wenn sie es überhaupt nicht nötig hätte, der eingefleischten Frühschoppenschar zu.

Was für ein Auftritt! Kaum zehn Minuten hier und ich war fix und alle! Mit solch einer arroganten Pute als Chefin hatte ich nicht gerechnet.

Zu diesem Zeitpunkt wusste ich arme Wurst selbstverständlich noch nicht, dass ich mit meiner Unterschrift unter dem Lehrvertrag auf einem Sklavenschiff angeheuert hatte. Rettungswesten? Fehlanzeige an Bord! Die nächsten Jahre stand ich immer kurz vorm Ertrinken!

Der Anti-Koch

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