Читать книгу Dublin. Eine Stadt in Biographien - Ralf Sotscheck - Страница 9
ОглавлениеARTHUR GUINNESS
ca. 1725–1803
Er hatte 21 Kinder und gründete mit 100 ererbten Pfund eine Brauerei-Dynastie, heute einer der größten Getränkekonzerne der Welt. Sein dunkles Stout gehört zu Dublin wie die St Patrick’s Cathedral.
Hundert Pfund waren eine Menge Geld im Jahr 1752. Diese Summe hinterließ Arthur Price, der protestantische Erzbischof von Cashel, seinem damals 27-jährigen Patensohn. Der investierte das Erbe in eine Brauerei in Leixlip, einem Vorort von Dublin. Das war der Grundstein für einen der größten Getränkekonzerne der Welt.
Das Patenkind war Arthur Guinness. Wann er geboren wurde, steht nicht genau fest. 1991 legte die Brauerei das Datum auf den 28. September 1725, aber das kann nicht stimmen, wenn sein Grabstein in Oughterard in Kildare korrekt ist. Dort steht in Stein gemeißelt, dass er am 23. Januar 1803 im Alter von 78 Jahren verstorben sei. Verbürgt ist hingegen die Zahl seiner Kinder: Es waren 21, die er mit seiner Frau Olivia Whitmore hatte, nur zehn überlebten bis ins Erwachsenenalter. Guinness und Whitmore hatten 1761 geheiratet, ab 1764 wohnten sie im Beaumont House im Norden Dublins. Der Name, den Guinness seinem Haus gab, ist geblieben: Das Grundstück ist heute Teil des Beaumont-Krankenhauses.
Ende 1759 zog Arthur Guinness mit seiner Familie nach Dublin und überließ die Leitung der Brauerei in Leixlip seinem jüngeren Bruder. Am 31. Dezember 1759 unterzeichnete er einen Pachtvertrag für ein 1,6 Hektar großes Grundstück in den Liberties ( ▶ A-C 5/6). Guinness war Optimist, der Pachtvertrag, der im Besucherzentrum der Brauerei, dem Guinness Storehouse 13 ( ▶ B 6), besichtigt werden kann, gilt für 9000 Jahre. Die Liberties sind das älteste Arbeiterviertel der irischen Hauptstadt. Sie verdanken ihre Bezeichnung dem Umstand, dass die Gegend ursprünglich außerhalb der Stadtmauer lag und damit nicht dem Stadtrecht unterworfen war. Die Liberties hatten bis 1840 die Freiheit, ihre eigenen Gerichte zu unterhalten sowie Zölle und Steuern zu erheben. Die Gassen mit ihren kleinen, roten Backsteinhäusern standen im Lauf der Jahrhunderte oft im Mittelpunkt der turbulenten irischen Geschichte: Hier planten Rebellen Aufstände, versteckten ihre Waffen und gründeten sozialistische Parteien.
Um die Rebellen abzuschrecken, wurde Robert Emmet 1803 vor der St Catherine’s Church ( ▶ C 5) in Nachbarschaft der Brauerei in der Thomas Street öffentlich hingerichtet. Emmet, der aus einer wohlhabenden protestantischen Familie stammte, die ein Haus am St Stephen’s Green 29 ( ▶ G 7) besaß, wollte durch einen Aufstand mehr Rechte für Katholiken erzwingen. Er plante, sich die Hilfe von Napoleon zu sichern, doch als eine Bombe im Haus eines seiner Mitstreiter frühzeitig explodierte, musste Emmet sofort handeln und konnte nicht auf Napoleons Truppen warten. Die Rebellion scheiterte kläglich, 20 Soldaten und 50 Rebellen kamen ums Leben. Emmet war 25 Jahre alt, als er gehängt und nach seinem Tod geköpft wurde. Sein Mut, trotz der Aussichtslosigkeit eine Rebellion anzuzetteln, machte ihn zur Legende. Heute erinnert eine Statue an ihn im St Stephen’s Green. Der Park, der den Anwohnern vorbehalten war, wurde auf Initiative von Arthur Guinness’ Urenkel Arthur Edward Guinness 1877 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Er kam für die beträchtlichen Kosten der Umbauarbeiten auf.
Auch heute noch gehören die Liberties mit ihren Kneipen, kleinen Läden und Straßenhändlern zum Lebendigsten, das Dublin zu bieten hat. Allerdings leidet das Viertel unter der Rezession, zahlreiche Antiquitätengeschäfte mussten schließen, doch der Charme der schmalen Straßen und Gassen ist noch relativ intakt. Das fanden wohl auch der Schauspieler Jeremy Irons und seine Frau, die Schauspielerin Sinéad Cusack, die ein Haus in der John Dillon Street gekauft haben, gleich beim Iveagh Market ( ▶ D 6), einem viktorianischen Fisch- und Gemüsemarkt, der 1906 mit dem Geld der Guinness-Dynastie gebaut wurde, aber seit vielen Jahren leer steht. Die Stadtverwaltung plant jedoch, das imposante Gebäude zu renovieren und wieder als Markt zu nutzen. Die Oscar-Preisträgerin Brenda Fricker lebt ebenfalls in den Liberties. Als ihre Hobbys listet sie Hunde, Lyrik und das Trinken von Guinness-Bier auf.
WIE DAS PORTER-BIER »ERFUNDEN« WURDE
In den Liberties hat man den Geruch von Guinness ständig in der Nase. Die Brauerei bestand anfangs aus einem Kupferkessel, einem Maischbottich, einer Getreidemühle, zwei Malzhäusern, zwölf Pferden sowie einem Dachboden mit 200 Tonnen Heu. Arthur Guinness braute zunächst helles Bier und englisches Ale. Erst später stieg er auf das dunkle Porter um, das in London durch einen Unfall entstanden war. Einer kleinen Brauerei war die Gerste beim Trocknen verbrannt, und weil man es sich nicht leisten konnte, sie wegzuwerfen, wurde Bier daraus gebraut. Es war furchtbar bitter und konnte nicht zum vollen Preis verkauft werden. Das billige Gesöff erlangte bei den »Porters«, den Gepäckträgern im Londoner Covent Garden, eine solche Beliebtheit, dass es nach ihnen benannt wurde.
Arthur Guinness verfeinerte die Herstellungsmethode und röstete die Gerste behutsam, sodass das Bier genießbar war. Aus den Steuerunterlagen geht hervor, dass erstmals im Jahr 1778 Porter bei Guinness gebraut wurde. Aus dem Porter wurde schließlich das stärkere Stout, das den Firmennamen in aller Welt bekannt gemacht hat. Damit war er so erfogreich, dass die Brauerei Ende des 18. Jahrhunderts erheblich expandierte. Seitdem säumen die großen, blauen Eingangsportale die Thomas Street zu beiden Seiten. Die Brauerei zieht sich bis an den Fluss Liffey hinunter, aus dem sie auch das Wasser bezieht. Im 19. Jahrhundert war Guinness bereits die größte Brauerei Irlands und Anfang des 20. Jahrhunderts sogar die größte der Welt. Einen anderen Rekord stellt die Brauerei mit dem »Guinness-Buch der Rekorde« auf. Es ist in zwei Dutzend Sprachen übersetzt und wird bei über 60 Millionen verkauften Exemplaren nur von der Bibel übertroffen.
Arthur Guinness engagierte sich auch politisch, vor allem aus Eigeninteresse. Er unterstützte Henry Grattan, einen Abgeordneten des irischen Parlaments, der gegen die Zwangsvereinigung mit Großbritannien im Jahr 1800 war. Wichtiger für Guinness war, dass sich Grattan für eine Senkung der Biersteuer einsetzte. Guinness repräsentierte bis zu seinem Tod die Brauereigilde in der Dubliner Stadtverwaltung. Zwar setzte er sich für die Emanzipation der Katholiken ein, die drastischen Restriktionen unterworfen waren, aber er war gegen die irische Unabhängigkeit und vertrat die Ansicht, dass Irland unter englischer Kontrolle bleiben sollte.
Inzwischen ist Irland längst nicht mehr unter englischer Kontrolle, aber Guinness ist es: Der Biermulti gehört dem Diageo-Konzern, der seinen Sitz in London hat. Dennoch gilt Guinness nach wie vor als irisches Nationalgetränk, und der Konzern erzählt in dem zum Besucherzentrum umgebauten ehemaligen Hopfen-Lagerhaus allerlei reklameträchtige Anekdoten. So soll eine Expedition 1927 am Nordpol vier Flaschen Guinness gefunden haben, die von einem anderen Forschungsteam 18 Jahre zuvor dort zurückgelassen worden waren. Das Bier war angeblich noch trinkbar. Und der Schriftsteller Robert Louis Stevenson soll auf seiner Reise nach Samoa einen Kasten des schwarzen Gebräus als Reiseproviant mitgenommen haben.
Viele Schriftsteller haben dem »schwarzen Gold« in ihren Werken ein Denkmal gesetzt. Von der Krimi-Autorin Dorothy L. Sayers stammt der berühmteste Werbespruch: »Guinness is good for you.« In den USA durfte der Satz nicht verwendet werden, denn Alkohol, so entschied die Gesundheitsbehörde, könne nicht »good for you« sein. Nicht alle Dichterworte sind für die Guinness-Werbemanager zitierfähig. So sinnierte Leopold Bloom in James Joyces »Ulysses«: »Fässer voller Porter, wunderbar. Da sind auch Ratten drin. Saufen sich voll, bis sie wie Wasserleichen aussehen. Und so was trinkt man nun. Das muss man sich mal vorstellen. Rotz, Kotz. Na ja, wenn wir alles wüßten.«
Guinness gibt es heute in über 120 Ländern, 22 Brauereien stellen das Getränk im Ausland her. Das Dubliner Stammhaus produziert täglich 1,4 Millionen Liter, 40 Prozent davon für den Export. Für den Transport nach Wales und in den Westen Englands wurden bis April 1993 die braunen Guinness-Schiffe benutzt, die weiter flussabwärts vertäut waren. Eins der Schiffe, die »Barkley«, wurde 1917 während des Ersten Weltkriegs von einem deutschen U-Boot versenkt. Früher bestanden einmal Pläne, eine Pipeline von der Brauerei zu den Booten zu legen, weil die Liffey auf der Höhe der Brauerei für die Boote zu flach ist. Die Idee wurde jedoch aufgegeben, weil man befürchtete, dass die Pipeline unterwegs von durstigen Dublinern angezapft werden könnte.
TRINKEN FÜR DIE ARMEN
Inzwischen ist es gelungen, das »gezapfte« Guinness in eine Dose zu zwängen. Auf dem Boden der Dose befindet sich eine Plastiktasche mit komprimiertem Stickstoff und Bier, die beim Öffnen des Verschlusses platzt und dem Stout zu seiner sahnigen Blume verhilft. Ein Triumph des Fortschritts: Zuvor wurde dem »gezapften Guinness in Flaschen« eine Plastikspritze beigegeben, mit deren Hilfe die Trinker Luft in das Getränk pumpen mussten, um die gezapfte Illusion entstehen zu lassen.
Guinness, auf Imagepflege bedacht, hat sich der Kampagne für moderaten Alkoholkonsum angeschlossen. Zwar trinken junge Leute eher helles Bier oder Mixgetränke, doch noch immer entfällt knapp ein Drittel des Bierkonsums auf Stout. Im Gegenzug lässt sich die Guinness-Brauerei nicht lumpen. Viele Häuser der Liberties wurden mit dem Geld der Guinness-Dynastie saniert, der Familienclan stiftete zu Zeiten, als es in kaum einem Haus Badezimmer gab, die öffentliche Badeanstalt Iveagh Baths, und er sponsert kulturelle Veranstaltungen.
Der Dubliner Schriftsteller Oliver St. John Gogarty geriet bereits 1925 ob der Wohltätigkeiten des Konzerns in Verzückung: »Jedenfalls, dort unten liegt die große Brauerei, die mehr für Dublin getan hat als irgendeine seiner Institutionen. Was für eine wunderbare Verbindung Guinness schafft: Du kannst für bessere Wohnungen der Armen trinken, du kannst dich in St Stephen’s Green hineintrinken, oder wenigstens in die Würdigung derjenigen, die der Stadt den Park gaben; du kannst dich sogar, wenn du willst, in Armut trinken und dich zum Gegenstand, wenn nicht gar zum Spender der Wohlfahrt machen.«
Bis zum Jahr 10759 ist der Standort der Brauerei in den Liberties gesichert. Wenn der tollkühne Pachtvertrag, den Arthur Guinness 1759 abschloss, dann ausläuft, wird der jährliche Pachtzins von 45 Pfund im Jahr vermutlich erhöht.
St James’s Gate, Dublin 8
▶ Bus: Thomas Street
Dublin 2
▶ LUAS: St Stephen’s Green