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Verirrt

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"Hinter dem Haus, über den Bach und in Richtung Osten den Berg hinauf." So

beschrieb unser Freund uns den Weg.

Da es sehr warm zu werden schien, hatten wir nur unsere kleineren Rucksäcke

umgeschnallt, in denen sich gekühltes Bier in Dosen befand.

(Wasser gibt es nur in Notfällen, lach)

Dann ging es los.

Frohgemut und lachend durchbrachen wir das Unterholz. Es sollte zwar irgendwo

auch einen Waldweg geben, der auf den Berg führte, doch den fanden wir erst mal

nicht. Irgendwann würden wir schon auf ihn stoßen ... Dachten wir!

Manfred erzählte uns, dass es hier einige Schwarzbären gäbe und ab und zu

wurde auch mal ein Puma gesichtet.

Na also - was sollte uns jetzt schon noch passieren.

Krachend arbeiteten wir uns durch das Unterholz. Mit glänzenden Augen immer

vorwärts.

Ja, das war es doch, was wir suchten: Wildnis pur!

Wir waren ja eigentlich erfahrene Wanderer und Kanuten. Doch bei uns zuhause

gab es nichts Vergleichbares. Gegen diese Wildnis hier sehen unsere Wälder aus

wie aufgeräumt und sauber gefegt.

Langsam fingen wir an zu schwitzen und weit und breit kein Waldweg zu sehen. Ab

und an, an einem Baum ein blaues Bändchen. Wir nahmen an, es handelte sich

vielleicht um Markierungen von Waldarbeitern. Dann - nach etwa zwei Stunden

durch das Unterholz kämpfend - mussten wir einsehen, dass wir uns verlaufen

hatten.

Na dann Prost!

Wir sahen den Wald buchstäblich vor lauter Bäumen nicht mehr.

Schnaufend setzten wir uns erst mal hin und nahmen einen Schluck vom schon

langsam warm werdenden Bier.

Dann sahen wir uns um.

So viel Dickicht und Unterholz hatte ich bis jetzt nur in Filmen gesehen. Manchmal

kam es einem vor, als wenn zwischen den Bäumen eine Hütte stand. Doch das

waren die Strukturen der Bäume die - übereinander gefallen - diesen Eindruck

erweckten.

Auch Jürgen sah sich lachend um und meinte: „Wir wollten Wildnis. Jetzt haben wir

Wildnis.“

Wir orientierten uns am Sonnenstand und der Uhrzeit und beschlossen,

zurückzugehen. Wenn wir den Weg auf den Berg nicht finden, war es sinnlos

weiterzugehen. Durch dieses fast undurchdringliche Dickicht würde es Tage

dauern, bis wir vielleicht mal am Ziel ankamen. Es war auch zu gefährlich.

Wir mussten bis zum Einbruch der Dunkelheit auf jeden Fall zurück sein. Und so

machten wir uns auf den Heimweg. Der war genauso mühselig. Über umgestürzte

Bäume durch Dickicht und dichtes Unterholz quälten wir uns Richtung Westen.

Und ich nahm das ganze Geschehen auf Video auf und fluchte leise, weil ich

dauernd stolperte und einmal fast auf meine Kamera gefallen wäre.

Nach ein paar Stunden hatten wir es geschafft und erkannten an der Umgebung,

dass wir Zuhause waren

Wir erkannten, dass es gar nicht so einfach war, sich in der Wildnis

zurechtzufinden. Man kann in der Nähe einer Siedlung sein und sich trotzdem nach

ein paar hundert Metern verlaufen. Doch da wir in Navigation keine Anfänger

waren, ging alles gut.

Ich kann Neulingen nur raten, sich nicht allzu weit von bewohnten Gebieten zu

entfernen. Ohne einen ortskundigen Führer ist man schnell auf dem falschen Weg.

Sogar wenn man sich aus einer Stadt oder einem kleinen Ort entfernt, kann es

passieren, dass man plötzlich mitten in der Wildnis steht und sich verirrt hat. So

nahe liegen Zivilisation und Wildnis in Kanada beisammen.

Als Manfred erfuhr, was wir erlebt hatten, musste er herzlich lachen. Er erklärte uns

nochmal ganz genau den Weg und ein paar Tage später fanden wir auch ohne

Mühe das angegebene Ziel.

Oben auf dem Berg angekommen staunten wir über einen riesigen Kahlschlag.

In Kanada ist es leider so, dass immer noch große Teile der ursprünglichen Wildnis

abgeholzt werden. Gerade in British Columbia ist die Holzwirtschaft stark vertreten.

Es wird zwar wieder aufgeforstet, doch der Baumbestand braucht lange, um seine

ehemalige Größe wieder zu erreichen.

Aus der Luft sehen die Kahlschläge aus, wie große braune Inseln in der sonst

grünen Vegetation.

Ich zog mein Fernglas aus der Tasche und suchte die Umgebung ab. Doch weit

und breit war kein Elch zu sehen.

Nur einige Adler kreisten über unseren Köpfen. Leider zu hoch zum Filmen.

Ich entdeckte eine verfallene Blockhütte am Waldesrand, und wie ich nun mal bin,

musste ich sie untersuchen. Doch außer ein paar leerer Flaschen, alten Stiefeln

und einem rostigen Ofen war nichts zu finden.

Es war wohl schon eine Weile her, dass Holzfäller hier schufteten. Das bemerkte

man auch an dem ersten zarten Grün, das sich zwischen den Wurzeln und dem

Totholz breitmachte. Auch einige kleine Sträucher, Farne und Wildblumen wuchsen

schon wieder und in ein paar Jahren wird der Waldboden wieder von jungen

Bäumen in Besitz genommen sein.

Die gerodete Fläche hatte bestimmt einen Durchmesser von zwei Kilometern.

Wir durchliefen das Gebiet, in der Hoffnung, vielleicht doch noch Elchen zu

begegnen. Doch leider ließ sich keins der Tiere blicken. Also machten wir uns

wieder auf den Heimweg.

Nachmittags wollten wir uns dann von der Wanderung erholen und zu dem kleinen

See in der Nähe fahren.

Manfred hatte dort sein Boot liegen und vielleicht fingen wir ja auch einen Fisch für

das Abendbrot.

Das Wetter war herrlich. Blauer Himmel mit ein paar weißen Wolkenfetzen und eine

Sonne, die uns bis spät am Nachmittag begleitete.

Hier am See wohnen einige Leute. Man sah die weit verstreuten Hütten durch die

Bäume und hörte Lachen und Gesprächsfetzen. Es sind einige Aussteiger dabei,

die das Leben in der Stadt und die Zivilisation satt hatten.

Doch auf dem See waren wir zu der Zeit die Einzigen.

Ich setzte mich nach hinten, nahm das Ruder und steuerte das Motorboot, während

Jürgen die Angel klar machte und den Köder anbrachte.

Dann fuhr ich langsam auf das andere Ende des Sees zu. Das Brummen des

Motors und das Glucksen der Bugwelle waren die einzigen Geräusche, die zu

hören waren, als ich auf die Mitte des Sees zu steuerte. Dann stellte ich den Motor

ab und Jürgen befestigte die Angel an der Bordwand. Ich lehnte mich zurück und

machte ein Nickerchen.

Was für eine Wohltat. Diese Stille, die ich aus Deutschland kaum kannte. Sogar in

unseren heimischen Wäldern hört man irgendwelche Geräusche. Entweder von

einem nahen Ort, den Spaziergängern oder Autos. Hier in Kanada kann man die

Stille förmlich hören.

Ab und an öffnete ich die Augen und sah, dass auch mein Freund ein Nickerchen

machte.

Einige Zeit später wurde ich durch ein Poltern geweckt. Jürgen hatte die Angel in

der Hand und warf die Leine einige Meter weiter ins Wasser. Er grinste und sagte:

„Bis jetzt hat noch keiner angebissen. Lass uns fahren, es ist schon später

Nachmittag!“

Ich warf den Motor wieder an und langsam fuhren wir zurück.

Jürgen machte die Angel fest und ließ den Haken hinter dem Boot herziehen.

Vielleicht klappt es ja auf dem Rückweg.

Ich wollte aber mal sehen, was das Boot so hergab und gab Gas. Mit schäumender

Bugwelle zogen wir durchs Wasser.

Es ging auch ganz schön ab und Jürgen lachte: „Wenn jetzt noch ein Fisch an den

Haken will, muss er sich aber beeilen.“

Erst wenige Meter vor dem Landungssteg nahm ich Gas weg und drosselte den

Motor.

Da rief auch schon Jürgen. Die Angelleine hatte gezuckt und spannte sich. Er nahm

sie schnell in die Hand und holte den Fisch aus dem Wasser.

Naja, nicht das tollste Exemplar, doch für uns beide reichte es zum Abendbrot.

Er nahm in an Ort und Stelle aus und tütete ihn ein.

Müde und glücklich kamen wir am frühen Abend von unserem Trip zurück und

Brigitte bereitete uns den Fang zu, der leckerer schmeckte, als wir es ihm ansahen.

Dann saßen wir noch lange auf der Veranda und ließen den Tag bei einem guten

Tropfen ausklingen.

Kanada.

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