Читать книгу Starknebel auf der Autobahn - Ralph Scheible - Страница 8

Nachhaltigkeit

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Die Welt ist nachhaltig geworden. Jedenfalls hört Max das immer öfter aus dem Fernseher. Alles ist irgendwie nachhaltig, sei es eine Entschuldigung, oder ein Baum, oder eben alles. Die Realität zeigt uns stattdessen nachhaltige Hinterhältigkeit. Jedoch soll das niemand merken, nachhaltig und dauerhaft. Wahrscheinlich weil dann die alltägliche Gier mancher bekannten Personen und Firmen noch mehr am Pranger stehen würden. Nachhaltige Produkte, am besten mit Bio, verkaufen sich einfach besser und die Bevölkerung hat ein gutes Gewissen. Nachhaltigkeit klingt modern, cool und auch unproblematisch. Pangasius aus nachhaltiger Zucht hat doch etwas. Was mit den verseuchten und stinkenden Gewässern ist, erschließt sich kaum jemand, überlegt sich Max. Das Volk ist halt desinteressiert. Komischerweise wird auch nicht von nachhaltigen Urwaldrodungen berichtet, dafür aber von nachhaltigem Sojaanbau. Die Welt ist nachhaltig gierig und verrückt geworden, ist sich Max sicher. Woher kommt das Wort Nachhaltigkeit eigentlich? Da muss er Sven fragen, aber ohne von seinem Traum zu erzählen. »Schänkel, was gibt’s?« »Hallo Sven, ich habe da mal eine Frage. Kannst du mir sagen woher das Wort Nachhaltigkeit kommt?« »Na du kommst ja auf Ideen. Nachhaltig ist halt nachhaltig, was weiß ich. Das hat vielleicht mit den Fischen zu tun« »Ach so, weil es die im Gegensatz zum Schnitzel immer wieder gibt?« »Nein, eben nicht. Da geht es um illegale Fischerei und um unnötigen Beifang und Überfischung des gelben Thunfischs und Kabeljau und so weiter« »Beifang ist also so Zeugs wie Sardinen und Hering. Die dürfen im Wasser bleiben und die Fish Macs und Fischstäbchen dürfen zu uns nach Hause, während Thunfisch und Wal nach Japan dürfen? Alle anderen halten dann länger?« fragt Max. »So doch nicht. Es gibt ja nicht nur Meere und Aquakulturen. Zum Beispiel die Pyramiden in Ägypten« Hilfe, warum sagt Sven jetzt ausgerechnet Ägypten? Ahnt er doch etwas? Das kann nicht sein, das ist bestimmt purer Zufall. »Was ist mit den Pyramiden?« traut sich Max zu fragen. »Die sind schon vor ein paar tausend Jahren gebaut worden und stehen, mal abgesehen von den geklauten Außensteinen, immer noch. Sie haben Wind und Wetter und Erdbeben getrotzt, das heißt, die Pyramiden sind nach ihrem Bau haltig« »Aha, während diese Dachlattenhäuser in den USA bei jedem Windhauch davonfliegen, bleiben die Steinhäuser in Deutschland und anderswo in Europa, bei jedem Sturm stehen. Die halten ganz einfach, und die amerikanischen Häuser wachsen sozusagen nach, ohne Einbuße von Baumbestand, weil das Holz meistens aus Kanada kommt, oder direkt vom Urwald. Wie ist das dann mit nachhaltigen Entschuldigungen bei Politkern? Die sind quasi dauerhaft und ein Freibrief für alle nachkommenden Verfehlungen?« fragt Max. »Keine Ahnung, warum musst du immer alles so genau wissen? Vielleicht kommt das aus dem Englischen »sustainable developement« und bezeichnet eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der jetzigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Das ist jetzt nicht von mir, sondern frei nach dem Brundtland-Bericht. Der Ursprung der Idee der Nachhaltigkeit tauchte erstmals in der deutschen Forstwirtschaft auf. Jetzt reicht es aber, habe heute noch kein einziges Bier getrunken. Was machst du nachher?« ist Sven schon leicht genervt. »Heute gehe ich bestimmt nicht mehr weg, muss mich noch von meiner letzten Reise erholen. Aber morgen früh könnten wir uns auf ein Bier oder zwei treffen, so ab zehn Uhr, nach meiner Physiotherapie. Was genau ist dieser Brundtland Bericht, das muss ich schon noch wissen« lässt Max nicht locker. »Oh je, du weißt anscheinend gar nichts. Dieser Bericht heißt Brundtland, weil die ehemalige Ministerpräsidentin Norwegens, Gro Harem Brundtland, in der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung den Vorsitz hatte. Dieser Bericht mit dem Titel >Our Common Future< von 1987 ist als Definition des Begriffs Nachhaltige Entwicklung bekannt und wurde deshalb als Brundtland Bericht bezeichnet. Nachhaltig ist heutzutage angesagt und modern, ob es Sinn macht oder nicht. Also dann, bis morgen. Tschüss« beendet Sven das Gespräch. Das reicht auch für heute, diese akademischen Schänkelgespräche sind schon recht anstrengend für Max.

Rom ruft, das Kolosseum möchte noch gebaut werden und zum Glück kommen da keine Pyramiden vor, hofft er. Das wäre auch etwas seltsam für Rom ohne den Nil. Im Hintergrund, aber noch gut zu hören, rappelt das Fernsehgerät und Max hört etwas vom Automotorrad. Das muss er dann doch mal anschauen um herauszufinden was das nun wieder sein soll. Aha, Hanna Balken zeigt einen Restaurator für alte Motorräder mit Beiwagen. Die heißen, weil es ihr wohl niemand anders gesagt hat, einfach Automotorräder. Da taucht bei Max die Frage auf, ist das ein Automotor mit Rädern? Oder wie kann man das jetzt zum Beispiel kleinen Kindern richtig erklären? In der Sendung mit der Maus würde das dann etwa so klingen: »Das da vorne ist die Frau Balken vom Fernsehen und weiter hinter ihr, der Mann mit dem ölverschmierten blauen Anzug, das ist der Reparierer. Und links neben dem Reparierer steht ein gaaanz altes Motorrad. Das hat so ein komisches Ding aus Blech an der einen Seite. Karl Blaumann, der Reparierer oder Schrauber wie er sich selbst nennt, hat viele Schraubenschlüssel in seiner Hütte. Neben der Hütte stehen so komische blaue Flaschen aus Metall mit so Schläuchen oben raus. In den Flaschen sind Gas und Luft und damit kann Karl der Schrauber mit dem langen Stab in seiner Hand, wo ganz vorne eine lange blaue Flamme herausschießt, das komische Ding aus Blech an dem Motorrad richtig befestigen. Das nennt man anschweißen. So, jetzt noch ein schönes Rad an das Ding aus Blech schrauben und fertig ist der Beiwagen. Da kann man sich reinsetzen und wie in einem offenen Auto mitfahren. Weil das Motorrad mit Beiwagen aber sooo alt ist, muss da noch eine schöne Farbe ran. Dazu muss das Gespann, wie man das Motorrad mit dem Beiwagen auch nennen kann, in die Hütte. Da drin ist eine Kammer wo kein Staub zu sehen ist. Dort in der Kammer ohne Staub, spritzt Karl der Schrauber mit so einer Art Luftpistole, dunkelblaue Farbe auf das Motorrad und den Beiwagen. Das nennt man lackieren und muss jetzt ein paar Stunden trocknen. Nun noch den knallroten Sitz wieder einsetzen und festschrauben. Danach ist das Motorrad wieder wie neu und die Frau Balken hat gelernt, dass das Automotorrad gaar keines ist, sondern eben ein Motorrad mit einem Beiwagen, oder auch Gespann genannt. Da staunt die Frau Balken nicht schlecht« Max hört genau die charakteristische und flapsige Stimme Armin Maiwalds, mit der er die Mausfilme immer kommentiert. Da muss sich Max direkt nachhaltig kaputt lachen.


Starknebel auf der Autobahn

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