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Atma ist der zentrale Begriff der indischen Philosophie für das individuelle Selbst jedes Lebewesens.

Atma ist der individuelle Atem und Lebenshauch, die ewige und unzerstörbare Essenz des Lebens.

Atma ist das individuelle und zugleich absolute Selbst, die unveränderliche Seele.

Atma Vichara ist jegliche Form der Ergründung dieses eigentlichen, ewigen und unzerstörbaren Selbst.

Der Buddhismus lehrt, dass alles Leben zugleich Leiden bedeutet. Gier und Unwissenheit der Menschen sind die Ursachen des Leidens.

Wenn Leben aber Leiden bedeutet, so gibt es nur zwei Wege, um das Leiden zu beenden: der eine Weg besteht in der Beendigung des Lebens, dies ist der leichtere und der durchaus praktikable Weg. Der andere, der schwierigere und ungewisse Weg, besteht im Lernen und in der Selbstlosigkeit.

Ein Teil des Leidens ist jedoch, als Inhalt des Lebens, an Bewußtsein gekoppelt. An die Fähigkeit zur Wahrnehmung, zur Reflexion und Selbstreflexion. Somit gibt es ein rein körperliches und physisches Leiden, wie beispielsweise Mangelempfindungen oder Schmerz und ein rein geistiges Leiden, wie das Empfinden von Demütigung und Erniedrigung.

Das physische Leiden, als die ursprünglichste Form es elementarsten Leidens, bedarf nicht des Bewusstseins. Das Bewußtsein vervielfacht jedoch die Leidensfähigkeit, indem es das Spektrum des Leidens um das geistige und emotionale Leiden erweitert und dem leidenden Individuum außerdem die Möglichkeit eröffnet, sich seines Leidens bewußt zu werden und dadurch letztendlich umso intensiver zu leiden.

Wenn Leben Leiden ist, so kann Leben nichts Positives sein, da es Schmerz und das Bewußtsein dieses Schmerzes beinhaltet. Wenn Leben Leiden ist, so schließt es als einzig positiven Aspekt die Tatsache seiner Endlichkeit ein, denn der Tod, als das zumindest physische Erlöschen des Zustandes Leben, beendet das Leiden des Individuums und erlöst es von physischen Schmerzen und Mangelempfinden.

Wenn wir Körper und Geist getrennt betrachten und Geist dabei mit Bewußtsein assoziieren, so leiden während des Lebens Körper und Geist. Der Körper leidet physisch und der Geist leidet emotional, was sich in der Physis niederschlagen kann oder er leidet in der Erkenntnis des Leidens des Körpers.

Wenn Leben Leiden heißt, so ist Leben nichts Erstrebenswertes, denn jedes Individuum, ob nun mit Verstand und Bewußtsein begabt oder nicht, strebt seiner Natur nach nach der Beendigung des Leidens. Das Streben zum Tode hin und die Todessehnsucht sind somit elementare Urtriebe, die unmittelbar aus der Sehnsucht erwachsen, alles unabänderliche Leid zu beenden.

Steht das Leben für das physische und geistige Leid, so steht der Tod zumindest für das Ende des physischen, des körperlichen Leidens. Wer jedoch Bewußtsein und Körper trennt und davon aus geht, dass das Bewußtsein als Seele, als Atma, als unzerstörbares Selbst, nach dem Tode des Körpers, möglicherweise in einer anderen Dimension, weiter existiert, der unterstellt damit, dass das geistige Leid nicht mit dem physischen Tode endet, sondern das vergegenständliche und manifeste Atma selbst ist. Bewußtsein und Seele sind somit geistiges Leid und ewiges und unzerstörbares geistiges Leid ist die Existenzform des Atmas selbst.

Wer den Körper als ein Gefäß begreift, in welchem der Geist oder das Bewußtsein lediglich aufbewahrt wird, wie eine Flüssigkeit, der unterstellt, dass das die Flüssigkeit nach dem Zerschlagen des Gefäßes weiter existiert. Sie kann im Erdreich versickern, zu Eis gefrieren oder verdunsten, also einen anderen Aggregatzustand annehmen, der einer anderen Dimension entsprechen kann, zerstört oder vernichtet werden, kann die Flüssigkeit demnach jedoch nicht.

Wenn aber die Flüssigkeit, die dem Geist, dem Bewußtsein oder dem Atma entspricht, einen anderen Aggregatzustand annehmen kann, so impliziert diese Annahme, dass die Flüssigkeit jeden beliebigen Aggregatzustand annehmen und unter gewissen Bedingungen auch in den flüssigen Aggregatzustand zurück verwandelt werden kann, den sie während ihres Aufenthaltes in dem Gefäß inne hatte.

Auch das Gefäß, wenn es erst zerstört ist, wird seinen Aggregatzustand möglicherweise verändern. Verschwinden werden seine Atome jedoch nicht.

Zentrale Daseinsbedingungen sowohl für das Gefäß wie auch für die darin enthaltene Flüssigkeit sind also ihre Veränderbarkeit. Dabei verändert sich das Gefäß, das keine Essenz hat, sondern lediglich materielle Hülle oder Aufbewahrungsform ist. Auch die Flüssigkeit verändert sich, aber ihre wahre Essenz, als ihr innerstes Selbst, bleibt unveränderlich und unzerstörbar, unabhängig von dem Aggregatzustand oder der Dimension, die sie gerade inne hat.

Beide, Gefäß und Flüssigkeit, werden durch das Leid miteinander verbunden, das ihre grundlegende Daseinsform ist.

Jeder Rückzug aus dem physischen und elementaren Leid ist daher ein Rückzug aus der Körperlichkeit des Gefäßes und somit ein Los- und ein Fahrenlassen alles Körperlichen.

Jeder Rückzug aus dem Gefäß in das Atma ist damit ein Rückzug in das Wesentliche, in das eigentliche und unzerstörbare Selbst. Ein Rückzug aus dem physischen Leiden, welches uns die uns umgebenden Mitmenschen bereiten.

Wenn der Inhalt des Lebens Leid ist, so ist es das Bestreben der Lebewesen, das eigene Leid zu minimieren. Das eigene Leid jedoch wird minimiert durch egoistisches und rohes Verhalten, durch Gier bei der Aneignung der Güter dieser Erde.

Jedes Leben, das auf Minimierung des eigenen Leides durch Gier aus ist, schafft damit neues Leid in der Welt und erneuert des Kreislauf des Leidens, das sich mit jedem Lebewesen, welches zur Welt kommt und die Verhaltensmaxime verinnerlicht, akzeptiert und praktiziert, fortgesetzt eigenes Leid durch gieriges und rücksichtsloses Verhalten zu minimieren, erneuert.

So kommen mit den Lebewesen die Gier und das Leid auf die Welt und das Bewußtsein entwickelt sich, das Atma, als das unzerstörbare Selbst, welches das physische Leid reflektiert und das emotionale Leiden realisiert.

Warum aber soll man alles physische Sein loslassen?

Weil es in der Welt so unerträglich leidvoll und kalt sein kann, dass man dort nur noch Schmerz und Elend findet, nicht aber Trost.

Keine Art des Trostes kann von außerhalb, aus der physischen Welt oder von anderen Menschen kommen, deren Bestreben nur darin besteht, durch gieriges und egoistisches Verhalten das eigene Leid zu minimieren.

Der einzige wirkliche Trost kann nur aus dem Atma kommen, welches das eigentliche und das ewige und unzerstörbare Wesen allen individuellen Lebens ist.

Daher muss das äußere Sein und damit auch alles Leid los gelassen werden, um sich auf sich selbst und in sich selbst zurück zu ziehen, wie das Wasser bei Ebbe, das den Strand frei gibt und sich zurück zieht.

Es ist also eine Selbstentsagung und eine gewaltige Selbstkontraktion, dieser Rückzug. Es ist vergleichbar dem Versinken in den Schlaf oder in den Tod.

Schlaf und Tod sind eines. Sie trennen das Gefäß von der Flüssigkeit ab, so dass sich alles nach innen wendet, zum Atma hin und zum eigentlichen unzerstörbaren Selbst, welches in jenen Momenten, zwischen Wachen und Träumen, offenbar wird.

Allein auf dem Weg nach innen, offenbart sich dem Suchenden die wahre Natur der Dinge, wenn er sich niederlegt, in jenen Momenten, zwischen Wachen und Einschlafen, wie zwischen Leben und Sterben, dann lächelt ihm eine Ahnung seines Atmas zu.

Erst in jenen Momenten, nahezu losgelöst von allen Äußerlichkeiten des Gefäßes und nicht mehr gefangen in den Dingen der äußeren Welt, ist er in der Lage, sich auf die Flüssigkeit zu konzentrieren, die er in sich trägt und die sein eigentliches und unzerstörbares Wesen, sein Atma, repräsentiert.

Um wirklich die äußere Welt loszulassen und sich dem Atma zu stellen, bedarf es einigen Mutes. Doch ist das Leid der Welt zu groß, so findet jeder den Mut. Größer ist das Erschrecken vor der Welt und ihrem Leid, als das Erschrecken vor jenem, was er Loslassende jenseits des Gefäßes findet.

Zurückgeworfen auf das Leid seines Seins, ist er gezwungen, sein innerstes unzerstörbares Selbst, sein Atma, die Essenz seiner Existenz, zu erkennen. Dieser Zustand mag jenem Zustand am nächsten kommen, den die Buddhisten Erleuchtung nennen. Er ist eine Existenzform, in der das rein physische Leid seine Bedeutung verliert und sich das Leben dem Ausgesetztsein der Gier der anderen Individuen durch vollkommene Hinwendung nach innen und vollkommenes Loslassen entzieht.

Nicht wirtschaftliche Güter, nicht Erfahrung oder Status zählen hier, sondern allein die Quelle und die Essenz des eigenen Seins.

Gilgul Neschamot: Das Experiment Gottes

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