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Was hilft gegen Angst?

Wir müssen nicht immer gleich zu Medikamenten greifen. Denn das Leben stattet uns mit vielen ganz natürlichen Mitteln aus, die uns beim Bekämpfen von Ängsten unterstützen. Den gesunden Menschenverstand haben wir ja bereits erwähnt und können ihn gar nicht genug betonen. Aber es gibt noch viel mehr natürliche und äußerst wirksame Anti-Angst-Mittel – zum Beispiel:

Erfahrung

Je mehr Erfahrung wir mit einer Situation haben, die uns Angst macht, desto leichter wird es meist, damit umzugehen. Wir kennen zahlreiche Musiker, die sich zu Anfang fürchteten, auf die Bühne zu gehen. Viele haben immer Lampenfieber. Dennoch lassen sie zahlreiche positive Erfahrungen – beispielsweise begeisterte Publikumsreaktionen – immer wieder ins Rampenlicht treten.

Ein befreundeter Comedian hat einmal erzählt: »Wenn die Angst ganz weg ist, dann fehlt oft auch die Energie auf der Bühne. Dann wird alles zur Routine. Und das wäre ja langweilig. Aber meine Erfahrung hat mich deutlich ruhiger werden lassen.«

Übung und Routine

Je öfter wir etwas gemacht haben, desto leichter fällt es uns. Wer erinnert sich noch an seine ersten Fahrversuche? So richtig routiniert waren die sicherlich nicht. Wir haben immer noch vor Augen, wie schwer es war, einfach nur loszufahren und sich in den fließenden Verkehr einzureihen. Ein Horror! Worauf wir damals alles noch aktiv achten mussten, schien völlig unüberschaubar. Heute läuft das alles von alleine, und wir denken eher: »Eigentlich ist es ein Wunder, dass nicht mehr Unfälle passieren, wenn man sieht, wie die anderen Auto fahren!«

Freunde


Echte Freunde sind eine Macht gegen die Angst.

Echte Freunde, also nicht unbedingt diejenigen, die sich auf unseren Social-Media-Kanälen tummeln, sind eine nicht zu unterschätzende Macht gegen die Angst. Zum einen geht es im gegenseitigen Umgang offen zu. Zum anderen profitieren wir von den Erfahrungen und Routinen der anderen. Ein Gespräch mit einem guten Freund kann leicht neue Perspektiven aufzeigen, die wir selbst in unserem »Filter« nicht entdeckt hätten. Freunde können aber auch dabei helfen, Ängste abzubauen. Oft genügt es schon, dass sie einem zuhören und einen im Notfall auffangen. Sie bieten starken Rückhalt und sind Menschen, mit denen wir Angstsituationen gemeinsam angehen können.

Fakten

Viele unserer Ängste sind völlig irrational. Wir haben Angst vor dem Fliegen, brettern aber mit 200 Sachen über die Autobahn. Das Flugzeug ist jedoch nachweislich das sicherere Verkehrsmittel. Das können wir in zahlreichen Statistiken nachlesen. Wir haben Angst vor der Überfremdung und vor dem Verlust unserer Identität als Nation. Trotzdem lieben wir es, beim Italiener Pizza zu essen, beim Vietnamesen Frühlingsrollen zu genießen oder beim Libanesen Mezze zu bestellen. Wir sind einfach wirklich gut darin, die Wahrheit selektiv zu sehen. Zudem können verschiedene Studien und Statistiken glaubhaft vermitteln, dass eine »Überfremdung« nicht passieren wird und Deutschland als klassisches Einwanderungsland neue Impulse und Kulturen nicht nur verkraften kann, sondern sogar davon profitiert.6 Bleibt jedoch das Misstrauen, ob diese Studien tatsächlich auf Fakten beruhen oder ob sie selektiv durchgeführt wurden, um ein bestimmtes Bild zu erzielen, das politisch und gesellschaftlich gewünscht ist.


Wahrheit ist häufig eine Frage der Perspektive.

Ob Fakten tatsächlich Fakten sind, ist heutzutage wirklich nicht mehr so einfach zu überprüfen. Jeder Studie steht eine weitere gegenüber, die das Gegenteil behauptet. Und jeder, der Lust darauf hat, mal etwas zu veröffentlichen oder seine Meinung im etwas anonymeren Rahmen des Internets kundzutun, hält sich für einen Journalisten und verkauft seine Meinung als alleinige Wahrheit. Akzeptieren Sie also nicht so schnell eine Aussage als Fakt. Wahrheit ist leider inzwischen häufig eine Frage der Perspektive geworden.

Schauen Sie bei sogenannten Fakten immer genau hin und fragen Sie sich: »Wer hat eine Studie in Auftrag gegeben? Wer profitiert von welchen Ergebnissen? Sind die Aussagen belegbar?« Wer der Wahrheit nahekommen möchte, sollte sich auf jeden Fall aus verschiedenen Quellen Informationen zusammensuchen und nicht vergessen, den gesunden Menschenverstand einzuschalten. Wir haben davon nämlich mehr, als wir oft glauben.

Unabhängigkeit

Wer sich von anderen Menschen finanziell oder auch emotional abhängig macht, ist viel anfälliger für Ängste als diejenigen, die sich ein Stückchen Unabhängigkeit bewahren. Das gilt sowohl im Privatleben als auch im Job.

Hat man in einer Partnerschaft keine eigenen Freunde mehr, pflegt man keine eigenen Hobbys, steigt die Verlustangst meist an. Das liegt daran, dass wir schnell das Gefühl bekommen, ohne den anderen nichts mehr zu sein. Eine Freundin sagte neulich: »Ich habe meinem Lebensgefährten gedroht: Wenn du mich verlässt und wieder nach da draußen schickst, dann bringe ich dich um!« Im ersten Moment war die Geschichte ein Lacher. Wir sind überzeugt, dass sie ihn nicht umbringen würde. Sie hat sich aber emotional so eng an ihn gebunden, dass sie sich selbst abhängig fühlt. Das jagt ihr eine Heidenangst ein. Viel schlimmer ist für sie aber die Vorstellung, wieder auf dem sogenannten Singlemarkt aktiv werden zu müssen.


Abhängigkeit schürt Ängste!

Im Job sieht das ähnlich aus. Wer selbstständig ist, sollte sich nicht auf ein Standbein und besonders nicht auf einen Kunden verlassen. Wenn der wegbricht, ist von heute auf morgen Panik angesagt. Kurzfristig betrachtet ist die wahrscheinlich sogar berechtigt. Es gibt zahlreiche Beispiele von Firmen, die deswegen Pleite gemacht haben. Die meisten erinnern sich bestimmt noch an Berichte von landwirtschaftlichen Betrieben, die aufgrund von Großaufträgen von Discountern expandiert haben. Danach wurden ihre Preise so gedrückt, dass es besser war, aufzugeben, anstatt zu liefern und draufzuzahlen. Aber auch Kleinunternehmer, die sich aufgrund eines Versprechens von zahlreichen Aufträgen selbstständig gemacht haben, mussten oft wieder aufgeben, weil der vermeintliche Großkunde insolvent war oder intern entschieden wurde, neue Prioritäten zu setzen.

Welcher Lebensbereich auch immer betroffen ist: Abhängigkeit ist nie gut und sorgt häufig für Ängste, die nicht sein müssten. Wir haben übrigens beide mehrere Standbeine. Ralf ist Moderator, Speaker, Eventdesigner, Autor und Veranstalter für Impro-Hotels. Mona arbeitet in der PR, im Künstlermanagement, ist Journalistin und Autorin.

Andersartigkeit

Suchen Sie sich Menschen, die anders sind als Sie. Das erweitert Ihren Horizont ungemein und lässt Sie die Angst vor Neuem und Unbekanntem schnell vergessen, weil Sie noch nie da gewesene Erfahrungen sammeln. Andere Meinungen und Blicke auf Themen sorgen für frischen Wind und unterstützen auch dabei, angstgeprägte Vorurteile abzulegen. Jede Andersartigkeit hilft uns, eine neue Perspektive einzunehmen. Wir beide lieben es zum Beispiel, mit Menschen aus anderen Generationen zu sprechen, am besten außerhalb der eigenen Familie:

Mona hat in New York mit zwei Dozentinnen an unterschiedlichen Colleges in den USA gesprochen. Eine der Damen, die die Position einer Dekanin innehat, weigerte sich zum Beispiel, einer Einladung ins Weiße Haus zu folgen. Sie wollte auf keinen Fall die Trump-Regierung unterstützen. Furchtlos stellte sie sich einem ungeliebten Regime entgegen und hat damit ein klares Statement gesetzt. In Deutschland hätten wir uns höchstwahrscheinlich erst einmal Gedanken darüber gemacht, was alles passieren könnte, wenn wir »den Gehorsam verweigern«. Manchmal scheint es, als ob uns so ein positiver Aktionismus fehlt. Die Dame ist übrigens Einwanderin. Sie stammt ursprünglich aus Jamaika, hat in Kanada studiert und lebt und arbeitet bereits seit über 40 Jahren in den USA. Und: Ihren Job übt sie immer noch aus!

Ralf hat ungefähr zur gleichen Zeit mit seinem Team das Bühnen- und Rahmenprogramm der IdeenExpo in Hannover gestaltet. Hier geht es um Fort- und Weiterbildung für Schüler. Um deren Nerv und auch den der Eltern zu treffen, ist ein ständiger Dialog mit der heranwachsenden Generation unerlässlich. Das baut Vorurteile und Berührungsängste ab und erweitert den eigenen Horizont um ein Vielfaches.

Neugier


Neugier macht Angst zum Fremdwort.

Entwickeln Sie eine Lust darauf, außergewöhnliche Wege zu gehen. Je eingefahrener wir sind, desto wichtiger erscheint es, dass alles so bleibt, wie es ist. Gewohnheit und Altbekanntes schaffen eine scheinbare Sicherheit. Doch wenn dann plötzlich etwas Unvorhergesehenes passiert, gerät die Sicherheit schnell ins Wanken. Wer Lust darauf hat, neue Wege zu gehen, hat weniger Angst davor, diese Pfade auch einmal zu beschreiten, wenn er nicht dazu gezwungen wird. Zudem wird er routinierter im Umgang mit Veränderungen. Je besser wir mit Veränderungen umgehen können, desto leichter wird es. Und je neugieriger Sie sind, desto aktiver gehen Sie in Veränderungen hinein, und Angst wird zum Fremdwort.

Distanz zur Angst

Schaffen Sie eine gedankliche Distanz zu Ihren Ängsten, anstatt sich immer tiefer hineinfallen zu lassen oder sich gar mit ihnen zu identifizieren. Einige Menschen beschäftigen sich so sehr mit ihren Ängsten, dass sie sich im schlimmsten Fall darüber definieren. Wir möchten hier nicht dazu aufrufen, Ängste zu ignorieren. Ein gesunder Abstand dazu ist jedoch dringend anzuraten. Das zeigt auch das folgende Beispiel:

Eine Freundin erzählte uns vor einiger Zeit, dass sie ihre Arbeit nicht mehr schaffen würde, weil sie so große Angst davor habe, ihren Job zu verlieren. Die Angst war auch nicht unbegründet, denn in ihrer Firma gab es bereits die dritte Kündigungswelle innerhalb weniger Jahre. Bisher war sie davon jedoch verschont geblieben. Sie steigerte sich trotzdem immer weiter in die Situation der vermeintlich Entlassenen hinein.

Irgendwann saß sie tagsüber wie gelähmt an ihrem Schreibtisch und konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Sie machte Fehler, wurde langsam und brachte keinerlei Kreativität mehr in die Firma ein. Innerlich hatte sie mit dem Kapitel bereits abgeschlossen und sich in die Opferrolle begeben. Allerdings war sie auch nicht in der Lage, die Konsequenzen zu ziehen und sich aktiv einen neuen Job zu suchen. Sogar in der Freizeit gab es kein anderes Thema mehr. Ihre Freunde konnten die immer wieder selbe Leier nicht mehr hören.

Zum Glück hatte sie einen Chef, der bemerkte, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Er sprach sie darauf an. Auch er war sich seiner Position im Unternehmen nicht mehr sicher und erzählte ihr, wie er mit der schwierigen Lage umging. Er versuchte, seine Angst zu akzeptieren, sich aber nicht mehr von ihr leiten zu lassen. Anstatt sich permanent einzureden »Das geht alles schief!«, schickte er die Angst in Gedanken jeden Tag ein bisschen weiter von sich weg, bis sie zur Tür hinausgegangen war. Dann schloss er die Tür und versuchte wieder dafür zu sorgen, dass sich die Firma aus der Umsatzflaute herausarbeiten konnte. Unsere Freundin folgte seiner Strategie. Gemeinsam und mit einer gesunden Haltung gegenüber der Situation schafften sie es, die Umsatzflaute zu besiegen. Als das schließlich geschafft war, wurde der Chef befördert und hat unsere Freundin gleich mit in den neuen Aufgabenbereich genommen. Sie hatte zusammen mit ihm die Angst besiegt, die Kehrtwende eingeleitet und sich so ihren Arbeitsplatz gesichert.

KURZ GEFASST: WAS HILFT GEGEN ANGST?

Jeder hat Ängste, und so vielfältig sie sind, so unterschiedlich sind auch die Wege, um sie loszuwerden. Es gilt in jedem Fall zu vermeiden, dass wir uns von unseren Ängsten überfordern und leiten lassen. Sonst kommt das große böse Panik-Kaninchen und wir schlittern Stück für Stück in den totalen Kontrollverlust.

Kill dein Kaninchen!

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