Читать книгу Das St. Galler Nachfolge-Modell - Ralf Schröder - Страница 11

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1 Einleitung

Unser Ziel ist, mit dem St. Galler Nachfolge-Modell eine Basis zu legen. Das Rahmenkonzept soll es den Betroffenen und Prozessbegleitern ermöglichen, die Vielfalt und Vernetzung der verschiedenen Fragestellungen zu erfassen und rechtzeitig zu bearbeiten. In unserem Ansatz geht es darum, die Nachfolgekompetenz zu fördern – entsprechend geht es uns weniger um fachtechnische Details rund um Recht, Steuern oder Finanzierungsmöglichkeiten. Vielmehr möchten wir mittels der geführten theoretischen und konzeptionellen Diskussion Anregungen für Fragen geben, die «hinter den Fachfragen» liegen und so deren Fundament legen. Wir erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit – sind aber überzeugt, dass eine Anwendung des Modells und den eingebauten Konzepten lohnend ist. Für andere Autoren besteht die Möglichkeit, ihre Themen- und Fragestellungen im St. Galler Nachfolge-Modell einzuordnen. Die Anwendung der vorliegenden Konzepte und Modelle im Rahmen unserer Schulungs- und Weiterbildungstätigkeit hat gezeigt, dass die Fachthemen an den darunterliegenden Kernfragen rund um das Unternehmen und die Familie sehr gut gespiegelt werden können.

Die wirtschaftliche Bedeutung von Familienunternehmen ist unbestreitbar gross. Im gleichen Atemzug folgt das Thema Unternehmensnachfolge. Viele Fragen aus vielen Perspektiven gilt es zu bedienen. Die Vernetzung der Fragen führt zu einer enormen Komplexität, die im Verlauf des Nachfolgeprozesses tendenziell eher zunimmt, da sich Kontextvariablen, wie etwa Marktbedingungen, währenddessen verändern können. Insofern verstehen wir die Unternehmensnachfolge als eine komplexe und dynamische Herausforderung von höchster strategischer Relevanz, die eine Prozessgestaltung verlangt – dazu gehören etwa eine strukturierte Planung, eine sorgfältige Abwägung verschiedener Handlungsalternativen an bestimmten Meilensteinen oder eine kompetente Begleitung und Beratung.

Das vorliegende Buch hilft bei der Entwicklung einer Nachfolgestrategie von familiengeführten KMU. Mit ihr sind – durch die Verbindung der Sozialsysteme Familie und Unternehmen – die unterschiedlichsten Bedürfnisse und Erwartungen verbunden. Gleichzeitig verändert sich vieles innerhalb der Familie, des Unternehmens und in deren Umwelt im Zeitverlauf, sodass Anpassungen und Adaptionen oft notwendig werden. Betrachten wir zum Beispiel die Unternehmerpersönlichkeit, so sind mit zunehmendem Alter Leistungsreduktion oder gar Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit, Unfall und natürlich auch Ausscheiden durch Tod nicht auszuschliessen; womöglich will der Unternehmensleiter aber auch freiwillig weniger arbeiten und die Prioritäten in seinem Leben verschieben. Es ist also seine Aufgabe, den eigenen (biologischen) Lebenszyklus in die Unternehmensführung mit einzubeziehen. Die Unternehmensnachfolge kann aber auch dringlich werden, weil die Finanzierung des Betriebs nicht mehr gesichert ist, der bearbeitete Markt nicht mehr ausreichend attraktiv erscheint oder weil aus unternehmensstrategischer Sicht neue Wege gesucht werden müssen, die von den heutigen Inhabern nicht mehr geleistet werden können. Möglicherweise haben sich auch die Ziele, Wünsche und die Lebensplanung der Familienmitglieder geändert, oder das Interesse an der unternehmerischen Tätigkeit selbst, die Risikobereitschaft und die Motivation haben nachgelassen. Es gibt also zahlreiche Gründe, eine Unternehmensnachfolge in der Familie sowie im Unternehmen zu thematisieren. Soll der Betrieb nachhaltig existieren, muss der Übergang sorgfältig und konsequent angegangen und geregelt vollzogen werden.

Die Erarbeitung einer Nachfolgestrategie ist insofern schwierig, da das entsprechende Projekt schwer planbar ist. Überraschungen sind im Zeitraum die Regel. Nur ganz selten lassen sich einzelne Schritte sequentiell abwickeln. Gleichzeitig handelt es sich bei der Unternehmensnachfolge um eine Herausforderung, die interdisziplinär angegangen werden muss. Wir sind der Meinung, dass viele Beiträge mit Checklisten und Lösungsansätzen zu einseitig erscheinen und dem Leser eine falsche Sicherheit vermitteln. Gerade wegen der hohen Komplexität und der notwendigen Vernetzung der verschiedenen Themen und Fragestellungen sind Checklisten gefährlich, fokussieren sie sich doch meist auf Fachfragen, ohne die emotionalen und kommunikativen Komponenten zu berücksichtigen. Prozessmodelle suggerieren zusätzlich eine sequentiell klar planbare Vorgehensweise, ohne den Parallelitäten und vor allem der Zyklizität der Fragestellungen im Zeitverlauf gerecht werden zu können. Deshalb plädieren wir für einen Kompetenzansatz.

In einem ersten Schritt betrachten wir die Nachfolge als Markt (vgl. dazu Kapitel 2). Entsprechend setzen wir uns kurz mit den Marktspielern und dem Mengengefüge auseinander. Um die angestrebte ganzheitliche Sicht auf die Unternehmensnachfolge zu gewährleisten, halten wir es für notwendig, sich mit dem Familienunternehmen im Allgemeinen vertieft auseinander zu setzen, denn dieses bildet in der Regel den Kontext, im dem eine Unternehmensnachfolge zu gestalten ist. Die Verknüpfung und enge Verquickung der beiden Sozialsysteme Familie und Unternehmen stellen eine besondere Herausforderung im Nachfolgeprozess dar, denn es gilt diese Verbindung neu zu strukturieren – oder voneinander zu trennen. Deshalb widmen wir einen wesentlichen Teil von Kapitel 3 verschiedenen Modell und Sichtweisen auf das Familienunternehmen, um die Komplexität und Dynamik nachvollziehbar zu machen. Das Kapitel wird abgeschlossen mit der Diskussion von unterschiedlichen Gestaltungsebenen die im Rahmen einer Unternehmensnachfolge betroffen sind.

Im zweiten Schritt diskutieren wir das St. Galler Nachfolge-Modell (vgl. Kapitel 3 und 4). Nach einer Differenzierung der normativen, strategischen und operativen Ebene, gehen wir in Kapitel 3 auf das Fünf-Themen-Rad ein. Darin differenzieren wir zwischen den Themen Selbstverständnis Familienunternehmen, Vorsorge und Sicherheit, Fitness des Unternehmens, Rechtliches Korsett und Transaktionskosten. Zum anderen geht es in Kapitel 4 um die sechs Gestaltungsdimensionen, die es bei der Regelung einer umfassenden Nachfolge zu berücksichtigen gilt. Zuerst fokussieren wir uns auf die Differenzierung der verschiedenen Nachfolgeoptionen und betonen das Denken und Handeln in Szenarien. Anschliessend geht es um die Klärung der Frage, was denn überhaupt das Übertragungs-Objekt ist, um im Anschluss die Übertragungsebenen in Sachen Nachfolgen zu diskutieren, denn gerade bei einer familieninternen Nachfolge gilt es neben der Führungs- und Eigentumsnachfolge auch die Vermögensnachfolge zu klären. Daraus folgend müssen wir uns vertieft der Diskussion rund um Fairness und Gerechtigkeit widmen, um schliesslich auch die Konsequenzen und Möglichkeiten in Bezug auf die Governance-Strukturen, Governance-Instrumente und Governance-Prozesse abzuleiten. Abschliessend gilt es den Prozess mittels Zeit- und Projektmanagement zu lancieren und zu steuern.

Im dritten Schritt betrachten wir die Unternehmensnachfolge aus prozessualer Sicht (vgl. Kapitel 5). Der Hauptfokus liegt dabei in der Differenzierung zwischen dem Prozess des Verkäufers oder Übergebers, dem Prozess des Käufers respektive Nachfolgers sowie dem Transaktionsprozess im engeren Sinn.

Im letzten Kernkapitel werfen wir einen Blick auf das Phänomen Nachfolge unter Berücksichtigung der Beratung (vgl. Kapitel 6). Dabei machen wir uns Gedanken über die Architektur der Prozessgestaltung, die verschiedenen Beratungsansätze sowie mögliche Gütekriterien zur Bewertung von Unterstützungsleistungen. Abschliessend werden wir uns noch kurz dem Thema Kommunikations- und Informationspolitik zuwenden.

Nach dem Schlusswort finden Sie im Anhang 1 eine kleine Auswahl von praktischen Fragestellungen. Diese sollen für die Erschliessung im konkreten Fall anregen, jedoch nicht als Checkliste missverstanden werden. Wir sind der tiefen Überzeugung, dass man eine gute Unternehmensnachfolge gerade nicht mit einer Checkliste regeln kann! Die Fragen sind entlang des im Buch vorgestellten St. Galler Nachfolge-Modells strukturiert und für die Adressaten Übergeber, Übernehmer und Berater aufbereitet. Im Glossar (Anhang 2) sind schliesslich die wichtigsten Begrifflichkeiten kurz umschrieben, die wir im vorliegenden Buch verwendet haben.

In der vorliegenden Auflage verwenden wir punktuell explizit systemische Grundbegriffe, die in der Wissenschaftstheorie verortet sind. Damit drücken wir zum einen unsere Grundhaltung aus, zum anderen hilft dies insbesondere Studierenden die Aspekte wissenschaftlich richtig einzuordnen. Unsere praktische Erfahrung lehrt uns, dass die tiefe Auseinandersetzung mit Kommunikation und Wahrnehmung (ausserhalb dieser Auflage) für die Gestaltung und Bewältigung von Unternehmensnachfolgen von zentraler Bedeutung ist.

Das St. Galler Nachfolge-Modell

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