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Kapitel 2 - Eine Überraschung

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"Was soll das heissen, "flug-untauglich"? Du hasst sie ja wohl nicht mehr alle!" Laura war ausser sich. Ihr Gesicht war tiefrot angelaufen und ihre gesamte Körperhaltung strahlte Aggressivität aus. "¿Que mierdas me estás diciendo?" Was für eine gequirlte Scheisse erzählst du mir? Auch bei ihr galt: wenn sie emotional wurde, dann wechselte sie in ihre Muttersprache… Von unten herauf funkelte sie Klara an, die Nasenspitzen der zwei Frauen berührten sich fast. Die Hände hatte Laura zu Fäusten geballt und vom Körper gestreckt, nur mit Mühe schien sie sich zu beherrschen, die Ärztin nicht am Kragen zu packen und zu schütteln.

"Du hast gesagt, ich sei gesund! Also was soll der Mist?" Normalerweise war Laura nicht ein Mensch der Kraftausdrücke, doch die Nachricht, die Klara ihr überbracht hatte, offensichtlich das Resultat der ausstehenden Labortests, frustrierte sie über alle Massen.

Entgegen ihrer Annahme hatte Paris sie nicht aus dem Corps geworfen! Nachdem sie ihm die ganze Geschichte erzählt hatten, war der Master in ein langes, tiefes Schweigen verfallen. (Ferry hatte ihm jedoch noch nichts von dem Erlebnis erzählt, welches er nach der Schlacht von Mollis gehabt hatte. Er fand, dass es nicht der richtige Zeitpunkt war. Er würde es seinem Freund erzählen, wenn er sich etwas beruhigt hatte.)

Paris war sehr still geworden. Am Ende hatte er sie entlassen und gesagt, dass er froh sei, dass sie zurück seien und er sie beide so schnell wie möglich wieder im aktiven Dienst haben wolle. Und dass er noch einmal mit Ferry sprechen wolle. Er schien ebenfalls gemerkt zu haben, dass da noch etwas zwischen ihnen offen stand... Sie sollten ihm angeben, wann sie dazu bereit wären, zurückzukommen. Er zeigte sogar Verständnis dafür, dass sie vielleicht ein paar Tage ausspannen wollten.

Danach hatte er ihnen ihre Handfeuerwaffen zurückgegeben.

Laura war anschliessend pflichtbewusst noch einmal zur Ärztin gegangen, um die fehlenden Laborergebnisse abzuholen. Und Klara hatte ihr eröffnet, dass sie nicht mehr fliegen durfte! Sie müsse sie fluguntauglich schreiben… Rausgeworfen werden war eines, doch fluguntauglich? Das war vermutlich die grösste Schande für einen Piloten, die überhaupt denkbar war. Laura tobte weiter.

"Was sagt denn dein verfickter Test? Was habt ihr Quacksalber gefunden, um mich kaltzustellen? Sag's doch gleich, wenn ihr mich loswerden wollt! Kommt das von Paris? Den mach ich zur Schnecke! So ein verlogener Heuchler!" Laura konnte sich nicht mehr beherrschen. Sie schubste die Ärztin jetzt vor sich her.

Nach dem Gespräch mit Paris hatte sie sich so erleichtert gefühlt. Er hatte ihr keine nennenswerte Vorwürfe gemacht, ausser, dass sie sich ohne Erlaubnis davongeschlichen hatte. Dafür würde es eine Strafe geben, einen Verweis, oder Strafarbeit. Zehn Schichten Nachtwache in der Kommandozentrale oder so.

Klaras Bescheid jedoch kam einer Katastrophe gleich! Ein fluguntauglicher Pilot war… ja, was? Kein Pilot mehr! Eine Nullnummer, die man nicht mehr brauchen konnte!

Laura brach in unbeherrschtes Schluchzen aus. Erstaunlicherweise schien Klara auch von diesem menschlichen Verhalten weitgehend unbeeindruckt; sie lächelte Laura nur an. Das Schubsen und Schreien schien sie ihr zu verzeihen.

Ferry stand daneben und blickte verlegen zu Boden. Es war ihm peinlich, dass Laura so einen Skandal machte, andererseits verstand er auch, dass es vermutlich das Schlimmste war, was Laura passieren konnte. Ferry war auch rausgeworfen worden, doch niemand hätte ihm je verbieten können zu fliegen… Das Fliegen war sein Leben!

Er wusste, dass es Laura nicht anders ging, und es schmerzte in seiner Brust: Laura tat ihm so leid! Ausserdem wusste er: gegen den Bescheid der Chefärztin gab es keinen Rekurs, ihr Wort stand über allem…

Laura fluchte schluchzend weiter, nun auf spanisch.

Endlich musste sie Luft holen und hielt inne, die Hände noch auf Klaras Brustkorb. Mit Tränen in den Augen starrte sie die Ärztin fassungslos an. Das durfte einfach nicht sein, es war so ungerecht!

Klara legte ihre langen, schlanken Finger mit den schwarz lackierten Nägeln auf Lauras Hände. Die Ärztin lächelte noch immer.

"Laura: das ist ganz normal! Lass es raus… Das ist okay!" Laura schien nicht zu begreifen, was die Ärztin ihr zu sagen versuchte; mit blutunterlaufenen Augen starrte sie sie an.

"Hör mir zu, Laura: du bist gesund, und dir geht es gut, Gott sei Dank! Aber die Reglemente schreiben vor, dass ich dich in diesem Zustand nicht fliegen lassen kann… Laura… Du bist schwanger!"

Es dauerte einen Moment, bis die Nachricht angekommen war. Lauras Mund klappte auf - und wieder zu. Und wieder auf. Sie sah aus wie ein Fisch auf dem Trockenen. Dann fiel sie in Ohnmacht. Ferry fing sie auf.

Obwohl er auch ohnmächtig werden wollte: Laura - schwanger?

Ferrys Knie schmerzte. Er kniete auf dem Boden, Lauras Kopf auf seinen Oberschenkeln. Sanft streichelte er ihr Haar.

Laura war schwanger! Ihm war schlecht, doch er musste Haltung bewahren…

War sie von einem anderen schwanger? Warum hatte sie dann mit ihm geschlafen? War sie von ihm schwanger? Wie, wann, wo? Etwa in P1? Das war nicht gut! Verzweifelt blickte er zu Klara hoch. Die Ärztin lächelte noch immer.

"Laura ist ganz frisch schwanger… kaum feststellbar. Aber definitiv schwanger! Muss im letzten Monat passiert sein...", strahlte sie Ferry an. Sie ging offensichtlich davon aus, dass er der Vater war. Nun, damit war die Frage erledigt, vermutlich. Alles drehte sich in seinem Kopf. War das nun ein Monat in P0-Rechnung, oder ein Monat in P1-Rechnung? Konnte er Laura fragen, ob sie kurz vor ihrem Abflug Sex gehabt hatte? Wenn nein, würde sie ihn umbringen! Doch er konnte sich sowieso nicht vorstellen, dass sie mit einem anderen geschlafen hatte… Das war nicht ihr Stil und dann hätte sie sich auch nicht verhalten, wie sie sich verhalten hatte... Das führte zwingend zu dem Schluss, dass das Kind von ihm sein musste! Ferry wusste nicht, was ihm mehr Angst machte: Laura zu fragen, ob sie mit einem anderen zusammengewesen war, oder die Tatsache, dass er Vater werden würde? Schwanger! Er konnte es nicht fassen.

Klara hatte Riechsalz geholt und hielt es Laura unter die Nase. Laura schüttelte sich und blinzelte. Die Ärztin fühlte ihr kurz den Puls und nickte.

"Alles in Ordnung, das kann passieren… Ihr müsst jetzt bitte schauen, dass ihr in den kommenden Monaten unnötigen Stress vermeidet! Du solltest übrigens einen Termin bei deinem Gynäkologen machen, Laura.", meinte sie. Sie stand auf und half Laura, aufzustehen. Auch Ferry stand auf. "Herzlichen Glückwunsch!", strahlte Klara die beiden an, drehte sich um und verschwand wieder in ihrem Labor.

Betreten stand Ferry da und schaute zu Boden; er wusste nicht, was er sagen sollte. Laura war kreidebleich und starrte auf die Tür, hinter der Klara verschwunden war. Schliesslich trat Ferry an sie heran und legte seinen Arm um ihre Schulter, doch sie schüttelte ihn ab. Sie funkelte ihn aus tiefschwarzen Augen an. War sie wütend auf ihn? Ferry war klar, dass sie zwei über diese Situation sprechen mussten, doch er wusste einfach nicht, wie er anfangen sollte.

Laura ersparte ihm weiteres Grübeln, indem sie auf dem Absatz kehrt machte und davonstapfte. Er lief ihr hinterher.

"Laura…", begann er. Weiter kam er nicht, denn sie hob die Hand zum Zeichen, dass er schweigen solle.

"Nicht jetzt! Ich muss hier raus!", fauchte sie; ihr Ton liess keine Optionen offen. Ferry nickte nur. Gemeinsam gingen sie zu den Toiletten an der Längsseite der Kommandozentrale, Laura voran, Ferry hinterher. Er spürte die Blicke der Anwesenden, die ihnen folgten. Es war wieder verdächtig still geworden. Wahrscheinlich hatten sie Lauras Schimpftirade mitbekommen, wussten aber nicht, worum es ging. Noch nicht. Doch der Klatsch würde bald die Runde machen. Geheimnisse blieben nie lange geheim in diesen Kreisen.

Sie traten ein und Ferry schloss die Tür. Dann drückte er den HQ-P0-Button und es begann zu rauschen. Eine Sekunde später waren sie angekommen. Sie drückten simultan auf zwei nebeneinanderliegende Kacheln und ihre Spinde öffneten sich. Schweigend zogen sie sich um. Ferry erwischte sich dabei, wie er heimlich auf Lauras Bauch schielte, um zu sehen, ob man schon eine Wölbung feststellen konnte. Was natürlich nicht der Fall war. Ihr kaffeebrauner Bauch war flach und durchtrainiert wie immer. Am liebsten hätte er diesen Bauch jetzt gestreichelt, doch er vermutete, dass das in diesem Moment nicht gut ankommen würde...

Laura tauschte die Uniform gegen eine beigefarbene Hose, ein weisses Polo-Shirt und einen orangefarbenen Schlabber-Pulli, den sie über das Polo zog. Ferry wusste von früher, dass dies ihr Lieblings-Sweater war. Er war schon alt und etwas ausgebeult, aber sie hatte ihn fast immer dabei. Sie schlüpfte in flache, einfache Lederschuhe.

Ferry wechselte in seine Lee Jeans, ein schwarzes T-Shirt und einen fleckigen, ehemals blauen Hoodie von Helly Hanson. Seine Windjacke nahm er auch aus dem Spind, behielt sie aber in der Hand, statt sie überzustreifen. Er schlüpfte in seine silbrigen ON-Sneakers, die den Pilotenschuhen sehr ähnlich waren. Nur die Sohle war dicker und weicher und damit auch bequemer.

Sie verliessen die Toilette und durchquerten die kleinere Kommandozentrale von P0. Auch hier folgten ihnen alle Blicke. Die Wache an der Panzertür grinste die beiden breit an und hielt beide Daumen hoch.

Sie stiegen die Treppen hoch und traten hinaus auf die Börsenstrasse. Die Sonne schien und es war ungewöhnlich warm für Mitte Mai. Es war später Nachmittag. Die Bäume standen bereits in frischem, sattem Grün. Als Ferry losgezogen war, waren nur die ersten jungen Blättchen zu sehen gewesen und alles hatte zu blühen begonnen. Es schien wirklich so zu sein, dass sie einen ganzen Monat verbummelt hatten. Sie gingen schweigend zur Tramhaltestelle Börsenstrasse. Ein Tram der Linie 2 kam fast augenblicklich. Tickets brauchten sie nicht zu lösen, denn beide hatten eine ZVV Karte. Jedenfalls nahm Ferry an, dass Laura noch eine hatte. Soviel er wusste, wohnte sie nach wie vor etwas ausserhalb von Zürich, in einem kasernenartigen Block mit winzigen Wohnungen, die das Corps den Vollzeitpiloten zur Verfügung stellte. Laura hatte auf dem Flug durch den Nebel jedenfalls nichts anderes erwähnt. Dass sie mit ihm ins Tram stieg, beruhigte Ferry, das konnte nur bedeuten, dass sie mit zu ihm nach Hause kam! Er hoffte, dass sie sich bald beruhigen würde und sie über die Schwangerschaft sprechen konnten.

Sobald sie eingestiegen waren, verspürte Ferry die gleiche Sensation wie immer, wenn er Tram fuhr: es fühlte sich an, als ob alle Energie aus ihm herausgesogen wurde! Augenblicklich fühlte er sich schlapp und ausgelaugt... Trams waren in Ferrys Augen eine absolut energiefreie Zone!

Das lag vermutlich daran, dass Trams so gebaut waren, dass die gesamte Energie, die über die Fahrleitung zugeführt wurde, automatisch in die Antriebsmaschine gelenkt wurde, hatte er sich ausgerechnet. Zusätzlich schien der riesige Faradaysche Käfig sämtliche Restenergie über die Schienen abzuführen. Ferry vermutete, dass deshalb die Menschen in den Trams auch immer mies drauf waren... Was er irgendwie verständlich fand, wenn man ihnen die ganze Energie entzog! Er schaute sich um und fühlte sich bestätigt: unbeteiligte, mürrisch wirkende Menschen mit fahlen Gesichtern, die wie abgeschaltet auf ihren harten Sitzen sassen oder sich verzweifelt an einer der Stangen festkrallten. Aus diesem Grund fuhr er nicht gerne Tram, aber es war in der Stadt halt einfach praktisch…

Auch Laura schien abgeschaltet zu sein: sie starrte mit leerem Blick aus dem Fenster, schien aber nicht wahrzunehmen, was sie sah.

Sie fuhren bis zum Lochergut und gingen die wenigen Schritte bis zu Ferrys Wohnung in der Bertastrasse zu Fuss. Als sie am Stauffacher vorbeigefahren waren, hatte er zum ersten Mal seit langer Zeit wieder einmal an sein Bistro gedacht, das dort ganz in der Nähe lag. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass es einen Monat lang geschlossen gewesen war! Er würde keine schöne Überraschung erleben, wenn er die Kühlschränke öffnete. Wahrscheinlich musste er alles wegwerfen und Grossputz machen. Doch das spielte jetzt gerade eine sehr untergeordnete Rolle, fand er.

Er schloss die Haustüre auf und liess Laura ein. Automatisch öffnete er den Briefkasten, der von Rechnungen und Werbung überquoll und leerte ihn. Sie stiegen hinauf in den ersten Stock und Ferry öffnete die Tür zu seiner kleinen Wohnung. Es roch muffig nach Staub und kaltem Rauch. Er liess die Post auf ein Möbel beim Eingang fallen, legte seinen riesigen Schlüsselbund daneben und steuerte direkt auf die Balkontüre zu, um sie weit zu öffnen. Dann ging er ins Schlafzimmer und öffnete auch dort ein Fenster. Danach das gleiche Spiel in der winzigen, altmodischen Küche mit den absurd hässlichen, braunen Kacheln, die wahrscheinlich noch aus den Siebzigern stammten. Frische, süsse Frühlingsluft strömte herein. Irgendwo in der Nachbarschaft war jemand am Backen. Ferry tippte auf Apfelwähe mit echter, rauchiger Bourbon-Vanille im Guss. Er freute sich für die unbekannten Nachbarn, die bald in den Genuss dieser kleinen Kostbarkeit kommen würden. Er selbst hatte keinen Hunger, dazu war er zu aufgeregt.

Er ging zurück ins Wohnzimmer, wo sich Laura auf sein schmuddeliges Sofa hatte fallenlassen. Sie hatte die Schuhe abgestreift und die Füsse angezogen. Vor der Brust hielt sie ein Kissen, welches sie fest umklammerte. Sie starrte ein Loch in die Unendlichkeit und schien immer noch abwesend. Durch die offene Balkontüre hörte man das Rauschen der Laubbäume in der Strasse und das muntere Zwitschern von Vögeln.

"Willst du etwas trinken?", fragte er. Sie schaute zu ihm auf und schien ihn erst jetzt wahrzunehmen.

"Schnaps.", sagte sie schnell und bestimmt.

"Findest du das eine gute Idee in deinem Zustand?", fragte er zurück. Farbe kehrte in ihr bleiches Gesicht zurück. Zu viel Farbe: sie wurde wütend!

"Meinem Zustand? Meinem ZUSTAND? Ich bin nicht krank, sondern schwanger! Und genau deshalb brauche ich jetzt einen Schnaps! Weil ich nicht weiss, wie ich mit meinem neuen ZUSTAND umgehen soll!" Sie hatte ihn richtig angefaucht. Dann also Schnaps.

"Whisky oder Rum? Mehr hab' ich nicht.", gab er zurück.

"Rum. Doppelt!", schnappte sie. Er nickte und ging zu einem kleinen Glasschrank in der Ecke des Zimmers, in dem ein paar Gläser und zwei Flaschen standen. Dass es ein doppelter Rum werden würde, war ihm schon klar gewesen. Er machte aus Prinzip nur doppelte Drinks. Er sah keinen Reiz in Gläsern, die nur einen nassen Boden hatten. Wenn man trinken wollte, wollte man trinken und nicht in ein fast leeres Glas schauen…

Schweigend goss er drei Fingerbreit Diplomatico in einen Schwenker und reichte ihn Laura. Sich selbst goss er einen grossen Bunnahabhain ein, zwölfjährigen. Er setzte sich zu Laura aufs Sofa und hob den schweren Tumbler an.

"Auf Atlantis, die Heimkehr, dass wir unsere Jobs noch haben… und Eltern werden!", brachte er einen Toast aus. Laura sah ihn aus schwarzen Augen lange an. Dann hob sie das Glas, prostete ihm zu und nahm einen grossen Schluck. Ein Schauer fuhr durch ihren Körper, doch dann seufzte sie tief und nahm noch einen Schluck. Ferry nippte genüsslich an seinem Whisky, der herrlich nach Honig, Heidekraut und Meeresbrise duftete. Einen Moment lang schwiegen beide.

"Es tut mir leid.", begann Laura. Sie schien sich beruhigt zu haben und die Wutesröte war abgeklungen. Dafür hatte ihr der Rum rote Bäckchen ins Gesicht gezaubert. Sie schien verlegen, was Ferry als fremd empfand.

"Was denn?", fragte er zurück und nahm noch einen kleinen Schluck von seinem Islay Single Malt. Sie schaute ihn an, als ob er begriffsstutzig sei.

"Dass ich schwanger bin, natürlich!", sagte sie mit weinerlicher Stimme. "Ich habe schon ewig keine Pille mehr genommen… War ja auch nicht nötig, weil mein Freund mich verlassen hat! Vor drei Jahren!" Der letzte Teil war ziemlich vorwurfsvoll gekommen. Tja, das musste er auf seine Kappe nehmen. Es freute ihn jedoch, dass sie scheinbar keinen anderen gehabt hatte in der Zeit ihrer Trennung. Und er war froh, dass das Kind offensichtlich von ihm war; er hatte sich umsonst Sorgen gemacht. Er lächelte sie an und legte eine Hand auf ihr Knie und drückte es sanft.

"Es muss dir nicht leidtun. Es ist ja nicht allein deine Schuld, es braucht immer zwei dazu… Wir sind beide erwachsen, wir hatten Sex und wir wissen, dass das passieren kann. Ich hatte ja auch keine Kondome dabei! Ist also mindestens so meine Schuld wie deine… Wenn man überhaupt von Schuld reden will…" Entgegnete er. Laura schaute ihm in die Augen mit diesem Blick, den er nur schwer lesen konnte. Er nahm einen weiteren Schluck von seinem Whisky, atmete tief durch, schluckte, suchte Blickkontakt und fuhr schliesslich fort: "Laura - ich finde es schön, dass du schwanger bist! Ehrlich! Und ich finde es noch schöner, dass du von mir schwanger bist! Ich kann es noch nicht richtig fassen, aber ich freue mich darauf, Vater zu werden. Ein Kind mit dir, das ist… fantastisch!" Er griff nach ihrer Hand, zog sie zu sich und drückte einen sanften Kuss auf den Handrücken. Dann senkte er den Blick und starrte auf den abgeschossenen Sofabezug. Nach einer Weile hob er den Kopf und sah Tränen in Lauras Augen stehen. Sie schaute ihn irgendwie sehnsüchtig an, doch er glaubte, auch Unsicherheit, Angst und Wut in ihrem Ausdruck zu lesen.

"Das sagst du nur so!", warf sie ihm vor. "Du willst doch nur die hysterische Schwangere ruhigstellen!" Sie funkelte ihn an. "Wir waren getrennt und hatten Sex in einer Situation, die wir beide nicht vorhersehen konnten! Ein One-Night-Stand! Kann passieren. Und jetzt überlegst du fieberhaft, wie du mich sauber loswerden kannst! Den Schmus kannst du dir sparen! Wenn du ein Kind von mir gewollt hättest, dann hättest du mich nicht sitzen lassen!" Ihre Stimme versagte. Ferry war erstarrt, komplett vor den Kopf gestossen. Langsam schüttelte er den Kopf und hob beschwichtigend die Hände.

"Das ist nicht wahr.", sagte er. "Willst du es denn nicht? Unser Kind?" Wieder schüttelte er den Kopf. Das durfte nicht sein! Plötzlich schoss es ihm durch den Kopf, dass sie vielleicht gar kein Kind von ihm wollte! Aber sie liebten sich doch? Sie hatten zueinander zurückgefunden! Er hatte ihr alles erzählt, was er erlebt hatte und wie es zu der vermaledeiten Trennung gekommen war… Wie konnte sie nur an seiner Liebe für sie zweifeln? Wie konnte sie zweifeln, dass er glücklich war, ein Kind mit ihr zu haben? Er wiederholte seine Frage.

"Willst du das Kind nicht?" Pause. Keine Antwort. In eindringlicherem Ton fuhr er fort. "Hör mal: für mich war es auch ein Schock! Wir haben eben erst zueinander zurückgefunden und wir haben in den letzten Tagen viel durchgemacht... Die Trennung war Scheisse und sie war meine Schuld, das ist wahr…! Doch ich habe nie aufgehört, dich zu lieben! Ich habe nie aufgehört, von dir zu träumen! Von uns zu träumen! So viele Male habe ich mir vorgestellt, es wäre nichts passiert, es hätte kein Mollis gegeben, und wir wären noch zusammen… Wir hatten unsere Träume, wir wollten eine Familie gründen! Ich wollte immer ein Kind mit dir! Du wolltest immer Kinder! Daran hat sich für mich nichts geändert!" Er musste Luft holen und durchatmen. "Ja, ich bin erschrocken, als ich gehört habe, dass du schwanger bist. Aber nur, weil ich nicht damit gerechnet hatte. Atlantis, die Rückkehr, Paris, Klara, unser "Tod"… es war so viel auf einmal, und dann noch diese Nachricht obenauf!" Wieder machte er eine kurze Denkpause und drückte Lauras Hand. "Doch egal, wie unvorhergesehen es war, egal wie unpassend der Moment für diese Nachricht war, egal wie erschrocken ich in diesem Moment war - es war für mich vom ersten Moment an klar, dass wir das Kind zusammen haben und grossziehen würden! Ich habe überhaupt nichts gegen Abtreibungen, nur um das klarzustellen, das muss jede Frau mit sich selbst ausmachen… Aber für MICH, wenn es MEIN Kind betrifft, ist es keine Option… Ich WILL ein Kind mit dir haben!"

Er versuchte, Laura in die Augen zu sehen, doch sie starrte ein Loch in den Sofabezug, die Lippen zusammengepresst, leise hin- und herschaukelnd. Leise fuhr er fort. "Ich wusste im ersten Moment ja nicht einmal, ob es von mir war!" Laura zuckte fast unmerklich zusammen, sagte jedoch nichts. "Ich glaubte sofort, dass es meins war, aber wie konnte ich sicher sein? Ich hatte panische Angst, dass es nicht von mir sein könnte, und ich hätte dir keinen Vorwurf daraus gemacht. Und trotzdem freute ich mich für dich. Ich wusste, dass ein Traum für dich in Erfüllung geht. Ich war bereit, das Kind mit dir grosszuziehen, auch wenn es nicht meins wäre! Es ist dein Kind, also ist es perfekt! Und ich gebe dich nicht mehr her, niemals! Mit meinem Kind oder dem Kind eines anderen. Wir sind zusammen und wir bleiben zusammen. Mit Kind. Wir werden eine Familie, Laura!" Er setzte ab und seufzte. Er wusste nicht, was er ihr noch sagen sollte, um sie zu überzeugen. Laura schniefte und drückte ihr Gesicht in das Kissen. Sanft strich er seiner Liebsten übers Haar. Sie schaute auf, ihre Augen schwammen in Tränen.

"Wirklich?", fragte sie. "Du bist nicht sauer?" Eine Träne lief über ihre Wange und tropfte aufs Kissen. Ferry hatte plötzlich einen dicken Kloss im Hals. Er brachte kein Wort hervor, doch er schüttelte den Kopf. Er schluckte.

"Du wolltest doch immer Kinder. Wir wollten Kinder. Und jetzt bekommen wir eins! Ein P1-Kind, sozusagen…!", flachste er, froh, dass sie endlich etwas gesagt hatte. Laura lächelte zaghaft.

"Ich will das Kind, unser Kind… Dein Kind!", sagte sie. Ihre Augen hatten kurz aufgeblitzt, als sie "Dein Kind!" gesagt hatte. Er hätte nicht an ihr zweifeln dürfen! Es hätte klar sein müssen, dass es sein Kind war! Doch sie schien es ihm nachzusehen, denn sie ging nicht weiter darauf ein. "Ja, bitte, lass uns zusammen ein P1-Kind grossziehen!", flüsterte sie.

Erleichterung durchströmte ihn und er spürte, wie die Anspannung aus seinem Körper wich. Dann erstarrte er wieder. Ein P1-Kind? Er hatte nie darüber nachgedacht gehabt, dass der Sex in P1 Folgen haben könnte. Er war sich nicht sicher, ob das gut war… P1 war anders; was mochte das für Auswirkungen auf das Kind haben? Er schob den Gedanken beiseite. Er würde später darüber nachdenken, ob das irgendwelche Konsequenzen haben konnte. Er machte sich eine geistige Notiz, dass er mit ein paar Wissenschaftlern darüber sprechen sollte. Vielleicht gab es ja Präzedenzfälle, auch wenn ihm das sehr unwahrscheinlich zu sein schien.

Laura unterbrach seine Gedanken, indem sie sich zu ihm beugte und ihn lange und zärtlich küsste. Das gefiel ihm. Anschliessend liess sie sich zurückfallen in die Sofaecke, drückte das Kissen wieder auf ihren Bauch, warf die Haare über die Schulter und nahm noch einen Schluck Rum. Er war so hingerissen von dieser Frau, er fand sie einfach perfekt: seine Laura, die ihr gemeinsames Kind in sich trug. Seine Frau, seine Familie… Erneut erstarrte er; ihm war gerade etwas eingefallen.

"Ich muss nochmal kurz weg!", murmelte er und sprang auf. "Geh nicht weg! Bin gleich wieder da… Trink den Rum und überleg dir einen Namen für das Kind." Erstaunt schaute sie zu ihm auf. Die Unsicherheit kroch zurück in ihre Augen. "Nicht weggehen! Bin in zehn Minuten zurück.", wiederholte er und rannte aus der Wohnung. Die Eingangstüre knallte zu und Laura blieb mit ratloser Miene zurück.

Sie nahm noch einen Schluck Rum und streichelte versonnen ihren Bauch unter dem Kissen. Dann streichelte sie das Kissen und stellte sich vor, dass es ihr dicker, schwangerer Bauch war. Sie musste leise lachen. Sie war glücklich und erleichtert. Ferry wollte das Kind. Mit ihr. Davon hatte sie immer geträumt. Sie streckte sich auf dem Sofa aus und überlegte, was er wohl noch erledigen musste. Wahrscheinlich war er etwas zu essen kaufen gegangen. Er war so praktisch veranlagt.

Ein wohliges Gefühl von Glück durchströmte ihren ganzen Körper. Wärme breitete sich aus, was wahrscheinlich auch dem Rum zu verdanken war. Sie stellte das Glas beiseite und nestelte das Kissen unter ihren Kopf. Nach all den Strapazen und der ganzen Aufregung des heutigen Tages war sie plötzlich hundemüde. Sie musste sich keinen Namen für das Kind ausdenken. Der stand schon seit Jahren fest. Egal, ob Mädchen oder Junge. Sie hatte Namen für beide. Fast augenblicklich schlief sie ein.

Die Prüfung

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