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Phonetik

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Da gibt es normative Phonetik Regeln des lautsprachlichen Systems als verbindliche Orthoepie. Einer Norm, die von heutigen Journalisten und Reportern mehr oder weniger anarchisch ignoriert wird. Die Studiengänge Phonetik, wie zum Beispiel an der Uni Trier, könnte man direkt streichen, wenn aus dem Fernseher stets die Stadt Sanaa, als Sanaa ausgesprochen erklingt, anstatt Sana a. Ganz beliebt sind auch Verdoppelungen des s und Wegfall der einst beliebten ä ü ö. Da klingt der schwäbische Kartoffelsalat schnell wie ein Salat aus Schweden. Konschtanz zu sagen ist völlig out, das klingt jetzt wie ein Hamburger Konn stanz, selbst im Schwebischen. Vielleicht hat dort auch irgndein Konns getanzt. Vor Namen wird auch nicht halt gemacht. Der arme Bosbach ist jetzt der böse Bossbach und Groß wie bei Großmann ist ganz urplötzlich gross, auszusprechen wie kross. Was man alles so lernt im deutschen Fernsehapparat, schüttelt Max den Kopf. Dafür aber gibt es neuerdings das beliebte Wort Sport, welches nun kein r mehr braucht. Da reicht ein wunderschönes Spoat. Oder Moad, oder foat. Überhaupt kein r mehr nötig. Klingt aber auch gleich viel sympathischer und weicher. Besonders bei Moad, dann ist dieser mindestens halb so schlimm. Eine Steigerung ist bei ermordet zu hören. Emoadet. Das hat doch etwas. Etwas gaga klingt es jedoch wenn Jens Schlurig von den Maodis aus Neuseeland berichtet. Und das gleich mehrmals hintereinander. Max hat lange überlegt, ob es außer den Maori dort noch eine andere Ureinwohnerschaft gibt. Da macht der Plankoscheck in Verbindung mit der Italienerin Ramona Powers, die eigentlich Romina Power heißt und eine gebürtige US Amerikanerin ist, aber auch ganz schön was her wie Anna Planken zu berichten weiß. Und heute ist Weltputzfrauentag. Das ist ein äußerst schwieriges Wort, besonders für den Herrn Schlurig. Weltputz Frauentag klingt das bei ihm. Gemeint ist wahrscheinlich Welt Putzfrauentag. Vielleicht doch ganz gut wenn sich die deutsche Sprache immer mehr im amerikanischen identifiziert, dann merkt das niemand mehr, auch die Amerikaner nicht. Die halten das dann für Deutsch und die Engländer für Tirolerisch. Zwischendurch kommentiert Bert Wetterfrosch das Wetter. »Heute ist in Bayern, besonders im Süden, nebliger Hochnebel zu sehen. Ansonsten gibt es Starkregen in Thailand, aber auch in Genua. Im übrigen Deutschland ist der Frühling exorbitant heute. Und das im November 2011, unglaublich.« Hanna Balken erklärt nun die neuen Regeln der Bahn. »Am neuen Touchpoint der Bahn, kann man ein App aufs Smartphone downladen, welches einem ermöglicht einen günstigeren Ticketpreis zu ermitteln. Das geht mit Communication Technik. Man darf allerdings die Reisekette nicht unterbrechen, sonst wird der normale Preis fällig« Geht’s noch? fragt sich Max. »Es ist so richtig Indian Summer heute, dann kann man die Outdoortauglichen Lammfellschuhe getrost gegen die bequemeren Lack Loafers eintauschen« meint Frau Planken noch abschließend. Nach dem Spoat mit Dieter Krossmann soll es die Nachrichten mit Wundula Sausse geben. Das ist schön, freut sich Max. Es gibt noch echte Nachrichten. Bei Zappen durch die Privatsender bekommt man nur noch Breaking News aufgetischt. Max hat keine Idee was das überhaupt ist. Sind das auch Nachrichten? Womöglich während einer Pause zusammengeschnippelt? Da muss der Amerikanophile Sven Schänkel am Telefon ran. »Schänkel, was gibt’s?« Hör mal Sven, kannst Du mir sagen was Bräiking Nuus sind?« »Du meinst Nachrichten?« »Nein, Bräiking Nuus« »Na das sind doch Nachrichten, aber das heißt Njus, nicht Nuus« »Aha, und warum heißen die so, wenn es doch Nachrichten sind?« »Das sind dann eben Schlagzeilen, die ganz neu sind.« »Man kann eine Nachrichtensendung aus Schlagzeilen machen? Heißt das nicht etwa Headlines? Die kamen doch früher aus dem Ticker, wie Reuters oder DPA. Aus diesen Eilmeldungen machen die jetzt einfach so Nachrichten, auch wenn sich das jede Stunde wiederholt und gar nicht mehr neu ist, darf man Breaking News sagen in Deutschland?« entrüstet sich Max. »Da guck ich lieber Nachrichten, oder Kurznachrichten, wo das auch so heißt« Immerhin lernt man bei den Breaking News von Peter Deppel, dass es Rainfall, klingt wie Reinfall, Rheinfall, ist aber gar keiner, Heavy Rain und Powerwind gibt. Der Ali heißt bei den Breaking News Sendern allesamt Alii. Man stelle sich den türkischen Ali, oder einer anderen orientalischen Nation zugehörig, als Alii gerufen, durch die Gegend laufend vor. Das klingt doch so richtig schwul. Hoffentlich versteht das weltweite Ausland unsere Nachrichten nicht. Und wenn, würden wir das nie erfahren, hofft Max. Ganz abgespacet nennt sich das Frühstücksfernsehen bei Matt1. Weck Up! Max bekommt Schmerzen in Kopf und Oberbauch. Was ist das denn? Gibt es da einen schwäbischen Weck, oder hat das mit aufwecken zu tun? Aber wie kann das aufwecken, wenn einer wie Max noch im Bett liegt? Merkt der das dann überhaupt? Soll wohl ultra mega modern klingen, im Brainpool mancher TV Zeitgenossen entsteht da mit Sicherheit mehr Kopfsalat, als sonst etwas Gebräuchliches.

»Komödianten, die eigentlich Komiker sind, heißen in der heutigen Zeit Comedians« erklärt Ulrich Stusse. Kabarettist kann er vermutlich nicht aussprechen. Da gibt es einen Kai Uwe der richtig falsch zitiert. Woher soll das Publikum das auch wissen? Aber es lacht gefühlte 5 Stunden lang. Herr Stusse erfreut sich über die neue bayerische, bayrerische sagt er dazu, Comediankanone Monnika irgendwas, die mit ihrem urbayerischen Dialekt ganz Deutschland zum Lachen bringt. Bis auf Max, der nicht einmal urschwäbisch richtig versteht. Richtig neidisch kann man auf den polyglotten Ulrich Stusse werden. Wahrscheinlich ist das nur etwas für alle Blitzdenker und Schnellschalter, wie etwa Sven Schänkel. Sagenhaft unterhaltsam sind die stundenlangen Auftritte der sogenannten Comedians. Besonders wenn uralte Stammtischwitze und pubertäre Äußerungen, mit viel Gequietsche und Gegrunze dargeboten werden. Um das alles zu toppen, haben die alle mindestens ein Buch geschrieben, die bei sogenannten Talkshows von früh bis spät als neuestes Werk, auch wenn es das erste neueste Werk ist, ungefähr hundertmal in der Minute, in die Kamera drei, oder vier halten dürfen. Wer dabei noch sogenannte Musik oder Soundtracks macht, darf zusätzlich noch die allerneueste CD oder DVD in die Kamera zwei halten. Hörbücher, das sind die, die man nicht extra lesen braucht, kommen in die Kamera fünf. Max überlegt sich, ob er nicht auch ein Buch schreiben könnte. Verwirft diese Idee aber gleich wieder, bei der Feststellung, in der Schule nicht mal über den Dreisatz hinaus gekommen zu sein. Wie soll da ein komplettes Buch entstehen? Und über was kann er schreiben? Vielleicht über die Beobachtungen seinerseits, um das Wachstum seiner Kunstpflanzen von Beginn an, mit Verweisen und Zitaten des Helmar Wai? Besser nicht. Womöglich führt das dann die Bestseller Liste für Fachbücher des linksgerichteten Stern an, wie dieser letztens von Tanja Waide betitelt wurde. Schön wäre es freilich schon, wenn sein bestes Buch aller Zeiten verfilmt werden würde. Alles in Zeitraffer und Makroaufnahmen mit abgeschnittenen Köpfen versteht sich. Nicht zu vergessen mit wild durcheinander gewirbelter Musik.

Fuchtelkoch Armin Trotzmeier matscht heute eine seltsame Masse aus Allgäuer Emmentaler und Musskattnuss, wie er Muskat nennt, zusammen. Dargeboten wird das Ganze dann als irgendwelche Pfanzerl, die gar keine sind, aber auf Pumpernickelfetzen gereicht werden. Warum die speziell für Partys sein sollen, erschließt sich einem nicht. Kalorisch gesund sollen die jedenfalls sein.

Danach ist ein Barde zu sehen und zu hören, der seine Zeit beim Asterix geknebelt und gefesselt auf einem Baum fristen würde. Nach der Frage, was das nun sei und in welche Schublade das gehört, kommt ganz lapidar »Ich mache Songwriting, daran muss man erinnern. Meine Texts beinhalten tolle Lines« Lines sind das also. Max stellt sich die als weiße Linien vor, die dieser Jüngling wohl reingezogen haben muss, kurz vor seinem Auftritt zu früher Stunde. Ein allgemeiner Doktor erklärt kurz vor Schluss warum Männer ungesünder sind und deshalb nicht ganz so lange leben wie Frauen.

So ist das also, ganz neue Erkenntnisse. Schnell Rom weiterbauen, angesichts verkürzter Lebenszeit. War relativ einfach bis jetzt, aber das mit dem Kolosseum braucht mehr als nur Steinbrüche und Wald fürs Holz. Dazu benötigt man mehr Arbeiter als vorhanden, und recht viel Geld. Aber woher nehmen? Sklaven, jede Menge Sklaven. Das ist die Antwort. »Hm, wo finde ich die jetzt« fragt sich Max. Das Gesindel in und um Rom herum einsammeln. Reichen die für diese kolossale Baustelle? Zur Not kann man ja noch ein paar entfernte Ländereien überfallen. Aber dazu braucht man wiederum Soldaten. Und die haben alle Hunger und brauchen Behausungen und Ställe für die Pferde. Auch die Sklaven brauchen irgendwelche Hütten. Den Wald braucht man aber auch für Schiffe. Und Holzfäller braucht man immer mehr. Elefanten aus dem fernen Afrika müssen her, da kann man auch gleich Sklaven machen. Wer verschuldet ist wird sofort versklavt. Ein Sklavenmarkt ist wichtig, um die Besten teuer zu verkaufen. Der Sklave (nicht der Slawe, der wohnt in Osteuropa) war nun keine Person mehr, sondern eine Sache, nach rechtlichem Status. Dafür bekamen sie schmucke Halsbänder aus Eisen oder Bronze um den Hals. Besonders gut gestellt waren natürlich die Haussklavinnen für spezielle Dienste ihrer Herren. Die Reichen brauchen jetzt plötzlich ihre Haussklaven. Selbst die Bauern haben keinen Bock mehr zu ackern und setzen Sklaven ein. Das ruft nach noch mehr Soldaten und Eroberungen, wie es schöner klingt. Ist das ein Aufwand, nur um die Faulheit, also das neue Niveau und die Sensationsgier reicher Römer zu befriedigen. Aber ohne Kolosseum kein richtiges Rom. Immer mehr Wasser braucht die Stadt, das alleine ist schon Logistik genug. Das muss sich Max alles genau durch den Kopf gehen lassen. Ist heutzutage kaum anders, nur die Gebäude und die zu amüsierenden und gelangweilten Millionäre sind etwas anders, denkt er sich noch, hinsichtlich der vielen Arbeitslosengeld II Sklaven. Hoffentlich kommt niemand auf die Idee spezielle Lager einzurichten. Noch nicht.

Immer noch November früh morgens, ertönt die Stimme des Jens Schlurig, der da meint, dass irgendwelche Teile zu schmilzen beginnen. Was schmelzt da und warum? amüsiert sich Max. Diese Frühstückssendungen zählt er ab sofort als Satiresendungen, das macht alles erträglicher. »Spoat gibt es heute erst ab dem zweiten Voamittag« meint Herr Schlurig noch. Aha! Und wann geht der los? Keine Zeit darüber nachzudenken, es geht spontan über zum Bericht, dass »im Süden Deutschlands ein Offshore Windpark auf Berghügeln aufgebaut werden soll. Das ist kein Raubtierkapitalismus, sondern ein Nachhaltigkeitsprojekt«. Jetzt aber! verzweifelt Max kurz vor dem zweiten Vormittag. »Dieses Projekt wird zusätzlich unterstützt mit russischem Eadgass aus dem hohen Noaden. Manche machen sich Gedanken, eine Firewall gegen Spekulanten zu installieren. Die sind also auch virtuell, die unser täglich Brot und sonstige Lebensmittel weltweit verheizen? Super, gleichzeitig gibt es eine neue Wendung über die sehr schwierig in Berlin Einigung«. »Hääh?« schreit Max laut auf. Jetzt versucht er mit sich selbst zu sprechen. Ganze Sätze mit alten Wörtern und neuer Aussprache. Das klingt dann wie in den Nachrichten und Magazinen. >Heute im Studium. Es wird Winta und dann sollte man den Gartenteich abdecken, so kommen keine Wetta ins Wassa da rein. Die Bayrerin war nach der After Beach Party ganz, ganz overlooked. Wir söllten was machen und statt mit dem Ihbaik Fahrrad in die Pedale zu treten, besser eine Fahrkarte lesen. Für lösen< Nein, aufhören, Max versteht sich selbst nicht mehr. Das darf er sich gar nicht erst angewöhnen. Ganz, ganz schnell raus an die sehr frische Luft. Tabak und Filter kaufen, beim Treve, jeden Tag ein bisschen besser, noch etwas zum Essen besorgen, um anschließend im türkischen Spezialitäten Döner ein wunderbar kühles und dunkles Hefeweizen zu trinken. Das hat er sich wirklich verdient. Tratma, die türkische Chefin mit kurdischem Migrationshintergrund eilt sofort herbei, natürlich mit einem gut eingeschenkten Weizenbier in der Hand, sowie einem erfreuten Ho?geldin begrüßend und Nazilsin fragend. Max mit »Ho?bulduk und bombok« antwortend, lacht sich Tratma fast kaputt und zeigt auf den voll besetzten Stammtisch, zusammengesetzt mit dicken Figuren aus dem Nahen Osten und Wild-Zeitungsgebildeten Schwaben aus dem Badischen. »Die da sind bombok« sich immer noch den Bauch haltend vor Lachen. Bombok heißt beschissen. Ohne zu merken über was und wen Tratma und Max lachen, erklären die Gelehrten aus dem Osten die Weltgeschichte. Die Wild-Zeitungswisser dem Ganzen kopfnickend zustimmend, sind sie sich einig, dass Griechenland an allem Schuld ist. Max verdreht die Augen, Tratma denkt wahrscheinlich immer noch »bombok«. »Die Griechen machen unseren Euro kaputt, die sollen nach Hause gehen wenn sie nicht spuren« sagt eine blonde noch dickere Gerda, von Haus aus Polin. »Ja genau« applaudiert die Tischrunde. »Trotmoa, noch eine Runde Ouzo« ruft ein zahnloser Dresdner ohne Migrationshintergrund. Hasan, Tratmas Ehemann, schon in Rente und wie immer an seinem eigenen runden Tisch sitzend, beobachtet alles ganz stumm, mit einem nicht zu verbergendem und verschmitztem Grinsen. »Unser schöner Euro geht alles nach Griechenland und wo sind die dreiundzwanzig Tonnen Gold vom Gaddafi geblieben, haben bestimmt die faulen Griechen kassiert« mault Franzo der Pseudokubaner aus dem Badischen. »Vorsicht, hier kommen die Ouzo« mahnt Tratma. »Wir, die arbeiten tun und ehrlich sind, müssen für ganz Europa bezahlen« kläfft Gerda, die so dick wie dumm ist. Komisch, denkt Max, sich in solche Gespräche grundsätzlich nie einmischend, was machen die morgens um zehn Uhr schon halb besoffen, etwa arbeiten? Franzo muss dringend zum Klick, Kinderklamotten für seine Tochter auf Kuba kaufen. »Für Weihnachten, aber wahrscheinlich kommen die erst an Ostern dort an, no de nada« Noch ein paar Gläser Rotwein mehr und er spricht nur noch ein irgendwie Spanisch. Angeblich hat er lange in Havanna gelebt und war als Lehrer im dortigen Goethe Institut angestellt. Jetzt, als über siebzigjähriger möchte er dort wieder arbeiten. Ja nee, is klar. Es wird gemunkelt, er war in Mexiko und Kuba nur als Urlauber mit einer Hui Reisegruppe unterwegs. Die andere Dicke mit sächsischem Migrationsvordergrund hetzt jetzt auch gegen die Griechen, mit ihrem leeren Ouzoglas in der Hand. »Wir hoben olle georbaided in der DDR und die Kinder worn in der Gribbe« Ja genau, stellt Max für sich fest. Die kann die DDR kaum miterlebt haben, und die Kinder waren prima aufgehoben in der Krippe, das war Staatserziehung von Anfang an. »Und jetzt solln wir och noch diese Mistgrieschen verhalden, guck dir mol die Häuser von denen on« inzwischen wieder mit einem vollen Glas Ouzo in der Hand. »Die sind doch alle stinkefaul, wir haben nach dem Krieg aus Kohle Butter gemacht. Das ganze Fett rausgepresst. Da können die nur staunen« Max staunt auch über die Aussage des schwäbischen Badensers. »Selbst die sozialkommunistischen Kubaner arbeiten wie die Tiere und sind zu recht stolz drauf, aber Ola« sagt der Rotwein Lehrer aus Wiptingen. »Muy Problemo« was nach ihm, anscheinend so etwas wie »Kein Problem!« heißen soll. Gerhard, der Dürre, mit der Wild-Zeitung auf dem Tisch, erklärt die deutsche Wirtschaftslage. »Wir sind ein Exportland und arbeiten viel, was man von den Griechen nicht behaupten kann. Aber auch die Spanier, vor allem aber auch die Portugiesen und nicht zu vergessen die versoffenen Iren, treiben uns in die Eurokrise. Zum Glück sind wir da anders. Die Franzosen sind nur Trittbrettfahrer, die sich bestimmt nicht mehr halten lange können, dann müssen wir die auch noch mit unserem hart verdienten Euro retten. Bei uns malochen sogar die Arbeitslosen, da könnten die sich alle ein Beispiel nehmen.« Hurra, wir Alleskönner und Schwerarbeiter retten einen ganzen Kontinent, denkt sich Max. Da sitzt ein richtiger Wirtschaftsphilosoph mit Liebe zur Weisheit am Tisch, ohne jetzt vom akademischen Himmel gefallen zu sein. Eine zierliche, immer beschwipste junge Frau aus der Nachbarschaft gröhlt »Proscht, net schwätze, saufa, ihr Quatschköpf. Woher waisch du des alles, hä?« »Da steht es, in der Wild Zeitung, schwarz auf weiß und natürlich bei Wild-Online« überzeugt Gerhard der Dürre. »Caramba, mir reicht mein Handy, damit kann ich sogar schreiben« wirft Franzo, mit der Zunge am Rotweinglas klebend, undeutlich ein. »Hajoh, I schreib au immer uff em Handy. Oruafa brauchd mi koiner, wenn I dauernd bsoffa bin. Cheers, un noh a Runde Ouzo, gell« krakeelt die kleine Zierliche aus der Nachbarschaft. Obwohl eher aussichtslos und vergebens, schickt Max sich an, doch nachzufragen »Also wenn die Wild das alles weiß, steht da auch drin, wohin die Deutschen ihre teuren und billig hergestellten Qualitätsprodukte liefern?« »Nach China natürlich, das geht alles nach China« erwidert der Stammtischphilosoph leicht misstrauisch guckend. »Aha, aber laut DEP, der Deutschen Export Performance und dem Statistischen Bundesamt, gehen nur 4,5% nach China. Wo gehen dann die anderen Güter hin?« fragt Max. »Jaa, hauptsächlich nach Amerika« »Die USA sind doch auch bankrott, wie sollen die das bezahlen?« »Ha, das sind die größten Verbrecher mit ihren Racing Agenturen. Die machen alles kaputt« weiß der Dürre. »Wie heißen diese Agenturen, haben die etwas mit der Formel Eins zu tun?« »Racing Agenturen, noch nie gehört?. Das sind die, die unsere Banken kaputt stufen. Und extra in Amerika sind, um den Dollar zu retten« »Ach so, Rating Agenturen. Die gibt es aber auch in Europa und überhaupt weltweit. Die wollen alle den Dollar retten? Diese Agenturen gab es schon im neunzehnten Jahrhundert. Sogar Bayern hat eine Rating Agentur, die BayRate. Selbst die Bundesbank darf Ratings vornehmen. Also Staaten und Wirtschaftsunternehmen herauf oder herabstufen. Das ist so etwas wie eine internationale Schufa. Wer will schon in Pleitefirmen investieren? Selbstverständlich sind diese Agenturen gewinnorientiert, und die Märkte sind immer ademokratisch. Es liegt also an den Regierungen sich von den Wirtschaftsdiktaturen zu lösen. Und um auf den Euro zurückzukommen. Natürlich ist das eine ökonomische Währung, du hast doch aber auch Vorteile dadurch« beendet Max vorläufig seine Rede. Lange überlegend, vermutlich kaum etwas verstanden, kontert der Dürre mit »Aber die Amis haben unseren Euro kaputtgemacht, das steht da so« »Ja genau, die Amis sind schuld und die Griechen. Wir wollen die gute alte D-Mark wieder zurück« sind sich die anderen, mit einem kollektiven Prost, am Wirtschaftsstammtisch einig. »Ja genau, die war hart und stabil und überhaupt weltweit angesehen« sagt Gerhard der Dürre. »Und wer hat uns die Mark gebracht? Das waren doch die Alliierten, die mit vierzig Mark für jeden, zumindest auf dem Papier, diese Währung 1948 eingeführt haben. Da waren also auch die Amis mit dabei, und die sind jetzt plötzlich böse? Auch die D-Mark wurde damals nicht angenommen und alle fühlten sich abgezockt. Das hat eine Weile gedauert, vor allem auch bis das wunderbare Wirtschaftswunder kam« sagt Max. Vor allem aber gibt es seit 1945 keinen einzigen Krieg mehr in Europa. Das ist der längste andauernde Frieden seit der Geschichtsschreibung im kriegswütigen Europa, meist von Deutschen ausgehend. Daran hat auch der Euro seine Mitwirkung. Ist das etwa nichts?« »Hey du, bisch du vielleicht enn Professer?« meckert die immer Beschwipste. Max möchte aufgeben um sich in aller Ruhe seinem dunklen Hefeweizen zu widmen, aber der Dürre lässt dann doch nicht locker. »Was hat jetzt der Euro damit zu tun wegen Krieg?« »Nein ich bin kein Professor. Ich stelle mir nur Fragen und suche nach Antworten. Dafür schimpfe ich nicht wegen jeder blöden Schlagzeile. Solange es die Eurozone gibt, die das kleine Europa zusammenhält, wird es wohl kaum Krieg geben. Und trotz den Staatsverschuldungen inklusive Griechenland, die von Spekulanten verursacht wird, ist das immer noch billiger als ein neuer verheerender Krieg. Oder nicht?« »Krieg, Krieg, was ist das und wer will das. Keiner will das« lacht die immer Beschwipste. »Ist ja schon gut, es wollte auch nie jemand eine Mauer errichten« winkt Max ab und trinkt dann doch lieber in Ruhe sein Bier. »Aber wenn es doch in der Wild-Zeitung steht, dass Griechenland schuld ist« sagt der Dürre eher fragend. »Tratma, zahlen bitte, ich muss weiter, obwohl es bei dir immer so gut nach Pide und Lahmacun riecht« Max schleppt seinen Einkauf ein paar Häuser weiter zum Griechen. Der liegt ganz geschickt an der Bushaltestelle, um danach ganz bequem mit Stadtbus nach Hause fahren zu können. Die Halti, wie manche Dunkeldeutsche zu sagen pflegen. Johann, der echte Urgrieche aus Kühlacker, begrüßt Max mit seinem eigens angebautem und selbstgebrannten Traubenschnaps mit Mirabelle und drückt ihm gleich ein schön eingeschenktes, leider nicht kaltes Weizenbier in die Hand. Aus dem verqualmten Rauchernebenzimmer ohne Tür, winken Bombo Weltfirma und Erich der Lokomotivführer in Pension. Max setzt sich mit seinem Hefeweizen zu ihnen an den Tisch. Erich ist mitten in einer Geschichte aus seiner Dampflokzeit. Bombo, immer noch Wild-Zeitung gebildet, ist sofort am Schimpfen »Das gibt es doch gar nicht, bei uns schalten die den Strom ab und kaufen dafür den Strom im Ausland« »Wer sagt denn so etwas?« »Das stand gestern in der Wild, da kann man doch nur den Kopf schütteln« echauffiert sich Bombo. »Da würde ich auch den Kopf schütteln, klingt doch aber gut für eine der neuen Preiserhöhungen für Strom aus dem Ausland und super Gas aus Russland. Aber so kann das natürlich nicht sein. Vielleicht musst du zwischen den Zeilen lesen, obwohl, in der Wild ist dieser Platz meistens mit freiem weißem Raum ausgefüllt. Wenn die vier Atomkraftwerke abschalten, produzieren die anderen doch immer noch Strom. Es kommt noch Strom aus Windkraftanlagen, Wasserkraft, Photovoltaik und so weiter dazu.« versucht Max seine Meinung kund zu tun. »Die Wild Zeitung sagt, das ist alles Quatsch, die kaufen auch Atomstrom aus Österreich. Was meinst du mit Fotowollteig oder wie das heißt?« fragt Bombo fragend. »Österreich hat doch gar keine Kernkraftwerke. Wenn die Strom verkaufen, haben die wahrscheinlich zu viel davon bei den Tschechen gekauft, oder sie machen ein Zusatzgeschäft damit. Und das macht momentan vielleicht für die Bayern Sinn, die kaum erneuerbare Energien haben. Mit Photovoltaik meine ich Solarstrom. das sind die Dinger, auch Solarzellen genannt, auf den Dächern, aber auch auf Feldern, die Lichtenergie in elektrische Energie umwandeln. Dieser Photoelektrische Effekt wurde bereits 1839 von dem französischen Physiker Alexandre Becquerel entdeckt. Diesen Effekt richtig zu erklären gelang Albert Einstein 1905, wofür er später den Nobelpreis bekam. Wegen der Energiekrise brachte Japan 1994 das Hunderttausend Dächer Programm auf den Plan, welches inzwischen 144.000 Dächer erreicht hat, in den USA sogar eine Million Dächer. Im gleichen Zeitraum schaffte es Deutschland gerade mal auf Tausend Dächer.« »Das glaube ich nicht« kontert Bombo. »Ich habe als vierzehnjähriger Bub den ganzen Tag Kohlen geschippt, ohne etwas zu essen« erzählt Erich immer noch von seiner Dampflokzeit. »Das würde ich auch nicht glauben, steht ja schließlich nicht in der Wild« »In der Wild steht klipp und klar, dass es gar nicht möglich ist grüne Energie zu speichern, weil es gar keine Batterien dafür gibt« überzeugt Bombo. »Das mit den Batterien ist doch Quatsch. Eine Batterie oder Brennstoffzelle kann gar keine elektrische Energie speichern, die sind jedoch Energiewandler. Forschern der Baden-Württembergischen ZWS ist es aber gelungen den überschüssigen Strom aus Wind und Sonne als synthetisches Erdgas zu speichern. Das österreichische Unternehmen Solar Fuel Technology in Stuttgart bereitet die industrielle Umsetzung vor. Warum schreibt das deine Wild-Zeitung nicht?« »Tja, was weiß ich, habe da eh keine Ahnung davon. Aber es steht da so.« sagt Bombo. »Es gibt doch noch andere Informationsquellen als die Wild. Hast du gewusst, dass in Deutschland 19tausend Windräder stehen, die so viel Energie erzeugen könnten wie zwanzig Kernkraftwerke? Die können sich vor lauter Strom gar nicht retten. Jetzt hat aber eine US Firma die Windräder revolutioniert und die anstatt mit Generatoren, mit Druckluft-Kompressoren bestückt. Das wäre die Rettung, zumindest für Norddeutschland wo es viele leere Salzstöcke und Erdgasfelder gibt. Die so erzeugte Druckluft wird in diese Felder gepumpt und bei Bedarf lässt man sie wieder heraus und zwar durch eine Turbine, die dann wiederum Strom erzeugt. So wäre man unabhängig vom Wetter und hätte immer Strom. Dispatchable Windpower System, DWPS« »Oh lass mich in Ruhe mit deinen Erklärungen, das kann ich mir sowieso nicht merken und andere Zeitungen lese ich deshalb auch nicht, außerdem habe ich diese Woche Urlaub. Prost« »Prost Bombo. Mach dir nix draus, muss jetzt endlich meinen Einkauf nach Hause bringen« resigniert Max. »Mensch, Mensch und die Geislinger Steige hinauf hatten wir gleich zwei Schipper und eine extra Lok die schieben musste, sonst wären wir da gar nicht hinaufgekommen« schwelgt Erich immer noch in früheren Zeiten. »Also Tschüss zusammen, Tschau, Jasu Johann, bis nächste Woche wieder« verabschiedet sich Max.

Wann wird da endlich ein Fahrstuhl eingebaut, fragt er sich, als er endlich oben in der Wohnung angekommen ist. Schnell den Einkauf, bestehend aus Salatgurken, Kartoffeln, Grobe Bratwürste und etwas Obst, verstauen und den Fernseher einschalten um nichts zu verpassen. Und wie so oft, hinsetzen und verschnaufen. Aus der Glotze plärrt irgend so eine furchtbare Musik bei Viva. Falsches Programm, umschalten auf ein öffentlich Rechtliches und schon ertönt die bekannte Stimme der Hanna Balken, die es diesmal vom Caballere Berluschconi hat und wer alles auf seinen Bunga Bunga Partys mitwirkt. Inwieweit Berlusconi seine faschistischen Fühler austreckt und wer schon alles infiziert ist, scheint nebensächlich. Auch die diktatorische Führung seiner Medienkonzerne ist kein Thema, solche Partys sind einfach telegeiler. Kollege Schlurig weiß etwas über Salvatore Dalie zu berichten, zum Glück muss sich der surrealistische Maler Salvador Dali das nicht mehr anhören. Weiter geht es mit Montezima und seiner Rache. Wahrscheinlich meint der Herr Schlurig den Aztekenherrscher Moteuczoma, was auf Nahuati »Er schaut finster drein wie ein Fürst« bedeutet. Sein Name war für die spanische Phonologie schwer wiederzugeben, was durch eine Fehlinterpretation zu Montezuma wurde. Aber garantiert nicht zu Montezima, entrüstet sich Max mal wieder. Einer Legende zufolge hat Montezuma kurz vor seinem Tod den Fluch ausgesprochen, alle Eindringlinge in seinem Land sollen Durchfall bekommen. Seither spricht man bei Diarrhoe, oder Reisedurchfall in anderen Ländern, von Montezumas Rache. Und schon geht es nach einem unsinnigen Gelächter der Moderaten weiter mit Hanna Balken und Papademos, der eigentlich Loukas Papadimos heißt, immer noch Grieche, und obendrein noch Premierminister von Griechenland ist. Werden Politiker, egal aus Griechenland kommend, oder aus Deutschland, oder aus sonst einem Land, insbesondere Staatsoberhäuptern, überhaupt keinem Respekt mehr gezollt? Die heißen einfach wie Hinz und Kunz, Merkel ohne Frau, Sarkozy ohne Herr, Minister, Kanzler und so weiter. Umso besser wenn deren Namen ignoranter Weise auch noch falsch ausgesprochen werden. Diese Respektlosigkeit zieht sich inzwischen durch alle Kreise, bis hin zu Arbeitslosen und vor allem Schüler, oder in umgekehrter Richtung. Als Lehrer würde ich verzweifeln, denkt sich Max. Jetzt klingelt auch noch seine mobile Telefonzelle, und noch immer nichts gegessen. »Ja, hallo Bombo« spricht Max ins Handy. »Hallo Max, ich habe noch eine Frage wegen dem Strom. Kann man den nun speichern oder nicht?« »Wie gesagt ist das noch nicht so einfach. Es könnte ja einen Stromaustausch mit Norwegen geben. Also bei zu viel erzeugter Windenergie aus Deutschland, die nach Norwegen geht, könnte die überschüssige Wasserkraftenergie aus Norwegen wiederum nach Deutschland fließen. Je nach Bedarf natürlich. Das funktioniert freilich nicht, weil auf deutscher Seite gegen das Gebäude, welches diesen Strom empfangen soll, Sturm gelaufen wird. Dieses Gebäude könnte die wunderschöne Nordseelandschaft zerstören. Ungefähr wie die Windräder im Schwarzwald. Einer der SAP Gründer hat inzwischen in die Förderung der Stromspeichertechnik in Deutschland investiert. Aber warum machst du dir so viele Gedanken? Wäre doch besser Strom für unsinnige Zwecke zu reduzieren und einzusparen, anstatt noch mehr Strom zu verbrauchen« »Ja, so gesehen, und was ist unsinnig?« grübelt Bombo. »Total unsinnigen Stromverbauch haben zum Beispiel Kunsteislaufbahnen in bald jeder größeren Stadt in Deutschland, obwohl noch gar nicht mal Winter ist. Diese Dinger verbrauchen alle zwei Tage so viel Strom wie ein Familienhaushalt das ganze Jahr. Aber der Spaßfaktor überwiegt angeblich. Und das ist jetzt nur ein Beispiel von ganz vielen« »Boaah, das ist ja unglaublich. Da muss ich noch drüber nachdenken« verabschiedet sich Bombo. Na immerhin, denkt Max und jetzt schnell in die Küche bevor noch mehr Anrufe ankommen, oder er eher phlegmatisch wird und gar nichts mehr isst. Während die Kartoffeln kochen, kann sich Max weiterhin Gedanken über das heute erlebte machen und schwelgt in früheren Zeiten. Bei einem seiner Flüge über die Alpen, nach unten schauend, sah er wie schön die Welt doch ist, und grübelte über die Unfähigkeit der Menschheit friedlich zusammenzuleben. Eigentlich wollte er nie mehr landen, und schon gar nicht in Mailand. Eine Zeitmaschine muss her, das wäre doch etwas, um wieder in der guten alten Zeit, die ehrlich gesagt gar nicht so gut war, zu landen. Das wäre doch der Clou, aber wo bekommt man so ein Ding her? Vielleicht bei den CERN Leuten bei Genf. Das Akronym CERN kommt von Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire. Die haben sich zum Ziel gesetzt den Urknall zu simulieren. Der Large Hadron Collider ist der größte Teilchenbeschleuniger der Welt. Zwischen Februar und November wurden Protonen beschleunigt und seit Dezember 2011 wieder eine Phase mit Blei. Viele Entdeckungen sind seit 1954 zu verzeichnen. Unter anderem auch die Wurmlöcher. Die sind interessant für den Bau von Maximilians Zeitmaschine. Also, mit eine stabilen Tasche, oder einem geeigneten Rucksack bestückt, auf nach Meyrin in der Nähe von Genf. Aber mit der Bahn, da kommt man leichter durch den Zoll. Obwohl die Schweizer seit November dem Schengener Abkommen angehören, traut Max denen nicht so richtig. Zu viele schlechte Erfahrungen gemacht, insbesondere bei der Einreise. Ob er sich als Lieferant für irgendetwas bei CERN einschleichen kann? Und wo lagern diese Wurmlöcher? Passt so ein Loch, ohne eine Ahnung wie groß das ist, überhaupt in den Rucksack? Der Herr der Ringe, CERN Generaldirektor Hobert Waymar hat bisher nichts über deren Größe verlauten lassen. In Gedanken ist Max schon wieder zurück in Kühlacker mit so einem Loch, wo er es in seiner Zwei-Zimmer Wohnung aufbaut. Aufbauen ist etwas zu viel gesagt, man sieht das ja gar nicht, aber Max kann es genau erahnen. Nun wird ihm aber doch mulmig zumute. Was passiert wenn er da durchkriecht? Wo und in welcher Zeit kommt er heraus? Was nimmt man mit auf die Reise? Geschmierte Brote, oder nur etwas zu Trinken? Vielleicht einen Thermobecher mit Tee und Rum? Gibt es ein Zurück? Ist das rein physikalisch überhaupt möglich, ohne seine eigene Identität und Zeit zu zerstören? Fragen über Fragen. Alleine wagt er dieses ungeahnte Risiko lieber nicht, aber wer kommt in Frage für diese Zeitreise? Er ruft Sven Schänkel als Reisebegleiter an. »Schänkel, was gibt’s?« ertönt es sogleich am anderen Ende. »Hallo Sven, Max hier. Kannst Du kurz bei mit vorbeikommen, habe ein Problem« »Ok, um was geht es?« möchte Sven noch wissen. »Das kann ich dir am Telefon so nicht sagen, das musst du selbst sehen. Bis nachher, Tschüss« sagt Max. Kaum den Hörer wieder aufgelegt ist Sven auch schon da. »So, dann zeige mir mal dein Problem« »Hier auf dem Fußboden ist es« zeigt Max mit dem Finger. »Hä, da ist doch gar nichts, willst du mich verarschen?« entrüstet sich Sven. »Doch, da unten ist es, da muss man durch. Vielleicht sieht man das besser mit einem schwarzen Hintergrund« »Du bist jetzt vollends abgespacet, oder?« Max muss Sven mit allen Mitteln überzeugen. Womöglich kommt er in Amerika heraus und steht dann da ohne richtige Englischkenntnisse. Ach ja, unbedingt Kaugummi mitnehmen, für alle amerikanischen Fälle. Er findet ein schwarzes Bettlaken. Hoffentlich funktioniert es, um das gestohlene Schweizer Loch sichtbar zu machen. »Na, jetzt siehst du es hoffentlich. Da müssen wir durchkriechen. Hoffentlich bleiben wir BMI mäßig nicht hängen. Also bist du bereit für dieses Experiment?« drängt Max. »Was ist, geht’s noch? Ich soll durch ein imaginäres Loch kriechen und nicht darin hängenbleiben? Hast du Drogen genommen, LSD oder so?« sagt Sven kopfschüttelnd. »Ja, ganz genau, du gehst als erster. Das ist ein sogenanntes Wurmloch, wir machen eine Zeitreise ohne Warp Antrieb, auf allen Vieren. Alles klar?« »Ohne was?« fragt Sven völlig verdattert. »Ohne Warp, das ist der Antrieb für Raumschiffe im interstellaren Raum, also mit Überlichtgeschwindigkeit. Wir gehen aber einfach zu Fuß, weil wir sowieso keinen Führerschein haben. Nun mach schon« »Ach so, ja nee is klar. Du wirst nicht zufällig beobachtet oder gefilmt? Nicht dass wir noch in der Klapse landen?« fürchtet sich Sven nach dem Motto, Humor muss nicht immer lustig sein. »Quatsch, wir gehen doch einfach nur in eine andere Zeit« ist sich Max sicher. »Na gut, aber du gehst zuerst. Und wenn es dort kein Bier gibt? Wenn ich im Mittelalter herauskomme und diese schweren Schwerter schleppen muss?« fragt Sven, der das Ganze sowieso für reinen Stuss hält. »Klar gibt es dort Bier, Bier hat es schon immer gegeben. Und bei deinem Glück wirst du kein berühmter Ritter sein, sondern eher in der Matsche waten und betteln. Ich gehe dann mal los« und Max ist weg. Sven steht mit aufgerissenem Maul ungläubig da, und probiert es jetzt auch. Max findet sich, mit nur einem hellen Tuch bekleidet, in sengender Sonne wieder. Die Erde ist schwarz und sieht aus wie nach einer großen Überschwemmung. Keine Autos, keine Flieger, überhaupt keine Motorengeräusche oder ähnliches sind zu hören. Ein paar Leute, die ebenso bekleidet sind wie er selbst, machen sich mit einfachen Hacken im Schlamm zu schaffen. Ganz hinten am Horizont ist eine verschwommene Sphynx zu sehen. Auch Pyramiden kann er erahnen. Auweia, bin ich als Bauer am Nil gelandet? Dreitausend Jahre vor Christi, unglaublich, stellt Max entsetzt fest. Wie sprechen die da überhaupt? Altägyptisch womöglich? Max latscht zu den anderen Bauern hinüber um es herauszufinden. »Hallo Kollege« quatscht er den nächstbesten an. »Hi« antwortet der Kollege. »Du sprichst aber ein geschwollenes Ägyptisch. Wo kommst du den her? Wie heißtn du?« »Ich heiße Max, wo ich herkomme ist schwer zu sagen« »Mein Name ist Sethos, habe schon immer am und vom Nil gelebt. Diese Überschwemmungen sind ein wahrer Segen für meinen Weizen. Baust du auch Weizen an?« »Ich? Weizen? Keine Ahnung. Ich…« möchte Max fortfahren, als plötzlich sein Handy klingelt. Mit einem »Ein Gott, ein Gott, ein Pharao inkognito« schmeißen sich plötzlich alle, die Hacken wegwerfend, unterwürfig auf den schlammigen Boden. »Hallo?« sagt Max mit zitternder Stimme. »Hey, wo bleibst du denn, ich sitze hier in einem lustigen Wirtshaus mit super Bier von Frauen gebraut. Gesungen wird da auch und musiziert. Ein halben Ochsen habe ich auch schon gegessen, mit bloßen Händen, nun komm schon, so übel ist das Mittelalter gar nicht« »Das geht nicht, ich bin ungefähr 4.500 Jahre von dir entfernt« schreit Max ins Telefon, der inzwischen umringt und verehrt wird. »Jetzt aber, du brauchst doch nur durch das Loch zu mir her kriechen« sagt Sven ungeduldig. »Das Loch? Das ist doch bei dir, hast du es nicht mitgenommen? « entsetzt sich Max. »Bei mir, wieso das denn? Wie kann ich es mitnehmen wenn ich erst hindurch muss und danach schon weg bin?« rechtfertigt sich Sven. »Du Idiot, du hast sie wohl nicht mehr alle. Jetzt kommen wir nie mehr zurück« schreit Max total verzweifelt. »Jetzt kollabiere nicht gleich, es ist doch toll hier, ganz nach meinem Geschmack« »Ich kollabiere nicht, ich wünsche dir die Pest an den Hals. Ich will nicht mein ganzes Leben mit einem Mobiltelefon im Schlamm verbringen. Völlig verschwitzt wacht Max auf seinem Sofa auf, wo er wohl eingeschlafen sein muss. Mist, nach den Kartoffeln rufend, rennt er in die Küche. Das Wasser ist verdampft, die Kartoffeln scheinen aber gar zu sein. Nochmal gutgegangen, nichts angebrannt. Nach diesem traumatischen Erlebnis ist ihm allerdings nicht so richtig zum essen zumute und er lehnt sich wieder gemütlich auf seinem Sofa zurück. So etwas passiert ihm hoffentlich nicht so schnell nochmal.


Starknebel auf der Autobahn

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