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III

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Aber lassen wir Rommel, Frau Junge! Kehren wir lieber nach Russland zurück, welches ein wesentlicher Teil meiner Lebensaufgabe war! Bildete die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa quasi den linken Arm meines Leibes, so waren die Niederwerfung Russlands und die darauf folgende Schaffung von Lebensraum im Osten mein rechter Arm! Jawohl!

In Russland war alles anders, als in Nordafrika! Die Landschaft in Nordafrika, die Cyreneika, habe ich nie mit eigenen Augen gesehen. Wohl aber die Landschaften Russlands!

Sie beginnen ganz im westlichen Teil des gewaltigen Landes mit der Osteuropäischen Ebene, die Großlandschaften Russlands!

Eine riesige Ebene umfasst einen hier, Frau Junge! Sie hält einen geradezu gefangen, so hat man plötzlich das Empfinden. Wie in einer gewaltigen Faust aus Erde und Land gefangen, die sich um einen schließt! Eine geradezu unvorstellbar riesige Ebene, ein Flach- oder Tiefland, wenn Sie so wollen, über das sich sehr hoch ein blauer und blasser Himmel stülpt, dass man dabei meint, in einer gewaltigen Käseglocke zu stehen.

Es gibt ausgedehnte Tiefländer und Niederungen, die von gewaltigen Strömen und Flüssen, die zu den mächtigsten Wasseradern Europas gehören, durchzogen werden. Das Land ist hier wellig. So wellig etwa, wie die Fläche eines Sees an einem Tag im Frühjahr, wenn die Luft schon warm ist und der Wind kaum weht. Im Norden reicht es bis an die Barentssee und im Süden bis an die Ausläufer des imposanten Kaukasus, den sie vielleicht mit den mächtigsten Gebirgsketten unserer Alpen vergleichen können, nur dass er sich viel wilder und unbändiger gebärdet, der Kaukasus!

Hier trifft man auf sie alle, in den flachen, nur leicht welligen Ebenen der schier endlosen Osteuropäischen Ebene, die Flüsse und Ströme des Landes, die das Antlitz Russlands formen und seine Furchen und Falten bilden. Zuerst die Mutter Russlands, die gewaltige Wolga, deren träge Breite und Wassermassen einem Angst machen können! Kein ungeübter Schwimmer könnte es wohl je wagen, sich der gewaltigen Kraft dieses Stromes anzuvertrauen! Dann der Ural und der Dnjepr! Der Don schließlich, von dem all die hungernden russischen Bauernweiber wahrhaft herzzerreißende und klagende Lieder zu singen wissen, wie es heißt! Dann Petschora, Kama und Oka! Schließlich Belaja und Düna und dann Memel und Pregel, die uns aus Ostpreußen bereits bestens vertraut sind!

Viele uralte Städte hat es hier, in der gewaltigen Osteuropäischen Ebene! Zuerst all die russischen Städte, wie Moskau, Ufa und Kasan, dann St. Petersburg, Perm und Jaroslawl. Auch die Städte Estlands liegen in diesem Gebiet: so Tallin und die lettischen Siedlungen: Riga und Vilnius in Litauen und Minsk in Weißrussland, Odessa und Kiew in der Ukraine!

Was für ein gewaltiges Land, Frau Junge! Was für ein uferloses Land!

So gewaltig sind die Ressourcen und Bodenschätze Russlands, dass demjenigen Europa untertan ist, der Russland in seiner Faust hält! Selbst das Britische Empire mit seinen überseeischen Besitzungen verblasst dagegen, Frau Junge! Stalin weiß um die Bedeutung seiner Ressourcen! Und darum wird er eines Tages aufstehen und in das Herz Europas marschieren! Ich weiß diese Dinge, Frau Junge, denn ich habe sie gesehen! Nur derjenige, der im dieses Faustpfand rechtzeitig entreißt, wird Stalin zähmen! Europa hätte mir darum eines Tages dafür dankbar sein sollen, dass ich es tat! Dass ich es im Juni 1941 unternommen habe, ihm dieses Faustpfand endgültig zu entreißen!

Ich hatte die Wiederaufnahme der Angriffe auf Moskau für den 17. November 1941 angeordnet. Und von diesem Tage an, bis zum 2. Dezember 1941, entwickelte sich nunmehr zunächst die Schlacht von Rostow am Don.

Wir begannen am 17. November mit der Offensive, nahmen Rostow ein und drängten die 56. Armee bis hinter den Don zurück.

Als die Russen aber den Fluss Tuslow erreichten, drohte uns die Einkesselung unserer Kräfte. Wir zogen daraufhin eine Panzerdivision aus Rostow ab und eine slowakische motorisierte Division von der Nordküste des Asowschen Meeres. Beide Einheiten wurden an den Fluss Tuslow verlegt.

Am 27. November griffen die Russen nun Rostow aus unterschiedlichen Richtungen an, so dass wir uns zurückziehen mussten, um nicht eingekesselt zu werden. Wir zogen uns auf die vorher vorbereitete Verteidigungslinie am Fluss Mius zurück und konnten hier den russischen Vorstoß stoppen.

Der Rückzug aus Rostow war allerdings gegen meinen ausdrücklichen Befehl hin erfolgt. Diese Impertinenz lag allein in der Verantwortung des Befehlshabers an diesem Frontabschnitt, Gerd von Rundstedt! Ich löste ihn daraufhin sofort als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd ab und ersetzte ihn durch Walter von Reichenau.

Die Russen erlitten bei den Gefechten Verluste in Höhe von etwa 30.000 Mann. Unsere eigenen Ausfälle beliefen sich auf ungefähr 20.000 Mann, wie mir gemeldet wurde. Jedenfalls wurde durch diese Operation der Russen unser weiterer Durchbruch in Richtung Kaukasus zunächst erst einmal verhindert. Die Stadt Rostow am Don konnten wir erst im kommenden Jahr, im Juli 1942, erneut besetzen.

Nach zwei Wochen witterungsbedingter Pause, nahmen wir nun auch die Angriffe auf Moskau wieder auf. Es galt, die günstigen Bedingungen, die wir uns mit der Doppelschlacht von Wjasma und Brjansk vor Moskau geschaffen hatten, im militärischen Sinne auszunutzen.

Nach wie vor gab es ernste Meinungsverschiedenheiten über das weitere strategische Vorgehen zwischen dem OKW und mir. Die Feldmarschälle und Generäle dachten nur eindimensional! Stets gab es bei ihnen nur links oder rechts, hinauf oder hinunter, vor oder zurück! Ich spürte die stumme Häme in ihren Blicken und Gesten, wenn sie mir bei den Lagebesprechungen vortrugen! Den unverschämten Dünkel, der auf ihren klangvollen Namen, ihren jahrhundertealten Familientraditionen als preußische Offiziere im Dienste der Könige von Preußen, ihren riesigen Gütern, Reitkünsten und Pferdezuchten beruhte! Und nicht zuletzt auf der Tatsache, dass sie eine Kriegsakademie besucht hatten, ich aber nicht! Sie wollten Moskau einnehmen und das möglichst sofort, ohne weitere Operationen und ohne jegliche Verzögerung! Sie sahen dabei, wie immer, weder nach links, noch nach rechts! Sie sahen nur die Möglichkeit, dieses Stückchen Land einzunehmen, auf der es eine Ansammlung von Gebäuden gab, die die Russen zufällig Moskau genannt hatten! Und sie wurden nicht müde, mir immer wieder erklären zu wollen, es handele sich dabei einerseits um die Hauptstadt der Russen und um den Regierungssitz Stalins, andererseits um einen Ort von herausragender geographischer Bedeutung, um ein politisches Zentrum, einen Nachrichten- und Verkehrsknotenpunkt und um ein industrielles Ballungsgebiet!

Ich aber sah mehr und ich verlangte mehr von ihnen! Vor der Einnahme Moskaus, die ohnehin nur eine symbolische Bedeutung haben würde, forderte ich die weitgehend vollständige Ausschaltung der gesamten sowjetischen Fähigkeit zur militärischen Verteidigung! Ich wollte keinesfalls, dass die Truppen in einer zerschossenen Stadt, die sich zufällig Moskau nannte, in der Falle sitzen würden, wie Napoleons Soldaten! Gleichzeitig mit der Ausschaltung der gesamten Fähigkeit Stalins, sich militärisch überhaupt noch verteidigen zu können, was nur dadurch erreicht werden konnte, indem man sämtliche erreichbaren russischen Truppenteile kurzfristig einkesselte und sie vernichtete, verlangte ich die vollständige Einnahme der gesamten Ukraine und die Inbesitznahme der wirtschaftlich bedeutendsten Industriegebiete im Norden und im Süden Russlands! Und ich forderte vor allem jedoch die Einnahme der Krim! Denn allein durch die vollständige militärische Einnahme der Krim ließ sich die andauernde Bedrohung der für uns kriegsentscheidenden Erdölfelder Rumäniens durch die von der Krim aus operierende Rote Luftflotte beenden! Ich wollte, dass Stalin praktisch als Krüppel, also arm- und beinlos vor mir steh, wenn ich in seine Hauptstadt einmarschierte! Aber die Generalität verstand dies nicht! Wie sollten sie auch! Nie zuvor hatten sie in einem modernen Kriege gefochten und sich mit der Bedeutung komplexer strategischer Entscheidungen beschäftigt, die ich als einfacher Meldegänger an der Westfront in jedem Augenblick zu treffen hatte, wollte ich auch nur bis zum Abend des Tages am Leben bleiben! Sie hingegen sahen nur den Namen einer eroberten Hauptstadt, mit der sie sich brüsten konnten! Sie sahen Orden und Ehrungen und Dotationen und rauschende Empfänge und Feste, mit Champagner und Klaviermusik, auf denen sie schafsdumme adelige Töchter mit ihrem angelernten Geplapper in Griechisch und Latein und ihren angeblichen Heldentaten beeindrucken konnten!

Halder informierte mich praktisch unausgesetzt über die verminderte Stärke unserer vor Moskau eingesetzten Panzertruppen. Nach seiner Darstellung waren vor Moskau seit dem 4. September 1941 30 % aller gepanzerten Fahrzeuge vollständig ausgefallen, während sich weitere 23 % in der Instandsetzung aufhielten.

Die insgesamt 125 Neuzugänge an Panzern bezeichnete Halder als völlig unzureichend. Die in der Heimat durchgeführten Instandsetzungsarbeiten an beschädigten Panzern klassifizierte er als zu wenig dauerhaft.

Er ersuchte das OKW und mich daher um weitere 181 Panzerwagen für die Wiederaufnahme der Operationen gegen die Hauptstadt Moskau und bezeichnete die Zuführung dieser Menge an Panzer als kriegsentscheidend.

Wollte man Halders Darstellung Glauben schenken, so sah es bei den ungepanzerten Kraftfahrzeugen vor Moskau nur unwesentlich besser aus. Hier bezifferte er den Fehlbestand auf etwa 22 %, wobei er ununterbrochen darauf verwies, dass die bisherige Einsatzdauer in Verbindung mit den Witterungsverhältnissen dazu führen wurde, dass die ungepanzerten Fahrzeuge während eines kommenden Angriffs auf Moskau geradezu massenhaft liegenbleiben und verrecken würden. Ich beendete die leidige und mir höchst unangenehme Diskussion schließlich damit, indem ich Halder sofort persönlich dazu autorisierte, unverzüglich Weisung zur Neuanfertigung ungepanzerter Kraftfahrzeuge in ausreichender Anzahl an die dafür zuständigen Stellen zu erteilen.

Nun allerdings kam Halder auf die Probleme der Versorgung der kämpfenden Einheiten mit Treibstoff zu sprechen. Die Benzin-Versorgungsbasen der beiden Heeresgruppen Süd und Mitte seien überwiegend leer. Allein der Versorgungszustand mit Treibstoff der Heeresgruppe Nord sei noch als ausreichend zu bezeichnen. Diese würde von der Möglichkeit profitieren, dass eine Treibstoffversorgung der im Norden Russlands stationierten Einheiten über die eisfreie Ostsee möglich sei. Außerdem wäre das Schienennetz im Norden generell besser ausgebaut, als im Einzugsbereich der Heeresgruppen Mitte und Süd.

Die Vorbereitung und die letztendliche Durchführung weiterer Angriffe der Heeresgruppen auf Moskau, so führte Halder weiter aus, ergäbe einen Tagesbedarf an Treibstoff von insgesamt 27 Versorgungszügen je Tag, ansonsten bliebe jede Offensive vorm Feind im Feuer wegen Treibstoffmangel liegen!

Nach langen und unerfreulichen Diskussionen, sagte das OKW schließlich die Menge von 27 Versorgungszügen mit Treibstoff je Tag zu. Nun aber korrigierte Halder seine Berechnungen und brachte das Argument ins Feld, dass während der unmittelbaren Durchführung der Offensive auf Moskau, also in den Tagen des Angriffes und der Bewegung der motorisierten Einheiten, der Tagesbedarf auf 29 Versorgungszüge je Tag ansteigen würde, die verbindlich zugesagt werden müssten! Unmöglich schrien da die Herren vom OKW entrüstet, sie könnten lediglich guten Gewissens 20 Versorgungszüge pro Tag zusagen und ab Ende November generell nur noch 3 Versorgungszüge mit Treibstoff je Tag, da man nach Beendigung der Operationen gegen Moskau zur Bevorratung der Truppe mit Treibstoff für den Winterbetrieb übergehen müsse und demzufolge die Ausstattung der Bestände anzupassen habe.

Daraufhin zog Halder beide Mundwinkel zynisch nach unten, schloss theatralisch die Augen und nahm den Zwicker mit Daumen und Zeigefinger seiner Rechten von der Nase.

Wie ein schlechter Schauspieler formulierte er nun tieftraurig den Satz, es sei nun im Allgemeinen grundsätzlich nicht mehr möglich, die Verluste des Heeres aus den ausgefochtenen Schlachten vollständig zu ersetzen. Ein Bekenntnis, welches für mich schon an reinsten Defätismus grenzte!

Meine Zwistigkeiten mit Halder gipfelten schließlich in einer späteren Auseinandersetzung, nach der ich ihn am 29. September 1942, also ein knappes Jahr nach den hier beschriebenen Vorfällen, seines militärischen Postens endgültig enthob, ihn in die Führerreserve versetzte und Kurt Zeitzler mit der Wahrnehmung seiner Aufgaben betraute.

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