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Kapitel 3 - Der Antrag
ОглавлениеEs hatte zwanzig Minuten gedauert, bis Ferry zurück war. Aufgeregt stürmte er ins Wohnzimmer, voller banger Gedanken, dass Laura vielleicht nicht mehr da war. Als er sie friedlich schlafend vorfand, hielt er erleichtert inne und betrachtete sie lange. Dieses Bild war einfach unglaublich schön, auch wenn ihr ein feiner Speichelfaden aus dem Mundwinkel lief; dieses Bild wollte er jeden Tag für den Rest seines Lebens sehen. Er griff an seine Hosentasche, wo er die Überraschung spüren konnte, die er eben besorgt hatte und lächelte. Leise ging er in die Küche und kramte ein paar Teelichter hervor, die in einer Schublade lagen. Draussen setzte die Dämmerung ein und er verteilte die kleinen Kerzen im Wohnzimmer, um sie anschliessend mit seinem Zippo anzuzünden, was nicht ganz einfach war, denn ein Zippo taugt nicht zum Kerzenanzünden. Vorher hatte er das Feuerzeug allerdings erst mit Benzin füllen müssen, denn die lange Reise hatte die letzten Sprit-Reserven aufgebraucht.
Eine seiner gedanklichen Notizen blitzte in seinem Kopf auf. Er ging zurück in die Küche und kramte weiter in den Schränken. Schliesslich fand er, was er gesucht hatte: eine grosse Kerze. Sie war rot und mit Sternchen und Glitzerzeug beklebt, wahrscheinlich ein Weihnachtsgeschenk, das er irgendwann bekommen hatte. Er konnte sich nicht mehr erinnern, von wem er sie bekommen hatte; selbst gekauft hatte er sie sicherlich nicht. Er stellte sie auf einen Unterteller und trug sie ins Wohnzimmer. Er stellte sie neben der Bar auf ein kleines Beistelltischchen und zündete sie an. Als sie in Atlantis auf der Flucht gewesen waren, hatte er sich selbst geschworen, eine grosse Kerze anzuzünden, als Dank an die mögliche transzendente Macht, die sie beschützt, geführt und ernährt hatte.
Er verharrte einen Moment lang in Gedanken an seinen Gott, mit dem er manchmal sprach und dankte ihm. Er trug Gott auch auf, den Dank bitte weiterzuleiten an die übergeordnete, transzendente Macht, falls es nicht sein Werk gewesen sei. Man konnte ja nie wissen. Anschliessend bat er Gott noch um Beistand bei dem Unterfangen, welches ihm bevorstand.
Zufrieden strich er den Punkt mit der Kerze von seiner mentalen To-Do-Liste.
Es war immer noch wunderbar warm draussen, und er trat auf den winzigen Balkon hinaus. Er hatte sich ein frisches Päckchen Parisienne aus einem Küchenschrank geholt und zündete sich eine an. Das tat gut nach all den Ereignissen des heutigen Tages. Und die Überraschungen waren noch nicht vorbei, dachte er, und lächelte in sich hinein. Er wusste, er tat das Richtige. Er war aufgeregt und voller Vorfreude.
Als er zu Ende geraucht hatte, schloss er vorsichtig die Balkontür und versuchte dabei, möglichst wenig Lärm zu machen, um Laura nicht zu wecken. Plötzlich war es viel ruhiger in der Wohnung, der Strassenlärm des Feierabendverkehrs war ausgesperrt und er konnte ein feines Knurren vom Sofa vernehmen. Niemand auf der Welt konnte so sexy schnarchen wie Laura, davon war Ferry überzeugt. Auf leisen Sohlen ging er zu ihr hinüber und kniete sich vor dem Sofa hin. Sein kaputtes Knie schmerzte, doch er ignorierte es. Sein Gesicht war ganz nahe an ihrem und er betrachtete sie lange und voller Zuneigung. Zärtlich begann er, ihr fülliges Haar zu streicheln. Schläfrig öffnete sie die Augen und erschrak, als sie ihn so nahe vor sich sah. Sie schrak hoch und setzte sich auf; schlaftrunken rieb sie sich die Augen und wischte verschämt den eingetrockneten Speichel weg.
"Schon zurück?", fragte sie. "Das ging aber schnell… Hast du bekommen, was du wolltest?" Sie blinzelte zuerst ihn an, dann bemerkte sie, dass es draussen dunkel wurde und danach entdeckte sie mit einem fragenden Blick die brennenden Kerzen. Sie legte den Kopf schief und drehte sich Ferry zu.
"Hast du gerade einen romantischen Schub oder ist der Strom ausgefallen?", fragte sie zärtlich, aber auch neugierig. Es schien ihr bewusst zu sein, dass sie länger als zehn Minuten geschlafen hatte und fand es süss von ihm, dass er sie hatte schlafen lassen, die kurze Siesta hatte gut getan; Laura fühlte sich angenehm ausgeruht.
"Hmmm.", kam es von ihm zurück. Sie blickte ihn fragend an und runzelte die Stirn, weil er vor ihr kniete. Das konnte nicht bequem sein? Sie tätschelte die Sitzfläche des Sofas, um ihm zu zeigen, dass er sich neben sie setzten sollte, doch er schüttelte nur den Kopf.
"Laura…", begann er. "Ich bin froh, dass du da bist, dass wir das alles zusammen überstanden haben. Ich bin froh, dass wir wieder zusammen sind. Ich finde es toll, dass du schwanger bist und wir ein Kind bekommen!" Er pausierte kurz und Laura setzte einen fragenden Blick auf, ihr schien nicht klar, worauf er hinauswollte. "Aber etwas stört… Etwas fehlt da noch." Nun wurde Laura unruhig und ihr Blick inquisitiv.
"Du wirst Mami und ich werde Papi… Wir bekommen ein Kind; wir werden eine kleine Familie sein… Ich finde, dass wir das richtig machen sollten! Mit allem Drum und Dran!" Wieder pausierte er kurz und holte tief Luft.
"Das erste Mal hast du mich ausgelacht; vielleicht war der Zeitpunkt auch nicht so gut damals, zugegeben. Doch jetzt sind die Umstände anders… Ich glaube, besser kann der Zeitpunkt gar nicht sein!" Laura hielt die Luft an.
"Laura, willst du meine Frau werden?", flüsterte er und hielt einen schlichten Goldring hoch, ein einfaches Band aus Gelbgold, ein typischer Verlobungsring. Lauras Blick ging von seinen Augen zu dem Ring und wieder zu seinen Augen zurück. Ihr Blick wurde glasig; sie schien um ihre Fassung zu kämpfen und schluckte schwer. Nach einem endlos scheinenden Moment nickte sie und eine Träne lief über ihr Gesicht.
"¡Sí!", hauchte sie und ihre Stimme bebte: Ja!
Ferry fiel ein tonnenschwerer Stein vom Herzen. Zärtlich nahm er ihre Hand und streifte ihr den Ring über. Er passte - Schwein gehabt! (Ferry hatte die Finger von drei Verkäuferinnen testen müssen, bis er glaubte, die Grösse von Lauras Fingern erkannt zu haben.)
Ungläubig starrte Laura auf den Ring an ihrem Finger. Dann fiel sie ihm um den Hals und begann zu schluchzen. Sie erwürgte ihn fast, doch er liess es gerne geschehen.
"¡Sí, sí, sí!", weinte sie in seinen Hals. Ja, ja, ja!
Ferry wusste nicht, wann er jemals so glücklich gewesen war: das war noch besser als die Rettungsaktion in Atlantis! Mit aller Kraft drückte er seine zukünftige Frau an sich. Er schickte ein weiteres Dankeschön an Gott, der ihn erhört hatte.
Nach einem langen, tränenfeuchten und intensiven Kuss, schob sich Laura von ihm weg und schaute ihn ernst an.
"Ich will aber nicht Schwarz heissen… Das klingt so… nach schwarzer Witwe!", gestand sie ihm und schlug die Augen nieder. Black war nur sein Übername im Corps. Ferrys richtiger Name war Ferdinand Schwarz. Er lachte auf.
"Hidalgo ist viel schöner! Behalt deinen Namen, das ist okay für mich."
Laura konnte ihr Glück kaum fassen: dieser Mann war ein Geschenk Gottes, fand sie. Ferry kramte in seiner Hosentasche.
"Da ist noch etwas… Noch etwas, das fehlt: ich möchte dir etwas schenken." Mit leerem Ausdruck starrte sie ihn an. Was konnte es auf der Welt geben, was er ihr noch schenken wollte? Gerade eben hatte er ihr alles gegeben, was sie je gewollt hatte: seine Liebe, für immer!
Ferry hielt ein kleines, violettes Samt-Täschchen hoch, griff nach Lauras Hand, drehte sie um, dass die Handfläche nach oben schaute, und legte den Beutel hinein. Dann schloss er behutsam ihre Finger über dem samtenen Beutel.
"Was…?", begann sie, öffnete die Hand und schaute den Beutel an, als ob sie ihn mit ihrem Blick röntgen wollte. Langsam, ganz langsam öffnete sie das Täschchen und lugte hinein, doch sie konnte nichts erkennen. Es war mittlerweile dunkel geworden und das flackernde Kerzenlicht reichte nicht aus. Behutsam griff sie hinein und ihre Stirn kräuselte sich: sie schien erfühlen zu wollen, was in dem Beutel war, doch sie konnte nicht erkennen, was es war. Langsam zog sie ihre Hand heraus und brachte dabei eine feine Goldkette mit. Es gab einen fast unmerklichen Ruck in der Kette, als ein Gewicht am Ende der Kette das Herausziehen verlangsamte. Ferry hielt gespannt die Luft an. Endlich kam der Anhänger aus dem Beutel hervor und Laura hielt ihn sich vors Gesicht, um ihn zu mustern. Es war ein tropfenförmiger, geschliffener Stein von tief violetter Farbe. Die Facetten des Schliffs glänzten im Kerzenlicht.
"Sie hatten keinen Lapislazuli…", sagte Ferry, "Das ist ein Zirkonia: tolle Kristallstruktur, sehr hart, etwa acht Mohs! Der geht so schnell nicht kaputt… Und du brauchst doch wieder ein IFO…" Er hatte ihr einen Ersatz für ihren gebrochenen Lapislazuli-Ring geschenkt, der bisher der Materieträger ihres IFOs gewesen war!
Lange schaute Laura die Diamant-Imitation an. Sie schien sich erst mit dem Gedanken anfreunden zu müssen, ein neues IFO zu kreieren. Schliesslich schloss sie die Hand um den Stein und schloss die Augen. Nach einigen Minuten öffnete sie sie wieder und schaute Ferry direkt an. In ihren Augen lag etwas, was Unglaube sein konnte, Verwunderung, Liebe, Fassungslosigkeit. Und Freude.
"Weisst du, dass ich mir auf dem Flug durch den Nebel Gedanken darüber gemacht habe, was mein nächstes IFO sein wird? Ich hatte mich für einen tropfenförmigen Stein entschieden. Ich wollte, dass mein neues IFO wie eine Wolke aussieht. Eine Föhnwolke." Sie musste schlucken. "Genau so. Genau so habe ich mir den neuen Stein vorgestellt! Er ist gut. Ich kann die Energie spüren, die er hat… Er ist wirklich gut! Wie hast du das wissen können?" Entgeistert schaute sie ihn an. Verlegen schaute er zurück.
"Ich habe es gespürt. So ein Master-Ding, weisst du?", sagte er. "Ich habe das Gefühl, dass ich seit Atlantis viel mehr spüre, viel mehr wahrnehme, was um mich herum vorgeht… Das ist neu für mich, aber schön! Verwirrend manchmal, aber schön. Als ich den Stein beim Juwelier gesehen habe, hatte ich das Gefühl, dass er mich ruft... Gefällt er dir?" Er griff nach Lauras Hand und spürte den goldenen Ring unter seinen Fingern: es fühlte sich gut an. Sanft streichelte er mit dem Daumen darüber. Laura schien das neue Gefühl des Ringes an ihrem Finger auch zu spüren und es schien auch ihr zu gefallen, sie lächelte. Dann nickte sie.
"Ja. Er ist perfekt! Das wird meine Wolke werden…", flüsterte sie. Plötzlich hielt sie inne und wurde ernst. "Abgesehen davon, dass ich nicht mehr fliegen darf." Ihre Miene hatte sich verfinstert. Doch Ferry lächelte sie vergnügt an.
"Du darfst nicht mehr fürs Corps fliegen… Reglement-Scheiss! Das heisst doch nicht, dass du nicht in deiner Freizeit fliegen kannst! Willst du ihn gleich ausprobieren?" Er strahlte sie an wie ein kleiner Junge, der ein neues Spielzeug bekommen hatte.
"Du bist so gut zu mir…", sagte Laura, "Aber nein. Morgen. Lass uns erst den Abend geniessen…" Sie stand vom Sofa auf und fasste ihn an der Hand.
"Ich will jetzt meinen zukünftigen Mann im Bett haben!" Sie zwinkerte ihm zu.